Die Alexander-Technik für Reiter/innen
Wenn es um das Reitenlernen geht, wird vor allem ein korrekter Sitz und eine korrekte Hilfengebung vermittelt. Dass aber viele Menschen aufgrund von Verspannungen, Fehlhaltungen und körperlichen Beschwerden gar nicht korrekt sitzen KÖNNEN, wird im normalen Reitunterricht leider oft gar nicht beachtet. Dabei gibt es zahlreiche Bewegungsschulen und -techniken, die uns sehr gut dabei unterstützen können, uns mehr zu entspannen und optimaler zu bewegen, wie z.B. Feldenkrais, Kinesiologie, Yoga u.ä.
Gerade für das Reiten brauchen wir einen entspannten lockeren Körper, denn unsere Verspannungen und unsere Schiefe beeinflusst wesentlich auch das Pferd, auf dem wir sitzen. Sie können also noch so sehr an einer korrekten Schenkelhilfe feilen, wenn Sie z.B. schief sitzen, beeinflusst das Ihr Pferd deutlich mehr als jeder Schenkeldruck. Und es gibt kaum jemanden, der nicht schief sitzt!
Vorgestellt: Die Alexander-Technik
Nun gibt es, wie gesagt, viele verschiedene Ansätze, mit denen wir unsere Bewegungen und unsere Haltung verbessern können. Petra Hamer, die Sie schon aus unserer Nico-Ausbildungsserie kennen, hat die so genannte Alexander-Technik ausprobiert und lässt uns mit ihrem Bericht alle daran teilhaben – danke, Petra!
Entwickelt wurde diese Bewegungslehre von Frederick Matthias Alexander (1869-1955). Er litt als Schauspieler und Rezitator unter Problemen mit seiner Stimme (Atembeschwerden, Heiserkeit und Ausbleiben der Stimme), woraufhin er sein Problem genauer erforschte. Dabei fand er durch Selbstbeobachtung heraus, dass es die Art war, wie er seinen Körper beim Sprechen einsetzte, die zu den Beschwerden führte und dass er diese durch Veränderung seiner Haltung beheben konnte. Er konnte durch seine Erkenntnisse immer öfter auch anderen helfen und erarbeitete daraus die so genannte „Alexander-Technik“.
Der Grundgedanke der Alexander-Technik ist der, dass alle geistigen, seelischen und körperlichen Prozesse untrennbar und direkt zusammenhängen, sich also gegenseitig beeinflussen. Entscheidend ist, alle drei Faktoren in Balance und ein Gleichgewicht zu bringen.
Ein bekanntes Zitat von ihm lautet:
„Wenn wir aufhören, das Falsche zu tun, geschieht das Richtige von selbst.“
F.M. Alexander
Und wie das nun im Reitunterricht aussieht, beschreibt uns Petra:
Praxis-Bericht: Eine Alexander-Reitstunde
Nachdem ich sehr viel über die Alexander-Technik gelesen hatte, wollte ich das Ganze einmal live erleben. Walter Tschaikowki, der Autor der von mir gelesenen Bücher, war bereit, meiner Tochter und mir Unterricht zu geben und zwar in einer Doppelstunde. Im ersten Teil ging es um uns und unsere innere Ausrichtung und Balance. Im zweiten Teil durften wir dann alles auf dem Pferd nachspüren.
Die Idee bei der Alexander-Technik ist den Menschen so auszurichten, dass er sich ohne Kraftanstrengung selbst trägt und dadurch das optimale Gleichgewicht findet. Für mich ist das aus dreierlei Gründen interessant:
- Ich habe eine seitlich verkrümmte Wirbelsäule, die mich schon einige Male in die Knie gezwungen hat. Im Fitnesscenter habe ich über Kräftigungsübungen dagegen antrainiert, hatte dabei aber nie das Gefühl, dass es die optimale Lösung für mich ist.
- Ich beobachte beim Longentraining der Pferde, dass sie bei perfekter Ausrichtung, die über das Genick eingeleitet wird, plötzlich eine wundervolle Ausstrahlung bekommen und in der Bewegung majestätisch werden und wachsen. Das sind Momente, die uns die Pferde oftmals schon in der ersten Einheit zeigten. Es hat also nichts mit Muskelaufbau oder Ähnlichem zu tun.
- Außerdem finde ich es spannend, die Parallelen zum Menschen zu entdecken: Was verändert sich beim Reiten beim Pferd, wenn ich mich als Mensch in einer nahezu perfekten Balance befinde?
Walter gab uns zuerst einen kurzen, theoretischen Einblick in die Alexander-Technik. Danach begann er damit, uns korrekt auszurichten und in die Balance zu bringen.
Der Schlüssel für die korrekte Ausrichtung ist das obere Kopfgelenk (auch Atlanto-Okzipital-Gelenk). Bei korrekter Ausrichtung können Nick- oder Drehbewegungen ohne Muskelanspannung durchgeführt werden. Hier kam schon die erste, wichtige Erkenntnis für mich: Ich trage meinen Kopf, meist durch Anspannung der Nackenmuskeln. Diese Anspannung gleicht mein Körper dann über Gegenspannung im unteren Rücken aus. Eine Gewohnheit, die ich so sehr verinnerlicht hatte, dass ich nicht mehr drüber nachgedacht habe und auch nicht mehr merkte, dass es sich nicht gut anfühlt.
Walter richtete unseren Körper weiter aus und dabei fielen Wörter, wie „entspannen“, „dem Körper erlauben“ und „zulassen“. Das Gefühl, sich tatsächlich ohne aktive Muskelanspannung selbst auszurichten und eine natürliche Balance zu finden, war toll. Es fühlte sich neu, frei und angenehm an. Der Blick in den Spiegel bestätigte, dass ich mich (ohne Hohlkreuz!!!) in guter Haltung bewegte, stand und saß.
Meine Tochter bemerkte bei sich, dass durch kleine Veränderungen die Hüfte eine andere Ausrichtung bekam, beide Füße einen gleichmäßigen Bodenkontakt hatten und auch die Kopfdrehung nach links wieder ohne Einschränkung möglich war (worauf der bereits gemachte Arzttermin wieder abgesagt wurde 🙂 ).
Dann ging es aufs Pferd. Auch hier wurden wir wieder vom Kopf an ausgerichtet, unsere Haltung und unsere Bewegungen wurden uns bewusst gemacht und Muskulatur entspannt. Wir spürten falsche Gewohnheiten auf und lauschten in unseren Körper. Das Gefühl auf dem Pferd war einfach nur gut. Man sitzt ohne Anspannung und lässt die Bewegungen des Pferdes durch den eigenen Körper fließen.
Mein Fazit: Eine außergewöhnliche Erfahrung.
Der Termin für eine zweite Reitstunde mit der Alexander-Technik ist gemacht (und ich werde auch darüber berichten und zwar hier).
24. September 2013 von Babette Teschen • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching • 12 Kommentare »