Natürlich positiv – Longieren mit positiver Verstärkung: Bewegungs-Typen

Weiter geht’s mit dieser kleinen Serie, die sich damit befasst, wie sich das Longieren nach unserem Longenkurs auch nur mit positiver Verstärkung umsetzen lässt (das Grundwissen über das Clickertraining vermittelt unser Clickerkurs). Im ersten Teil ging es um die Grundlagen – hier nachzulesen und im zweiten Teil um das Führen in Stellung rein mit positiver Verstärkung erarbeiten lässt. Und in der letzten Folge war die Laufmanier das Thema.

Um an der Laufmanier arbeiten zu können, brauchen wir ein Pferd, das sich bewegt und um dieses Thema geht es in den nächsten beiden Folgen. Hier im ersten Teil schauen wir mal, was Bewegung eigentlich bei unterschiedlichen Pferdetypen bedeutet und welche Konsequenzen das wiederum für das Training hat. Im zweiten Teil geht es dann um die Frage, wie wir Bewegung mit positiver Verstärkung erreichen können. 

Bewegung ist nicht gleich Bewegung!

Was das Thema „Bewegung“ angeht, gibt es unter Pferden im Wesentlichen diese drei Typen (in unterschiedlicher Ausprägung): 

  • Pferde, die sich gerne und mit einer guten Grundenergie bewegen.
  • Pferde, die zu viel Bewegungsdrang mitbringen, die also zu schnell und hektisch sind.
  • Pferde, die sich von sich aus wenig bewegen und die im Training kaum oder gar nicht vorwärtsgehen.

Ohne Verständnis kein Zugang

Es ist für mich für jede Art von Training unerlässlich, zunächst achtsam zu schauen, mit welchem Bewegungsverhalten ich es gerade zu tun habe und bei Problemen die möglichen Gründe dafür herauszufinden. Nur so kann ich individuell auf das jeweilige Pferd eingehen und ihm gerecht werden. Weder die herkömmlichen Ansätze, die leider zum Teil mit Druck und „Durchsetzen“ arbeiten (sowohl beim Ausbremsen von zu viel Tempo als auch beim Antreiben der vermeintlich „faulen“ Exemplare), noch ein so pferdefreundliches Prinzip wie die positive Verstärkung können zu einer guten und gesunden Bewegung führen, wenn es tiefere Probleme gibt. Da muss man erstmal an der Wurzel ansetzen.

Der Idealfall: freiwillige und freie Bewegungen

Am einfachsten für jede Art von Training sind natürlich solche Pferde, die von Natur aus gerne laufen. Sie sind aktiv dabei, aber nicht überdreht. Sie sind leicht dazu zu motivieren, loszutraben oder anzugaloppieren, sie lassen sich gerne auf Laufspiele ein und haben einfach Freude an der Bewegung und präsentieren sich oft auch gern. Ihre Bewegungen sind meist spielerisch und leicht und/oder kraft- und energievoll.

Bei solchen Pferden muss man eigentlich nur aufpassen,

  • dass man ihre Bewegungslust erhält und sie weder durch ein ungutes Training oder unangebrachte Hilfsmittel (wie z.B. Hilfszügel) frustriert
  • und/oder dass man sie, weil sie so vieles anbieten, überfordert.

Bei solchen Pferden können wir mittels positiver Verstärkung sehr schnell damit beginnen, ihnen zu vermitteln, wie sie die Kreislinie noch besser bewältigen können (darum geht es dann im nächsten Teil der Serie). 

Problemfall „Ständig unter Strom“

Pferde, die so unter Strom stehen oder so viel Angst haben, dass sie aus einem inneren Stress heraus losstürmen, sowie sie die Möglichkeit haben, erleben leider oft, dass sie mit verschiedenen Mitteln gebremst werden, wie z.B. durch eine harte Hand, scharfe Zäumungen, Hilfszügel und Ähnliches. Diese Pferde sind meist hochgradig spannig. Ihre Bewegungen sind oft schnell, aber nicht frei.

Mit dieser Art der Bewegung, die eher ein innerer Zwang ist als eine bewusste Bewegung, kann man kaum sinnvoll arbeiten, denn der hohe Stresspegel verhindert jede Aufnahmefähigkeit oder Konzentration. Selbst ein so pferdefreundliches Prinzip, wie das der positiven Verstärkung, kann hier an seine Grenzen kommen, so dass zunächst geschaut werden muss, was die tatsächlichen Ursachen sind, wie zum Beispiel:

  • Angst und Stress durch frühere Erlebnisse,
  • ein zu hartes Training, das auf Druck und Gewalt basiert, 
  • eine nicht pferdegerechte Haltung, in der das Pferd zu wenig Bewegungsmöglichkeiten hat oder unter Dauerstress steht, 
  • eine falsche Ernährung,
  • Erkrankungen,
  • Schmerzen,
  • hormonelle Probleme
  • und anderes mehr. 

Ein aus Angst oder Stress rennendes Pferd kann in keine gute Laufmanier finden. Deshalb ist es wichtig, auf so vielen Ebenen wie möglich dafür zu sorgen, dass das Pferd wieder mehr in eine innere Balance und Entspannung finden kann. Es braucht hier oft viel Einfühlungsvermögen von uns Menschen, damit diese Pferde nicht sofort wieder in Stress geraten, sondern wieder ein gutes Bewegungsverhalten entwickeln können.

Problemfall: „Nicht vorwärtszubekommen“

Herkömmlicherweise werden Pferde, die nicht von sich aus laufen, als „stur“ oder „faul“ bezeichnet und in der Folge durch mehr oder weniger Druck zum Schnellerlaufen gebracht. Fehlt der fordernde Mensch, sind sie lieber langsam unterwegs oder bleiben im Training auch komplett stehen. Die Bewegungen dieser  Pferde wirken meist etwas steif, ungelenk, gehalten und schwer.

Nicht nur im Rahmen der positiven Verstärkung, in der wir ja nicht mit Druck treiben wollen, sondern ganz grundsätzlich sollte auch bei einem Pferd, das sich nicht bewegen mag, immer erst einmal gefragt werden, was dafür die Ursachen sind. Denn auch diese können vielfältig sein:  

  • eine unzureichende oder unpassende Ernährung und ihre Folgen; also zu viel oder zu wenig Futter, falsche oder fehlende Nährstoffe und Mineralien usw.,

  • körperliche Beschwerden, wie Schmerzen, Atemprobleme oder andere Erkrankungen (hier immer bedenken, dass viele Pferde Schmerzen oder Beschwerden nicht deutlich zeigen, deshalb bitte nie einfach nur von „Sturheit“ ausgehen…)

  • psychische Themen, wie schlechte Erfahrungen, Frust durch eine unpassende Haltung, Über- oder Unterforderung, Trauer usw.,

  • ein für dieses Pferd unpassendes Training, also beispielsweise mit Hilfen, die das Pferd nicht versteht oder in einer Grundstimmung, die es demotiviert, ihm Stress macht oder die sogar Angst vor Strafen auslöst

  • und anderes mehr.

Das Bedürfnis, gerade solche Pferde, die sich von sich aus ungern bewegen, notfalls auch mit Druck vorwärtszutreiben, ist meist groß, denn nicht selten sind solche Pferde auch tendenziell übergewichtig. Grundsätzlich würde ihnen Bewegung auf allen Ebenen gut tun, aber wir sollten nie vergessen: Druck erzeugt Frust und je mehr Druck wir nutzen, desto mehr Frust lösen wir aus. Wir können so zwar vielleicht Bewegung erzwingen, aber keine Freude. Ohne zumindest eine Bereitschaft zur Bewegung kann ein Training keinen dauerhaft positiven Effekt haben, denn Pferde, die nur mit Gewalt vorangetrieben werden, sind immer verspannte Pferde. 

Fazit

Auch wenn die positive Verstärkung ganz viel Gutes in Hinblick auf Entspannung, Freude und Motivation bewirken kann, kommen wir bei Problemen in Bezug auf das Bewegungsverhalten nicht darum herum, nach den Ursachen zu suchen und diese, soweit wie möglich, zu beheben. Das Training ist immer nur ein Teil im Leben eines Pferdes und noch dazu der zeitlich kleinste. Wenn die Lebensumstände nicht passen oder das Pferd unter etwas leidet, nützt auch der beste Trainingsansatz nicht. Hierzu kann es auch nötig sein, Hilfe bei entsprechenden Experten zu suchen, also bei Tierärzten, Physiotherapeuten, Ernährungsexperten und/oder ggf. auch über einen Stallwechsel nachzudenken. 

Bewegungstypen bei Pferden

Weiter in der Serie.

1. Februar 2022 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Clickertraining, Gesundheit, Jungpferdausbildung, Longieren 0 Kommentare »

Pferdemimik deuten – Positives erkennen

Nachdem wir vor einiger Zeit ausführlich aufgezeigt haben, wie sich Schmerzen beim Pferd erkennen lassen, möchte wir in diesem Beitrag Beispiele von zufriedenen Pferdegesichtern vorstellen, denn es lassen sich auch Freude und Wohlgefallen deutlich an der Mimik eines Pferdes ablesen. 

Positive Aufmerksamkeit

Das folgende Bild von Caruso zeigt ein positiv aufmerksames Pferd: Gespitzte Ohren, kullerrunde Augen mit einem ganz weichen Blick, kaum hervortretende Adern. Die Nüstern sind in diesem Moment zwar sichtbar gebläht, aber nicht aus Stress, was sich an seinem entspannten Blick erkennen lässt. So zeigt sich einfach seine Vorfreude (denn es wurde gerade ein neuer Futtersack gebracht :-). 

Und noch ein Bild von einem entspannt-aufmerksamen Pferd. Aramis‘ gesamte Maul- und Nüsternpartie ist locker und ohne Fältchen, sein Auge ohne Stresskuhle. Dass die Augen dreieckiger wirken als die von Caruso auf dem Bild zuvor, liegt daran, dass er wegen der blendenden Sonne auf dem Schnee die Augen etwas geschlossener hält.

Und in einem ähnlichen Gemütszustand ist auch Tizon auf dem folgenden Bild. Ich habe es ausgesucht, weil Tizon auf diesem Bild 32 Jahre alt war, sein Kopf deshalb etwas knochiger wirkt, was aber den entspannten Ausdruck nicht mindert. 

Dösende und schlafende Gesichter

Hier einige Bilder von noch entspannteren Pferden, also schlafend oder dösend 🙂

Newsletter Wege zum Pferd

Auf dem folgenden Bild wird wohl jeder die tiefe Entspannung erkennen können: 

Newsletter Wege zum Pferd

Etwas schwieriger ist vielleicht, das Gesicht beim Dösen im Stehen zu deuten, denn tatsächlich ist dieser Gesichtsausdruck nicht immer ganz so leicht von der Apathie bei Schmerzen abzugrenzen. Das Auge ist halb oder ganz geschlossen. Die Ohren sind meist seitlich gestellt. Diese Merkmale können auch auf das Schmerzgesicht zutreffen. Entscheidend für das Erkennen des entspannten Dösens ist neben dem Gesamtbild vor allem die Maulpartie. Sie ist bei einem wirklich entspannten Pferd locker: 

Bei Anthony auf dem folgenden Bild kann man gut sehen, dass da noch eine Reihe von Fältchen auf der Oberlippe zu sehen sind und dass seine Unterlippe zwar zu hängen beginnt, aber noch nicht vollkommen locker hängt. Er ist hier auf dem Weg zum Eindösen. 

Dösgesicht

Das Putz- und Genussgesicht

Die vielleicht schönste Mimik zeigen Pferde, wenn sie etwas so richtig genießen, wie z.B. Nico, der auf dem folgenden Bild gerade gekrault wird: Die Augen sind genüsslich geschlossen, die bewegliche Oberlippe macht den charakteristischen „Rüssel“, die Ohren sind in-sich-horchend nach hinten gerichtet: 

Genussgesicht beim Pferd

Auch Dreamer ist ein Experte darin, zu zeigen, wie sehr er das Gekrault-Werden genießt – er wird hier gerade am Unterhals gekratzt und hebt seinen Kopf mit genüsslich geschlossenen Augen weit hoch: 

Genussgesicht beim Pferd

Und das geht durchaus auch noch deutlicher: 

Genussgesicht beim Pferd

Angelegte Ohren sind also, wie man bei vielen dieser Bilder sehen kann, durchaus nicht immer negativ zu deuten, sondern sie sind oft nur ein Zeichen dafür, dass ein Pferd in sich selbst horcht. Das ist auch bei Caruso schön zu sehen, der auf dem folgenden Bild Fellpflege mit Dreamer macht. Sein Blick ist dazu in sich gekehrt und drückt Wohlgefallen aus: 

Putzgesicht beim Pferd

Spiel und Spaß

Hier noch ein Foto von Anthony, der gerade mit einem Laubsack spielt – das Weiße im fast schon aufgerissen wirkenden Auge drückt hier keine Angst aus, sondern er schaut keck, ob wir auch sehen, was er da gerade Tolles macht 🙂 

Spielgesicht beim Pferd

Und zum Abschluss noch ein Bild vom so genannten Flehmen beim Pferd, das sehr unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Durch das Flehmen können Pferde Gerüche intensiver wahrnehmen. Man sieht es häufig bei Hengsten oder Wallachen, wenn eine Stute rossig ist, aber grundsätzlich auch bei allen Pferden, wenn sie etwas Ungewohntes riechen. Manchmal wird das Flehmen auch bei Schmerzen gezeigt, hier muss man dann den Gesamteindruck des Pferdes zur Interpretation beachten. Und dann gibt es noch Spezialisten wie Anthony, für die das Flehmen zur Lieblings-Quatsch-Mach-Übung geworden ist 🙂 

Flehmen

8. Januar 2019 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Gesundheit, Verhalten 4 Kommentare »

Schmerzen beim Pferd erkennen

Im letzten Blogbeitrag ging es darum, dass Pferde oft trotz Schmerzen genutzt werden. Dabei taucht schnell die Frage auf, wie man eigentlich Schmerzen beim Pferd erkennt. Wir haben hier einmal eine ganze Reihe von Verhaltensauffälligkeiten und körperlichen Anzeichen für mögliche Schmerzen zusammengetragen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Schmerzen sind immer individuell und können sich deshalb auch sehr unterschiedlich zeigen.

Mögliche Anzeichen von Schmerzen anhand des Verhaltens des Pferdes

Pferde zeigen durch vielfältige Reaktionen, dass ihnen etwas unbehaglich ist oder Schmerzen bereitet. Einige sind als Schmerzäußerungen allgemein bekannt, viele von ihnen werden aber leider noch immer als „Unarten“ interpretiert und sogar bestraft: 

Als Schmerzäußerung weitestgehend bekanntes Verhalten: 

  • Lahmen (von leichtem Humpeln bis hin zu einem Stehen auf drei Beinen, das schmerzende Bein wird nicht mehr aufgesetzt, sondern hochgehalten),
  • Entlastungshaltung, wie z.B. dem Nach-Hinten-Lehnen eines an Rehe erkrankten Pferdes,
  • ein auffälliges und wiederholtes Zum-Bauch-Schauen bei Bauchschmerzen und Koliken, 
  • eine „aufgezogene“ Atmung, bei der es aussieht, als würde das Pferd den Bauch einziehen (siehe dazu auch weiter unten), 
  • Zittern.

Mögliche Schmerzanzeichen, die weniger bekannt sind: 

  • Rücken wegdrücken, 
  • Kopf hochreißen oder Kopfschlagen,
  • wiederholtes Stolpern vorne und/oder hinten,
  • ein Wegsacken der Hinterhand, 
  • Flehmen,
  • auffällig häufiges Gähnen,
  • Zungenspiele oder Aufreißen des Mauls, 
  • Unruhe, Nervosität und Stress, 
  • Schwitzen.

Mögliche Schmerzanzeichen, die viel zu oft als Unarten oder Widersetzlichkeiten interpretiert werden:

  • Scharren,  
  • Losstürmen oder Verweigerung vorwärts zu gehen, 
  • ein Ausweichen bei Berührungen durch die Hand des Menschen oder durch Gegenstände, wie Sattel & Co,
  • Unruhe und Zappeligkeit beim Satteln oder Aufsteigen, beim Putzen, bei der Hufpflege usw., 
  • Schnappen und Beißen,
  • mit der Hinterhand drohen und auch ausschlagen,
  • ungewohntes, aggressives Verhalten in der Herde,
  • Desinteresse an Futter oder anderen Dingen, die dem Pferd eigentlich Freude machen,
  • bei manchen Pferden auch apathisches Herumstehen und „Totalverweigerung“ (was leider häufig als „Ungehorsam“ oder „Sturheit“ interpretiert wird), 
  • plötzliche Verhaltensänderungen.

Es wird anhand dieser Liste deutlich, dass es sehr viele mögliche Anzeichen für Schmerzen gibt und bevor wir ein Pferd rügen oder strafen, sollten wir uns immer nach der Ursache für sein Verhalten fragen. Deshalb ist es wichtig, das eigene Pferd so gut zu beobachten und kennen zu lernen, dass man in der Lage ist Abweichungen im Verhalten zuzuordnen und sie nicht einfach vorschnell als „unerwünscht“ zu bestrafen oder zu übergehen. 

Darüber hinaus werden manche Schmerzäußerungen durch gezielte Maßnahmen unterbunden. So wird z.B. das Maulaufreißen als Schmerzausdruck bei zu starkem Zügelzug oder Beschwerden durch das Gebiss durch Sperrriemen verhindert, indem dem Pferd das Maul zugeschnürt wird. Oder Zungenspiele als Reaktion auf zu groben Zügeleinsatz oder durch Zahnschmerzen werden durch Spezialgebisse verhindert u.Ä. Auch hier gilt: Wir müssen die Signale des Pferdes als Anlass nehmen, nach der Ursache zu suchen, und dürfen nicht einfach dem Pferd seine Ausdrucksmittel nehmen.  

Das Schmerzgesicht

Neben dem Verhalten gibt auch die Mimik eines Pferdes oft deutlichen Aufschluss über mögliche Schmerzen. Man spricht hier von einem Schmerzgesicht beim Pferd. Wie das aussieht, kann man gut auf den beiden folgenden Fotos einer Stute in den Wehen sehen: Der Blick ist in sich gekehrt, die Adern treten deutlich hervor, die Nüstern sind zusammengezogen, die Kaumuskulatur ist fest angespannt und tritt hervor. 

Schmerzgesicht

Schmerzgesicht

An der Augenpartie sieht man Schmerzen bei Pferden ganz besonders, wie auf dem folgenden Bild deutlich wird: 

Schmerzgesicht beim Pferd

Die Augen können auch tränen oder geschlossen gehalten werden. Bei sehr starken Schmerzen kann das Weiße im Auge sichtbar werden. Der Blick des Pferdes kann aber auch stark in sich gekehrt und wie „abgeschaltet“ wirken, das ist oft bei chronischen Schmerzen der Fall.

Und auch am Maul kann sich zeigen, dass es einem Pferd nicht gut geht: 

Schmerzgesicht beim Pferd

Die Nüstern können auch deutlich hochgezogen sein (sichtbar an den Falten darüber), sehr klein oder auch stark gebläht sein. Oft wirkt auch das Kinn spitz, da die Unterlippe fest angespannt ist.  

Die Ohren hat ein Pferd mit Schmerzen fast immer nach hinten gerichtet oder auch deutlich angelegt. 

Wichtig! Bei akuten Schmerzen sind Schmerzreaktionen und Schmerzgesicht meist ausgeprägter und deutlicher zu erkennen als bei Pferden, die unter chronischen Schmerzen leiden oder denen immer wieder aufs Neue Schmerzen z.B. durch grobes Reiten oder unpassendes Zubehör zugefügt wird. Solche Pferde resignieren und ziehen sich oft in sich selbst zurück. Ein geschultes Auge kann aber das Leid eines Pferdes auch dann noch erkennen und ein offenes Herz kann es fühlen.

Der aufgezogene Bauch

Hier haben wir noch ein Foto von einem Pferd mit einer akuten Stresskolik. Deutlich zu sehen ist die aufgezogene Bauchmuskelpartie, markiert durch die drei Pfeile in der Mitte des Bildes. Der Pfeil links oben zeigt eine stark abgekippte Kruppe, das Pferd zieht regelrecht den Hintern ein. 

Schmerzbauch beim Pferd

Darüber hinaus treten oft auch deutlich die Adern am Oberschenkel des Hinterbeins hervor, was man allerdings beim Winterfell meist nicht so gut sieht. Werft auch einen Blick auf die After-Partie, diese kann durch die Anspannung tief eingezogen sein. 

Hier noch einmal die vor Schmerzen aufgezogene Bauchpartie ohne Pfeile, es sieht aus, als würde das Pferd den Bauch einziehen: 

Kolik

Ein Pferd, das so aussieht, braucht einen Tierarzt

Verantwortung übernehmen aus Liebe zum Pferd

Das Thema Schmerz ist ein trauriges, schwieriges und unbequemes Thema. Es ist verbunden mit Sorgen und der Unsicherheit, was man tun soll, mit Entscheidungen, die getroffen werden müssen und Kosten, die sie verursachen. Es ist auch damit verbunden, dass wir ein Pferd nicht so nutzen können, wie wir das gerne würden, fürs Erste, vielleicht aber auch dauerhaft. Und oft ist es auch verbunden mit Schuldgefühlen und einem schlechten Gewissen. So ist es durchaus nachvollziehbar, dass wir manchmal am liebsten gar nicht so genau hinschauen würden.

Aber wir haben es mit lebendigen Wesen zu tun und damit haben wir eine Verantwortung für dieses Wesen.

Bitte trainiert Euren Blick und lernt, Schmerzen beim Pferd zu erkennen. Sie haben keine Stimme, aber sie „sprechen“ mit uns auf vielfältigste Weise. Es ist unsere Pflicht zu lernen, ihre Signale zu verstehen und ihnen zu helfen.

10. Juli 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Engagement und Pferdeschutz, Gesundheit, Verhalten 12 Kommentare »

Alles hängt zusammen – die Sache mit den Faszien

„Faszien“… – ein Begriff, der seit einiger Zeit immer wieder zu lesen und zu hören ist. Da Anatomie nicht ganz mein Steckenpferd ist, habe ich mich zunächst ziemlich schwer damit getan, mich an dieses Thema heranzuwagen. Aber je mehr ich darüber las und hörte, desto mehr bekam ich den Eindruck, dass das Thema wichtig ist. Und so bat ich unsere Fachfrau für solche Fälle, nämlich Maike Knifka, Osteopathin und Physiotherapeutin für Pferde, um Aufklärung. 

Das Ergebnis präsentiere ich Euch in drei Stufen: 

  • Als Kurzfassung gleich hier im Blog für alle, die sich vor allem für die Bedeutung für den praktischen Alltag interessieren.
  • Als kleinen Film, in dem Maike die Sache ausführlicher und anschaulich erklärt.
  • Und als Fachtext von Maike, der in die Tiefe geht.

Die Quintessenz

Zusammengefasst sind Faszien das, was man bisher unter dem Bindegewebe verstand, diese beiden Begriffe können synonym verwendet werden. Allerdings ist die alte Vorstellung des Bindegewebes als eine Art Hülle inzwischen überholt, denn die Faszien sind keine oberflächliche „Schicht“, sondern sie durchziehen einen Körper wie ein dreidimensionales Netzwerk bis hinein in die Tiefe. Damit halten die Faszien einen Körper nicht nur zusammen, sondern tatsächlich ermöglichen und organisieren sie die Bewegung. Darüber hinaus sind Faszien mit Rezeptoren versehen und können so Schmerzimpulse direkt an das Gehirn weitergeben; sie wirken also zusätzlich wie ein Sinnesorgan. 

Die Quintessenz, die ich nun aus den Fakten für mich gezogen habe, ist folgende:

Alles ist
miteinander verbunden.

Das ist von der Sache her nicht neu, aber sich das wirklich einmal klarzumachen, hat Folgen für den Umgang mit auftauchenden Problemen: Viel zu oft betrachten wir unser Pferd gleichsam in Einzelstücken, also sprechen von einer „Blockierung im Genick“, von einer „Verspannung im Hals“ oder von einer „Lahmheit hinten links“. Und damit greifen Maßnahmen und Behandlungen oft viel zu kurz. 

Der Organismus als Netzwerk

Wenn man sich bewusst macht, dass so ein Körper eben gerade nicht in Einzelteilen, sondern viel mehr wie ein dreidimensionales Netzwerk organisiert ist, in dem alles mit allem zusammenhängt, dann macht es einfach keinen Sinn, ein Symptom allein zu betrachten oder zu behandeln.

Es gibt also keinen einzelnen verspannten Muskel und keine einzeln zu lokalisierende Blockierung, die gelöst werden kann, sondern es muss geschaut werden, welche Verbindungen es zu vielleicht ganz anderen Bereichen im Pferdekörper gibt und was unter Umständen noch alles behandelt oder geändert werden muss, damit wirklich die Ursache für Beschwerden gefunden und nicht nur am Symptom herumgedoktert wird.

Probleme immer ganzheitlich angehen

Und DAS ist für mich das, was wir als Pferdebesitzer und Laien in Sachen Physiologie verstehen müssen: Unser Pferd muss, bei welchen Problemen auch immer, als Ganzes betrachtet und ggf. auch behandelt werden. 

Praktisch heißt das: 

  • Lahmt mein Pferd in der Hinterhand, reicht es in den meisten Fällen nicht aus, nur den Tierarzt eine Lahmheitsuntersuchung an dem entsprechenden Bein machen zu lassen, sondern ich brauche eine Fachperson, die bereit und in der Lage ist, mein Pferd ganzheitlich zu untersuchen und z.B. darauf kommt, dass das Problem von einem verspannten Kiefer oder schlechten Zähnen oder noch ganz woanders herkommen kann.
  • Schlägt mein Pferd mit dem Kopf, so muss mir klar sein, dass das z.B. auch durch einen unpassenden Sattel oder fehlerhafte Einwirkungen beim Reiten ausgelöst werden kann – ich muss also bereit sein, alles zu überdenken, was ich mit dem Pferd tue.
  • Buckelt mein Pferd beim Reiten, so kann auch das alle möglichen Ursachen haben und ich darf es nicht einfach nur als Unart bestrafen. Auch hier muss ich bereit sein, alle möglichen Faktoren zu berücksichtigen, die meinem Pferd Schmerzen oder Unwohlsein bereiten können. 
  • Will mein Pferd nicht vorwärts laufen, können dafür massive körperliche Probleme der Grund sein, wie z.B. Atemprobleme, Magengeschwüre, Huffehlstellungen und vieles andere mehr – und nicht, wie so oft angenommen, „Faulheit“ oder „Sturheit“. Ich muss hier bereit sein, nicht einfach nur frustriert oder wütend zu sein, sondern mich dafür zu öffnen, dass es unter Umständen echte Probleme gibt, die ich noch nicht erkannt habe. 
  • Und so weiter und so fort…

Es reicht also nicht aus, einzelne Symptome herauszunehmen und vielleicht punktuell eine Massage vorzunehmen oder eine andere Behandlung, sondern wir müssen den zugegebenermaßen sehr komplexen Gedanken zulassen, dass der Körper als Ganzes erkannt und behandelt werden muss – … und, als ob es noch nicht genug ist, dürfen wir darüber hinaus auch die Psyche nicht vergessen, denn sie gehört mit dazu. 

Was heißt das für den Alltag?

Ich verstehe inzwischen besser, warum ich mich so schwer damit tat, mich mit diesen Faszien zu befassen, denn hier lauert das, was vielen von uns Angst macht und was vor allem auch massiv lähmen kann und das ist die Komplexität.

Wie oft habe ich mich schon hilflos gefühlt, weil ich zwar sah, dass mein Pferd ein Problem hat, ich aber keine Ahnung hatte, wie ich herausfinden soll, was wirklich die Ursache ist! Es erscheint so viel einfacher und machbarer, sich mit einzelnen Symptomen zu befassen und diese zu behandeln, weil man das Gefühl hat, das in den Griff bekommen zu können. Und so ist es menschlich verständlich und nachvollziehbar, dass wir nur oft allzu bereit sind, uns auf einzelne Symptome zu stürzen und ja, manchmal auch aus Not heraus dem Pferd lieber Unwillen und Widersetzlichkeiten unterstellen, als uns damit zu befassen, dass es Schmerzen oder andere körperliche Probleme hat, die wir einfach nicht einordnen können. Aber – und das ist unsere Verantwortung als Pferdehalter – wir müssen auch begreifen, dass dieser scheinbar „einfachere“ Weg eben leider oft nicht sinnvoll ist, im Gegenteil: er kann zu viel Leid führen, denn die Zusammenhänge verändern sich ja nicht dadurch, dass ich sie nicht wahrhaben will.

Das Wichtigste, das ich an dieser Stelle weitergeben möchte, ist wieder einmal die Botschaft, dass jedes Verhalten eine Ursache hat und dass wir unserem Pferd bei Bockigkeit, Dominanz oder Ähnlichem keinen bösen Willen unterstellen dürfen, wenn es die Mitarbeit verweigert oder sich Beschwerden zeigen. Wir sollten IMMER davon ausgehen, dass das Pferd einen Grund hat, und wir müssen auf seiner Seite stehen und nicht gegen es handeln, nur weil es uns zu unbequem ist oder wir uns hilflos fühlen. 

Wie bleibe ich handlungsfähig?

Aber, wie bleibe ich nun angesichts dieser enormen Komplexität handlungsfähig, wenn doch alles mit allem zusammenhängt und ich letztlich eigentlich nie genau wissen kann, wo ich überhaupt anfangen soll?

Ich denke, der einzige Weg ist der, akzeptieren zu lernen, dass vieles nicht sofort erfassbar und vor allem nicht sofort zu beseitigen ist. Es kann schon viel helfen, den Zeitdruck herauszunehmen und bei Problemen keine Sofort-Lösung zu erwarten. Wenn wir den Zeit- und den Erwartungsdruck herausnehmen, können wir uns mit einem Thema in Ruhe befassen, uns hineinfühlen, achtsam werden, uns selbst schlaumachen und nach kompetenter Hilfe suchen, wohl wissend, dass es nicht auf alles eine Antwort geben wird. 

Ich habe oft den Eindruck, dass wir mit einem ziemlich mechanistischen Weltbild auf unsere Mitlebewesen (und auch uns selbst!) schauen und erwarten, dass man Probleme einfach reparieren kann. So aber funktioniert Leben eben (leider?) nicht. Das zu verstehen und dazu bewusst  ja zu sagen, ist für mich ein unerlässlicher Schritt geworden, um die Komplexität meiner Verantwortung als Pferdebesitzerin auszuhalten und um bessere Entscheidungen für mein Pferd treffen zu können.

Und die Sache mit den Faszien finde ich inzwischen sogar recht spannend. 🙂

Und hier geht es zu dem Film mit Maike und hier findet Ihr den Fachtext von ihr.

8. Januar 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Erkenntnisse, Gesundheit, Verhalten 4 Kommentare »

Sure Foot© – The Murdoch Method

In der letzten Woche hatten wir Besuch von Pferde-Physiotherapeutin Brinja Riedel. Sie stellte uns die Sure Foot© Pads vor. Dabei handelt es sich um ein ausgefeiltes System aus verschiedenen Schaumstoffpads in unterschiedlichen Stärken. Die „Arbeit“ mit diesen Pads besteht allein darin, dass sich das Pferd darauf stellt – und das schien uns ein ideales Testfeld für Tanias Anthony zu sein, der sich mit Bewegung im Moment sehr schwer tut. 

Brinja ließ zuerst uns die Pads ausprobieren: 

Und dann durfte Anthony die Sache prüfen. 

Wie man sehen kann, war er recht angetan von der Sache:

Wir haben Euch hier einen Film von der Demo zusammengestellt, der sehr anschaulich zeigt, wie man die Pads einsetzt und wie interessiert und aktiv Anthony mitmacht. 

Es ist wirklich erstaunlich und faszinierend zu erleben, was das alleinige Stehen auf den Pads im Körper bewirkt. Neben der (Mikro-)Muskeltätigkeit für das Ausbalancieren werden das Körpergefühl, das Stehen und das Gehen zerebral neu wahrgenommen und organisiert. Die Pferde lernen, ihren Körper besser zu spüren. Die wohltuende und entspannende Wirkung und das Miteinander ohne jeden Druck (denn allein das Pferd entscheidet, worauf es seine Füße stellen mag und auch wie lange es auf den Pads stehen möchte) führen zu einem sehr innigen Zusammensein von Pferd und Mensch. Wir sind schon sehr gespannt auf die weitere Entwicklung mit Anthony und werden darüber sicher noch berichten.

An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an Brinja Riedel für ihre tolle und einfühlsame Arbeit. Brinja gibt Workshops für Pferde-Physiotherapeuten und Pferdebesitzer, so dass jeder die Pads auch einmal für sich und sein Pferd ausprobieren kann – mehr Infos unter www.murdochmedthod.de

Brinja vertreibt die leider sehr hochpreisigen Pads selbst nicht, zu beziehen sind sie aber über www.petphysio-shop.de. Günstigere Alternativprodukte aus dem Humanbereich eignen sich für den Einsatz mit Pferden aufgrund der geringen Haltbarkeit nur bedingt. 

7. August 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Erfahrungsberichte, Gesundheit, Spiele & Co, Übungen 10 Kommentare »

DVD-Tipp: Trageschwäche von Karin Kattwinkel

Bei der DVD „Trageschwäche – Eine neue Modekrankheit der Reitpferde?“ handelt es sich um einen Live-Mitschnitt eines Fachvortrages von Karin Kattwinkel. Karin Kattwinkel ist Fachbuchautorin, Pferdefachtherapeutin und Pferdegesundheitstrainerin, Hufpflegerin der Deutschen Gesellschaft zur Huf- und Klauenpflege (GdHK) und betreibt seit vielen Jahren ein Lehrinstitut für ganzheitliche Pferdegesundheit.

Damit wir ein Pferd reiten können ohne ihm Schmerzen zu bereiten und psychischen und/oder körperlichen Schaden zuzufügen, muss ein Pferd „tragefähig“ sein. Das bedeutet, dass das Pferd nicht nur von der  Psyche und Reife, sondern vor allem auch von seinem Gebäude und seiner Muskulatur her überhaupt dazu fähig sein muss, das zusätzliche Gewicht auf dem Rücken tragen zu können. Karin Kattwinkel zeigt in ihrem Vortrag, dass viele Pferde durch gewisse Zuchtziele, eine nicht artgerechte Haltung oder durch falsches Training körperlich oft nicht einmal in der Lage sind, auch nur ihr eigenes Körpergewicht zu tragen, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen, geschweige denn ein zusätzliches Reitergewicht. Und tatsächlich sehe auch ich in meinen Praxiskursen zum Longenkurs leider viele Pferde, die deutliche körperliche Anzeichen der sogenannten Trageerschöpfung zeigen – Karin Kattwinkel nennt diesen Zustand „Trageschwäche“.

Karin Kattwinkel erklärt in ihrem Vortrag anschaulich mit vielen Bildern, woran man erkennt, dass sich ein Pferd „nicht tragen“ kann, zeigt mögliche Ursachen und erklärt auch für Laien verständlich Zusammenhänge, wie beispielsweise ein verspannter Rücken zu Erkrankungen der Fesselträger führen kann oder warum ein Pferd mit zu flachen Hufen und einer zu langen Zehe nicht korrekt laufen kann.

Auch wenn es von der Technik und Aufmachung her einige Abzüge gibt (Vortragende im Dunkeln, Leinwand leicht verzerrt, was die Beurteilung der Fotos erschwert, Laserpointer kaum zu sehen), halte ich den Inhalt für so wichtig, dass die DVD jedem Pferdeausbilder und auch Pferdekäufern zusammen mit dem neuem Pferd übergeben werden sollte – dann würden sicher sehr viele mehr auf eine bessere Ausbildung ihrer Pferde achten und sie weniger auf Kosten ihrer Gesundheit reiten… 

Die DVD kostet 12,50 EUR und ist hier zu beziehen. Ergänzend gibt es dort auch noch ein Skript „Trageschwäche“ zu erwerben.

25. Juli 2017 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper, Buchtipps, Gesundheit 0 Kommentare »

Rückenschmerzen erkennen

Reiter und Reiterinnen sind sich oft nicht darüber bewusst, dass sehr viele Pferde unter Rückenproblemen leiden und dass eine ganze Reihe von so genannten „Widersetzlichkeiten“ auf Rückenschmerzen zurückzuführen sind. 

In meinem Beitrag Rückenprobleme beim Pferd- eine Checkliste haben wir viele Anzeichen aufgelistet, die auf mögliche Rückenschmerzen beim Pferd hinweisen können. Ergänzend zeigt Ihnen Maike Knifka, Osteopathin und Physiotherapeutin für Pferde, in unserem heutigen Blogbeitrag, wie Sie Ihr Pferd auf Anzeichen für Rückenschmerzen untersuchen können.

Ziel ist hierbei natürlich nicht, eine Selbstdiagnose zu stellen, sondern es geht darum, sensibler für Empfindlichkeiten beim Pferd zu werden und Schmerzbereiche früh zu erkennen. 

Wichtig: Diese Untersuchungen können immer nur erste Hinweise geben. Kontaktieren Sie deshalb bei Verdacht auf Schmerzen auf jeden Fall einen Tierarzt und/oder einen Physiotherapeuten.

Und geht es zum Film

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4. April 2017 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper, Gesundheit, Reiten 2 Kommentare »

Rückenprobleme beim Pferd – eine Checkliste

Viele Pferde haben Rückenbeschwerden. Fehler in der Ausbildung, unpassende Sättel, zu viel Gewicht auf dem Rücken, schlecht sitzende Reiter und vieles mehr können zu Verspannungen, Schmerzen und echten Schäden im Rücken des Pferdes führen. Hinzu kommt, dass Pferde von Natur eigentlich gar nicht dafür gemacht sind, ein Gewicht auf ihrem Rücken zu tragen, und manche auch unter erblich bedingten Schwächen und Schäden leiden. 

Man sollte meinen, dass der Gedanke an Rückenbeschwerden eigentlich gar nicht so weit weg sein kann, aber tatsächlich werden Rückenschmerzen bei Pferden in der Praxis oft gar nicht als solche erkannt. Vielmehr werden Schmerzäußerungen fälschlicherweise oft als „Unart“, „Widersetzlichkeit“ oder „Bockigkeit“ missinterpretiert. Da beim Thema Gesundheit sehr viel vom Wissen abhängt, möchten wir hier einmal aufführen, welche Symptome tatsächlich alle auf Rückenschmerzen hinweisen können, denn sie sind sehr vielfältig. Einige liegen nahe, auf andere kommt man nicht so leicht. Viele der aufgeführten Symptome können natürlich auch andere Ursachen haben, aber bitte ziehen Sie im Verdachtsfall immer einen Physiotherapeuten bzw. Tierarzt zu Rate, um sicher auszuschließen, dass das Pferd Schmerzen im Rücken hat. 

Diese Liste gibt es hier auch als Checkliste zum Herunterladen

Anzeichen für mögliche Rückenprobleme

Rückenprobleme können sich sowohl unter dem Sattel als auch an der Longe durch diese Symptome zeigen: 

  • Das Pferd kann nicht losgelassen und entspannt laufen, sondern trägt den Kopf hoch und drückt den Rücken durch.
  • Es will nicht vorwärts gehen und ist sehr triebig.
  • Oder es wird zu eilig und stürmt davon.
  • Das Pferd buckelt, steigt oder geht durch. 
  • Der Rücken schwingt nicht nach oben, sondern nach unten.
  • Das Pferd drückt sich über den Unterhals heraus.
  • Es lässt sich nicht stellen und biegen. 
  • Es verwirft sich im Genick.
  • Es schlägt mit dem Kopf.
  • Es schlägt mit dem Schweif.
  • Es zeigt schleifende Zehen der Hinterhand, hebt die Beine nicht.
  • Es zeigt Taktunklarheiten, läuft klemmig oder geht lahm. 
  • Das Pferd zeigt wiederholt Probleme im Galopp wie Angaloppieren im Außengalopp oder Kreuzgalopp.
  • Beim Wallach/Hengst sind Schlauchgeräusche zu hören. 

Speziell unter dem Sattel können noch diese Symptome dazu kommen: 

  • Es lässt den Reiter nicht sitzen, es sitzt sich „hart“.
  • Es tritt nicht ans Gebiss. 
  • Es zeigt Zungenfehler. 
  • Das Pferd rollt sich ein.
  • Es versucht, dem Reiter die Zügel aus der Hand zu reißen.
  • Es kann nicht korrekt geschlossen stehen. 
  • Beim Springen verweigert es.

Auch diese Auffälligkeiten im Umgang können auf Rückenprobleme hinweisen:

  • Das Pferd reagiert beim Putzen über den Rücken z.B. mit Ausweichbewegungen oder es tritt zur Seite. 
  • Es verhält sich beim Satteln und/oder Aufsteigen unruhig oder deutlich aggressiv, schnappt z.B. nach dem Sattel oder beißt sogar. 
  • Das Pferd geht beim Satteln oder Aufsteigen in die Knie. 
  • Es steht und geht mit eingeklemmten Schweif oder der Schweif steht ab oder wird schief getragen. 
  • Die Hinterbeine werden auffällig hinten herausgestellt. 
  • Es gibt die Hinterhufe schlecht und zieht immer wieder weg. 
  • Es zeigt häufig ein Schmerzgesicht, wirkt gestresst und ungnädig und ist im Umgang vielleicht sogar aggressiv. 
  • Das Pferd spielt auf dem Paddock kaum mit anderen Pferden, mag sich nicht bewegen und wirkt trägt oder apathisch. 

Jedes dieser Symptome, vor allem wenn es häufig vorkommt, sollte Sie nachdenklich machen. Pferde tun nichts ohne Grund und viel öfter als die meisten Menschen annehmen, stecken echte Beschwerden hinter einem Verhalten, das viele zunächst als „Unart“ oder „Respektlosigkeit“ bezeichnen. Vergessen Sie nicht, dass Pferde uns nicht sagen können, wenn sie Schmerzen haben, aber sie zeigen es, wenn wir bereit sind, hinzuschauen. 

Und in diesem Video zeigen wir Ihnen, wie Sie auch als Laie den Rücken Ihres Pferdes untersuchen können, um besser entscheiden zu können, ob Ihr Pferd womöglich Rückenschmerzen hat. 

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21. Februar 2017 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper, Gesundheit, Reiten, Verhalten 12 Kommentare »

Pferdeverhalten verstehen: Sehen lassen!

Wir freuen uns riesig, dass wir für unser Blog mit dem Tierfilmer Marc Lubetzki zusammenarbeiten können. Marc macht nicht nur ganz zauberhafte Aufnahmen von Wildpferden aus aller Welt, sondern er bietet mit seinen Filmen einen reichen Schatz an Informationen für alle, die mit Pferden zu tun haben. Das Wissen, das er zur Verfügung stellt, kann uns ganz unmittelbar und praktisch dabei helfen, Pferde nicht nur besser zu verstehen, sondern auch besser mit ihnen umzugehen. Was wir damit meinen, möchten wir heute gleich an einem ganz konkreten Beispiel aufzeigen – es geht um das Thema „Sehen“. 

lubetzki_sehen1Exmoor-Pony (Stute) mit entspanntem Auge beim Ruhen im Stehen,
Foto von Marc Lubetzki

Interessante Informationen… 

Marc hat in seinem Grundlagenfilm über die Sinne der Pferde unter anderem Folgendes herausgearbeitet:

  • Pferde haben ein weiteres Blickfeld als wir und sehen mit jedem einzelnen Auge unabhängig voneinander verschiedene Dinge.
  • Pferde können erst räumlich sehen, wenn sie den Kopf zum Objekt hinwenden, so dass sie es mit beiden Augen erkennen können.
  • Sie müssen recht nah an einem Objekt sein (20m), um es wirklich scharf sehen zu können,
  • gleichzeitig können sie aber Bekanntes auf bis zu 400m Entfernung erkennen.
  • Pferde können weniger Farben sehen als wir.
  • Sie sehen im Dunkeln besser als wir, brauchen aber länger als wir, bis sich das Auge daran gewöhnt hat. 

Spannend, oder? 

… und was wir mit ihnen machen können

Richtig spannend wird es aber erst, wenn wir solche Informationen in unseren praktischen Umgang mit dem Pferd einfließen lassen, indem wir uns fragen, was all das nun konkret für unser Miteinander bedeutet.

Oft genug interpretieren wir Pferdeverhalten als Widersetzlichkeiten oder Unarten und korrigieren unsere Pferde oder bestrafen sie gar dafür, sind uns aber gar nicht darüber bewusst, wie unfair das eigentlich ist, da das Pferd in solchen Moment häufig einfach nur Pferd ist. Gerade beim Sehen wird das sehr deutlich. 

Dadurch dass Pferde anders sehen als wir,  machen sie nämlich bestimmte Dinge ANDERS als wir: Sie müssen sich beispielsweise zu einem Objekt hinwenden, also den Kopf drehen, um es räumlich erkennen zu können. Ein Pferd, das zu etwas hinschauen möchte, entzieht sich also nicht, wie so oft angenommen, einfach den Zügelhilfen und ist damit widersetzlich, sondern es tut etwas, seiner Natur entsprechend vollkommen Natürliches und Nachvollziehbares. Und ein Pferd, das auf dem Ausritt den Horizont fixiert, bleibt nicht einfach „stur“ stehen (und ist damit widersetzlich), sondern es tut etwas in seiner Welt vollkommen Natürliches und Angemessenes: Es scannt die Gegend nach Bedrohungen ab und braucht seine Zeit, all die Informationen, die es über den Sehsinn aufnimmt, zu verarbeiten.

Und mehr noch: Dadurch, dass Pferde anders als wir sehen, nehmen sie auch eine tatsächlich andere Welt wahr. Für Pferde sieht die Welt ganz real anders aus als für uns und so wissen wir tatsächlich gar nicht, was unser Pferd eigentlich wirklich sieht! Sich das einmal klar zu machen, dürfte so manche Reaktion unseres Pferdes erklären, die für uns „vollkommen unverständlich“ erschien und für die wir es vielleicht ermahnt oder gar gestraft haben.

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Konik (Junghengst) beim Naherkunden von Unbekanntem (in diesem Fall
der Fotograf), neben dem Sehen wird auch der Geruchssinn eingesetzt,
Foto von Marc Lubetzki

Es geht nicht um richtig oder falsch

Wir Menschen gehen leider im Normalfall ganz automatisch davon aus, dass das, was wir sehen „richtig“ ist. Aber der entscheidende Punkt ist, dass es nicht um „richtig“ und „falsch“ geht, sondern um unterschiedliche Wahrnehmungen, die einfach so sind, wie sie sind. Wir Menschen sehen die Welt mit Menschenaugen, Pferde mit Pferdeaugen und das, was wir jeweils sehen, unterscheidet sich durch anatomische Gegebenheiten. 

Ein Pferd kann schlicht und einfach nicht so sehen wie wir, es kann nur sehen, wie ein Pferd. Und wenn wir es für ein Verhalten bestrafen, dass naturgemäß aus seiner Art zu sehen stammt, handeln wir hochgradig unfair. 

Wenn sich ein Pferd z.B. „festglotzt“, dann ist das also keineswegs, wie leider oft behauptet, Unwille oder gar dominantes Verhalten, sondern es ist seine Art zu sehen. Und ein Spruch à la „Da ist doch nichts, jetzt reiß dich mal zusammen!“, wenn ein Pferd aufgeregt in eine Ecke schaut, vielleicht auch noch in der Kombination mit einem rüden Rupfen am Strick oder einem kräftigen Treiben beweist leider nur, dass dieser Mensch nicht pferdegerecht denkt und handelt. 

Pferde verstehen, heißt ihr Verhalten anders zu interpretieren

Nun geht es in diesem Artikel ja nur um das Sehen – Pferde hören aber auch anders als wir, sie riechen anders als wir, sie fühlen anders als wir, sie leben anders als wir, für sie sind andere Dinge wichtig als für uns und so weiter und so fort. Das einmal wirken zu lassen, sollte uns dafür sensibilisieren, dass unsere vorschnellen Interpretationen von Pferdeverhalten fast immer zu kurz greifen und sehr, sehr oft vollkommen falsch sein dürften. 

Wir denken, dass es unsere Aufgabe ist, wirklich zu begreifen, dass Pferde anders sind als wir und dass erst einmal ohne Wertung zu akzeptieren. Nur das öffnet überhaupt erst eine Tür, unser Mitgeschöpf respektvoll behandeln zu können.

Wenn wir einen fairen und pferdegerechten Umgang wollen, müssen wir uns von der Annahme verabschieden, dass wir als Mensch das Recht haben, entscheiden und einfordern zu können, wie sich ein Pferd zu verhalten hat. Pferde verhalten sich ihrer Natur entsprechend und wenn wir sie dafür korrigieren oder bestrafen, handeln wir immer gegen ihre Bedürfnisse, ihr Wesen und ihr Sein. Ein respektvoller Weg setzt für uns Verstehen und Annahme voraus – und nur auf dieser Basis aus sollte dann Lernen und Entwicklung stattfinden.

Und wer Marc nun gerne selbst erleben will, kann diesen kleinen Film anschauen, in dem Marc einen weiteren sehr spannenden Aspekt zu diesem Thema beleuchtet.

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Konik (Junghengst) bei normaler visueller Wahrnehmung
der näheren, bekannten Umgebung,
Foto von Marc Lubetzki

8. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Engagement und Pferdeschutz, Umgang, Verhalten 6 Kommentare »

Das gute Laufen ist ein Dauerthema

Wir haben uns ja  sehr ausführlich mit der Frage beschäftigt, wie man einem Pferd das gute Laufen auf der gebogenen Linie vermitteln kann. Dieses Vermitteln einer guten Laufmanier ist dabei weniger als eine Art Lektion zu sehen, sondern es ist vielmehr ein dauerhafter Prozess.

Was wir damit meinen? Lesen Sie weiter. 

Pferde laufen in der Natur keine Kreislinien, sondern vor allem in gerader Richtung und wenn sie die Richtung wechseln wollen, sieht das meist so aus:

wechselSie stoppen schlagartig und drehen auf der Stelle. Dabei fallen sie extrem auf eine Seite. Da Pferde das in der freien Natur nicht ständig tun, wirkt sich das in der Regel nicht gesundheitsschädigend aus. Lässt man nun aber ein ungeschultes Pferd an der Longe (oder unter einem Reiter) unbeeinflusst auf der Kreislinie laufen, zeigt sich dasselbe Bild:

kurveWieder kippt das Pferd extrem auf die innere Schulter. Muss es dann so Runde um Runde und Trainingseinheit für Trainingseinheit und oft auch noch in einem viel zu hohen Tempo laufen, sind auf diese Weise Gesundheitsschädigungen vorprogrammiert. 

Ein Pferd muss erst lernen, wie es eine gebogene Linie in einer Manier bewältigen kann, die seiner Gesundheit nicht schadet –  siehe dazu unseren Longenkurs und Sehen lernen. Wir können dem Pferd Schritt für Schritt zeigen, dass es dafür im Genick nachgeben, sich stellen und biegen, die innere Schulter anheben, den Rücken mehr anheben und mit dem inneren Hinterbein mehr Last aufnehmen kann, um die gebogene Linie zu meistern:

gebogenDas Entscheidende bei der Sache ist aber die: Es ist beim guten Laufen mit einem einmaligen Lernen nicht getan! Wenn ein Pferd das Grundprinzip verstanden hat, ist natürlich schon viel gewonnen. Deshalb wird es aber dennoch immer wieder ganz schnell in die alten Bewegungsmuster geraten, also vielleicht auch nach monatelangem Training plötzlich wieder nach innen fallen oder sich nicht stellen lassen. Das tut es NICHT, um uns zu ärgern, weil sie stur sind oder dumm, sondern weil bewusste Bewegungen anstrengender sind als die natürlichen Bewegungsmuster (oder weil es z.B. auch körperliche Beschwerden hat, die sich dann so zeigen). 

Das ist nicht viel anders als bei uns: Denken Sie einfach nur mal an das gerade Sitzen. Vielleicht waren Sie bei der Krankengymnastik und haben gezeigt bekommen, wie Sie idealerweise sitzen sollen. Dann machen Sie das vielleicht in den ersten Tagen, aber ganz schnell schleichen sich die alten Gewohnheiten ein und Sie hängen wieder durch. Genauso ist es auch bei Pferden, denn das, was wir ihnen zeigen, entspricht nicht ihrer natürlichen Bewegungsweise. Wenn wir möchten, dass unser Pferd dauerhaft gut läuft, ist es wichtig, immer wieder von den Grundlagen an das Laufen neu aufzubauen. Selbst mit echten Longierprofis beginnen wir, wenn es nötig ist, mit den Basisübungen wie „Führen in Stellung“ und „Anschraten“.

Das gute Laufen ist also als Lernaufgabe ein Dauerthema und wird das Pferd, solange es gearbeitet werden soll, begleiten. Und dabei müssen wir auch immer wieder bereit sein, bei Null anzufangen.

10. Februar 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Longieren 8 Kommentare »

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