Jeden Monat lesen Sie hier im Blog, welche tollen neuen Sachen unser Jungpferd Nico wieder gelernt hat. Eine Premiere folgt der nächsten und in der Regel sind sie alle wundervoll. Aber manchmal erleben wir auch Premieren, auf die wir sehr gerne verzichtet hätten, so z.B. die, als Alex einen ordentlichen Abgang von Nico gemacht hat …
Da wir hier ehrlich und offen über alle Aspekte der Jungpferdausbildung berichten möchten und vor allem auch auf Fehler hinweisen wollen, die vermeidbar sind, haben wir uns entschieden, auch dieses Erlebnis ausführlich zu schildern:
Nico zeigte sich bisher unter seiner Reiterin Alex immer total cool. Nie bekam er Sorgenfalten um die Augen, wenn sie auf ihm saß, er verspannte sich nicht, er erschrak während keiner der Turnübungen, die Alex auf ihm machte und wenn er sich mal vor einem Geräusch oder Ähnlichem erschreckte, zuckte er maximal etwas zusammen, aber er schoss nie los und buckelte auch nie. So fühlte sich Alex schon nach ein paar Einheiten sehr sicher auf Nico und das Vertrauen auf beiden Seiten ist sehr groß.
Bisher wurde Nico immer nur entweder mit einem Sattelpad oder mit einem von meinen baumlosen Sätteln geritten. Nun war es aber so weit, dass Nico seinen eigenen richtigen Sattel bekommen sollte. Petra bestellte also den Sattler unseres Vertrauens und ließ für Nico einen Sattel mit Baum anpassen. Was dann passierte, lesen Sie hier in Petras Tagebucheintrag:
Wir waren so gespannt, wie sich der neue Sattel anfühlt, dass wir heute nach der Arbeit zu Nico fuhren. Erstmal machten wir etwas Longenarbeit mit ihm, um zu sehen, wie er stimmungsmäßig drauf war. Er wirkte motiviert, ausgeglichen und zufrieden. Also legten wir ihm den Sattel auf den Rücken und (und das war unser Fehler!!!!) Alex stieg auch gleich auf. Ich wollte noch die Aufstieghilfe hinter das Cavaletti stellen, da spielte Nico bereits wilde Sau. Ich habe noch nie ein so buckelndes Pferd gesehen. Er hörte auf nichts mehr, war mit allen Vieren in der Luft und buckelte und buckelte. Es sah fast aus wie bei einem Rodeo im Fernsehen.
Alex fiel relativ schnell von Nico herunter, glücklicherweise ist ihr nichts passiert. Ich hatte vorher noch Helm und Weste eingepackt, wie gut! Keine von uns weiß mehr, wie sie gefallen ist, aber sie hatte keine Verletzungen. Nico buckelte selbst dann weiter, als Alex bereits unten war. Er nahm nichts mehr wahr, war nur bestrebt, das fürchterliche Ding auf seinem Rücken loszuwerden. Irgendwann hielt er dann an und wir nahmen den Sattel ab. Das Ganze war für uns alle ein übles Erlebnis.
Erstaunt hat mich dann Alex, denn sie wollte unbedingt, dass wir noch Babettes Sattel auflegen und sie wollte erneut aufsteigen. Wir longierten Nico also erstmal noch ein bisschen und legten ihm dann den bekannten, baumlosen Sattel auf. Noch einmal longierten wir Nico einige Runden (mit dem Sattel). Dann stieg Alex auf und ich habe beide im Schritt noch einige Runden geführt. Das war dann für uns alle ein guter Abschluss.
Ich kann nur hoffen, dass uns nie etwas Schlimmeres passieren wird. Ich hatte in diesem Moment so eine wahnsinnige Angst um meine Tochter. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie es hätte ausgehen können.
Was war nur passiert?
Hat Nico plötzlich seine „Widersetzlichkeit“ entdeckt? Nein, mit Sicherheit nicht!
Petra und Alex haben nur nicht bedacht, dass sich dieser Sattel mit Sicherheit für Nico komplett anders anfühlte, als alles, was er bisher auf seinem Rücken hatte und auch sonst war einiges anders als gewohnt.
- Normalerweise hatten wir ihn an alles Neue immer in ganz kleinen Schritten herangeführt, dieses Mal aber wurde genau das ausgelassen.
- Normalerweise wurde Nico immer vor dem Reiten etwas laufen gelassen, um sich auszutoben, und er wurde dann immer erst mit dem Sattel auf seinem Rücken longiert.
- Normalerweise hat Petra Alex nach dem Aufsteigen immer noch einige Runden geführt und ist dann mehr und mehr auf Abstand gegangen, um irgendwann dann die Longe abzumachen.
Wie das aber so ist: Irgendwann geht man davon aus, dass man dieses Prozedere nicht mehr braucht und wird nachlässiger. Zwei kleine, aber wichtige Schritte, nämlich Nico zuerst mit dem neuen Sattel zu longieren und Alex damit zu führen, wurden ausgelassen und das ging prompt in die Hose …
Nico hat sich bei der Aktion mit Sicherheit mindestens ebenso erschrocken wie Alex und Petra. Nico wollte Alex NICHT loswerden, weil er nicht geritten werden will oder weil er „ungezogen“ oder „bockig“ war. Man merkt Nico deutlich an, dass er mit dem Reiten nichts Negatives verbindet und keinen Widerwillen dabei empfindet, im Gegenteil. Nico guckt mit offenen, runden Kulleraugen und vermittelt uns das Gefühl, dass er das Reiten als ein weiteres lustiges Spiel mit uns ansieht.
Viele Menschen hätten Nico nach so einer Aktion wahrscheinlich gestraft, aber das wäre grundfalsch gewesen! Petra und Alex haben es genau richtig gemacht: Sie sind wieder zu etwas Bekannten gegangen, haben noch in Ruhe etwas mit Nico gearbeitet und da die Situation dann wieder entspannt war, stieg Alex noch mal kurz auf. So hat sich das Erlebnis zum Glück weder bei Nico noch bei Alex negativ festgesetzt. In der Zwischenzeit ist Alex auch schon wieder „ganz normal“ geritten und Nico war wieder genauso entspannt und brav wie die Male davor.
Wir sind uns alle einig: Das war eine Premiere, die wir nicht wiederholen wollen! Aber wir haben auch wieder etwas Wichtiges von unserem Nico gelernt: nämlich dass man nichts als selbstverständlich nehmen darf.
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