Wie für mich gute Freiarbeit aussieht
Nachdem ich in diesem Beitrag aufgeführt habe, welche Irrtümer es zur Freiarbeit gibt, möchte ich heute zeigen, worauf es bei dieser Arbeit meiner Ansicht nach ankommt. (Alle Fotos sind wieder von Horst Streitferdt, vielen Dank dafür!)
Die Grundstimmung bei der Freiarbeit sollte ruhig und entspannt sein.
Freiarbeit heißt nicht, sein Pferd wie wild herumtoben zu lassen, sondern das Ziel sollte immer ein ruhiges und entspanntes Arbeiten sein und das auch in den höheren Gangarten.
Ein sich aufpushendes Pferd hört nicht zu und kann damit für uns gefährlich werden und läuft fast immer schlecht (siehe dazu auch weiter unten). Wirklich gemeinsam arbeiten können wir nur, wenn wir die Aufmerksamkeit des Pferdes haben und auch sein Vertrauen. Das Pferd muss also bereit und in der Lage sein, auf uns zu achten und es darf keine Angst haben – nicht vor uns, nicht vor der Peitsche oder davor mit irgendetwas gescheucht zu werden.
Freiarbeit ist nicht immer spektakulär.
Aus dem Grundsatz, dass die Freiarbeit ruhig und entspannt sein sollte, folgt auch, dass Freiarbeit keineswegs immer spektakulär ist, sondern es kann gut sein, dass man von außen nicht viel sehen kann. Manchmal geht es z.B. nur um ganz kleine, ja, fast unscheinbare Dinge, wie z.B. die Bereitschaft des Pferdes auf eine Körperdrehung hin eine Volte zu verkleinern oder darum, auf kleinste Signale langsamer zu werden. Wildes Springen und Buckeln hat viel weniger mit Freiarbeit zu tun, als z.B. ein ruhiges Traben in guter Laufmanier.
Die folgenden Bilder zeigen Babette in der Freiarbeit mit Ronni. Da Ronni schnell dazu neigt sich aufzuregen, nutzt Babette das Kopf tief in verschiedenen Varianten, um ihn immer wieder runterzuholen, damit er entspannen kann. Von außen sieht das nach nicht viel aus, aber für die Beziehung und das Miteinander, sind diese Phasen ganz entscheidend!
Dadurch das Babette immer wieder viel Ruhe in die gemeinsame Arbeit bringt, ist es Ronni möglich, sich wirklich auf sie zu konzentrieren und z.B. sogar gelassen und aufmerksam anzugaloppieren:
Bei der Freiarbeit geht es darum, zu erspüren, wie es dem Pferd gerade geht, was es braucht und wie wir mit ihm kommunizieren können. Ein Pferd, bei dem das Adrenalin durch die Adern rauscht oder das Angst oder Stress hat, kann kaum auf Signale achten, sondern will sich abreagieren oder fliehen. Das sieht vielleicht auf den ersten Blick „ganz toll“ aus, hat aber nichts mit Freiarbeit zu tun. Es kann dann schnell für uns selbst gefährlich werden und auch dem Pferd schaden! Deshalb ist es wichtig, ohne viel Druck zu arbeiten und auch immer wieder Pausen einzulegen.
Auch in der Freiarbeit geht es um das korrekte Laufen.
Wenn Pferde in einer Halle oder auf dem Reitplatz toben, laufen sie leider alles andere als gesundheitsfördernd, sondern so, wie sie auch in der freien Natur toben würden. Dort aber haben sie eine weite Fläche zur Verfügung, während auf einem Reitplatz oder in der Halle schon nach wenigen Metern Begrenzung kommt und das Pferd deshalb ständig Kurven laufen muss. Und hier kann man deutlich sehen, wie schief Anthony beim freien Toben in die Kurven geht:
Das geht stark auf die Gelenke und ist auf Dauer gesundheitsschädigend. Es ist kein Drama, wenn es an „lustigen“ Tagen mal zu solchen Bewegungsausbrüchen kommt, aber diese sollten nicht auch noch vom Menschen herausgefordert oder provoziert werden, sondern das Ziel muss immer darin bestehen, die Energie des Pferdes in eine gute Laufmanier fließen zu lassen.
Wie auch beim Longieren können wir dem Pferd vermitteln, dass es beim Abwenden die innere Schulter anheben und sich stellen und biegen muss, um sich nicht wie ein Motorrad in die Kurve zu werfen, sondern eher wie eine Eisenbahn auf Schienen zu sein. Petra zeigt hier, wie sie Nico an seine innere Schulter erinnert, damit er sich mehr stellt und biegt:
Und ebenfalls wie beim Longieren ist es auch bei der Freiarbeit hilfreich, Hilfsmittel zu nutzen, um es dem Pferd leichter zu machen, sich das korrekte Laufen zu erarbeiten. Ich selbst arbeite dafür gerne mit Dualgassen (nach Michael Geitner) und einer Quadratvolte. Auf dem folgenden Bild ist zu sehen, wie mir die Gasse dabei hilft, dass Anthony auch im schwungvollen Trab nicht nach innen driftet, sondern sein Gewicht selbstständig etwas mehr nach außen bringt. Er stellt sich nahezu perfekt selbst im Genick, um die anstehende Kurve ausbalanciert meistern zu können.
Und dasselbe ist hier beim Angaloppieren zu sehen – die Gassen geben Anthony die nötige Orientierung, nicht einfach im Galopp nach vorne zu preschen, sondern gesetzt anzugaloppieren:
Positive Verstärkung ist das A und O
Gute Freiarbeit zeigt dem Pferd, genau wie gute Longenarbeit, wie es Kurven gesundheitsschonend bewältigen kann, nämlich in Stellung und Biegung, mit der nötigen Aufrichtung und Balance. Dafür müssen wir die entsprechenden körpersprachlichen Signale geben und es dem Pferd konsequent vermitteln, wenn es seine Sache gut und richtig macht. Nur so wird das Pferd dauerhaft motiviert sein, freiwillig und freudig mitzuarbeiten.
Ich kombiniere die Freiarbeit gerne mit dem Clickertraining, da das Futterlob in den meisten Fällen die wirkungsvollste Möglichkeit ist, dem Pferd zu sagen, dass etwas prima ist. Man kann das Pferd aber natürlich auch durch Stimmlob und Streicheleinheiten bestätigen.
Die Freude darf nie zu kurz kommen
Selbst wenn es, wie beschrieben, auch bei der Freiarbeit darum geht, sich mit dem Pferd ein korrektes Laufen zu erarbeiten, sollte auch hier die Freude nie zu kurz kommen.
Wenn unser Pferd zwischendurch mal einen eigenen Einfall, oder Lust auf etwas ganz anderes hat oder einen Freudenbuckler einlegt, dann sollten wir das nicht sofort streng unterbinden. Lachen wir doch einfach über unser Pferd und lassen es gewähren. Wir können jederzeit neu entscheiden, ob wir seiner Idee folgen oder es doch noch einmal zu einer konzentrierten Arbeit einladen möchten. Und sollte es mal einer dieser Tage sein, an denen unser Pferd den sprichwörtlichen Clown verschluckt hat, dann albern wir halt einfach mit ihm herum! In dem Wort Freiarbeit steckt das Wort „frei“ und da verbietet sich ein verbissener Anspruch von ganz allein.
Freiarbeit ist vor allem eines: gute Kommunikation
Die Essenz guter Freiarbeit ist eine pferdegerechte Kommunikation, die zu einem achtsamen und respektvollen Miteinander von Mensch und Pferd führt. Hierbei spielen die Grundatmosphäre, die Körpersprache und die Bereitschaft, einander zuzuhören und der Versuch, einander zu verstehen, eine entscheidende Rolle.
In einem weiteren Beitrag wird es um Probleme in der Freiarbeit gehen und wie diese zu lösen sind.
19. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Freiarbeit, Jungpferdausbildung, Umgang • 3 Kommentare »