Das begriffsstutzige Wesen namens Mensch

Mein Buddy hat mir eine schöne Lektion erteilt.

Ein absolutes Lieblingsspiel von Buddy ist es, sich den Hula-Hoop-Reifen über den Kopf zu werfen:

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Er macht das sicher und mit großer Freude. Nun habe ich dieses Spiel lange Zeit nicht mehr mit ihm gemacht. Letztens wollte ich es dann wieder mit ihm spielen und Buddy schien es komplett verlernt zu haben. Er nahm den Reifen, den ich ihm anbot, kaum ins Maul, geschweige denn, dass er versuchte, den Reifen über seinen Kopf zu werfen. Ich clickerte die kleinsten Ansätze und konnte nicht glauben, dass er sich so gar nicht mehr an diese Übung erinnern sollte. Buddy verlor dann auch schnell das Interesse und ließ den Reifen links liegen. Ein paar Tage später versuchte ich es erneut, mit dem gleichen kläglichen Ergebnis. Ich muss zugeben, ich war wirklich enttäuscht. Wie konnte er diese Übung nur verlernt haben? Er ist doch sonst so ein schlaues Pony …

Beim Autofahren kam mir plötzlich der Geistesblitz! Es war der falsche Reifen! Wir hatten immer mit einem anderen Reifen geübt. Der Reifen, den ich jetzt mit hatte, hat abgeflachte Seiten, ist also kantig – hier auf den Fotos ist es der gelbe Reifen:

bh2 bh1Anscheinend konnte Buddy diesen Reifen einfach nicht in seinem Maul drehen. Also gab er nach einigen Versuchen auf. Bei meinem nächsten Besuch bei Buddy suchte ich nach einem anderen Reifen, einen, der keine abgeflachten Kanten hat, sondern schön rund ist (s. oben der graue Reifen) und sofort war Buddy wieder Feuer und Flamme und schmiss sich den Reifen gekonnt über den Hals! 

Tja Buddy, bitte entschuldige, dass ich an deinen Fähigkeiten gezweifelt habe! Es hat etwas gedauert, aber zum Glück bin ich dann doch noch darauf gekommen, dass mal wieder ICH schwer von Begriff war … 🙂

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16. Februar 2016 von Babette Teschen • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Spiele & Co, Verhalten 7 Kommentare »

Buch-Tipp: „Erste Hilfe am Pferd“ von Anke Rüsbüldt

„Erste Hilfe am Pferd: Notfälle beherrschen und vermeiden“ von Anke Rüsbüldt
Wentorf: Crystal, 2015. – 95 S.
ISBN: 9783958470040
ca. 17,– EUR (broschiert, durchgehend farbige Fotos)

Leider sind lange nicht alle Menschen, die mit Pferden zu tun haben, in der Lage zu erkennen, wann ein Pferd krank ist und tierärztliche Hilfe braucht, geschweige denn wissen sie, was in Notfällen zu tun ist. Und so wurde schon oft ein Tierarzt leider viel zu spät gerufen oder ein Pferd falsch versorgt … Das vorliegende Buch kann daran einiges ändern! 

Die Tierärztin Anke Rüsbüldt hat hier einen praktischen Ratgeber verfasst, der verschiedene Funktionen erfüllt: 

  • Er vermittelt, wie Sie überprüfen können, ob Ihr Pferd gesund ist.
  • Er sagt deutlich, in welchen Fällen sofort ein Tierarzt zu rufen ist und wann und wie ein Pferdebesitzer selbst Hand anlegen kann.
  • Er zeigt auf, woran sich verschiedene Erkrankungen erkennen lassen, welche Ursachen sie haben können und auch, wie sie sich möglichst vermeiden lassen. 
  • Er weist auch darauf hin, zu welchen Verletzungen es bei Pferden typischerweise kommt und wie sich Verletzungsrisiken minimieren lassen. 

Das Buch ist reich mit Bildern illustriert. Auf einigen sind zwar blutige Verletzungen zu sehen, aber in der Summe ist das Buch auch für zartbesaitete Menschen gut anzuschauen – und ein Stück weit sollte jeder Pferdebesitzer auch auf Blut vorbereitet sein. 

Ein kleiner Kritikpunkt betrifft die Vorstellung der Zwangsmaßnahmen, wie z.B. den Einsatz der Nasenbremse. So etwas kann nötig sein, aber hier hätte auch das Medical Training vorgestellt werden können, mit dem sich durch Übungen von Ernstfällen und durch den Einsatz des Clickertrainings tierärztliche Behandlungen für alle Beteiligten angenehmer und konstruktiver gestalten lassen. Auf diese Weise trainierte Pferde brauchen viel seltener Zwangsmaßnahmen und die Arbeit wird auch für den Tierarzt sicherer. 

„Erste Hilfe am Pferd“ sollte am besten in jedem Stall ausliegen, damit alle, die mit Pferden zu tun haben, wenigstens ein kleines, medizinisches Grundwissen haben, um erkennen zu können, wann ein Pferd Hilfe braucht und was in diesem Fall konkret zu tun ist. 

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9. Februar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps, Gesundheit 2 Kommentare »

Probleme bei der Freiarbeit und Lösungen dazu

Es gibt einige Probleme, die immer wieder bei der Freiarbeit auftauchen. Konkrete Anleitungen sind leider schwer zu geben, da die Freiarbeit sehr individuell ist und es oft auf Feinheiten und Kleinigkeiten ankommt, die gar nicht alle beschrieben werden können. Dennoch möchte ich in diesem Blogbeitrag versuchen, einige Gedanken zu den Ursachen von Problemen aufzuzeigen und mögliche Lösungsansätze geben. 

Fehler sind menschlich!

Gleich vorweg das Wichtigste: Wie bei jeder Arbeit mit Pferden gilt auch für die Freiarbeit der Grundsatz: nicht das Pferd macht etwas falsch, sondern der Mensch. Das zu verinnerlichen ist bei der Freiarbeit besonders wichtig, weil hier die Fehler des Menschen noch deutlich sichtbarer werden (sie können ja nicht durch Hilfsmittel kaschiert werden). 

Nun aber auch gleich die erleichternde Botschaft: Fehler bei der Freiarbeit sind vollkommen normal und ja, im doppelten Wortsinn menschlich. Es ist immer wieder eine große Herausforderung, sich einem Pferd verständlich zu machen. Während wir bei allen anderen Arbeitsformen Stricke, Zügel oder andere Möglichkeiten haben, uns (auf eine mehr oder weniger nette Art) durch direkten Kontakt mitzuteilen oder auch „durchzusetzen“, fällt das bei der Freiarbeit weg. Hier haben wir nur unsere Körpersprache, unsere Stimme und unsere Energie/Ausstrahlung und als Hilfsmittel vielleicht eine Peitsche (aber selbst der kann sich das Pferd im Normalfall durch Weglaufen entziehen – und ein aggressives Scheuchen oder gar ein Schlagen mit einer Peitsche ist in der Freiarbeit ein absolutes Tabu, da es jegliches Vertrauen zerstören kann und damit der Freiarbeit jede Grundlage entzieht). 

Für mich ist die Freiarbeit die ehrlichste Arbeit mit dem Pferd, da sie auf der Bereitschaft gegenseitigen Zuhörens und Respekts basiert. Und das muss sich jeder erst erarbeiten und ein Stück verdienen – also keine Angst vor Fehlern, aber dafür bitte viel Bereitschaft, sich selbst und das eigene Tun zu hinterfragen!  

Schauen wir uns einmal an, was alles passieren kann: 

Das Pferd hört nicht zu

Unter dieser Überschrift lassen sich eine ganze Reihe von Problemen fassen, wie z.B.: 

  • das Pferd rast und buckelt los und reagiert nicht auf den Menschen, 
  • das Pferd entscheidet über Richtung und Tempo,
  • das Pferd läuft Runde um Runde und lässt sich weder verkleinern noch irgendwie sonst erreichen, 
  • das Pferd steht am Tor und will nicht mitarbeiten
  • und ähnliches mehr.

Wie bei jedem anderen Problem auch, müssen wir zunächst die Ursache herausfinden, um zu überlegen, wie wir sinnvollerweise vorgehen können. 

Wenn das Pferd immer dann, wenn es frei gelassen wird, rast und buckelt, lässt sich vermuten, dass es nicht genug Bewegung oder alternativ Angst hat.

Zu wenig Bewegung ist in der Regel ein Problem der Haltung, manchmal nur punktuell, wenn  z.B. Dauerfrost oder Glatteis die Bewegungen der Pferde einschränken, meist aber ist es eine nicht artgerechte Haltung, wie Boxen, Einzelhaft und Mini-Paddocks. Hier kann nur eine Änderung der Haltung wirklich dafür sorgen, dass das Pferd sich nicht mehr sofort austoben muss, wenn es denn mal frei gelassen wird.

Rennt und tobt das Pferd aus Angst, ist herauszufinden, was seine Angst auslöst. Hat es Angst vor der Peitsche? Vor dem Menschen, der vielleicht unbewusst zu viel Druck macht? Hat es schlechte Erfahrungen beim Freilaufen gemacht, die immer noch nachwirken? Nur wenn wir erkennen, was dem Pferd Angst macht, können wir die Ursachen dafür beseitigen. 

Wenn das Pferd selbstständig über Tempo und Richtung entscheidet, hat der Mensch es noch nicht geschafft, auf eine gute Weise wichtig genug für das Pferd zu sein. Hier gilt es, beim kleinen Einmaleins der Kommunikation anzufangen und als Mensch z.B. erst einmal damit zu beginnen, auf eine friedliche, aber klare Weise Raum in der Halle bzw. auf dem Platz einzunehmen und so dem Pferd zu vermitteln, dass es auf ihn zu achten hat. Erst darauf lässt sich dann aufbauen.

Läuft ein Pferd einfach los und rennt Runde um Runde, ohne auf den Menschen zu achten (meist übrigens in Außenstellung), dann spult es das ab, von dem es glaubt, dass es von ihm erwartet wird. Man kann das oft bei Pferden sehen, die auf eine schlechte Weise longiert oder per Join up gearbeitet wurden. Solchen Pferden gilt es ganz behutsam und sanft zu zeigen, wie Freiarbeit aussehen kann und dass es auch eigene Ideen einbringen darf. Manchmal ist dafür viel Einfühlungsvermögen und Geduld nötig, denn solche Pferde haben große Angst, Fehler zu machen und dafür bestraft zu werden. 

Rennt oder geht das Pferd immer wieder zum Ausgang, um dort stehen zu bleiben, zeigt es deutlich, dass es kein Interesse an der Freiarbeit hat. Hier gilt es herauszufinden, ob es die eigene Ausstrahlung und Erwartungshaltung ist, die es dem Pferd schwer macht, oder fehlende Motivation oder Freude, oder ob es vielleicht einfach noch überhaupt nicht verstanden hat, worum es geht. 

Das Pferd will nicht laufen

Häufig wird auch beschrieben, dass ein Pferd gar nicht weg vom Menschen und sich auch nicht wirklich bewegen will. Das wird dann fast immer als „Faulheit“ oder „Respektlosigkeit“ gedeutet. Leider sind diese Interpretationen oft vollkommen falsch!

Die meiner Erfahrung nach häufigste Ursache für ein Kleben am Menschen bei der Freiarbeit ist die, dass das Pferd nicht versteht, was der Mensch von ihm will. Es ist verunsichert, weil der Mensch sich nicht klar ausdrücken kann. Manche Pferde reagieren darauf, indem sie losrennen, sehr viele Pferde aber bleiben einfach in der Nähe des Menschen. Und das unterstützt der Mensch dann oft noch durch unbedachtes Lob, in dem er sich freut, dass das Pferd „so kuschelig“ ist und es dann streichelt oder gar ein Leckerli gibt, weil es doch so süß ist. Wenn danach dann rüde versucht wird, das Pferd nun aber endlich wegzuschicken und zum Laufen zu bringen, kann das Tier überhaupt nicht mehr verstehen, was der Mensch eigentlich von ihm will …  

Wenn ein Pferd nicht laufen möchte, liegt das in den meisten Fällen an der Körpersprache oder Ausstrahlung des Menschen. Sehr viele bremsen die Lauflust ihrer Pferde ganz konkret durch falsche Signale oder durch die eigene (fehlende) Energie. Hier gilt es, sich der Körpersprache und -haltung, der eigenen Energie und Ausstrahlung und der Signale, die man selbst – oft unbewusst – sendet (vielleicht auch aus Angst, dass das Pferd fallen könnte, wenn es schneller wird, oder einen umrennt), bewusst zu werden. Videoaufnahmen von sich selbst leisten da eine gute Hilfe und natürlich auch das Feedback anderer, wenn sie denn den nötigen Blick dafür mitbringen.

Eine generelle Bewegungsunlust kann Ursachen haben, die außerhalb der Freiarbeit liegen: vielleicht hat das Pferd Schmerzen oder zu wenig Energie, vielleicht ist es traurig oder müde. 

Das Pferd hat keine Freude an der Freiarbeit

Hin und wieder beschreiben Leute, dass ihr Pferd bei der Freiarbeit irgendwie grimmig aussieht. Es tut zwar vielleicht alles, was gewünscht wird, hat aber angelegte Ohren, der Blick ist in sich gekehrt und es zeigt keinerlei Freude an dem Tun. In seltenen Fällen wird das Pferd sogar aggressiv, droht also zu treten oder zu beißen oder es steigt. 

Hier muss zunächst überprüft werden, ob unsere Interpretation tatsächlich richtig ist, denn wenn sich ein Pferd konzentriert, kann es durchaus ernst aussehen oder wenn es vor Freude einen Sprung macht, heißt das noch lange nicht, dass es tatsächlich nach uns schlagen wollte. Auch kann es sein, dass dem Pferd z.B. das Steigen beigebracht wurde und es denkt, dass es das tun soll. Hier ist es sehr wichtig, die Motivation des Pferdes zu erkennen, damit wir sein Verhalten nicht falsch deuten. 

Wenn wir uns aber sicher sind, dass das Pferd wirklich sauer ist, müssen wir auch hier versuchen, die Ursachen zu finden:

  • Ist es so nur bei der Freiarbeit oder auch in anderen Bereichen?
  • Hat es vielleicht körperliche Probleme, die die Arbeit schmerzhaft machen? 
  • Verbindet es Freiarbeit vielleicht mit etwas Unangenehmen (schlechten Erfahrungen o.ä.)?
  • Wissen wir, was unserem Pferd Freude macht?
  • Loben wir genug und vor allem auf eine Art, die für das Pferd auch wirklich eine Belohnung ist?
  • Fordern wir vielleicht zu viel?
  • Sind wir zu streng?
  • Darf das Pferd sich selbst einbringen oder muss es nur funktionieren?
  • Welche Ausstrahlung haben wir selbst bei dieser Arbeit?

Da wir bei der Freiarbeit ein Pferd nicht wirklich zwingen können, zeigen sich hier grundlegende Motivationsprobleme oder auch eine eventuelle Abneigung gegen Menschen oft deutlicher als bei anderen Arbeiten. Das macht es für uns Menschen nicht immer leicht, schenkt uns aber gleichzeitig die große Chance, solch verärgerte Pferde wirklich kennen und verstehen zu lernen und uns eine im Idealfall freudige Mitarbeit ehrlich zu verdienen. Ein verärgertes oder trauriges Pferd, das bereit ist, sich neu zu öffnen und einzulassen, ist eines der schönsten Geschenke überhaupt. 

Mehr Mut zum Miteinander

In der Summe glaube ich, dass die meisten Probleme in der Freiarbeit entstehen, weil wir nicht bereit sind, ein Pferd in seinem Pferdsein anzunehmen, sondern auch hier alles kontrollieren und bestimmen wollen. Aber genau das ist eben nicht Sinn der Freiarbeit.

Wer gerne mit seinem Pferd frei arbeiten möchte, sollte weniger auf das schauen, was oft so spektakulär in Videos gezeigt wird, als vielmehr bereit sein, seinem Pferd zuzuhören und mit ihm zusammen einen ganz eigenen Weg zu finden.

Wenn wir aufhören, etwas zu wollen und unsere Erwartungen und Vorstellungen darüber, wie das jetzt alles zu sein hat, loslassen, zeigen uns Pferde oft selbst, wozu sie Lust haben und wie die Arbeit aussehen kann. Das Wörtchen „frei“ deutet an, dass wir für die Freiarbeit eben auch eine Portion Bereitschaft mitbringen müssen, sich ein Stück weit vom Pferd leiten und vor allem überraschen zu lassen.

Lesetipp: Tanias Freiraum-Training


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 (Foto von Horst Streitferdt)

2. Februar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Freiarbeit, Jungpferdausbildung, Umgang 13 Kommentare »

Buch-Tipp: „Der Dressursitz“ von Anja Beran

„Der Dressursitz: Richtig sitzen. Feiner reiten. Gesunder Pferderücken“ von Anja Beran
Wentorf: Crystal, 2015. – 174 S.
ISBN: 9783958470019
ca. 40,– EUR (fester Einband mit Lesebändchen, durchgehend farbig illustriert)

Der Titel dieses großformatigen, sehr schön aufgemachten und reich bebilderten Buches hält, was er verspricht: er widmet sich in Tiefe und Breite dem Thema korrekter Dressursitz. Schnelle Tipps und Abkürzungen zu einem besseren Sitz finden sich hier nicht, sondern eine Fülle von soliden und hilfreichen Ausführungen, die deutlich machen, welch große Rolle der Sitz beim Reiten spielt. 

Das Buch gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile: Zunächst erläutert Anja Beran sehr ausführlich, wie ein guter Sitz aussieht, was Sitzfehler bewirken, welche verschiedenen Arten zu sitzen bei welchen Lektionen eingesetzt werden, wie welches Zubehör ausgewählt und eingesetzt werden soll und anderes mehr. Sie geht auf den Sitz selbst ein, auf die Handhaltung, die Einwirkung der Schenkel, auf die Atmung und erläutert auch mentale Aspekte. Anschauliche Fotos von Anja Beran und ihren Schülerinnen bei der Arbeit mit dem Pferd illustrieren das Geschriebene. Zeichnungen geben weitere visuelle Anregungen, die im Gedächtnis bleiben.

Im zweiten Teil geht es dann zur praktischen Umsetzung des zuvor Aufgezeigten, denn hier gibt es Hintergrundwissen und Übungen von einer Physiotherapeutin. Und genau das macht aus diesem Buch etwas ganz Besonderes. Es wird nicht nur auf schon fast poetische Weise aufgezeigt, wo es idealerweise hingehen soll, sondern es wird auch konkret vermittelt, wie man dort hinkommen kann. In diesem Teil wird z.B. deutlich gemacht, welche körperlichen Voraussetzung gegeben sein müssen, damit wir überhaupt einen korrekten Dressursitz erreichen können und welche Übungen uns dabei helfen, diese zu erreichen. Wieder illustrieren Fotos und Zeichnungen sehr anschaulich, was in unserem Körper bei bestimmten Bewegungen passiert und wie wir uns durch gezieltes Training nach und nach zu einem korrekten Dressursitz hinarbeiten können. 

Bei all dem Lob gibt es allerdings auch Kleinigkeiten, die, gerade weil es ein so hervorragendes Buch ist, wenigstens erwähnt werden sollten. So ist es z.B. schade, dass das Aufsteigen in diesem Buch vom Boden aus gezeigt wird und nicht, wie es so viel angenehmer und schonender für das Pferd ist, von einer Aufstieghilfe aus. Diese wird zwar erwähnt, gezeigt wird aber etwas anderes und das wird leider weiterhin für einseitig belastete Pferdewirbelsäulen sorgen. Bei den Ausführungen über den Einsatz von Sporen wird zwar darauf hingewiesen, dass diese nur für Reiter/innen mit einem losgelassenen Sitz geeignet sind und es wird auch der falsche Einsatz kritisch beleuchtet. Dennoch entsteht der Eindruck, dass Sporen unerlässlich für feines Reiten sind – wer in Anja Beran ein Vorbild sieht, wird also unweigerlich auch mit Sporen reiten wollen. Hier hätten wir uns sehr gewünscht, dass das feine Reiten auch ohne Sporen gezeigt wird, denn es ist durchaus möglich! 

Für das Buch aber gibt es von uns eine volle Leseempfehlung. Es ist ein anspruchsvolles Buch, aber genau dafür steht ja auch die Autorin: für anspruchsvolle Reiterei. Anja Beran hat sich einmal mehr als Expertin für feine und wunderschöne Reiterei bewiesen. Hoffentlich kann dieses Buch ganz viele Reiter/innen erreichen.  

 

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26. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps, Reiten 2 Kommentare »

Wie für mich gute Freiarbeit aussieht

Nachdem ich in diesem Beitrag aufgeführt habe, welche Irrtümer es zur Freiarbeit gibt, möchte ich heute zeigen, worauf es bei dieser Arbeit meiner Ansicht nach ankommt. (Alle Fotos sind wieder von Horst Streitferdt, vielen Dank dafür!)

Die Grundstimmung bei der Freiarbeit sollte ruhig und entspannt sein. 

Freiarbeit heißt nicht, sein Pferd wie wild herumtoben zu lassen, sondern das Ziel sollte immer ein ruhiges und entspanntes Arbeiten sein und das auch in den höheren Gangarten.

freiarbeit4Ein sich aufpushendes Pferd hört nicht zu und kann damit für uns gefährlich werden und läuft fast immer schlecht (siehe dazu auch weiter unten). Wirklich gemeinsam arbeiten können wir nur, wenn wir die Aufmerksamkeit des Pferdes haben und auch sein Vertrauen. Das Pferd muss also bereit und in der Lage sein, auf uns zu achten und es darf keine Angst haben – nicht vor uns, nicht vor der Peitsche oder davor mit irgendetwas gescheucht zu werden.  

Freiarbeit ist nicht immer spektakulär.

Aus dem Grundsatz, dass die Freiarbeit ruhig und entspannt sein sollte, folgt auch, dass Freiarbeit keineswegs immer spektakulär ist, sondern es kann gut sein, dass man von außen nicht viel sehen kann. Manchmal geht es z.B. nur um ganz kleine, ja, fast unscheinbare Dinge, wie z.B. die Bereitschaft des Pferdes auf eine Körperdrehung hin eine Volte zu verkleinern oder darum, auf kleinste Signale langsamer zu werden. Wildes Springen und Buckeln hat viel weniger mit Freiarbeit zu tun, als z.B. ein ruhiges Traben in guter Laufmanier. 

Die folgenden Bilder zeigen Babette in der Freiarbeit mit Ronni. Da Ronni schnell dazu neigt sich aufzuregen, nutzt Babette das Kopf tief in verschiedenen Varianten, um ihn immer wieder runterzuholen, damit er entspannen kann. Von außen sieht das nach nicht viel aus, aber für die Beziehung und das Miteinander, sind diese Phasen ganz entscheidend!

freiarbeit10 freiarbeit9Dadurch das Babette immer wieder viel Ruhe in die gemeinsame Arbeit bringt, ist es Ronni möglich, sich wirklich auf sie zu konzentrieren und z.B. sogar gelassen und aufmerksam anzugaloppieren: 

freiarbeit8Bei der Freiarbeit geht es darum, zu erspüren, wie es dem Pferd gerade geht, was es braucht und wie wir mit ihm kommunizieren können. Ein Pferd, bei dem das Adrenalin durch die Adern rauscht oder das Angst oder Stress hat, kann kaum auf Signale achten, sondern will sich abreagieren oder fliehen. Das sieht vielleicht auf den ersten Blick „ganz toll“ aus, hat aber nichts mit Freiarbeit zu tun. Es kann dann schnell für uns selbst gefährlich werden und auch dem Pferd schaden! Deshalb ist es wichtig, ohne viel Druck zu arbeiten und auch immer wieder Pausen einzulegen. 

Auch in der Freiarbeit geht es um das korrekte Laufen.

Wenn Pferde in einer Halle oder auf dem Reitplatz toben, laufen sie leider alles andere als gesundheitsfördernd, sondern so, wie sie auch in der freien Natur toben würden. Dort aber haben sie eine weite Fläche zur Verfügung, während auf einem Reitplatz oder in der Halle schon nach wenigen Metern Begrenzung kommt und das Pferd deshalb ständig Kurven laufen muss. Und hier kann man deutlich sehen, wie schief Anthony beim freien Toben in die Kurven geht: 

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Das geht stark auf die Gelenke und ist auf Dauer gesundheitsschädigend. Es ist kein Drama, wenn es an „lustigen“ Tagen mal zu solchen Bewegungsausbrüchen kommt,  aber diese sollten nicht auch noch vom Menschen herausgefordert oder provoziert werden, sondern das Ziel muss immer darin bestehen, die Energie des Pferdes in eine gute Laufmanier fließen zu lassen. 

Wie auch beim Longieren können wir dem Pferd vermitteln, dass es beim Abwenden die innere Schulter anheben und sich stellen und biegen muss, um sich nicht wie ein Motorrad in die Kurve zu werfen, sondern eher wie eine Eisenbahn auf Schienen zu sein. Petra zeigt hier, wie sie Nico an seine innere Schulter erinnert, damit er sich mehr stellt und biegt: 

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Und ebenfalls wie beim Longieren ist es auch bei der Freiarbeit hilfreich, Hilfsmittel zu nutzen, um es dem Pferd leichter zu machen, sich das korrekte Laufen zu erarbeiten. Ich selbst arbeite dafür gerne mit Dualgassen (nach Michael Geitner) und einer Quadratvolte. Auf dem folgenden Bild ist zu sehen, wie mir die Gasse dabei hilft, dass Anthony auch im schwungvollen Trab nicht nach innen driftet, sondern sein Gewicht selbstständig etwas mehr nach außen bringt. Er stellt sich nahezu perfekt selbst im Genick, um die anstehende Kurve ausbalanciert meistern zu können. 

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Und dasselbe ist hier beim Angaloppieren zu sehen – die Gassen geben Anthony die nötige Orientierung, nicht einfach im Galopp nach vorne zu preschen, sondern gesetzt anzugaloppieren: 

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Positive Verstärkung ist das A und O

Gute Freiarbeit zeigt dem Pferd, genau wie gute Longenarbeit, wie es Kurven gesundheitsschonend bewältigen kann, nämlich in Stellung und Biegung, mit der nötigen Aufrichtung und Balance. Dafür müssen wir die entsprechenden körpersprachlichen Signale geben und es dem Pferd konsequent vermitteln, wenn es seine Sache gut und richtig macht. Nur so wird das Pferd dauerhaft motiviert sein, freiwillig und freudig mitzuarbeiten.

Ich kombiniere die Freiarbeit gerne mit dem Clickertraining, da das Futterlob in den meisten Fällen die wirkungsvollste Möglichkeit ist, dem Pferd zu sagen, dass etwas prima ist. Man kann das Pferd aber natürlich auch durch Stimmlob und Streicheleinheiten bestätigen. 

Die Freude darf nie zu kurz kommen

Selbst wenn es, wie beschrieben, auch bei der Freiarbeit darum geht, sich mit dem Pferd ein korrektes Laufen zu erarbeiten, sollte auch hier die Freude nie zu kurz kommen.

Wenn unser Pferd zwischendurch mal einen eigenen Einfall, oder Lust auf etwas ganz anderes hat oder einen Freudenbuckler einlegt, dann sollten wir das nicht sofort streng unterbinden. Lachen wir doch einfach über unser Pferd und lassen es gewähren. Wir können jederzeit neu entscheiden, ob wir seiner Idee folgen oder es doch noch einmal zu einer konzentrierten Arbeit einladen möchten. Und sollte es mal einer dieser Tage sein, an denen unser Pferd den sprichwörtlichen Clown verschluckt hat, dann albern wir halt einfach mit ihm herum! In dem Wort Freiarbeit steckt das Wort „frei“ und da verbietet sich ein verbissener Anspruch von ganz allein. 

Freiarbeit ist vor allem eines: gute Kommunikation

Die Essenz guter Freiarbeit ist eine pferdegerechte Kommunikation, die zu einem achtsamen und respektvollen Miteinander von Mensch und Pferd führt. Hierbei spielen die Grundatmosphäre, die Körpersprache und die Bereitschaft, einander zuzuhören und der Versuch, einander zu verstehen, eine entscheidende Rolle. 

In einem weiteren Beitrag wird es um Probleme in der Freiarbeit gehen und wie diese zu lösen sind.

19. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Freiarbeit, Jungpferdausbildung, Umgang 3 Kommentare »

Irrtümer über die Freiarbeit

Ich bin ein großer Fan der Freiarbeit, weil sie für mich eine der schönsten Möglichkeiten ist, mit einem Pferd tatsächlich auf Augenhöhe zu arbeiten. Leider wird viel Unfug in ihrem Namen gemacht, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Unvermögen. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich einige Irrtümer über die Freiarbeit benennen und aufzeigen, wozu sie führen. (Die Fotos stammen von Horst Streitferdt aus einem Shooting für unser Buch, vielen Dank dafür!)

  • Ein Pferd einfach nur laufen und toben zu lassen, ist NICHT Freiarbeit. Viele lassen ihr Pferd in die Halle oder auf den Reitplatz, damit es sich dort austoben kann und nennen das Freiarbeit. Ein Pferd aber einfach nur toben zu lassen, hat so gut wie nichts mit Freiarbeit zu tun. 
  • Ein Pferd mit einer Peitsche durch die Halle zu scheuchen, ist NICHT Freiarbeit. Eine weitere, häufig als „Freiarbeit“ bezeichnete Aktivität besteht darin, ein Pferd in der Halle oder auf dem Reitplatz mit einer Peitsche zu scheuchen, damit es mal richtig rennt. Je phlegmatischer das Tier, desto mehr Peitschengefuchtel oder -geknalle kommt zum Einsatz. Auch das hat nichts mit Freiarbeit zu tun.
  • Ein Pferd solange rennen zu lassen, bis es müde wird und zum Menschen kommt, ist NICHT Freiarbeit. Diese angebliche Art der Freiarbeit wird von einigen großen Trainern betrieben und auch als „Join up“ bezeichnet. Hierbei wird ein Roundpen genutzt und das Pferd wird so lange zum Laufen gebracht (je nach Temperament mit mehr oder weniger Druck), bis es genug hat und sich dem Menschen zuwendet, damit er das Treiben einstellt. Auch das ist für mich keine Freiarbeit.

Die Probleme falsch verstandener Freiarbeit

Falsch verstandene Freiarbeit kann zu massiven Problemen und negativen Folgen führen. 

Gefahren für den Menschen

Es kommt häufig vor, dass temperamentvolle Pferde oder solche, die unter Bewegungsmangel leiden, vor der eigentlichen Arbeit erst einmal frei laufen gelassen werden, damit sie überhaupt händelbar werden. Ich buche das allerdings mehr unter Verzweiflungstat ab als unter Freiarbeit. 

Beim reinen Tobenlassen hat der Mensch keine Möglichkeit zur Kommunikation, da das Pferd nicht zuhört bzw. vor Aufregung gar nicht zuhören kann. Und das kann für den Menschen sehr schnell gefährlich werden. 

Zur Veranschaulichung ist hier eine Szene zu sehen, in der Anthony nicht auf mich achtet, sondern einfach losbuckelt:

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Da ich grundsätzlich nicht allzu nah am Pferd arbeite, wurde es für mich in dieser Situation nicht gefährlich und er war auch schnell wieder mit seiner Aufmerksamkeit bei mir. Aber gerade wenn Menschen noch unerfahren in der Freiarbeit sind, sind sie oft viel zu nah am Pferd oder rechnen nicht mit den zum Teil blitzschnellen Richtungswechseln, zu denen Pferde in der Lage sind. So laufen sie Gefahr umgerannt oder von Hufen getroffen zu werden. Der Fehler dabei liegt aber nicht in der Methode der Freiarbeit, sondern in der Unwissenheit und der Vorstellung, dass ein unkontrolliertes Rumtoben schon Freiarbeit ist!

Wichtig: Wenn ein Pferd sofort, sobald das Halfter abgemacht wird, das mit der Aufforderung zum wilden Herumtollen verbindet, ist bereits etwas grundlegend falsch gelaufen. Das Pferd sollte, wenn wir das Halfter abmachen, erst einmal ruhig stehen bleiben und auf unser Signal achten, das ihm sagt, ob es nun loslaufen soll oder ob vielleicht erstmal eine ganz andere Übung ansteht.

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Achtet das Pferd nicht in dieser Weise auf den Menschen, hat das nichts mit Freiarbeit zu tun! Und genau dieser Grundsatz sollte sich durch die ganze Einheit der Freiarbeit ziehen: Der Mensch muss jederzeit in der Lage sein, die Aufmerksamkeit des Pferdes auf sich zu ziehen, das Pferd zu sich rufen und Ruhe in die Sache bringen zu können. Gelingt das nicht, wird es in der Freiarbeit nicht nur schnell für den Menschen gefährlich, sondern auch für das Pferd.

Körperliche Gefahren für das Pferd

Während ein frei rennendes Pferd auf gerader Strecke meist noch ganz manierlich läuft, zeigt sich auf engerem Raum, nämlich spätestens dann, wenn es um eine Kurve muss, wie schlecht es naturgemäß darauf vorbereitet ist. 

Hier ist Anthony beim freien Galoppieren an der langen Seite des Reitplatzes zu sehen – er ist in Balance und gut aufgerichtet: 

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Und so sieht es aus, wenn er ohne Unterstützung in zu hohem Tempo um die Kurve will – er verliert das Gleichgewicht und fällt massiv nach innen. Solange der Boden griffig ist, wird die Gefahr eines Sturzes gering sein, aber Sehnen und Gelenke werden bei solchen Aktionen immer auf eine ungesunde Art belastet und können Schaden nehmen. 

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Kurze Temperamentsausbrüche dieser Art schaden in der Regel nicht, wer aber sein Pferd minutenlang Runde um Runde auf diese Weise herumrasen lässt, muss sich über gesundheitliche Schäden nicht wundern. 

Deshalb gilt: Ein Pferd in schiefer Lage im Kreis laufen oder gar rasen zu lassen ohne korrigierend einzuwirken, handelt grob fahrlässig. Und mit Freiarbeit hat das einmal mehr nichts zu tun. 

Psychische Folgen falsch verstandener Freiarbeit

Neben körperlichen Problemen, die durch ein unkontrolliertes Tobenlassen und Scheuchen von Pferden auftreten können, können Pferde, denen in der Halle oder auf dem Platz ausdrücklich jede „Narrenfreiheit“ gewährt wird, das gesunde Maß für den Respekt gegenüber dem Menschen verlieren.

Da wir Menschen Pferden körperlich unterlegen sind, ist es wichtig, dass Pferde immer gut auf uns achten. Sie müssen verstehen, dass sie einen gewissen Abstand zu uns halten sollen und uns nicht umrennen dürfen. Pferde, die regelmäßig im Beisein ihrer Menschen immer wieder wild und ohne Rücksichtnahme toben dürfen, lernen genau das nicht – im Gegenteil, sie können so regelrecht verlernen, auf den Menschen zu achten. Und das nicht einmal aus Bösartigkeit, sondern vor allem deshalb weil das Austoben lustvoll für ein Pferd ist (vor allem, wenn es sonst zu wenig Bewegung hat). Ohne kontrollierende Einwirkung steigern sich viele Pferde regelrecht in eine Euphorie darüber hinein, sich endlich ganz frei bewegen zu können, und vergessen dabei alles andere. Nur wenn der Mensch sich von Beginn an aktiv in die Freiarbeit einbringt und ein besinnungsloses Toben in vernünftige, aber dennoch für das Pferd angenehme Bahnen führt, wird das Pferd es mehr und mehr als selbstverständlich empfinden, auf den Menschen zu achten, um sich gemeinsam mit ihm zu bewegen – und das ist unerlässlich dafür, dass die Freiarbeit für den Menschen nicht gefährlich wird. 

Die andere Seite falsch verstandener Freiarbeit zeigt dann das komplette Gegenteil: Der Mensch kontrolliert jede Bewegung, jede Regung des Pferdes und erwartet 100%igen Gehorsam, sodass das Pferd rein mechanisch und ohne Freude alle Lektionen auf kleinsten Fingerzeig hin abspult. Diese Art so genannter „Freiarbeit“, die für mich eher ein Abrichten ist, wird meist mit großem psychischen (und manchmal auch physischen) Druck erarbeitet. Pferden wird dabei vermittelt, ohne Wenn und Aber zu funktionieren und auf keinen Fall eigene Ideen einzubringen oder gar einen eigenen Willen zu zeigen. Der Mensch kann dann so ziemlich alles auf Signal wie bei einer Maschine abrufen, doch mit Freiarbeit hat auch das aus meiner Sicht nichts mehr zu tun. Pferde, die so gearbeitet werden, wirken auf eine traurige Art resigniert und abgestumpft und eben genau kein bisschen „frei“.  

Fazit

Mit diesem Blogbeitrag möchte ich aufzeigen, dass viele Freiarbeit leider so gründlich missverstehen, dass sie im schlimmsten Fall damit sich selbst in Gefahr bringen und auch dem Tier massiv schaden können. 

Freiarbeit, so wie ich sie verstehe, steht für diese Punkte: 

  • Beiderseitige Freude am gemeinsamen Tun in einer konstruktiven, motivierenden und lockeren Atmosphäre. 
  • Das Erarbeiten einer gemeinsamen Kommunikation über Körpersprache und stimmliche Signale. 
  • Gemeinsames Arbeiten an Themen wie Respekt und Achtsamkeit. 
  • Einflussnahme auf die Bewegungen des Pferdes, sodass es in einer guten Manier läuft. 

Im nächsten Beitrag gehe ich noch ausführlicher auf die Umsetzung einer für mich guten Freiarbeit ein.

12. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Freiarbeit, Jungpferdausbildung, Umgang 18 Kommentare »

Enttäuscht vom eigenen Pferd?

Heute möchte ich ein Thema ansprechen, das meiner Einschätzung nach viele Pferdemenschen bewegt, das aber nur selten offen behandelt wird. Und zwar geht es um enttäuschte Erwartungen.

Beispiele

  • Silvia hat sich für viel Geld ein junges, vielversprechendes Dressurpferd aus einer bekannten Zuchtlinie gekauft. Ihr Ziel war, mit diesem Pferd sportliche Erfolge zu erzielen. Es stellt sich allerdings heraus, dass das Pferd sehr sensibel und von seinem Nervenkostüm her wenig belastbar ist. Es scheut auf den Turnierplätzen und regt sich oft so auf, dass die Prüfung abgebrochen werden muss.
  • Lutz möchte zusammen mit seiner Frau ausreiten und kauft sich einen Tinker, der als Verlasspferd angeboten wurde. Als Reitanfänger hat er noch nicht allzu viel Erfahrung mit Pferden und ist schnell überfordert, als sich der Tinker als rüpelig und futterfordernd herausstellt. An ein ruhiges Ausreiten ist kaum zu denken, da das Pferd bei der erstbesten Gelegenheit stehenbleibt und Gras frisst. Beim Spazierengehen wird Lutz durch die Gegend gezogen.
  • Andrea hat für sich und ihre Tochter ein schon etwas älteres Springpferd gekauft, da beide gerne auf die Turniere im Landkreis gehen wollen. Nach einem halben Jahr geht das Pferd lahm, der Tierarzt diagnostiziert einen Chip.
  • Danas Traum war es immer schon, einmal ein eigenes Jungpferd auszubilden. Sie kauft sich einen dreijährigen Isländer, den sie gemeinsam liebevoll und verständig mit einer Trainerin ausbildet. Trotz allem verweigert das Pferd beharrlich, geritten zu werden, indem es sich massiv gegen jeden Reiter wehrt.

All das sind offensichtliche Beispiele von Pferd-Mensch-Beziehungen, die anders laufen, als der Mensch sich das gedacht hat, und es gibt viele weitere solcher Geschichten. Verständlicherweise sind Silvia & Co enttäuscht.

Die Frage ist nur, wie gehen wir mit Enttäuschungen dieser Art um?

Manch einer wird in einem solchen Fall das Pferd verkaufen und es mit einem anderen versuchen. Andere halten an ihren Zielen fest und probieren alles Mögliche, um zu erreichen, was sie wollen. Wieder andere versuchen Kompromisse zu finden, indem sie ihre Erwartungen herunterschrauben und sehen, was möglich ist.

Auch wir hatten Erwartungen an unsere Pferde und nicht alle dieser Erwartungen wurden erfüllt. Damit sind wir ganz unterschiedlich umgegangen: wir waren frustriert und traurig, wir haben verschiedenste Methoden gewählt, um zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben und ja, auch wir haben unsere Erwartungen verändert.

Es gibt aber noch einen anderen Gedanken.

Dürfen wir überhaupt etwas erwarten?

Was für uns fundamental etwas im Umgang mit Pferden verändert hat, war die Frage, ob es eigentlich okay ist, überhaupt feste Erwartungen an unsere Pferde zu haben.

Die Frage, ob wir tatsächlich ein Recht haben, von unserem Pferd zu verlangen, was wir wollen, ist eine heikle, denn die meisten Menschen schaffen sich ja ein Pferd an, weil sie etwas Bestimmtes vorhaben: sie wollen das Pferd nutzen, also reiten, fahren, Vorführungen machen usw. Und klar, Wünsche und Träume darf jeder haben, aber eine Erwartung geht deutlich weiter: Wenn wir etwas erwarten, WOLLEN wir es, und je nach Typ und Persönlichkeit werden wir sehr viel daran setzen, es auch zu bekommen. Und genau da werden die eigenen Interessen viel zu oft auf Kosten der Pferde und häufig unter Einsatz von Gewalt verfolgt.

Meine Pferde haben mir beide auf ihre Art Lehrstücke in Sachen Erwartungshaltung geschenkt. Vor allem aber war es Anthony, der mir klar machte, dass ich kein Recht habe, von ihm etwas zu wollen, das er mir nicht geben kann oder will. Ich habe mit ihm viel erreicht – bis er sich dann entschied, immer weniger geben zu wollen. Er entzog mir nach und nach so ziemlich alles, was ich mir mit ihm und von ihm gewünscht hatte und während ich das lange Zeit als ziemlich schmerzlich empfand und auch sehr damit haderte, so erkenne ich heute, dass er mir damit etwas Kostbares geschenkt hat.

Ich habe nämlich erst durch ihn das gelernt, was eigentlich selbstverständlich für jeden sein sollte, der Pferde liebt: dass wir tatsächlich kein Anrecht darauf haben, Pferde zu etwas zu bringen, was wir von ihnen erwarten, sondern dass wir ihre Vorstellungen, ihre Persönlichkeit und ihr eigenes Sein respektieren müssen.

Es geht um ein Mitspracherecht

Es geht mir hier nicht um die immer wieder vorgebrachte Diskussion darüber, dass man Pferden ja ihren Willen nicht lassen kann, da sie sonst auf Straßen rennen oder Menschen gefährden. Ganz klar: Eine Grunderziehung muss sein, da sonst ein sicherer Umgang mit einem Pferd nicht möglich ist. Mir geht es hier um das, was darüber hinaus geht, also um alles, was wir zu unserem eigenen Vergnügen von unseren Pferden wollen.

Natürlich können anfragen und anbieten, wir können verlocken und motivieren, aber wir dürfen meiner Ansicht nach Pferde nicht zwingen – nicht zum Reiten, nicht zum Springen, nicht zu Zirkuslektionen usw. Vor einiger Zeit hätte ich das sicher noch etwas anders gesehen und hätte damit argumentiert, dass ein Pferd ja auch wegen der Gesunderhaltung trainiert werden muss und dass ja das, was ich vorhabe, eben auch gut fürs Pferd sei … Heute weiß ich, dass diese Argumente zu einem großen Teil dafür dienten, dass ich mein Ding durchziehen und meine Erwartungen nicht loslassen wollte.

Ein Pferd wirklich zu lieben, bedeutet für mich heute, ihm ein ganz klares Mitspracherecht einzuräumen, es anzunehmen wie es ist und auch zu akzeptieren, wenn es meine Erwartungen nicht erfüllt. Pferde sind eben genau nicht dafür da, sondern Pferde sind einfach nur Pferde. Wenn wir von einem Pferd enttäuscht sind, ist es nicht sein Fehler, sondern die Ursache liegt bei uns, in unseren Erwartungen. Wenn wir bereit sind, sie loszulassen, können wir unser Pferd so wertschätzen, wie es ist.

anthony2

4. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 26 Kommentare »

Was sich Pferde von uns wünschen würden

Nicht nur, aber gerade passend zur Weihnachtszeit oder für die guten Vorsätze im nächsten Jahr, könnten wir einmal versuchen, die Idee, die Welt aus Pferdeaugen zu sehen, ganz praktisch umzusetzen. Dafür habe ich mir eine kleine Übung ausgedacht:

Eine Übung zum Fühlen

Geht in diesen Tagen einmal ganz bewusst zu Eurem Pferd, nur um diese Übung auszuführen. Nehmt Euch für diesen Tag nichts weiter vor mit Eurem Pferd. Wählt möglichst einen Zeitpunkt, an dem nicht allzu viel los ist im Stall, damit Ihr für eine Weile ungestört sein könnt. Plant mindestens eine halbe Stunde für diese Übung ein.

Begrüßt Euer Pferd und stellt Euch dann an den Zaun (oder, sollte es in einer Box stehen, an die Boxentür), um es einfach nur zu beobachten. Schaut bei dem zu, was es tut und fühlt Euch in Euer Pferd hinein. Lasst Euch ganz ein auf diesen Moment, ohne etwas zu wollen, ohne etwas zu erwarten, und ohne etwas von Euch selbst zu fordern. Widersteht auch der Versuchung, mit dem Pferd zu reden, es zu locken oder anzufassen. Es geht darum, für einige Augenblicke nichts tun, sondern einfach nur da zu sein mit Eurem Pferd.

Gebt Euch ein bisschen Zeit und brecht möglichst nicht gleich schon nach einigen Minuten ab, weil Ihr glaubt, dass es da nichts weiter zu sehen oder zu spüren gibt. Es braucht eine Weile, um sich einlassen zu können. Lasst Eure Gedanken fließen, im Stillstand rattert unserer Denkmaschine oft besonders laut. Versucht, all die vielen Gedanken einfach im Hintergrund laufen zu lassen, und lasst Euch auf das Fühlen ein. 

Schaut Euer Pferd ganz aufmerksam und offen an – Euer Pferd als Ganzes und auch die vielen kleinen Details. Versucht, nicht zu bewerten oder einzuordnen („Oh, wie sehen denn die Hufe aus!“ oder „Er ist einfach zu fett!“ usw.), sondern nehmt mit einem staunenden Herzen das Lebewesen wahr, das dort ist.

Noch ein kleiner Tipp: Tut für diese Übung so, als wüsstet Ihr nichts von diesem Pferd und lasst nur das wirken, was Ihr in diesem Moment spüren könnt.

Und dann stellt Euch ganz behutsam diese Frage:

Wenn es sprechen könnte,
was würde sich dieses Pferd
wohl von mir wünschen?

pferdewuensche

Wenn Ihr mögt, dann teilt gerne Eure Erfahrungen hier mit uns und anderen.

1. Dezember 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Übungen, Umgang 9 Kommentare »

Was ist Gewalt, die zweite – psychische Gewalt gegen Pferde

Vor einiger Zeit hatten wir uns mit der Frage, was Gewalt ist, befasst. Dabei hatten wir einen Bereich ausgespart, da er so vielschichtig ist, dass wir ihm einen Extra-Beitrag widmen wollten: und zwar geht es um die psychische Gewalt.

Psychische Gewalt ist selten offensichtlich

Gewalt gegen Pferde findet nicht nur statt, wenn geschlagen, am Zügel gerissen oder getreten wird. Sehr häufig wird Gewalt gegen Pferde viel subtiler angewandt, oft sogar so subtil, dass viele nicht erkennen, dass das Pferd in Not ist. Bei einem Fluchttier ist es leider relativ einfach, psychische Gewalt anzuwenden, weil es von Natur aus vor vielem Angst hat.

Das große Problem beim Thema psychische Gewalt ist dieses: sie lässt sich noch weniger fassen als körperliche Gewalt, da sie schwer zu definieren, dafür umso leichter zu tarnen ist, was dazu führt, dass sie viel schwieriger zu erkennen ist. Während man in der Diskussion darüber, was Gewalt gegenüber Pferden ist, bei körperlicher Gewalt zumindest ab einem gewissen Grad kaum noch Widerspruch erhält, wird man bei der Beurteilung von psychischer Gewalt kaum einheitlich akzeptierte Maßstäbe finden, sondern man gerät statt dessen sehr schnell in erbitterte und meist hoch emotionale Diskussionen.

Wir denken, dass auch hier wieder nur jeder für sich seinen eigenen Standpunkt finden muss, und zwar auf der Grundlage dieser Faktoren: 

  • unser Wissen über das Wesen von Pferden,
  • unseren persönlichen ethisch-moralischen Grundsätzen,
  • unseren gesunden Menschenverstand und
  • vor allem auch unserem Bauchgefühl.

Viel zu oft lassen wir uns durch blumige Worte, spektakuläre Aktionen oder durch eine charismatische Persönlichkeit beeinflussen, anstatt selbst hinzuschauen, selbst zu denken und vor allem selbst zu fühlen

Wir möchten an dieser Stelle nicht unsere eigene Ansicht schildern, sondern einige Situationen aufführen und Sie dazu anregen, diese gleich einmal nachdenkend, reflektierend und fühlend zu nutzen:

Das erste Aufsteigen

Ein junges Pferd, vielleicht dreieinhalb Jahre alt, wird in seiner Box gesattelt und gezäumt. Es stehen drei Helfer bereit, damit ein Reiter das Pferd in der Box (3x4m) erstmals besteigen kann. Zwei halten das Pferd am Kopf, einer hilft dem Reiter hinauf. Das Pferd wird dabei nicht geschlagen oder grob behandelt. Es kann allenfalls einen oder zwei Schritte zur Seite oder nach hinten machen.

Psychische Gewalt oder nicht?

Den Blick nehmen

Ein Pferd wird so trainiert, dass es den Kopf so tief tragen muss, dass die Nase Richtung Brust geht (dieser Akt dürfte für die meisten von uns durchaus unter körperliche Gewalt fallen, andere sehen aber bereits das anders…). Das Pferd hat keinerlei Möglichkeit mehr, seine Umwelt in der für es gewohnten Weise wahrzunehmen. Pferde können durch ihre seitlich liegenden Augen normalerweise fast alles um sich herum sehen und das auch in weiten Entfernungen. Ein Pferd, das mit der Nase an seiner Brust klebt, sieht fast nichts mehr.

Zusätzlich zur physischen auch psychische Gewalt oder nicht?

Alleinhaltung

Ein Pferd wird in einem privaten Stall in einer Box gehalten. Es hat keinen Kontakt zu Artgenossen und kommt auch nicht heraus. Ihm stehen rund 12 Quadratmeter zur Verfügung. Hin und wieder wird es zum Reiten herausgeholt.

Neben der physischen Gewalt auch psychische oder nicht?

Futterentzug

Ein Pferd macht bei der abendlichen Kraftfuttergabe im Boxenstall Randale. Es tritt gegen die Box und giftet aggressiv nach Mensch und Pferd. Deshalb wird ihm kein Kraftfutter gegeben. Dadurch soll es lernen, sich zu benehmen.

Psychische Gewalt?

Das Laufen im Kreis

Ein Pferd wird auf einer Messe vor tausenden Menschen unter Flutlicht in einen Round Pen gebracht, also in einen eingezäunten Kreis mit ca. 16-20m Durchmesser. In der Mitte des Round Pens steht ein Mensch mit einem Seil. Das Pferd befindet sich also in einer für ihn fremden Umgebung, es gibt unzählige von Lichtreizen und Geräuschen, nichts ähnelt seinem gewohnten Leben. Es sind keine anderen Pferde da, nur ein dem Pferd unbekannter Mensch. Der Raum, den das Pferd zur Verfügung hat, ist ein Kreis, es gibt keine Ecken, in die es sich stellen kann, keine Ausweichmöglichkeit. Natürlicherweise rennt das Pferd los, vor allem dann, wenn z.B. ein Seil nach ihm geworfen wird. Es wird vielleicht wiehern und es wird rennen und rennen. Irgendwann wird das Pferd müde werden oder es begreift, dass es nicht wegkommt, egal wie lange es noch weiterrennt. Dann wird es tun, was seine einzige Möglichkeit in dieser Situation ist: sich dem Menschen in der Mitte zuzuwenden. Das Pferd wird nicht angefasst, es erlebt kein Ziehen am Halfter oder Zaumzeug, es wird nicht geschlagen.

Psychische Gewalt oder nicht?

Das Aussacken

Ein Pferd soll lernen, dass ein Klappersack nichts ist, vor dem es Angst haben muss. Der Mensch zeigt dem Pferd den mit leeren Blechdosen gefüllten Sack und versucht, es damit zu berühren. Das Pferd weicht vor dem Sack, aber es kommt nicht weit, da der Mensch es am Strick festhält. Der Mensch geht solange auf das Pferd zu, bis es die Berührung duldet.

Psychische Gewalt oder nicht?

Wir möchten die Frage jeweils bewusst offen lassen, damit Sie hier in der Kommentarfunktion Ihre Gedanken dazu äußern und diskutieren können. Wir sind gespannt auf Ihre Reaktionen. (Bitte bleiben Sie konstruktiv. Destruktive oder unangemessene Beiträge werden umgehend entfernt).

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24. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Umgang 17 Kommentare »

Die Welt durch Pferdeaugen sehen

 Letzte Woche haben wir diese Inspiration bei Facebook eingestellt:

inspiration_wege-zum-pferd_3k

Die Aussage wirkt fast trivial, denn es wird kaum jemanden geben, der da nicht zustimmt, oder? Aber wie sieht es damit in der Praxis aus? Im Alltag mit unserem Pferd? Wie oft und wie intensiv versuchen wir da, uns in unser Pferd hineinzudenken und vor allem hineinzufühlen?

  • Angenommen unser Pferd hampelt aufgeregt neben uns, wenn wir aufsteigen wollen und tritt uns dabei auf den Fuß – versuchen wir in dieser Situation auch, die Welt durch die Augen unseres Pferdes zu sehen?
  • Oder wir möchten endlich mal einen runden Zirkel hinbekommen und nicht immer nur ein Ei – wie sieht es hier mit der Frage aus, wie unser Pferd wohl gerade die Welt sieht?
  • Oder unser Pferd scheut im Gelände zum gefühlten 195. Mal an derselben Bank, bleiben wir auch dann noch bei unserem Pferd?
  • Oder wir können zum 20. mal hintereinander den Führstrick aus dem Maul unseres Pferdes holen, weil es immer und immer wieder darauf herumkaut – was macht das mit unserer Bereitschaft, unser Pferd zu verstehen?
  • Und was, wenn unser Pferd uns zum fünften Mal in Folge den Huf wegzieht und uns zur Seite drängelt – versetzen wir uns da auch noch in unser Pferd hinein?

Beispiele wie diese lassen sich endlos viele finden. Für die meisten von uns ist es kein Problem, sich in ein Pferd hineinzuversetzen, wenn es freudig in seiner Herde über die Wiese tobt, genüsslich in der Sonne döst oder gerade Fellpflege mit einem anderen Pferd macht. Viel schwieriger wird es, dieselbe Bereitschaft zum Einfühlungsvermögen im Alltag aufzubringen, wenn unser Pferd die Mitarbeit verweigert, „widersetzlich“ ist oder uns mit seinem Verhalten nervt.

Menschenalltag versus Pferdealltag

Die große Herausforderung besteht wohl darin, dass wir Menschen ein grundsätzlich und komplett anderes Leben führen als unsere Pferde. Und da treffen dann oft die sprichwörtlichen Welten aufeinander.

Wir Menschen kommen ja immer aus unserem eigenen Alltag heraus zum Pferd, das nichts weiß von Leistungsgesellschaft, Geldsorgen oder Beziehungsstress und so bringen wir – bewusst oder unbewusst – meist ein ganzes Bündel von Erwartungen mit:

  • Wir wollen uns z.B. entspannen und Spaß haben, weil unser Tag einfach nur frustrierend war,
  • wir möchten unsere Sorgen loslassen, die uns das Leben gerade so schwer machen und einfach mal an nichts denken,
  • oder wir wollen vielleicht unbedingt eine bestimmte Lektion hinbekommen und damit die anderen aus dem Stall beeindrucken,
  • wir wollen endlich mit dem Training vorankommen, damit die abgebauten Rückenmuskeln wiederkehren oder sich das Gewicht reduziert,
  • wir hören von anderen, dass uns unser Pferd auf der Nase herumtanzt und wir uns endlich mal durchsetzen sollen
  • und so weiter und so fort.

Unser Pferd hingegen

  • hatte vielleicht gerade Ärger mit einem Kumpel in der Herde,
  • oder es stand die ganze Zeit gelangweilt auf einem Einzelpaddock und wusste nichts mit sich anzufangen,
  • oder es liegt ein seltsamer Geruch in der Luft, von dem es nicht weiß, ob der gefährlich ist oder nicht,
  • oder es zwackt seit gestern bei jedem Schritt etwas in der Wirbelsäule,
  • vielleicht ist es müde,
  • vielleicht ist es aufgedreht,
  • vielleicht freut es sich, uns zu sehen, weil es auf einen Ausritt hofft,
  • vielleicht möchte es am liebsten auch einfach nur eine Möhre und seine Ruhe …

Wenn Mensch und Pferd nun aufeinandertreffen, sind Interessenkonflikte leider unvermeidlich. Nach der herkömmlichen Denkweise gehen viele davon aus, dass das Pferd zu gehorchen und zu funktionieren hat und so kommt es immer wieder zu den unschönen Bildern, in denen der Mensch seinen Willen durchsetzt.

Um das zu vermeiden, ist viel Selbstreflexion nötig.

Einfühlungsvermögen erfordert, die eigenen Erwartungen zurückzustellen

Wünsche und Erwartungen zu  haben, ist menschlich, sie um jeden Preis durchsetzen zu wollen, leider nicht. Die Idee, sich in sein Pferd hineinzuversetzen, ermöglicht uns, einen Schritt neben uns selbst zu machen und unsere eigenen Vorstellungen für den Moment loszulassen. Dazu können wir uns so etwas fragen, wie:

  • Wie geht es meinem Pferd gerade jetzt in diesem Moment?
  • Was geht wohl gerade in meinem Pferd vor?

Und eine weitere, sehr gute Frage ist diese:

  • Würde ich ein Mensch-Pferd-Paar in der Situation beobachten, in der ich gerade bin, was würde mir auffallen und was würde ich für einen Rat geben?

Die Welt mit den Augen unseres Pferdes zu sehen, ist nicht nur eine theoretische Einladung, den eigenen, oft begrenzten Handlungshorizont zu erweitern, sondern es ist eine zutiefst praktische Maßnahme für ein pferdegerechtes Miteinander. Indem wir mehr wahrnehmen als unser eigenes Wollen, erweitern wir unseren Blick und erkennen mehr:

  • nämlich z.B. die Not unseres Pferdes, wenn es Angst hat oder überfordert ist,
  • dass es gerade nicht versteht, was von ihm gewollt wird,
  • die Stimmung und Laune in der es gerade ist, also z.B. übermutig, gereizt oder hungrig
  • und vieles mehr.

Der eigentlich recht kleine Schritt, sich für einen Moment in das Pferd zu versetzen, kann ganz Wesentliches im Umgang verändern. Es ist ein Schritt hin zu Wertschätzung und Respekt und damit hin zu gelebter Pferdeliebe.

pepe

17. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 9 Kommentare »

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