Buchtipp: Im Kreis der Herde von Marc Lubetzki

„Im Kreis der Herde: Von wilden Pferden lernen“ von Marc Lubetzki
Stuttgart: Kosmos, 2019. – 160 S.
ISBN:978-3440164365
30,– EUR (gebunden, durchgehend farbige Fotos)

 

Auf dieses Buch haben wir uns sehr gefreut! Wir kennen und schätzen Marc und seine Arbeit schon lange und haben selbst viel wertvolles Wissen und zahlreiche Anregungen für Themen und Artikel aus seinen Filmen und Vorträgen ziehen können. Marc hätte mit seinen Kenntnissen einen praktischen Ratgeber schreiben oder aus den wundervollen Fotos einen Bildband ohne viele Worte machen können, und tatsächlich ist „Im Kreis der Herde“ beides zugleich  – aber darüber hinaus noch etwas ganz Anderes, viel Besseres geworden!

Im Kreis der Herde

Man merkt dem Buch von der ersten Seite an, dass es von einem Filmemacher stammt, denn hier ist das Lesen wie im Kino sitzen: Sein Buch nimmt uns  an die Hand und führt uns in die Welt der wild lebenden Pferde, die Marc so gut kennt wie kaum ein anderer. Marc lässt uns diese Welt aber nicht nur mit seinen Augen entdecken, sondern durch die anschaulichen Beschreibungen auch hören, riechen und fühlen. Und so können wir zusammen mit ihm auf die Suche nach den Pferden gehen: Wir klettern mit ihm auf Hügel, wir laufen gemeinsam durch den Wald und mit der Herde zum Wasserloch. Wir dösen in der Sonne oder warten den Sturm ab. Wir kommen einzelnen Pferdepersönlichkeiten ganz nah, stellen uns seine Fragen, finden mit ihm zusammen Antworten heraus und lernen auf diese Weise Pferde ganz neu kennen. Marc belehrt uns nicht, er erklärt nicht einmal wirklich, sondern er lässt uns neue Erkenntnisse regelrecht selbst entdecken. Und das macht das Buch zu etwas ganz Besonderem.

„Im Kreis der Herde“ ist ein wirklich zauberhaftes Buch geworden und eines, das man nie wieder vergisst, weil es tief berührt, Pferde einmal so zu erleben, wie sie wirklich sind. Die meisten von uns kennen Pferde nur in der Obhut von uns Menschen, wie sie aber in freier Wildbahn leben, ist vielen unbekannt. Und da gibt es so viel zu erfahren! 

Wir hoffen, dass dieses Buch es schafft, dass wir Menschen uns etwas weniger wichtig nehmen und dafür begreifen, welch große Bedeutung Pferde füreinander haben und wie wichtig es für sie ist, Teil einer Herde zu sein. Wir hoffen, dass noch viel mehr Menschen klar wird, dass das Bild, welches herkömmlicherweise von wild lebenden Pferden gezeichnet wird, oft nur dazu dient, leider meist nicht pferdegerechte Trainingsmethoden zu rechtfertigen, aber mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Wir sind davon überzeugt, dass die Einblicke, die Marc uns schenkt, dabei helfen, Pferdeverhalten mit anderen Augen zu sehen und besser zu verstehen. Und wir sind uns sicher, dass jeder, der dieses Buch liest, Pferde danach noch wunderbarer finden wird als zuvor. 

Fazit: „Im Kreis der Herde“ leistet einen ganz wichtigen Beitrag dafür, dass diese oft noch immer so missverstandenen Tiere endlich so gesehen werden, wie sie wirklich sind. 

 

Im Kreis der Herde

Direkt beim Kosmos-Verlag bestellen. 

 

26. November 2019 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps, Engagement und Pferdeschutz, Haltung, Verhalten 1 Kommentar »

Was Pferde bei großer Hitze brauchen

Wir erleben gerade einen Sommer, wie wir ihn schon lange nicht mehr hatten: anhaltend heiß und trocken. Während im Winter viele schnell besorgt um ihre Lieblinge sind und dafür Sorge tragen, dass sie nicht frieren oder nass werden, macht sich manch einer an heißen Tagen ein bisschen zu wenig Gedanken…

Tatsächlich können die meisten Pferde nämlich Kälte besser ab als große Hitze (… Ausnahmen bestätigen die Regel). Ab 25 °C wird es vielen Pferden zu warm und Pferde können, genau wie wir Menschen, einen Sonnenstich oder einen Hitzschlag bekommen. Auch wenn Pferde sich durch Schwitzen ein Stück weit an Hitze anpassen können, können sie nur 30% des Schweißes zur Kühlung nutzen (bei uns Menschen sind es 50%). Noch schwieriger wird es für sie bei schwüler Feuchte: dann verschafft der Schweiß kaum noch Kühlung und sie fühlen sich, als ständen sie in einer heißen Blase. Die Körpertemperatur von Pferden kann bei starker Hitze bis zu 41°C, in den Muskeln sogar bis 43°C ansteigen. In der Folge beginnen Proteine damit, sich zu zersetzen, und es kann zu fallendem Blutdruck, Koliken und einem Versagen der Nieren kommen. Zu starke Hitze ist also nicht zu unterschätzen. Aber, bitte auch keine Panik bekommen, solange die folgenden Punkte beachtet werden, kommen fast alle Pferde bestens durch den Sommer:

Was Pferde im Hochsommer brauchen

Bei großer Hitze brauchen Pferde vor allem drei Dinge:

  • ausreichend Wasser,
  • die Möglichkeit, sich in den Schatten zu stellen und
  • ein dem Wetter angepasstes Training. 

Pferde müssen ausreichend trinken

Wasser sollte grundsätzlich immer frei zur Verfügung stehen. Bei Selbsttränken ist der Punkt eigentlich abgehakt, aber es gibt Pferde, die von sich auch nicht ausreichend trinken. Hier ist angeraten, bei sehr heißer Witterung bewusst darauf zu achten, welche Pferde wirklich trinken.

Wer aus Bottichen tränkt, sollte bedenken, dass Pferde an sehr heißen Tagen durchaus mehr trinken, so dass immer eingerechnet werden sollte, dass das Wasser schneller alle sein kann als gewohnt. Auch kann es immer mal sein, dass ein Bottich umgeworfen wird, also lieber einen mehr hinstellen (das wäre allerdings auch grundsätzlich sinnvoll, nicht nur bei Hitze). 

Pferde brauchen Schatten

Mit dem Schatten ist es oft nicht so leicht.

Ideal ist natürlich, wenn die Pferde Möglichkeit haben, jederzeit Schatten aufzusuchen, also zum Beispiel in einen Unterstand zu gehen oder wenn es ausreichend Bäume gibt, die natürlichen Schatten spenden. 

Pferde Hitze

Gibt es keine Bäume oder reicht der Schattenplatz nicht für alle aus, müssen wir nachhelfen. Da aber liegen uns einige Steine im Weg, denn es ist in den meisten Fällen nicht erlaubt, feste Unterstände auf Weiden oder Paddocks zu errichten. Aber auch hier gibt es inzwischen trickreiche Alternativen, wie z.B. so genannte „Event-Zelte“, wie wir nun auch eines für unsere Pferde haben:

Hitze Pferd

Mit einer Grundfläche von 42qm bietet ein solches Zelt bei praller Mittagssonne Schutz direkt darunter und sonst durch Schattenwurf auch drum herum. Diese Zelte sind leicht aufzubauen, gut zu fixieren und sollen einiges aushalten – kleiner Tipp gleich dazu: Am besten von Beginn an die Beine mit festen Pfosten verstärken und sie bei schweren Gewittern abbauen. Finanziell sind sie zwar nicht billig, aber zumindest günstiger als die meisten festen Alternativen, mit dem Vorteil, dass sie bei Bedarf schnell ab- und wieder aufgebaut werden können. Für manche Pferde sind solche Zelte vielleicht zunächst eine Herausforderung, aber mit etwas Geduld und gutem Zureden werden die meisten sicher zu überzeugen sein, dass die Sache ungefährlich ist. Ist erstmal einer mutig, folgen die anderen meist auch.

Besteht auch diese Möglichkeit nicht, sollte darüber nachgedacht werden, die Pferde tagsüber in den Stall zu holen und nachts rauszulassen. Das wissen viele Pferde nicht nur wegen der Hitze, sondern auch wegen der lästigen Bremsen zu schätzen. 

Das Training anpassen

Heißes Wetter ist für jeden Organismus eine Herausforderung und nur, weil wir selbst vielleicht erst ab 25°C so richtig munter werden, sollten wir davon nicht auch bei unseren Pferden ausgehen. Im Gegenteil: In heißen Phasen sollte das Training unbedingt angepasst werden und auf sportliche Hochleistungen, wie z.B. auf Turnierprüfungen oder gar Rennen oder Distanzritte u.Ä. verzichtet werden.

Beachtet bitte auch, dass die Motivation und der Eifer möglicherweise geringer sind als sonst und seid in dem Fall nachsichtig mit Euren Pferden. Vielleicht ist auch einfach mal eine Pause angesagt? Auch Pferde freuen sich über Ferien. 

Extra-Tipp: Wenn es heiß ist, denken viele, sie tun ihrem Pferd mit einer kalten Dusche etwas Gutes – das aber ist nicht immer der Fall und sollte nur vorsichtig erfolgen. Lest dazu bitte auch noch diesen Artikel. Und hier findet Ihr noch eine tolle Idee für eine Pferdedusche auf dem Paddock.

24. Juli 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Gesundheit, Haltung 5 Kommentare »

Praxistest Holzpellets – Alternative Einstreu für Huster

Eine für einen Huster geeignete Einstreu zu finden, ist gar nicht so einfach. Aber nach einigem Herumprobieren bin ich nun auf Holzpellets gestoßen. 

Erst konnte ich mir gar nichts darunter vorstellen, denn Holzpellets kannte ich bisher nur zum Heizen. Aber auf einen Tipp hin recherchierte ich ein bisschen und fand viel versprechende Berichte. Also probierten wir es aus. 

Die Holzpellets gibt es in 14-Liter-Säcken. Damit aus den kleinen harten Pellets eine gemütliche Einstreu wird, muss man sie wässern und wenn ich „wässern“ schreibe, meine ich das so. Es reicht nicht, mal eben eine große Kanne Wasser auf einen Sack zu gießen, sondern ich habe für die Ersterstellung der Ersteinstreu an die 100 Liter Wasser darauf gekippt! 

Holzpellets als Einstreu

Hier sieht man, wie die Pellets noch fast im Erstzustand sind, nur in der Mitte quellen sie schon ein bisschen auf. 

Holzpellets als Einstreu

Ich habe die Pellets zunächst in den Säcken nass gemacht, da sich das Wasser da besser hält und sie leichter quellen. Hier sieht man schon, wie viel mehr Fülle sie bekommen: 

Holzpellets als Einstreu

Dann ohne die Verpackung: 

Holzpellets als Einstreu

Und so sieht die Sache bezugsfertig aus: 

Holzpellets als Einstreu

Solange sie noch so aussehen, ist noch zu wenig Wasser dazugegeben worden: 

Holzpellets als Einstreu

So ist es gut: 

Holzpellets als Einstreu

Hier schaut sich Anthony die Sache zum ersten Mal an: 

Holzpellets als Einstreu

Prüft das Ganze… 

Holzpellets als Einstreu

… und befindet es für gut 🙂

Holzpellets als Einstreu

Am nächsten Tag sah die Box so aus – und nein, so ordentlich ist er nicht immer, inzwischen äppelt er auch rein, da man das wirklich nicht fressen kann 🙂

Holzpellets als Einstreu

Fazit nach einigen Wochen

Für mich ist faszinierend, dass bei dieser Einstreu kein Geruch entsteht. Es duftet gleichbleibend leicht nach Holz, aber nicht nach Urin. Die Pellets sind sehr saugfähig und die Box ist leicht zu misten. Von der Pinkel-Stelle nehmen wir immer ein bisschen was von dem Nassen heraus, aber es bildet sich ingesamt eine trittfeste Matratze. Hin und wieder müssen mal ein, zwei Säcke nach gefüllt werden. Ich empfinde den Verbrauch als recht sparsam und im Vergleich zu anderen Späne-Varianten ist sie meiner Einschätzung nach günstiger. Und das Beste: Sie wirkte sich bei uns sehr schnell deutlich positiv auf den Husten aus. 

Kleiner Minuspunkt: Zweistellige Minusgrade über mehrere Tage bringen die Einstreu an ihre Grenzen, denn dann ist das Wässern natürlich schwer bis unmöglich und die Einstreu wird staubig. Damit ist abzusehen, dass es im Hochsommer sicher nötig werden wird, die Einstreu öfter nachzuwässern, aber da ist der Einsatz von Wasser ja unproblematischer. 

Nach etlichen Wochen Einsatz kann ich sagen, dass das bisher die beste Einstreu ist, die ich bisher hatte. Holzpellets für Pferde gibt es von verschiedenen Anbietern, bei Interesse einfach mal im Netz danach recherchieren. 

10. April 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Gesundheit, Haltung 21 Kommentare »

Zweige – eine tolle Sache für Pferde!

Immer wieder ist zu lesen, dass es eine gute Sache ist, Pferden Zweige zum Knabbern anzubieten – als Nahrungsergänzung, zur Beschäftigung und um Abwechslung auf den Paddock zu bringen – und doch wird das leider nur selten gemacht. Warum eigentlich nicht? Klar, es ist ein bisschen Aufwand, aber der lohnt sich allemal!

Für unsere Pferde wurden frische Birkenzweige vom Baumschnitt vor den Osterfeuern besorgt und es war toll zu sehen, wie gerne diese angenommen wurden. 

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Die Zweige liegen einfach im Auslauf und die Pferde beschäftigen sich nach Lust und Laune damit wunderbar und hingebungsvoll selbst.

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Nicht nur leichtfuttrige Pferde können auf diese (kalorienarme) Art und Weise ihr Kau- und Knabberbedürfnis ausleben. 

Und wenn man ihnen die frischen Zweige etwas höher hinhält, dienen sie auch als tolles Spielzeug (und sorgen für prima Fotomotive).

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Zweige sind also nicht nur für einen Kaspar wie Anthony eine tolle Sache!

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Manch einer ist vielleicht unsicher darüber, welche Zweige gefüttert werden können. Zu den Baumarten, deren Zweige ohne Bedenken angeboten können, gehören:

  • Birke,
  • Weide,
  • Haselnuss,
  • Schlehe,
  • Pappel,
  • Linde und
  • ungespritzte Obstbaum-Arten.

Bei Zweifeln empfehlen wir die Rücksprache mit einem Tierarzt und bei Unsicherheiten in Bezug auf die Baumarten, einen Pflanzenkundler zu Rate zu ziehen – dann steht dem Knabberspaß nichts mehr im Wege! 

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1. Mai 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Gesundheit, Haltung, Ideen 13 Kommentare »

Von wegen alt – oder: Die Geschichte von Tizon

Bei meinem Coaching auf La Palma durfte ich nicht nur Birgits Giaco kennen lernen, sondern auch ihren Tizon. Dieses Pferd hat mich tief beeindruckt. Er ist nicht mehr der Jüngste, dabei aber quicklebendig und ein echtes Charakterpferd. Ich möchte Euch hier Tizons Geschichte erzählen, da ich glaube, dass sie dazu beitragen kann, dass wir vielleicht in Zukunft manches alte Pferd mit anderen Augen sehen können: 

Das also ist Tizon: 

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Tizon ist ein Traber-Mallorquin-Mix und Tizon ist mit 32 durchaus das, was man bei Pferden als „alt“ bezeichnen kann. Bevor Tizon zu Birgit kam, lebte er erst auf Teneriffa und hat dort leider auch Schlimmes erleben müssen. Gebrochen aber hat ihn niemand. Nur schien ihm auch keiner gewachsen und er erwies sich unter dem Sattel dann auch tatsächlich als gefährlich. Mit viel Liebe, Einfühlungsvermögen und Sachverstand haben es Birgit und ihr Mann Christoph geschafft, Tizon für sich zu gewinnen, so dass er reitbar wurde (zumindest meistens 😉 ).

Inzwischen ist Tizon in Rente. Er muss nicht mehr arbeiten und wird nicht mehr geritten. Er lebt zusammen mit dem noch jungen Giaco auf einem traumhaften Grundstück und genießt dort seinen Lebensabend. 

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Mir gegenüber präsentierte sich Tizon eher unauffällig: ruhig und weise wirkte er, während er sich im Hintergrund hielt. Schließlich war ich für Giaco gekommen und er schien sich nicht in den Vordergrund drängen zu wollen.

Umso mehr freute ich mich, als ich Tizon an einem Tag auch ganz anders erleben durfte! Tizon gehört nämlich noch lange nicht zum alten Eisen: 

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So dreht Tizon auf, wenn er im Spiel mit Giaco über den Reitplatz fegt und wirkt dann mehr wie zweieinhalb als wie 32! 

Frech fordert er den Jüngeren auf: 

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Und lässt sich von ihm nicht wirklich beeindrucken: 

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Steigen kann er auch noch gut: 

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Und er scheut keine Wettrennen: 

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Ich zeige diese Bilder, weil wir uns nie vom Alter eines Pferdes täuschen lassen sollten! Rentner zu sein, heißt noch lange nicht keine Lebensfreude mehr zu haben, ganz im Gegenteil. So manches Pferd erlebt wie befreit als Rentner seinen zweiten Frühling. Die Bilder von Tizon zeigen mehr als deutlich: auch ältere Pferde brauchen Spielkameraden und Platz zum Laufen und Toben. Schön, wenn es ihnen so möglich ist, wie Tizon!

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Lieber Tizon, ich wünsch‘ Dir noch viele, wundervolle und energievolle Jahre! Es war mir eine Ehre, Dich kennen gelernt zu haben. 
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17. Januar 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Haltung, Sonstiges, Verhalten 5 Kommentare »

Der Schlüssel lautet „Zeit“

Ich glaube inzwischen, dass es ein regelrechtes Wundermittel für die meisten Probleme gibt, die wir mit Pferden haben (oder besser gesagt: zu haben glauben, denn oft haben sie viel mehr ein Problem mit uns, aber das ist ein anderes Thema 😉 ) und das lautet: Zeit! 

Plötzlich ein Kleber?!

Ich bin ja vor kurzem mit meinen Jungs umgezogen und so reibungslos der Umzug und das Ankommen für die beiden waren, so zeigten sich dort dann einige Sachen, mit denen wir bisher keine Probleme hatten. Zum Beispiel wurde Anthony fast panisch, wenn ich mit Aramis etwas machen wollte. Die Jungs kennen das, solange sie zusammenstehen, dass ich mal mit dem einen, mal mit dem anderen losgehe. Nun hatte Anthony aber den Sommer getrennt von Aramis verbracht und ganz eindeutig fehlen ihm im Moment das Vertrauen und die gelassene Gewissheit, dass Aramis wiederkommen wird. In den ersten Tagen wieherte er schon herzzerreißend, wenn ich Aramis nur aus dem Paddock nahm, um in Sichtweite etwas mit ihm zu machen. Ihn auch nur um die Ecke vom Hof zu führen ließ dann Anthonys Stimmchen regelrecht kippen, so dass echte Verzweiflung zu hören war. 

Während ich früher ganz sicher voller Sorge davon ausgegangen wäre, dass ich nun einen Kleber habe und alles versucht hätte, das zu ändern, war ich jetzt ganz gelassen. Ich wusste, dass die Zeit für mich arbeiten würde. Erstens würde Anthony die Erfahrung machen, dass Aramis immer wieder kommt, und das Problem würde ganz sicher geringer werden, wenn die Jungs erstmal nicht mehr nur zu zweit stehen, sondern mit den anderen Pferden zusammen kommen würden. 

Also tat ich das, was ich anderen inzwischen bei ganz vielen Problemen rate: Ich gab Anthony Zeit. Ich forcierte nichts, dosierte die kleinen Abschiede ganz behutsam und ließ die beiden oft auch einfach beieinanderstehen und unternahm dann eben nichts mit Aramis, um Anthony nicht ständig zu beunruhigen.

Jetzt sind die Jungs schon einige Wochen in dem neuen Stall und seit kurzem stehen sie dauerhaft mit den anderen Wallachen zusammen. Und siehe da: Anthony kann es inzwischen immer besser ertragen, wenn ich mit Aramis mal weggehe. Zwischendurch wiehert er noch mal und wird unruhig, aber dann beruhigt ihn einer der anderen. Das Problem löst sich, genau, wie ich mir das dachte, einfach langsam von allein. Hätte ich „das Problem“ aktiv zu lösen versucht, damit es schneller geht, hätte ich unter Umständen vieles schlimmer gemacht.

Zeit kann Wunder bewirken

Ich bin fest davon überzeugt: Oft muss man einfach nur Geduld haben und etwas Zeit verstreichen lassen – und das gilt für ganz, ganz viele Themen! Aber wir Menschen neigen dazu, alles immer gleich und sofort haben zu wollen und schlagen Alarm, wenn ein Problem nicht ad hoc lösbar ist. Dabei übersehen wir, dass Pferde in einer ganz anderen Zeitwelt leben als wir. Sie wissen nichts von unseren Vorstellungen und Erwartungen darüber, wie schnell etwas zu gehen hat. Es ist uns vielleicht nicht bewusst, aber wir nehmen uns für uns selbst viel wenig Zeit und erwarten in der Folge davon auch von all unseren Mitlebewesen, dass sie sich unserem Zeittakt (der oft gleichbedeutend mit Druck und Stress ist) anpassen. Aber genau das können Pferde oft nicht. Sie tun das nicht aus Bosheit oder Dummheit, sondern für sie gibt es unsere Vorstellung von Zeit einfach nicht. 

Auch in meinen Coachings stelle ich immer wieder fest, dass Zeit ein ganz wichtiger Faktor in Hinblick auf positive Veränderungen ist: Diejenigen, die bereit sind, nicht nur ihren Pferden, sondern eben auch sich selbst Zeit zu geben – egal ob es z.B. um das Thema Angst geht, um Vertrauen, um das Erlernen von neuen Übungen, um den Umgang mit Verhaltensveränderungen oder um noch etwas anderes – erreichen oft sehr viel. Denn sie geben sich und dem Pferd Entwicklungsraum und sie tun etwas ganz Entscheidendes: In dem Moment, in dem sie bereit sind, Zeit zu investieren, lassen sie ihre Erwartungen los. Und das bewirkt ganz, ganz viel.  

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1. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Haltung, Umgang, Verhalten 8 Kommentare »

Pferde brauchen Pferde!

Vor einigen Tagen hatten wir bei Facebook wieder eine Inspiration online gestellt, von der wir glauben, dass sie eine Art Grundgesetz für die Haltung von Pferden darstellt:

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Pferde sind Herdentiere

In der Natur leben Pferde in Herden. Selbst junge Hengste stromern so gut wie nie allein herum, sondern tun sich zu Junggesellenherden zusammen. In der Natur bedeutet für ein Pferd die Isolation von anderen Pferden fast immer den Tod, es ist also tief in der Natur des Pferdes verwurzelt, mit anderen Pferden zusammensein zu wollen.

Pferde brauchen deshalb idealerweise rund um die Uhr Sozialkontakte. Sie brauchen die Nähe anderer Pferde, müssen Fellpflege mit anderen Pferden betreiben können, brauchen die Möglichkeit zum Spielen oder zum gemeinsamen Dösen, sie müssen gemeinsam fressen und sich sonnen können, müssen gemeinsam in die Gegend schauen und miteinander um den besten Platz an der Raufe rangeln können.

Ja, Pferde brauchen den Kontakt zu Artgenossen fast genauso wie die Luft zum Atmen! 

… und nichts kann das ändern, vor allem nicht wir Menschen!

Leider scheint das aber vielen Pferdemenschen immer noch nicht wirklich klar zu sein und so werden viele Pferde den größten Teil des Tages allein in Boxen gestellt (allenfalls mit Schnupperkontakt zu anderen Pferden durch Gitter hindurch) oder im schlimmsten Fall sogar ganz allein gehalten. „Ich mach ja ganz viel mit ihm.“ oder „Dafür wird die auch ordentlich trainiert.“ heißt es dann. Das aber ist NICHT artgerecht und aus unserer Sicht sogar tierschutzrelevant.

Fakt ist: Kein Mensch kann einem Pferd die Gesellschaft anderer Pferde ersetzen, denn Pferde haben Pferde-Bedürfnisse. So, wie wir Menschen nicht in einer Pferdeherde leben können, können wir einem Pferd nicht einfach menschliches Sein aufzwingen und erwarten, dass es das auch noch gut findet. Deshalb gehen wir inzwischen so weit, dass Pferdehaltung nur dann erlaubt sein sollte, wenn sie den Grundbedürfnissen von Pferden entspricht – Einzelhaltung oder reine Boxenhaft gehören nicht dazu.

Aber mein Pferd versteht sich nicht mit anderen…

Immer wieder wird das Argument gebracht, dass sich manche Pferde nicht mit anderen verstehen, dass sie entweder selbst zu aggressiv sind oder in einer Herde von anderen Pferden gemobbt werden. „Mein Pferd ist halt ein Einzelgänger“ heißt es dann oft, was aber fast immer mehr über den Menschen aussagt als über das Pferd …

Es gibt Fälle, in denen es zugegebenermaßen schwieriger ist, dem Pferd ein Leben mit anderen Pferden zu ermöglichen, aber es ist nur in absoluten Ausnahmefällen wirklich unmöglich. Wenn ein Pferd in einer normalen Herde nicht klar kommt, ist es unser Job als Eigentümer, ihm eine Pferdegesellschaft zu suchen, in der sich auch dieses Pferd wohlfühlen kann (… und ruhig auch mal zu überprüfen, inwieweit wir es selbst dem Pferd vielleicht durch unser eigenes Verhalten oder durch unseren Umgang schwer machen, sich in einer Pferdegruppe einzuleben.).

Für eher hengstige Wallache kann das z.B. eine reine Wallachherde sein oder auch das Zusammenstellen nur mit Stuten. Sehr rangniedrige Pferde oder solche, die kein normales Sozialverhalten haben, fühlen sich oft in einer kleinen Gruppe von drei oder vier Pferden wohler als in einer großen Herde. In Ausnahmefällen kann auch eine Zweierhaltung sinnvoll sein, vielleicht dann wenigstens in Sichtweite anderer Pferde. Bei älteren Pferden muss abgewogen werden, inwieweit das Leben in einer altersgemischten Herde die Lebensgeister mobilisiert und das Pferd gleichsam jung gehalten wird oder ob es sinnvoll ist, es mit eher gleichaltrigen Pferden zusammen zu stellen, damit es einen ruhigen Lebensabend verbringen kann. Hier kann, wie letztlich in allen Fällen, immer nur individuell entschieden werden. In Krankheitsfällen gibt es fast immer Möglichkeiten ein Pferd, das allein stehen muss, wenigstens in Schnupper- und Sichtkontakt zu den anderen zu stellen, z.B. durch das Einrichten von Krankenpaddocks oder das wenigstens zeitweise Dazustellen eines Kumpels.

Lösungen gibt es so gut wie immer!

Ja, keine Frage, individuelle Lösungen für das eigene Pferd zu finden, kann aufwändig und unbequem sein und vielleicht ist es auch mit längeren Fahrzeiten zu einem passenden Stall verbunden oder mit einer Haltungsform, die uns mehr Arbeit als gewünscht abverlangt, aber aus unserer Sicht gibt es kaum eine Entschuldigung dafür, einem Pferd dauerhaft die Erfüllung eines Grundbedürfnisses zu verwehren. Mit dem Kauf des Tieres übernehmen wir Verantwortung für sein Wohl und die Gesellschaft anderer Pferde gehört schlicht und einfach dazu.

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20. Oktober 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Gesundheit, Haltung, Verhalten 9 Kommentare »

Auf Freunde ist Verlass

Für meine Jungs endete die Weidezeit in diesem Jahr aus gesundheitlichen Gründen leider früher als für den Rest der Herde. Wir richteten den beiden einen Platz am Stall ein und es war rührend zu sehen, wie verlässlich ihre Freundschaft ist.

In der Herde haben sich beide durchaus auch mit anderen Pferden angefreundet und verbringen ihre Zeit keineswegs nur miteinander. Ein bisschen fragte ich mich deshalb schon, ob sie nicht vielleicht gegenseitig den Frust aneinander auslassen würden…, aber ganz im Gegenteil: Sie spielten wieder viel miteinander im großen Sandpaddock und sie teilten sich alles:

Sie standen zusammen drin:

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Und fraßen aus einem gemeinsamen Heunetz:

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Und auch die von mir mitgebrachten Knabberzweige wurden (fast) einvernehmlich geteilt:

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Und als es dann wieder zurück in die Herde ging, hielten sie natürlich auch dicke zusammen. Erst wurde zusammen geschaut und abgewartet:

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Dann wurde der Auslauf gemeinsam ausprobiert:

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Die anderen wurden auch zusammen begrüßt:

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Es hat mich sehr gerührt, die beiden wieder einmal so eng zusammen zu erleben und dass ihre Freundschaft immer wieder solch intensive Phasen hat, gerade auch in schwierigen Zeiten. Gemeinsam geht einfach alles besser, was Jungs? Und wir Menschen sollten nie vergessen, welch intensive Freundschaften Pferde knüpfen können, wenn wir ihnen den für sie so unerlässlichen Kontakte zu anderen Pferden ermöglichen.

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13. Oktober 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Haltung, Verhalten 5 Kommentare »

Ältere Pferde im Offenstall?

Wenn es um artgerechte Pferdehaltung geht, taucht häufig die Frage auf, ob man auch ältere Pferde noch in einen Offenstall umsiedeln kann oder ob sie sich durch lange Jahre in der Boxenhaltung damit nicht sehr schwer tun würden. Hier möchten wir unsere Gedanken dazu teilen:

Ganz grundsätzlich ist es für jedes Pferd gut, artgerecht zu leben, deshalb empfehlen wir grundsätzlich auch die Umstellung von älteren Pferden in einen gut geführten Offenstall. 

Vorteile

Aus unserer Sicht gibt es zahlreiche Vorteile für das Leben in einem Offenstall, gerade auch für ältere Pferde:

  • Ältere Pferde profitieren in einem gut geführten Offenstall gesundheitlich oft sehr (z.B. durch die Bewegung bei Arthrose und die frische Luft bei Atemproblemen).
  • Da ältere Pferde oft weniger gearbeitet werden, sind die Kontakte und Spiele mit Artgenossen eine meist willkommene Abwechslung im eher eintönigen Alltag.
  • Auch ältere Pferde wissen Freundschaften zu schätzen und schließen sich gerne anderen Pferden an.
  • In einer Gruppenhaltung können ältere Pferde regelrechte Aufgaben bekommen, wie z.B. der Ruhepol zu sein oder auch manch eine Erziehungsfrage zu regeln.
  • Eine Veränderung auch im höheren Alter kann ein Pferd ganz neu fordern und aufblühen lassen (zweiter Frühling).

Worauf zu achten ist

Bei älteren Pferden, die ein Leben im Offenstall nicht gewohnt sind, gibt es einige Dinge zu beachten, damit ihnen die Umstellung leicht fällt und guttut:

  • Da ältere Pferde ein erhöhtes Ruhebedürfnis haben, ist es unerlässlich, dass die Herde friedlich ist und dass ältere Tiere nicht von anderen gejagt werden.
  • Die Eingliederung muss behutsam und umsichtig erfolgen, da ältere Pferde meist weniger wendig sind, schlechter laufen können und sich oft auch nicht mehr so gut verteidigen können (es gibt allerdings auch Ausnahmen…).
  • Da Abwechslung zwar gut, Stress aber schlecht ist, sollte es sich möglichst um eine Herde handeln, in der nicht ständig Pferde dazu- oder wegkommen.
  • Wichtig ist, dass jedes Pferd die Möglichkeit hat, sich bei Regen oder Wind unterzustellen, es muss einen Ruhebereich finden und sicher ans Futter kommen – das aber gilt grundsätzlich für alle Offenställe!
  • Bei empfindlichen Pferden muss bei schlechtem Wetter übers Eindecken nachgedacht werden, im Sommer kann es nötig werden, ältere Pferde vom Winterfall zu befreien, wenn dieses nicht mehr wie früher von allein ausfällt.
  • Da sich Offenstallpferde mehr bewegen als Pferde in Boxen, können ältere Pferde nach der Umstellung erstmal abbauen. Hier muss entsprechend zugefüttert werden. Das gilt natürlich auch, wenn die Zähne schlechter werden.
  • Es muss sichergestellt sein, dass jemand regelmäßig nach den Pferden schaut (aber auch das gilt für alle Pferde im Offenstall).
  • Gut ist, wenn für Krankheitszeiten oder ganz üble Wetterphasen Boxen zur Verfügung stehen.

Unser Fazit: Hält man ältere Pferde in einem Offenstall oder lässt man sie erst in höherem Alter umziehen, ist das vielleicht etwas aufwändiger als mit einem jungen Pferd, aber es steigert aus unserer Sicht die Lebensqualität ganz erheblich. In den Herden, in denen unsere Pferde leben, waren und sind so ziemlich alle Altersstufen vertreten und wenn man z.B. sieht, wie der inzwischen gesetzte Carlos (der Dunkle) noch locker mit dem Youngster Nico beim Weideauftrieb mithält, wird man kaum mehr Zweifel haben, dass auch für ältere Pferde ein Leben in einer Herde und im Offenstall eine gute Sache ist:

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9. Juni 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Haltung 13 Kommentare »

Gedanken zur Pferdehaltung

Wir haben hier bereits angekündigt, dass wir uns verstärkt auch den unbequemen Themen der Pferdewelt widmen wollen, um unseren Teil gegen bestehende Missstände beizutragen. In diesem Blogbeitrag geht es um das Thema „Pferdehaltung“. Wir möchten einerseits einen Blick darauf werfen, was im Vergleich zu früher schon erreicht wurde und zum anderen auch dahin schauen, was noch besser werden muss. Dieser Artikel kann erst einmal nur ein grober Überblick sein, bei dem viele Einzeldetails nicht berücksichtig werden. Das wird dann die Aufgabe weiterer Blogbeiträge sein. Hier könnt Ihr aber natürlich gerne die Kommentarfunktion nutzen, um noch nicht Erwähntes zu benennen.

Vom Ständer zur Box

Gehen wir an dieser Stelle nicht ganz weit zurück in die Geschichte von Pferd und Mensch, sondern bleiben einfach mal bei unseren eigenen Erfahrungen: Allein in den letzten drei, vier Jahrzehnten hat sich in Sachen Pferdehaltung nämlich aus unserer Sicht schon vieles getan.

Als wir selbst mit dem Reiten anfingen, war die Ständerhaltung leider noch vollkommen normal. Pferde standen also nebeneinander angebunden im Stall und wurden nur zum Reiten herausgeholt. In Verleihställen wurden die Tiere oft einmal zum Unterricht fertiggemacht und standen dann den ganzen Tag gesattelt und gezäumt. Gefüttert wurde zweimal am Tag, Paddocks oder gar Weiden waren für viele Pferde vollkommen unbekannt.

Ein übertriebenes Horrorszenario? Leider nicht, sondern die traurige Realität noch Anfang bis Mitte der 80er Jahre in etlichen Ställen.

Als die Ständerhaltung zunehmend kritisch betrachtet und später auch verboten wurde, stellte man Pferde in Boxen. Durchschnittlich 3x4m groß und meist rundum vergittert ist diese Haltungsform – leider – auch heute noch weit verbreitet. Ohne zusätzlichen Freilauf auf großen Paddocks und Weiden zusammen mit anderen Pferden ist diese Haltung allerdings leider nicht viel besser als die Ständerhaltung, denn für das Bewegungstier Pferd ist der kleine Raum einer Box schlicht und einfach nicht artgerecht. Und es hilft leider keinem Pferd, wenn es einmal am Tag für eine Stunde aus seiner Box geholt wird, um dann nicht selten auch noch unter Zwang und Krafteinsatz Runde um Runde in einer Reithalle laufen zu müssen.

Dazu einige Zitate von der Website und aus einer Broschüre des Tierschutzbundes:

  • „Ständerhaltung und ganztätige Boxenhaltung sind keine tiergerechten Haltungsformen, da die Pferde ihre arttypischen Verhaltensweisen nicht ausleben können.“
  • „Auch eine übliche Boxenhaltung entspricht weder dem ausgeprägten Bewegungsbedürfnis der Pferde noch ihrem Bedürfnis nach Sozialkontakt.“
  • „Ein Boxenpferd leidet unter einem enormen Bewegungsmangel.“

Auch ein kleiner Einzelpaddock vor der Box macht die Sache leider nicht viel besser, aber genau so lebt noch immer ein Großteil unserer Pferde. Und deshalb sind wir in Sachen artgerechter Pferdehaltung leider erst den halben Weg gegangen – es gibt noch viel zu tun.

Was ist artgerecht?

Eine artgerechte Pferdehaltung muss in jedem Fall diese Punkte erfüllen:

  • So viel Platz zum Bewegen an der frischen Luft, wie es nur geht (durch große Paddocks, Zugang zu Weiden, Bewegungsanreize durch Trail-Systeme, die lange Wege z.B. vom Futter zum Wasser bieten u.Ä.).
  • Ständiger Kontakt zu Artgenossen in sorgfältig zusammengestellten Herden mit nicht zu vielen Tieren für den vorhandenen Platz.
  • Ein freier Zugang zu allen Ressourcen muss für jedes Pferd, unabhängig von seinem Rang in der Gruppe, sichergestellt sein, also ausreichende Futterplätze, Unterstellmöglichkeiten, Ruheplätze usw.
  • Eine durchdachte Fütterung mit ausreichend qualitativ hochwertigem Raufutter ohne lange Futterpausen und Weide in Maßen (bei Vorerkrankungen oder gefährdeten Pferden wenig bis gar nicht), die weder zu Unter-, noch zu Übergewicht führt.

Ursula Bruns gehörte zu den Pionieren in Sachen artgerechter Haltung, indem sie die Idee der Offenställe bekannt machte. Leider heißt „Offenstall“ nicht automatisch „gute Haltung“, denn schlecht geführte Offenställe bedeuten leider oft, dass Pferde bei schlechtem Wetter schutzlos sind und tief im Schlamm stehen und dass zu viele Pferde in nicht sorgfältig zusammengesetzten Herden zu Streitereien, Futterneid, Stress und Verletzungen führen und anderes mehr. Es ist eben nicht damit getan, ein Stück Land zu pachten, einen Zaun darum zu ziehen und dort dann eine Herde Pferde drauf zu stellen…

Gut geführte Offenstall-Konzepte erfordern viel Pferdewissen, viel Sorgfalt und viel Platz, Arbeit, Zeit und Geld.

Unterschiedliche Bedürfnisse von Mensch und Pferd

So klar inzwischen ist, was Pferde brauchen, um pferdegerecht leben zu können, so klar stehen dem eine ganze Reihe von menschlichen Bedürfnissen entgegen. Viele möchten ihr Pferd ständig verfügbar haben. Ein Pferd aus einer Box zu holen, geht allemal schneller, als es von einer großen Weide oder aus einem mit Trails verschachtelten Paddock zu sammeln. Pferde in einer eher freien Haltung haben die Möglichkeit, sich dem Eingefangenwerden zu entziehen, was vielen Pferdebesitzern nicht besonders gefällt. Ein Pferd für das Reiten fertig zu machen, geht bei einem Boxenpferd meist deutlich schneller als bei einem, das bei Wind und Wetter draußen lebt. Das Klima ist in einem geschlossenen Stall mit Boxen für Menschen vor allem im Winter viel angenehmer, während Pferde ein ganz anderes Kälteempfinden haben und in der warmen, stickigen Luft eines geschlossenen Stalles sehr schnell Probleme mit den Atemwegen bekommen. Häufig wird auch die Verletzungsgefahr als Grund angegeben, Pferde nicht in einer Gruppe zu halten. Und so weiter und so fort.

Von der Stallbetreiberseite her ist ein Boxenstall in der Regel viel weniger aufwändig als ein gut geführter Offen- oder Laufstall und leider sind immer noch nur wenige Pferdebesitzer/innen bereit, tatsächlich mehr Geld für einen Offenstall zu zahlen als für eine Box (denn in Boxenställen gibt es auch oft noch eine Reihe von Annehmlichkeiten für die Menschen, wie eine Halle, beheizte Sattelkammern und Aufenthaltsräume und dergleichen mehr…). Und so gibt es entsprechend auch traurigerweise immer noch viel mehr Boxenställe als gut geführte Offenstall-Konzepte.

Und genau das muss sich ändern!

Unsere Hoffnung

So viel, wie sich schon in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf die Haltung von Pferden getan hat, so hoffen wir, dass auch die Zukunft noch weiter zu deutlichen Verbesserungen führt:

  • Wir hoffen, dass eine nicht-pferdegerechte Haltung immer heftiger kritisiert wird und dass es zu einem Verbot der reinen Boxenhaltung kommt, so wie inzwischen die Ständerhaltung verboten wurde. 
  • Wir hoffen, dass das nötige Wissen darüber, was Pferde brauchen, um artgerecht leben zu können, zum Allgemeingut für jeden wird, der mit Pferden zu tun hat.
  • Wir hoffen, dass immer mehr Pferdebesitzer/innen erkennen, dass nur eine wirklich artgerechte Haltung für Pferde vertretbar ist und dass es unser Job ist, dafür zu sorgen, dass unsere Pferde pferdegerecht leben können.
  • Wir hoffen, dass immer mehr Pferdeleute bereit sind, die eigenen Interessen zugunsten eines guten Pferdelebens zurückzustellen.
  • Wir hoffen, dass immer mehr Pferdebesitzer/innen sich in Ställen aktiv mit Vorschlägen einbringen und sich für Verbesserungen in der Pferdehaltung einsetzen.
  • Wir hoffen, dass immer mehr Stallbesitzer den Mut und auch den Willen entwickeln, wirklich artgerechte Lebensbedingungen für Pferde zu bieten und den Nutzen selbstbewusst zu kommunizieren.
  • Wir hoffen auf bisher noch nicht gedachte gute und findige Ideen, die unseren Pferden ein noch besseres Leben ermöglichen.

artegerecht

26. Mai 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Haltung 22 Kommentare »

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