Was ist Gewalt?

Auf unseren offenen Brief hin haben wir viele tolle Reaktionen bekommen – und wir haben damit an vielen Stellen Diskussionen zum Laufen gebracht. In diesen Diskussionen taucht immer wieder ein Punkt auf, der uns bitter aufstößt: und zwar der Einwand, man müsse ja erstmal definieren, was Gewalt eigentlich ist…

Muss man das wirklich? Sollte nicht eigentlich ziemlich klar sein, was Gewalt ist und was nicht? Tja, und damit sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt: In der Pferdewelt scheint sich nämlich leider der Gewaltbegriff auf eine sehr ungute Art verschoben zu haben und das mit all den schlimmen Folgen, die man tagaus, tagein in der Reiterwelt sehen kann. Während wohl jeder von Gewalt gegen das Tier sprechen würde, wenn jemand ein Kaninchen schlägt, eine Katze tritt oder einem Hund mit einem Metallteil im Maul den Kopf auf die Brust ziehen würde, sind das bei Pferden ganz normale Vorgänge…

Nun werden viele rufen: Das kann man doch nicht vergleichen! Aber genau das ist der entscheidende Punkt: Warum kann man das nicht vergleichen?

Es geht uns hier nicht um Polemik, sondern wir halten die folgenden Fragen für unerlässlich in der Diskussion um den Gewaltbegriff:

  • Warum sollen bei Pferden andere Maßstäbe und Regeln gelten als sonst?
  • Warum soll es „erlaubter“ oder moralisch weniger verwerflich sein, Gewalt einem Pferd gegenüber anzuwenden als anderen Tieren?
  • Warum finden es fast alle normal, dass Reitanfängern im Reitunterricht oft regelrecht beigebracht wird, wie man zuschlägt, damit „ein Gaul vorwärts geht“ (und dergleichen mehr), obwohl so ziemlich jeder, der das die ersten Male sieht, das als brutal und falsch empfindet?
  • Warum gewöhnen wir uns so schnell an Gewalt und finden uns in Pferdeställen mit einer Gewaltpräsenz ab, die in Tierheimen zu Skandalen und Schließungen führen würden?
  • Warum lassen wir zu, dass unsere eigene Definition von Gewalt im Zusammensein mit Pferden plötzlich zum Gummi-Begriff wird und wir mehr und mehr abstumpfen?

Weil Pferde größer sind? Weil Pferde „gefährlicher“ sind? Weil Pferde oft nicht tun, was wir wollen? Weil man ja „Gründe“ hat, das zu tun, denn man bezweckt schließlich etwas damit? Weil man es „eigentlich“ gut meint und Pferde doch „eigentlich“ liebt? Weil wir „ein Recht“ darauf haben, dass Pferde tun, was wir wollen? Weil es (angeblich) „nicht anders geht“?

All das sind Gründe, die immer wieder für den Einsatz von Gewalt angeführt werden. Und alle liegen beim Pferd. Unsere Ansicht dazu ist, dass die Gründe aber vor allem bei uns selbst liegen: Hinter all den vielen Entschuldigungen oder Begründungen für den Einsatz von Gewalt an Pferden steckt ganz oft unsere Hilflosigkeit. Oder unsere Unwissenheit. Oder unsere Emotionen. Oder unser verdammt schlechtes Gewissen. Und meistens sogar alles zusammen (… und ja, wir wissen leider aus eigener Erfahrung, wovon wir sprechen).

Interessanterweise sind die meisten Menschen viel schneller bereit, Gewalt bei anderen zu erkennen und zu benennen als bei sich selbst – spätestens das sollte nachdenklich machen, oder nicht?

Fehler zu machen und auf Irrwege zu geraten, ist menschlich und im Affekt etwas zu tun, das wir später bereuen, ist auch menschlich. Aber Fehler, wie wiederholte und systematische Gewalt und Misshandlungen an Tieren damit entschuldigen zu wollen, dass man das ja „tun muss“, ist aus unserer Sicht unmenschlich, denn das zeugt nicht nur von einem Unvermögen zur Selbstreflexion, sondern auch von fehlender Empathie und mangelnder Ethik.

Hören wir doch endlich damit auf, den Gewaltbegriff bei Pferden anders zu definieren als sonst, damit auch in Pferdeställen die „normalen“ moralischen Maßstäbe greifen können. Denn die sind nötig, damit Pferde nicht länger misshandelt werden, nur damit sie tun, was wir wollen. Gestehen wir uns endlich ein, dass wir oft überfordert und hilflos sind, weil wir einfach nicht gelernt haben, wie man gewaltfrei mit Pferden kommunizieren und umgehen kann. Stellen wir uns unseren Schuldgefühlen und unserer Scham mit dem Ziel, es in Zukunft besser zu machen. Seien wir bereit, dazuzulernen, damit wir nicht länger behaupten müssen, dass Pferde mit Gewalt behandelt werden „müssen“, denn es gibt viele Alternativen zum Einsatz von Gewalt. Ja, es geht auch anders! Gewalt ist und bleibt Gewalt, ob Pferd oder nicht, und Gewalt ist und bleibt falsch.

Ganz praktisch heißt das:

  • Inne halten, wenn etwas nicht so läuft, wie wir es wollen und nicht einfach automatisch so reagieren, wie immer.
  • Nicht einfach von anderen übernehmen, wie ein Pferd angeblich behandelt werden muss, sondern einen eigenen Weg finden, der den persönlichen Vorstellungen und vor allem auch Moralansprüchen entspricht.
  • Uns immer fragen, was die Ursache sein kann, wenn ein Pferd nicht tut, was wir wollen, denn Pferde haben immer einen Grund für ihr Verhalten.
  • Den Fehler nicht grundsätzlich beim Pferd suchen, sondern immer erstmal bei uns selbst, also das eigene Verhalten, Wissen und Können selbstkritisch hinterfragen.
  • Rat und Hilfe bei Menschen suchen, die einen gewaltfreien Umgang mit Pferden leben.
  • Pferde verstehen lernen und eine pferdegerechte Kommunikation finden.
  • Und immer wieder neu: dazulernen, dazulernen, dazulernen.

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11. August 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Umgang 18 Kommentare »

 

18 Reaktionen zu “Was ist Gewalt?”

 

Von Andreas Werft • 11. August 2015

Sehr gut und so treffend geschrieben!

Dieser offene Brief sollte in jedem Reitstall in Sichthöhe für groß und klein hängen und nicht nur zum nachdenken anregen sondern auch zum besser machen.

Ich bekenne mich zur „gewaltfreien“ und respektvollen Arbeit mit dem

Wer das auch tut teilt diesen Brief um dazu beizutragen das sich endlich etwas ändert!

Andreas Werft

 

Von Simone Probst • 11. August 2015

Super Bericht!
Was früher ein Tabuthema war kommt heute immer öfter zur Sprache.
Man hat die Gewalt Anwendung beim Pferd einfach von den Reitschulen übernommen in dem Glauben es sei der einzige Weg sich beim Pferd Respekt zu verdienen mit der Begründung das Pferde unter sich nicht anders miteinander umgehen und der Ranghöchste sich auch mit blosser Gewalt durchsetze!!!
Nun wie man nach Jahrzehnte langer Studien und Beobachtung nun weiss entspricht diese Idiologie doch nicht der Wahrheit und hat zur Folge das nun doch ein Umdenken statt findet!
Hoffen wir das wir in der Lage sind eine Gewaltfreie Beziehung im Umgang mit dem Pferd aufrecht erhalten und dem Nachwuchs dies weiter geben können…
Simone Probst

 

Von Heike Bester-Dassler • 11. August 2015

Ein guter Artikel. Hier meine Gedanken zu dem Thema.
Ich glaube das Thema Gewalt in der Reiterei hat viel tiefere Ursachen. Warum übernehmen Menschen so schnell die Gewalt am Pferd von ihren Vorbildern? Das Problem ist nicht alleine auf die Reiterei zu reduzieren. Ich glaube die Ursache liegt darin, dass die älteren Generationen noch mit der Prügelstrafe aufgewachsen sind, die nachfolgende Generation ist noch damit aufgewachsen, mal ein Klaps ist ja nicht so schlimm. Als Ursache sehe ich die körperliche und psychische Gewalt, die in vielen Familien früher normal war und heutzutage vermutlich immer noch öfter bei der Erziehung geschlagen wird, als man glaubt. Wer in der Kindheit geschlagen wurde hat eine wesentlich niedrigere Hemmschwelle ebenfalls zuzuschlagen, als jemand der nicht geschlagen wurde. Wen das interessiert, es gibt gute Bücher von Alice Miller zu diesem Thema. Erst durch Selbstreflektion kann man zu dem Schluß kommen, dass Schlagen nicht in Ordnung ist. Die niedrigere Hemmschwelle bei geschlagenen Kindern ist leider weiterhin vorhanden. Der Täter war einst selbst ein Opfer von Gewalt.

 

Von Kelly • 11. August 2015

Hallo Babette, hallo Tania,

vielen Dank für diese nachdenklich stimmenden Zeilen, die aufrütteln.

Herzliche Grüße. Kelly

 

Von Familienaufstellungen Pferde Angelika • 11. August 2015

Ich habe selbst 3 Pferde, die sind aber alle etwas wild für meine kleine Tochter (10J). Wir begannen hier im Reitverein mit einer neuen Reitlehrerin. Longenstunden waren prima, schon am Anfang in der Abteilung begann es unerfreulich. Sie war überfordert so schnell so viel. Sommerferien kamen. Wir waren auf einem Ponyhof, Respekt, Wertschätzung und guter Unterricht stand im Vordergrund.
Zu Hause erste Stunde im Reitverein, Satz der Reitlehrerin: Tret jetzt mal rein, der muss laufen – später: Jetzt hau ihm mal einen auf den Frack. Als sie dazu noch lachte, wurde meine Tochter käseweiß.
Auf der Rückfahrt ihr erster Satz: Hier reite ich NIE wieder. Dieser Umgang gefällt mir nicht!
Jetzt stehen wir WIEDER vor dem nichts, war schon der 4. Versuch, aber es ist ehrlicher!
Ich bin seit 22 J als Psychologin und Homöopathin, die Ursache sehe ich genau wie Heike Bester-Dassler. Ich war in den ersten Jahren entsetzt, WIEVIELE Menschen Gewalt und Demütigung erlebt haben.
DANKE für den Artikel.

 

Von Christine Köneke • 11. August 2015

GEWALT gegen Pferde ist auch nichts anderes als Gewalt gegen unser „Nahrungsmittel“ Tier,mit dem Unterschied,dass Reiter der irrigen Ansicht sind,Tierliebe zu praktizieren,weil sie ja die „unterhaltskosten“ fürs Pferd tragen und es ja schließlich lebt,“verwöhnt“ mit.teuren halftern und bunten bandagen und ähnlichen.Die einzige Möglichkeit,dies zu ändern,ist immer wieder,selbst zum Vorbild werden,reitschüler auszubilden ohne profitgier,vormachen und Überzeugungsarbeit leisten.Ich bilde seit vielen jahren unentgeltlich Jugendliche aus,oftmals mit dem Erfolg,dass sie irgendwann ihr eigenes Pferd haben und damit dann respektvoll umgehen.Viele könnten das tun,statt nur zu debattieren.

 

Von Geri Brun • 11. August 2015

BRAVO!

 

Von Sophia • 12. August 2015

Auch ich finde den Bericht sehr treffend und auch ich arbeite daran mich gewaltfrei zu verhalten und es gelingt mir immer besser. Jetzt habe ich aber eine Frage dazu. Wie sieht Konsequenz aus von der oft gesprochen wird. Ist ein druck durch ein Knotenhalfter nicht auch schon Gewalt? Schließlich ist auch das für das Pferd unangenehm oder nicht? Und oft hatten wir bei uns in der Stallgemeinschaft das Thema und dann bekam ich oft zu hören „Pferde untereinander treten und beißen sich auch um sich Respekt zu verschaffen. Wir haben es bei uns in der Herde beobachtet und tatsächlich hat der Herdenchef sich durchgesetzt indem er gebissen hat. Wenn ich mein Pferd beißen würde, wäre das für mich aber ja auch schon Gewalt.
Was sagt ihr dazu?
Ein Beispiel: Das Pferd einer Bekannten ist früher auf sie losgegangen. Sie hatte laut Trainer die Wahl, sie oder das Pferd. Also hat sie sich „gewehrt“ heute sind sie ein Herz und eine Seele. Sie hat mir mal erklärt, dass Pferde ein erst dann als Leittier akzeptieren, wenn sie Respekt vor einem haben und auch dann Vertrauen Pferde erst.
Ich rede nicht davon das Pferd grün und blau zu schlagen, aber solange er auf sie losgeht, geht sie auch mit Gerte/Strick auf ihn los, bis er nachgibt. Nach eurem Bericht ist das auch Gewalt. Was ist also richtig und was falsch? Ich fande ihre Begründung verständlich. Bin aber auch der Meinung dass man Pferde nicht schlagen soll! Wie sieht in so einem Fall der andere Weg aus?
Ich bin gespannt auf eure Meinung. Eure verwirrte Sophia

 

Von Eva • 13. August 2015

Das Thema hört sich erstmal so einfach an – klar, ist Gewalt im Umgang mit Tieren nicht in Ordnung. Die Differenzierung finde ich manchmal auch schwierig. Bei Treten, Schlagen, Beißen, am Strick zerren, Herumbrüllen etc. finde ich es noch einfach – das ist für mich Gewalt, respektlos, unwürdig und überflüssig. Schwierig wird es auch für mich bei den vielen verschiedenen Pferdetypen und Details. Ist es respektlos und gewalttätig, wenn ein Pferd keine Eigeninitiative zeigen darf und (buchstäblich) für jeden selbst unternommenen Schritt bestraft wird, z. B. durch energisches Rückwärtsrichten? Ich finde ja.
Bei dem Beispiel von Sophia würde ich sagen: Es ist ok, ein agressives Pferd auf Abstand zu halten, indem man z. B. vor sich energisch mit der Gerte im eigenen Individualraum „herumwischt“ – nicht aggressiv gegen das Pferd gerichtet, sondern zum Schutz des eigenen Raums. Ein aggressives Zurückschlagen, ist für mich auf jeden Fall Gewalt.

Ich würde ja am liebsten eine Beziehung zu meinem Pferd haben, die auf totaler Freiwilligkeit und gegenseitigem Einverständnis beruht. Davon bin ich aber leider doch recht weit entfernt. Meistens ist es doch eher so, dass ich mir vieles erarbeiten muss – ohne Gewalt, sondern mit viel Geduld, Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Selbstreflexion. Aber vermutlich ist das normal, wenn es das 1. eigene Pferd ist, man sich noch nicht so lange kennt und meine Vorstellung ist eher ein Ziel, das am Ende eines langen gemeinsamen Weges stehen kann?

Meistens versuche ich komplett auf Motivation und Freiwilligkeit zu bauen. Manchmal scheint es meine Stute aber auch zu verunsichern, wenn ich für alles Verständnis habe und immer versuche Rücksicht zu nehmen. Gestern hat sie z. B. überall Gespenster gesehen und ist immer wieder zur Salzsäule erstarrt. Mit abwarten, Tellington-Touches etc. war nichts zu machen. Erst als ich ihre Aufmerksamkeit aktiv eingefordert und sie mit Energieimpulsen (kein Druck, die Unterscheidung finde ich wichtig) dazu gebracht habe, sich auf die von mir gestellten Aufgaben einzulassen, kam sie aus ihrer Erstarrung heraus, konnte sich einlassen und später auch entspannen. Vielleicht brauchte sie in dem Moment einfach kein Verständnis, sondern meine Überzeugung, dass ihr nichts passieren wird und wir jetzt ohne Bedenken die Aufgaben gemeinsam machen können. Aber auch das ist vermutlich kein Patentrezept, sondern man muss immer wieder spontan in der Situation schauen, was am meisten Sinn macht, was das Pferd braucht und was funktionieren kann. Mal ist es eine Clickereinheit, mal mehr Energie, mal mehr Ruhe, mal eine klarere Körpersprache meinerseits, manchmal hilft auch nur Abbrechen und es ein anderes Mal neu probieren. Für einen „Kopfmenschen“ wie mich, der gern in Konzepten denkt und gern Lösung 1-3 für Problem xyz hätte, eine große Aufgabe;-). Bei all dem steht aber immer fest, dass ich keine Gewalt und möglichst keinen Druck anwenden möchte – und wenn ich mich nach einer Einheit mit meinem Pferd schlecht oder unzufrieden fühle, weiß ich, dass tatsächlich etwas nicht so gut gelaufen ist und ich denke darüber noch, was es war und was ich hätte anders machen können.

 

Von Claudia • 17. August 2015

Liebe beide,
erstaunlich dass ihr berichtet dass auf den offenen Brief doch einige Anfragen zur „Definition“ von Gewalt gestellt wurden. Wer eine Definition braucht, kann ihm Duden schauen.
Da es in unserem kleinen Stall so etwas wie Gewalt gegen das Pferd eigentlich so gut wie gar nicht gibt bin ich doch geschockt wenn man sich eure Beispiele vor Augen führt. Es wäre ein Unding einem Hund oder einer Katze eine Tritt zu versetzen (und Gott sei Dank) aber beim Pferd scheint das weniger starke Emotionen hervor zu rufen.
Ob es daran liegt dass Pferde schlicht durch ihre Grösse eine derartige „aktive Verteidigung“ hervorrufen? Wo doch das aber das Pferd ein Beutetier ist und der Hund und die Katze ein Jäger?
Und wie ist es beim Umgang mit Tieren ähnlicher Grösse? Wird gegen Kühe auch eher Gewalt verübt um sie dort hin zu bringen wo man sie haben möchte? Ist es vielleicht Angst vor der Grösse und Kraft der Tiere?
Am Ende ist der Grund dafür eigentlich egal! Es darf einfach nicht sein!
Und – für mich – fehlt es einfach immer noch an entsprechenden Ausbildungen für Reiter – im besonderen für Kinder – die Pflicht sind! Informationen über das Lebewesen Pferd, die sozialen Strukturen in einer Herde, etc etc einfach was so los ist bei Pferdens. Das das bevor es überhaupt ans Reiten geht.

Das geht noch ganz lang bis so etwas in den Köpfen aller ankommt…. aber irgendwo muss man anfangen…

Alles Liebe Claudia

 

Von Ute • 17. August 2015

Dieses Thema beschäftigt mich seit der Geburt meines Sohnes vor 22 Jahren. Habe ich es geschafft mein Kind gewaltfrei zu begleiten, so hat bei mir auch ein Umdenken bei meinem Wiedereinstieg in das Hobby Pferd stattgefunden.
Ich habe leider noch gelehrnt, sich beim Pferd mit Schläge durch zusetzen und habe selber genug bekommen. Da ich es so grausam mir gegenüber empfand, verstand ich auch nicht, wieso ich mein heiß geliebtes Tier schlagen soll.

Heute leiste ich Abbitte an meine früheren Pferde, bitte sie immer wieder um Verzeihung, wenn ich mit meinen beiden jetzigen Pferden arbeite. Heute atme ich tief durch, wenn etwas nicht klappt und überlege, was ich anders machen kann. Jeden Tag, habe ich AHA-Erlebnisse. Meinen 7 j habe ich selber ausgebildet (2j bekommen) Der 6 j. kam vor 3 Monaten aus Spanien. Die Nase vernarbt. Beide Pferde muss ich nicht anbinden, für Beide brauche ich keinen Führstrick, beide werden gebisslos, ohne Sporen und Gerte geritten. An Beide kann ich Kinder lassen.
Ich nehme mir extrem viel Zeit, Ihnen etwas zu erklären und sie haben ein „Mitspracherecht“. Wenn sie sich mir verweigern stimmt etwas nicht. Ich habe sie überfordert, habe etwas übersehen oder mich nicht klar ausgedrückt.

Tierarzt, Hufschmied, Physiotherapeut loben meine Pferde. „Sie sind so gut erzogen und es ist so entspannend mit Ihnen.“

Manche Pferdebesitzer „belächeln“ meine Pferde. Sie wären verweichlicht, ich würde zu „zaghaft“ mit ihnen umgehen. Ein Pferd muss „mehr“ abkönnen, ich „verhätschel“ sie. Es wären „Schlaftabletten“.

Wenn meine Pferde sich aber z.B bereitwillig korrekt ohne sichtbare Zeichen an die Aufstiegshilfe stellen, geduldig warten bis der Reiter bequem sitzt, dann werden diese „Fachleute“ still.
Wenn meine beiden Buben im gestreckten, bockenden freudigen Galopp den Weideweg runter gerast kommen,kann jeder ihr Temperament sehen. Wenn ich sie aus diesem Übermut mit einem ruhigen „Wow“ stoppen kann, dann verhallen auch die letzten Unkenrufe.

Einige Pferdebesitzer schauen dann schon mal genauer hin und schieben es auf meine „ruhige“ Art.

Dass ich auf meine früheren Pferde eingeschlagen habe, dass ich an den Zügeln gerissen und die Sporen reingeknallt habe, dass ich heute über mein damaliges Verhalten heulen könnte und mich dafür schäme, dass glauben die wenigsten.

Diesen harmonischen respektvollen Umgang mit einem Pferd habe ich mir sehr hart erarbeitet. Immer und immer wieder mußte ich durchatmen, anhalten, neu ausprobieren, frustriert über mich selber, geneigt (Wie gelernt) dem Pferd die Schuld zu geben. Ich bin noch nicht „fertig“, die Buben lehren mich weiter, aber ich kann es an meine Pferdeanfänger weitergeben: Gewaltfrei!
Früher habe ich „gekämpft“ gegen das Pferd, heute höre ich hin und erarbeite etwas MIT dem Pferd. Früher bin ich oft gefrustet aus dem Stall gegangen, heute verlasse ich meine Buben entspannt mit einem Glücksgefühl.

Abgesehen von meinem Sohn und meinem Partner, hole ich mir Rat und Unterstützung bei gewaltfreie Pferdetrainern und „Wege-zum-Pferd“ 😉

Dieses Thema wird uns unser Leben lang beschäftigen.
Viele Grüße
Ute

 

Von Elvi Haas • 17. August 2015

Hallo,

Das Thema „Gewalt“ ist ein so wichtiges und gleichzeitig so umfassendes, das jeden Lebensbereich betrifft! Ich bin Yoga-Lehrerin und hier ist ‚ahimsa‘ ( Gewaltlosigkeit)ein ganz zentraler Punkt! Je mehr ich mich mit diesem Thema beschäftige, desto mehr merke ich, wie viel Selbstreflektion und immer wieder neu überprüfen der eigenen Handlungen und Gedanken notwendig sind um stets die nötige Achtsamkeit im Umgang mit seinem Umfeld walten zu lassen! Vor 9 Monaten haben wir uns eine Stute gekauft die sonst zum Schlachter gekommen wäre – und seither findet meine Yogapraxis im Stall statt! Ich habe so wenig Ahnung von Pferden und suche seither immer wieder nach dem Weg, mit ihr in einem ‚passenden, respektvollen und gewaltfreien Kontakt zu kommen! Ich bin so unendlich dankbar für Tips und Anregungen, die uns helfen auf unserem gemeinsamen Weg, der weder über Schläge und Geschrei noch über pausenloses „Leckerlie-Füttern“ führen soll! Beides fühlt sich für mich nicht stimmig an! Ich bin sehr froh auf eure Seite gestoßen zu sein und immer wieder neue Impulse zu bekommen zu überdenken, neu zu versuchen, noch achtsamer zu werden und zu lernen, lernen, lernen …
Vielen Dank

Elvi

 

Von Tine • 17. August 2015

Wieder mal den Nagel auf den Kopf getroffen!
Als mein Pony in der Ausbildung nicht funktionierte, wurde mir geraten ihm mal richtig zu zeigen, wer das sagen hat!
Als ich am Scheideweg stand, habe ich, Gott sei Dank, den Weg der Gewalt nicht beschritten. Ich habe den Weg der gewaltlosen Clicker-Ausbildung eingeschlagen, auch nicht immer einfach, und man muß sich erst daran gewöhnen, dass man das Pferd damit zu nichts zwingen kann.
Mein Pony ist nicht zur Bestie mutiert, weil ich ihn nicht durch Dominanztraining zur Selbstaufgabe gezwungen habe.
Im Gegenteil, den Respekt habe ich mir bei ihm dadurch verdient, dass ich respektvoll mit ihm umgehe.
Wo ich kann, versuche ich meine Erfahrung mit anderen zu teilen, leider trifft man oft auf taube Ohren, vor allen Dingen dort, wo Pferde funktionieren müssen.

 

Von Sabine • 17. August 2015

Super geschrieben, würd ich gern mal in Pferdeforen bei fb posten, da dies auch oft Thema dort ist – in diesem Artikel einfach und gut auf den Punkt gebracht ist! Weiter so!

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Hallo Sabine,

mach das gerne! Wir sind auch bei Facebook: https://www.facebook.com/pages/Wege-zum-Pferd/132666003475290 – da kannst Du auch den Hinweis auf diesen Artikel finden und teilen oder verlinke den Beitrag direkt. Wir freuen uns!

Herzlich,
Tania

 

Von Almut • 17. August 2015

Ihr Lieben,
eine kleine Anmerkung von mir – Ihr bezieht Euch in Eurem Artikel ziemlich ausschließlich auf physische Gewalt. Was mir da ein bisschen fehlt, ist der Aspekt, dass physisch gewaltlos durchaus psychisch gewaltsam sein kann – und gerade von vielen angeblich „gewaltfrei“ arbeitenden Pferdeleuten praktiziert wird. Um nur ein Beispiel zu nennen: Roundpen.
Gerade mit diesem Fokus finde ich, dass man unbedingt genau hinschauen und differenzieren muss. Nicht jedes Metall-Gebiss im Maul eines Pferdes wird gewaltsam eingesetzt und nicht jede gebisslose Zäumung gewaltfrei. Man kann eine Gerte meiner Meinung nach gerade in der Pferde-Ausbildung gut als (verstärkende) Hilfe einsetzen, statt zu ständig vermehrten Schenkel-„Hilfen“ (= physische Gewalt?) zu kommen, aber wo ist die Grenze? Nicht jede Praktik, bei der das Pferd nicht körperlich angefasst wird, ist deshalb gleich gewaltfrei, sondern vielleicht viel traumatischer für das Pferd als ein einmaliger „körperlicher“ Akt (womit ich sicher keine Tritte oder Schläge meine – aber wie ist es z.B., wenn ich an meinen Ponys Bremsen erschlage – darf ich das, obwohl es wahrscheinlich schon einen nicht ganz schmerzfreien „Klaps“ darstellt?)
Nachdenkliche Grüße, Almut

___________________

Hallo Almut,

danke für den Hinweis auf die psychische Gewalt – das nehme ich mir auch noch mal in einem Extra-Artikel vor, war mir zu komplex, um das hier abzuhandeln.

Herzlich,
Tania

 

Von Tania Konnerth • 17. August 2015

Danke Euch allen für die vielen Kommentare.

Ute schrieb: „Dieses Thema wird uns unser Leben lang beschäftigen.“ – und ja, das ist wohl so. Wir bleiben dran!

Herzlich,
Tania

 

Von Manfred • 20. August 2015

Hallo ihr Lieben,
auch ich möchte mich für diesen Impuls zur Selbstreflektion und den Mut auf die inner Stimme zu hören ganz herzlich bedanken.
Für mich war genau das der Wendepunkt in meinem Leben mit den Pferden. Ich wollte einfach nicht annehmen, dass die Pferde nur diese Sprache verstehen würden, weil sie selbst so mit einander umgehen.
Heute weiß ich, dass sie aus Erfahrungen lernen und genau dies dann wiederspiegeln. Werden sie immer nur gebissen und getreten, dann können sie auch nur genau das selbst annehmen. Erfahren sie jedoch Liebe und einen entsprechenden sanften Umgang, dann werden sie auch selbst immer feiner werden.
Als intelligenter Mensch brauche ich mir daher keinen Respekt durch die Anwendung von Gewalt in letzter Kosequens verschaffen, sondern ich kann auch einen gewaltfreien Umgang vorleben und dem Tier damit eine neue Orientierung geben.
Allerdings muss ich dann auch meine Wünsche an dieses Lebewesen weiter zurückstellen und respektieren wenn es nicht immer genau das tut, was ich gerade von ihm möchte. Dann kann ich mich fragen, warum dies wohl so ist und was ich an mir verändern könnte um wieder mehr Begeisterung und Mitarbeit an dem Gemeinsamen Tun mit mir bei diesem Tier zu erreichen.
Ich habe z. B. Dabei gelernt, dass ich die Pferde oftmals überfordert habe, viel zu schnell viel zu viel verlangt habe und meine Ziele auch zu hoch gesteckt habe. Erst als ich mich selbst zurücknehmen und in das Tier hinein versetzen konnte, begann ich all diese Dinge mit anderen Augen zu sehen. Mir wurde wichtig, dass das Pferd von sich aus gerne bei mir ist, dass es Mit Freude und Begeisterung mit mir gemeinsam etwas tut.
Das war ein aehr schwieriger und steiniger Weg mit vielen Rückschlägen, doch es hat sich gelohnt. Inzwischen habe ich einen Partner gewonnen, der Schwerstarbeit für mich leistet und das auch noch mit Begeisterung. Es gibt keine Ziele mehr. Wir müssen auch Niemandem etwas beweisen. Einfach nur im hier und jetzt gemeinsam sein. Das hat auch mich wieder glücklich gemacht und ich danke meinem Pferd für diese Lektion und die wunderbare Zeit.
in Liebe Manfred

 

Von Stephanie Uhrig • 31. August 2015

Für diejenigen, die den Dokumentarfilm „The Path of a Horse“ nicht kenne, empfehle ich ihn anzuschauen. Es drückt in Bildern sehr gut aus, was Ihr in Eurem Artikel zum Ausdruck gebracht haben.
Gruß Stephanie

 

 

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