Probleme beim Clickertraining: Übermotiviert und unter Stress

Wir beide arbeiten ja begeistert mit dem Clickertraining. Leider gibt es aber noch immer viele Vorbehalte gegen diese Art der Ausbildung, die unserer Einschätzung nach vor allem auf Unsicherheiten, Ängsten und Unwissenheit beruhen. Vielleicht können wir hier ein bisschen Abhilfe schaffen, indem wir uns einmal einem sehr typischen Problem widmen, auf das viele stoßen, die mit dem Clickern beginnen und das nicht selten dazu führt, dass das Clickertraining wieder abgebrochen wird, obwohl sich gerade darin eine große Chance für ein harmonisches Miteinander bietet. Es geht um den Übereifer beim Pferd.

Der Übereifrige –
„Clickern macht mein Pferd ganz wuschig“

Das Problem: Isa hat mit ihrem jungen Haflingerwallach zu clickern begonnen, da sie ihn möglichst gewaltfrei ausbilden möchte. Der Einstieg klappt auch gut, der Youngster lernt schnell. Es dauert aber nicht lang und es zeigt sich ein Problem: Isas Haflinger ist vom Clickern so begeistert, dass er bald damit beginnt, hektisch alles Mögliche anzubieten und gar nicht mehr auf Isas Signale achtet. Sie ist seinem Übereifer nicht gewachsen und überlegt, mit dem Clickern wieder aufzuhören. 

Begeisterung ist etwas Gutes…

Schauen wir uns einmal an, was hier passiert: Isa hat mit dem Clickertraining eine Möglichkeit gefunden, mit ihrem Pferd so zu arbeiten, dass es mit Feuereifer dabei ist. Diese Freude und Begeisterung sind etwas Gutes, denn genau darum geht es doch: unsere Pferde zur Mitarbeit zu motivieren. 

Wie aber bei so vielen, kann etwas Gutes auch ins Gegenteil umschlagen, wenn es zu extrem wird. Pferde, die sich sehr für das Clickertraining begeistern, entwickeln oft zu viel Energie und achten im Übereifer nicht mehr auf den Menschen. 

… Stress aber nicht

Bei übereifrigen Pferden schlägt die Begeisterung schnell in Stress um. Sie wollen um jeden Preis alles richtig machen und schießen dabei über das Ziel hinaus. Das ist sowohl für das Tier als auch für den Menschen unangenehm und macht ein Lernen schwer bis unmöglich. 

Hier liegen die Ursachen aber weniger im Clickertraining selbst, sondern sind zum einen in der Persönlichkeit des Pferdes oder aber noch mehr in der Beziehung zwischen Mensch und Pferd zu suchen. 

Das Problem an sich ist leicht zu lösen: Ruhe als Übung

Das Problem des Übereifers lässt sich meist gut in den Griff bekommen, indem man von Beginn an systematisch Pausen und Ruhemomente konsequent als Übungen einbaut und auch diese clickert.

Wichtig ist, dass man eine so genannte „Null-Position“ bestimmt, also z.B. das entspannte Stehen. Immer wieder gilt es, auch diese Null-Position zu clickern, also die Pausen-Momente, in denen nichts zu tun ist, genauso attraktiv zu gestalten, wie die Lernphasen. 

Schwieriger ist, an der eigenen Einstellung zu arbeiten

Interessanterweise tun sich viele Menschen recht schwer damit, Nichts-Tun zu belohnen. Hier zeigt sich der weitverbreitete Ansatz, dass nur Leistung ein Lob verdient und das wiederum deckt eine Strenge auf, die viele von uns in sich haben und so unbewusst auch ausstrahlen. 

Die meisten von uns lernen das Reiten in herkömmlichen Reitschulen und entwickeln auf diese Weise die Einstellung, dass Pferde tun müssen, was der Mensch will. Der eigene Wille wird mit mehr oder weniger Druck durchgesetzt und Fehlverhalten des Pferdes wird vom Menschen mehr oder weniger freundlich korrigiert oder auch bestraft. 

In einem Pferdeleben geht es naturgemäß nicht um Leistungen oder darum, Dinge zu erreichen oder gut zu machen. Pferde wollen ihr Überleben sichern, Zugang zu Ressourcen wie Futter und Wasser haben und innerhalb ihres Sozialsystems möglichst stressfrei und harmonisch leben. Sie wollen vor allem eines: sich wohl fühlen.

Nun bringen wir Menschen, indem wir mit Pferden arbeiten, etwas Neues in ihr Leben: nämlich Erwartungs- und Leistungsdruck. Wir Menschen haben bestimmte Vorstellungen davon, was Pferde tun und können sollen, wir stellen Forderungen und Aufgaben, die wir erfüllt sehen wollen und wir geben mehr oder weniger nette „Befehle“, die wir befolgt sehen wollen. Damit bauen wir, oft unbewusst und ungewollt, Druck auf, den Pferde mit ihrer feinen Wahrnehmung spüren, egal wie sehr wie ihn auch verbergen wollen.

Manche Pferde reagieren auf Druck mit Entzug oder Verweigerung, andere wollen unbedingt ungute Erlebnisse vermeiden und setzen darauf, alles richtig machen zu wollen. Genau diese zeigen dann oft Übereifer. Da aber Pferde oft gar nicht genau wissen, was wir eigentlich von ihnen erwarten, bieten sie unter Stress oft alles Mögliche an.

Und hier müssen wir Menschen ihnen helfen, indem wir ihnen deutlich machen, dass gar nicht immer etwas getan werden muss, sondern dass es genauso gut und richtig ist, auch einfach mal entspannt beieinanderzustehen. 

Unsere Tipps für alle anderen mit übereifrigen Pferden

  • Von Beginn an eine Null-Position einführen, in der es nur um Ruhe und Pause geht und diese nicht erst bei Übereifer, sondern auch schon zwischendurch genauso wie eine Lektion clickern und loben, um dem Pferd deutlich zu machen, dass es nicht ständig Leistung bringen muss. 
  • Die eigene Ausstrahlung, die Ansprüche und Erwartungen an das Pferd überprüfen:
    • Bin ich ungewollt zu streng?
    • Erwarte ich vielleicht zu viel von meinem Pferd?
    • Bin ich zu hart in meiner Ausstrahlung? 
    • Wie reagiere ich bei Fehlern meines Pferdes?
    • Wie geht es mir, wenn ich selbst Fehler mache?
    • Kann ich selbst auch einmal nichts tun?
    • Wie kann ich für mehr Leichtigkeit und Freude in unserem Miteinander sorgen? (Tipp: Speziell dazu gibt es viele Tipps in unserem Freudekurs.)

Und noch ein wichtiger Punkt

Manchmal müssen wir die Ursachen für ein (Fehl-)Verhalten auch außerhalb der eigentlichen Situation suchen. Wirkt ein Pferd im Training sehr fahrig, nervös und überaktiv, so kann das auch daran liegen, dass wichtige Grundbedürfnisse unerfüllt sind. Viel mehr Pferde, als man denken sollte, haben z.B. permanent Hunger, weil sie zu wenig Raufutter bekommen. Kommt nun durch das Clickertraining Futterlob ins Spiel, ist vollkommen verständlich, dass der Erregungslevel steigt! Ähnliches gilt für Pferde, die Durst haben, nicht genug Bewegung bekommen, keinen ausreichenden Kontakt zu Artgenossen haben, nicht genug Ruhe oder Schlafmöglichkeiten haben und vieles mehr. Also bitte auch immer auf das Gesamtbild schauen. 

 

 

2. April 2019 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Clickertraining, Jungpferdausbildung, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Aus der Sicht des Pferdes…

Inzwischen glaube ich, dass ein Kernproblem im Umgang von Mensch und Pferd der Punkt ist, dass wir Menschen oft nicht bereit oder vielleicht auch manchmal nicht in der Lage sind, uns in ein Pferd hineinzuversetzen. Wir gehen in ganz vielen Aspekten von unserem eigenen Sein aus und vergessen, dass für ein Pferd vieles grundlegend anders ist als für uns. 

Hier einige Beispiele: 

  • Luisa möchte Langzügelarbeit mit ihrem Norweger Sam machen. Die beiden sind seit vielen Jahren ein gutes Team und Sam macht für Luisa alles, naja, fast alles, denn bei der Langzügelarbeit verweigert er sich komplett. 
  • Andreas hat seine dreijährige Stute bereits seit anderthalb Jahren. Er hat früh damit begonnen, mit dem Fohlen kleine Spaziergänge zu machen und das ging auch schon richtig gut. Seit letzter Woche ist die Stute aber wie ausgewechselt. Sie tänzelt und steigt an der Hand, an einen Spaziergang ist kaum noch zu denken. Andreas findet das Verhalten ungezogen. 
  • Sarah hat sich einen jungen Wallach aus Spanien kommen lassen. In der Verkaufsanzeige wurde er als brav beschrieben. Nun steht er seit einer Woche im neuen Stall, lässt sich aber nicht anfassen, kaum aufhalftern und nicht führen. Sarah versteht sein Verhalten nicht und traut sich nicht an ihn heran.

Schauen wir uns die drei Situationen doch einmal aus Pferdesicht an: 

  • Sam mag seine Luisa. Sie behandelt ihn gut und vieles, was sie mit ihm macht, gefällt ihm. Früher ist er für Fehler bestraft worden und genau das möchte er bei Luisa nicht erleben. Wenn er etwas nicht versteht, macht er lieber gar nichts. Neuerdings steht Luisa öfter mal hinter ihm und er hat keine Ahnung, was das Ganze soll. Er spürt, dass Luisa etwas von ihm will, das er nicht begreift und er spürt auch ihren Frust. Das verunsichert ihn sehr und so fällt er in sein altes Muster und macht einfach gar nichts mehr. 
  • Die kleine Stute von Andreas fand das, was er mit ihr bisher gemacht hat, ganz ok, aber in letzter Zeit mag sie einfach nicht ruhig laufen und kann sich nicht konzentrieren. Die Hormone in ihr kochen hoch, der Energielevel steigt, Bewegungsfreude und viel Temperament möchten sich entladen – wer hat da schon Lust auf einen ruhigen Spaziergang? Und so ärgert sie der Strick und Andreas und alles, was sie einengt, denn am liebsten möchte sie einfach nur losrennen – das wäre toll! 
  • Der junge Wallach von Sarah hat eine nicht einfache Pferdejugend in Spanien gehabt. Er wurde irgendwann aus der Junghengstherde geholt und lernte Menschen als Wesen kennen, die ihm Schmerzen zufügen können. Unter dem Einfluss von Serreta und hartem Einsatz von Zügeln und Beinen wurde er gefügig gemacht und eingeritten. Eines Tages wurde er mit viel Druck verladen, fuhr etliche Stunden in einem Hänger und kam in einer vollkommen neuen Welt an. 

Indem wir uns in ein Pferd hineinversetzen, können wir Gründe und Ursachen für ein Verhalten finden, das uns ärgert oder das wir nicht möchten. Und damit können wir auch Ansätze finden, wie wir die Problemsituation MIT dem Pferd lösen können. Schauen wir uns das noch einmal für die drei Beispiele an: 

  • Als Luisa erkennt, dass Sam nicht bockig, sondern verunsichert ist, bittet sie ihre Freundin um Hilfe. So erklären die beiden dem Wallach ganz in Ruhe worum es geht. Dafür läuft Luisa erst wie von der Handarbeit gewohnt vorne am Kopf mit, während ihre Freundin an der hinteren Position mitläuft. Sie geben beide die Hilfen und loben Sam für jeden richtigen Schritt. Dann lässt sich Luisa langsam nach hinten fallen, während die Freundin Sam vorne immer wieder zum Antreten ermutigt. Beide loben sehr viel und freuen sich über jeden richtigen Impuls. Sam entspannt sich und begreift nach und nach, was Luisa möchte. 
  • Andreas erkennt, dass seine Stute in die Pubertät kommt und sich gerade ganz viel in ihr verändert. Er beschließt, ihr einige Zeit Pause zu geben, in der sie einfach nur Pferd in ihrer Herde sein kann. Er besucht und füttert sie und hält so den Kontakt, aber stellt keine Anforderungen an sie. Nach einer ganzen Weile schaut er mal wieder, ob sie Lust darauf hat, etwas mit ihm zu machen und sie reagiert offen und freundlich. 
  • Sarah begreift, dass der junge Spanier ein komplett entwurzeltes Pferd ist, ängstlich und verwirrt. Er muss erst einmal in seiner neuen Welt ankommen können. Das Wichtigste für ihn sind in dieser Phase andere Pferde, die ihm Sicherheit und Geborgenheit geben können. Allein in einer Box fühlt er sich verloren und ausgeliefert. Sarah kann selbst im Moment wenig für ihn tun, da sie eher Angst vor ihm hat. Sie gliedert ihn in eine Offenstallherde ein, die ihn schnell annimmt, und lässt ihn erst einmal in Ruhe. Sie fährt allerdings zu ihm, spricht mit ihm, bringt ihm etwas Leckeres mit und erarbeitet sich so nach und nach sein Interesse. Damit legt sie die Basis für wachsendes Vertrauen. 

Beispiele dieser Art wirken natürlich immer etwas holzschnittartig, da die Wirklichkeit ja komplexer ist. Aber es sollte deutlich werden, worauf es mir ankommt: Es geht darum, Pferdeverhalten nie nur aus unserer eigenen Sicht, sondern immer auch aus der Perspektive des Pferdes zu sehen. Nur so können wir unser Pferd überhaupt verstehen und nur so lassen sich sinnvolle Schritte finden, mit denen wir einen gemeinsamen Weg beschreiten können. 

Aus Sicht des Pferdes

19. März 2019 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Pferdemimik deuten – Positives erkennen

Nachdem wir vor einiger Zeit ausführlich aufgezeigt haben, wie sich Schmerzen beim Pferd erkennen lassen, möchte wir in diesem Beitrag Beispiele von zufriedenen Pferdegesichtern vorstellen, denn es lassen sich auch Freude und Wohlgefallen deutlich an der Mimik eines Pferdes ablesen. 

Positive Aufmerksamkeit

Das folgende Bild von Caruso zeigt ein positiv aufmerksames Pferd: Gespitzte Ohren, kullerrunde Augen mit einem ganz weichen Blick, kaum hervortretende Adern. Die Nüstern sind in diesem Moment zwar sichtbar gebläht, aber nicht aus Stress, was sich an seinem entspannten Blick erkennen lässt. So zeigt sich einfach seine Vorfreude (denn es wurde gerade ein neuer Futtersack gebracht :-). 

Und noch ein Bild von einem entspannt-aufmerksamen Pferd. Aramis‘ gesamte Maul- und Nüsternpartie ist locker und ohne Fältchen, sein Auge ohne Stresskuhle. Dass die Augen dreieckiger wirken als die von Caruso auf dem Bild zuvor, liegt daran, dass er wegen der blendenden Sonne auf dem Schnee die Augen etwas geschlossener hält.

Und in einem ähnlichen Gemütszustand ist auch Tizon auf dem folgenden Bild. Ich habe es ausgesucht, weil Tizon auf diesem Bild 32 Jahre alt war, sein Kopf deshalb etwas knochiger wirkt, was aber den entspannten Ausdruck nicht mindert. 

Dösende und schlafende Gesichter

Hier einige Bilder von noch entspannteren Pferden, also schlafend oder dösend 🙂

Newsletter Wege zum Pferd

Auf dem folgenden Bild wird wohl jeder die tiefe Entspannung erkennen können: 

Newsletter Wege zum Pferd

Etwas schwieriger ist vielleicht, das Gesicht beim Dösen im Stehen zu deuten, denn tatsächlich ist dieser Gesichtsausdruck nicht immer ganz so leicht von der Apathie bei Schmerzen abzugrenzen. Das Auge ist halb oder ganz geschlossen. Die Ohren sind meist seitlich gestellt. Diese Merkmale können auch auf das Schmerzgesicht zutreffen. Entscheidend für das Erkennen des entspannten Dösens ist neben dem Gesamtbild vor allem die Maulpartie. Sie ist bei einem wirklich entspannten Pferd locker: 

Bei Anthony auf dem folgenden Bild kann man gut sehen, dass da noch eine Reihe von Fältchen auf der Oberlippe zu sehen sind und dass seine Unterlippe zwar zu hängen beginnt, aber noch nicht vollkommen locker hängt. Er ist hier auf dem Weg zum Eindösen. 

Dösgesicht

Das Putz- und Genussgesicht

Die vielleicht schönste Mimik zeigen Pferde, wenn sie etwas so richtig genießen, wie z.B. Nico, der auf dem folgenden Bild gerade gekrault wird: Die Augen sind genüsslich geschlossen, die bewegliche Oberlippe macht den charakteristischen „Rüssel“, die Ohren sind in-sich-horchend nach hinten gerichtet: 

Genussgesicht beim Pferd

Auch Dreamer ist ein Experte darin, zu zeigen, wie sehr er das Gekrault-Werden genießt – er wird hier gerade am Unterhals gekratzt und hebt seinen Kopf mit genüsslich geschlossenen Augen weit hoch: 

Genussgesicht beim Pferd

Und das geht durchaus auch noch deutlicher: 

Genussgesicht beim Pferd

Angelegte Ohren sind also, wie man bei vielen dieser Bilder sehen kann, durchaus nicht immer negativ zu deuten, sondern sie sind oft nur ein Zeichen dafür, dass ein Pferd in sich selbst horcht. Das ist auch bei Caruso schön zu sehen, der auf dem folgenden Bild Fellpflege mit Dreamer macht. Sein Blick ist dazu in sich gekehrt und drückt Wohlgefallen aus: 

Putzgesicht beim Pferd

Spiel und Spaß

Hier noch ein Foto von Anthony, der gerade mit einem Laubsack spielt – das Weiße im fast schon aufgerissen wirkenden Auge drückt hier keine Angst aus, sondern er schaut keck, ob wir auch sehen, was er da gerade Tolles macht 🙂 

Spielgesicht beim Pferd

Und zum Abschluss noch ein Bild vom so genannten Flehmen beim Pferd, das sehr unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Durch das Flehmen können Pferde Gerüche intensiver wahrnehmen. Man sieht es häufig bei Hengsten oder Wallachen, wenn eine Stute rossig ist, aber grundsätzlich auch bei allen Pferden, wenn sie etwas Ungewohntes riechen. Manchmal wird das Flehmen auch bei Schmerzen gezeigt, hier muss man dann den Gesamteindruck des Pferdes zur Interpretation beachten. Und dann gibt es noch Spezialisten wie Anthony, für die das Flehmen zur Lieblings-Quatsch-Mach-Übung geworden ist 🙂 

Flehmen

8. Januar 2019 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Gesundheit, Verhalten 4 Kommentare »

Das Schnappen beim Pferd und wie man damit umgehen kann

Das Schnappen eines Pferdes sorgt nicht nur für viel Unruhe im Miteinander, sondern bereitet vielen Pferdemenschen auch Sorgen, denn keiner möchte schließlich einen Beißer haben. Da wir selbst reichlich Erfahrung mit schnappenden Pferden haben, haben wir hier einmal einen kleinen Problemlösungsplan erstellt. 

Hinweis: Das Schnappen oder die Angst davor, dass ein Pferd zu schnappen beginnen kann, ist auch ein häufiger Grund, warum viele davon absehen, ihr Pferd nach dem Clickertraining auszubilden. Tatsächlich aber ist das Clickern fast nie der Grund für das Schnappen, sondern es macht nur das schon bestehende Problem sichtbarer. Die folgenden Tipps beziehen sich auf den Umgang sowohl für nicht-clickernde als auch für clickernde Pferdemenschen. 

Check: Warum schnappt das Pferd? 

Zu Beginn eines jeden Problems steht für uns die Frage: Warum macht das Pferd das? 

Das Schnappen kann ganz verschiedene Gründe haben: 

Zunächst gehört das Schnappen in gewissem Grad zum ganz normalen Verhalten von Pferden und ist vor allem für männliche Pferde schlicht und einfach typisch. Pferde erforschen die Welt mit ihrem Maul und viele Spiele untereinander sind „Maulspiele“. Indem wir das Verhalten nicht grundsätzlich als „Unart“ interpretieren, sondern zunächst einfach als ganz natürliches Verhalten, können wir ganz anders damit umgehen. 

Bei dieser Art des natürlichen Schnappens wirkt das Pferd verspielt oder auch nervig-aufdringlich, aber nicht aggressiv. Wird das Schnappen schärfer oder wirkt es wie eine Drohung, müssen wir in andere Richtungen denken: 

  • Steht das Pferd vielleicht unter Stress? Sind die Erwartungen, die wir gerade haben, vielleicht zu hoch, die Anforderungen zu schwer? Fürchtet das Pferd, bestraft zu werden, wenn es nicht tut, was es soll? Hat es vielleicht Schwierigkeiten zu verstehen, was von ihm gefordert ist? Auf Unsicherheit, Verwirrung, Angst und Stress reagieren viele Pferde mit Schnappen. 
  • Hat das Pferd ausreichend artgerechte Bewegung und Kontakt mit Artgenossen? Pferde, die ihre natürlichen Bedürfnisse nicht mit anderen Pferden ausleben können, lassen diese oft am Menschen aus, einfach, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. 
  • Ein sehr penetrantes Schnappen kann auch ein Zeichen dafür sein, dass das Pferd Hunger hat. Viele Pferde bekommen zu wenig Raufutter und haben deshalb ständig Hunger. Wenn wir nun mit ihnen arbeiten wollen, fällt es ihnen schwer, sich zu konzentrieren, stattdessen äußern sie ihren Unmut durch Verhaltensweisen wie das Schnappen. Kommt bei einem hungrigen Pferd Futterlob als positiver Verstärker hinzu, kann es verständlicherweise gierig reagieren. 
  • Wird das Schnappen zunehmend aggressiv, ist auch an Schmerzen zu denken. Ein Beispiel dafür ist das Schnappen beim Satteln und Nachsatteln. Das Schnappen oder Beißen kann hier ein klares Zeichen des Pferdes sein, dass ihm der Sattel unangenehm ist oder sogar wehtut. Manchmal führen auch schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit zu dauerhaften Drohgebärden, weil das Pferd so etwas nicht mehr erleben will. 

Tipp: Es kann sehr hilfreich sein, einmal eine neutrale Person zu befragen, welchen Eindruck das Pferd macht oder sich das Miteinander mit etwas Abstand auf einem Video anzuschauen. In der Situation selbst erlebt man ein Verhalten oft ganz anders, als wenn man von außen darauf schaut. 

Strafen ist aus unserer Sicht der falsche Weg

Viele haben Angst, dass ein schnappendes Pferd zu einem Beißer wird, wenn sie das Schnappen nicht bestrafen. Und so wird jedes Mal, wenn das Pferd schnappt, drohend „Lass das!“ gezischt oder das Pferd bekommt einen Klaps auf die Nase. In den wenigsten Fällen lassen sich schnappende Pferde dadurch vom Schnappen abhalten, im Gegenteil, man kann den Eindruck bekommen, dass genau diese Aufmerksamkeit durch den Menschen viele Pferde geradezu herausfordert, erst recht zu schnappen. Und so verbringen nicht wenige Pferd-Mensch-Paare viel Zeit damit, dass der eine schnappt und der andere schimpft und klapst. Wirklich glücklich ist damit keiner, aber es scheint kaum einen Ausweg auf dem Dilemma zu geben, schließlich kann man dem Pferd das nicht durchgehen lassen!? Das gesetzte Fragezeichen ist entscheidend, denn unserer Erfahrung nach macht es in den allermeisten Fällen tatsächlich viel mehr Sinn, auf das Schnappen nicht einzugehen, als es zu bestrafen. Dazu gleich mehr.

Schauen wir uns zunächst noch kurz an, was oft passiert, wenn ein Mensch mit einem eh schon schnappenden Pferd zu clickern beginnt: Wenn Futter ins Spiel kommt, werden viele Pferde aufgeregt. Und unter Aufregung verstärken sich bestimmte Verhaltensweisen, wie eben auch das Schnappen. Wenn der Mensch nun auch noch inkonsequent in der Futtergabe ist, also mal nach dem Click füttert, mal aber nur, weil das Pferd so süß ist oder wenn es ihn gerade bedrängt oder um es zu bestechen, dann kann es sehr gut dazu kommen, dass das Schnappen stärker wird. Straft der Mensch dann stärker oder zieht er die Hand mit dem Futter weg, weil er fürchtet, gebissen zu werden, kann damit genau das provoziert werden: Auch das Pferd wird schneller und beißt unter Umständen auch mal zu. 

Erkennen, mit welcher Art Schnappen man es zu tun hat

Wie schon ausgeführt gehört das Schnappen mit zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Pferden und so sollten wir es auch sehen: Es kann eine spielerische Geste sein oder auch Ausdruck von Stress oder Unsicherheit. Und diesen Unterschied müssen wir erkennen!

Der Situation angemessen reagieren

Je besser wir verstehen lernen, warum ein Pferd zu schnappen beginnt, desto pferdegerechter können wir reagieren. Schnappt ein Pferd aus Stress, Überforderung, Unsicherheit oder körperlichen Beschwerden heraus, müssen wir anders reagieren, als wenn es wirklich eine Provokation ist (was sehr viel seltener der Fall ist als die meisten annehmen!). 

Bis zu einem gewissen Grad müssen wir gerade bei jungen, männlichen Pferden damit leben, dass sie maulaktiv sind. Hier sollten wir auf keinen Fall jedes Schnappen beantworten, sondern uns in Gelassenheit üben. Je mehr wir das Ganze mit Humor nehmen können, desto weniger ernst werden wir reagieren, worauf in der Folge das Pferd auch nicht selbst aggressiv werden wird. Wann immer möglich, raten wir dazu, das Schnappen zu ignorieren. Ist wirklich einmal eine Grenze zu ziehen, sollten wir das so emotionslos wie möglich machen und mit einer authentischen Autorität. Es ist wichtig, nicht wütend zu werden (oder gar zu bleiben), sondern nur ein deutliches Signal zu geben, zum Beispiel mit einer deutlichen stimmlichen Ermahnung.

Ganz wichtig: Sich selbst überprüfen

Bevor wir beim Pferd ansetzen, sollten wir immer zuerst unser eigenes Verhalten überprüfen. Viele Schnappereien sind schlicht und einfach hausgemacht, zum Beispiel durch achtlose Gabe von Leckerlis oder inkonsequentem oder achtlosem Verhalten dem Pferd gegenüber. Viele finden das Schnappen ja eigentlich auch „so süß“ und bestärken ein Pferd damit unbewusst darin.

Tipp: Hier ruhig öfter mal sich selbst im Zusammensein mit dem Pferd filmen und hinterher anschauen, es ist erstaunlich, wieviel einem da oft auffällt. 

Gegenseitiger Respekt als Basis

Statt den Fokus auf das Schnappen zu legen, raten wir generell dazu, gegenseitigen Respekt zu erarbeiten. Das geht bei aufdringlichen und rüpeligen Pferden am besten durch Abstand. 

Wir merken oft selbst nicht, dass wir einem Pferd ständig zu nahe kommen. Wir suchen die Nähe des Pferdes, weil wir es so lieb haben und weil es so schön zu streicheln und so süß ist, laden es damit aber ungewollt ein, uns selbst eben auch zu nahe zu kommen. Es hat sich unserer Erfahrung nach sehr bewährt, konsequent für einen gewissen Grundabstand zum Pferd zu sorgen, wenn wir neben ihm stehen oder am Boden mit ihm arbeiten. Es gibt hier keine feste Größe, sondern der Abstand ist dann gut, wenn der Mensch unbedrängt vom Pferd sein kann. Je nach Persönlichkeit oder Stimmungslage kann das auch mal gut mehr als eine Armlänge Entfernung sein, denn Pferde sind durch ihre langen Hälse in der Lage, uns sehr schnell sehr nah mit ihrem Maul zu kommen. 

Eine Grundregel kann lauten: Je aufdringlicher das Pferd, desto größer der Abstand. Allerdings ist wichtig zu beachten, dass der Abstand nicht dauerhaft gefordert werden sollte, sondern gerade bei anhänglichen Pferden (die oft einfach unsicher sind), gilt es, den Abstand immer wieder selbst zu verkürzen, also zum Pferd hinzutreten, es freundlich anzusprechen oder auch am Hals zu streicheln (möglichst nicht im Gesicht, da man so zum Schnappen geradezu einlädt) und dann wieder für Abstand sorgt. Bei etwas bulligeren Pferden kann es eine gute Übung sein, das Pferd freundlich zu bitten, einen Schritt rück- oder seitwärts zu machen, sonst kann man auch einfach selbst wieder einen Schritt weggehen – aber gut darauf achten, dass das Pferd nicht gleich hinterherkommt!

Wird diese Respekt-Übung neu eingeführt, kann sie zu einer gewissen Geduldsprobe werden, denn es gibt durchaus Pferde, die von sich aus immer und immer wieder den Abstand zum Menschen reduzieren und ihm zu nahe kommen. Hier ist es wichtig, nicht sauer oder gar aggressiv zu werden, sondern ruhig und gelassen zu bleiben und das Spielchen des Pferdes humorvoll zu nehmen. 

Das Schnappen in eine Übung leiten

Eine weitere Maßnahme bei sehr maulaktiven Pferden kann sein, sich mit ihnen eine Übung zu erarbeiten. Wir können einem solchen Pferd beibringen, Sachen aufzuheben und darüber das Verhalten ein Stück weit steuern. Pferde lernen meist schnell, wofür es eine Belohnung gibt und wofür nicht und arbeiten entsprechend mit. 

Mein Anthony hebt zum Beispiel gerne Dinge auf, was sich als sehr praktisch erweisen kann: 

Das Schnappen beim Pferd

Fazit: Ein Problem wird oft erst ein Problem, wenn wir eines daraus machen

Für das Schnappen, wie für viele andere sogenannte Unarten bei Pferden gilt, dass diese meist erst dann zu einem Problem werden, wenn wir a) nicht bereit sind zu verstehen, warum ein Pferd tut, was es tut, und b) durch unser eigenes Verhalten erst ein Problem daraus machen. Das Verhalten eines Pferdes ist zunächst immer nur als Kommunikation zu sehen und wir sollten uns immer fragen, was es uns sagen will. Dann können wir die Sache zusammen mit dem Pferd lösen, statt es zu bestrafen. Das erweist sich in der Praxis für uns immer wieder als der sinnvollste und beste Weg.

20. November 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Clickertraining, Jungpferdausbildung, Umgang, Verhalten 14 Kommentare »

Schmerzen beim Pferd erkennen

Im letzten Blogbeitrag ging es darum, dass Pferde oft trotz Schmerzen genutzt werden. Dabei taucht schnell die Frage auf, wie man eigentlich Schmerzen beim Pferd erkennt. Wir haben hier einmal eine ganze Reihe von Verhaltensauffälligkeiten und körperlichen Anzeichen für mögliche Schmerzen zusammengetragen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Schmerzen sind immer individuell und können sich deshalb auch sehr unterschiedlich zeigen.

Mögliche Anzeichen von Schmerzen anhand des Verhaltens des Pferdes

Pferde zeigen durch vielfältige Reaktionen, dass ihnen etwas unbehaglich ist oder Schmerzen bereitet. Einige sind als Schmerzäußerungen allgemein bekannt, viele von ihnen werden aber leider noch immer als „Unarten“ interpretiert und sogar bestraft: 

Als Schmerzäußerung weitestgehend bekanntes Verhalten: 

  • Lahmen (von leichtem Humpeln bis hin zu einem Stehen auf drei Beinen, das schmerzende Bein wird nicht mehr aufgesetzt, sondern hochgehalten),
  • Entlastungshaltung, wie z.B. dem Nach-Hinten-Lehnen eines an Rehe erkrankten Pferdes,
  • ein auffälliges und wiederholtes Zum-Bauch-Schauen bei Bauchschmerzen und Koliken, 
  • eine „aufgezogene“ Atmung, bei der es aussieht, als würde das Pferd den Bauch einziehen (siehe dazu auch weiter unten), 
  • Zittern.

Mögliche Schmerzanzeichen, die weniger bekannt sind: 

  • Rücken wegdrücken, 
  • Kopf hochreißen oder Kopfschlagen,
  • wiederholtes Stolpern vorne und/oder hinten,
  • ein Wegsacken der Hinterhand, 
  • Flehmen,
  • auffällig häufiges Gähnen,
  • Zungenspiele oder Aufreißen des Mauls, 
  • Unruhe, Nervosität und Stress, 
  • Schwitzen.

Mögliche Schmerzanzeichen, die viel zu oft als Unarten oder Widersetzlichkeiten interpretiert werden:

  • Scharren,  
  • Losstürmen oder Verweigerung vorwärts zu gehen, 
  • ein Ausweichen bei Berührungen durch die Hand des Menschen oder durch Gegenstände, wie Sattel & Co,
  • Unruhe und Zappeligkeit beim Satteln oder Aufsteigen, beim Putzen, bei der Hufpflege usw., 
  • Schnappen und Beißen,
  • mit der Hinterhand drohen und auch ausschlagen,
  • ungewohntes, aggressives Verhalten in der Herde,
  • Desinteresse an Futter oder anderen Dingen, die dem Pferd eigentlich Freude machen,
  • bei manchen Pferden auch apathisches Herumstehen und „Totalverweigerung“ (was leider häufig als „Ungehorsam“ oder „Sturheit“ interpretiert wird), 
  • plötzliche Verhaltensänderungen.

Es wird anhand dieser Liste deutlich, dass es sehr viele mögliche Anzeichen für Schmerzen gibt und bevor wir ein Pferd rügen oder strafen, sollten wir uns immer nach der Ursache für sein Verhalten fragen. Deshalb ist es wichtig, das eigene Pferd so gut zu beobachten und kennen zu lernen, dass man in der Lage ist Abweichungen im Verhalten zuzuordnen und sie nicht einfach vorschnell als „unerwünscht“ zu bestrafen oder zu übergehen. 

Darüber hinaus werden manche Schmerzäußerungen durch gezielte Maßnahmen unterbunden. So wird z.B. das Maulaufreißen als Schmerzausdruck bei zu starkem Zügelzug oder Beschwerden durch das Gebiss durch Sperrriemen verhindert, indem dem Pferd das Maul zugeschnürt wird. Oder Zungenspiele als Reaktion auf zu groben Zügeleinsatz oder durch Zahnschmerzen werden durch Spezialgebisse verhindert u.Ä. Auch hier gilt: Wir müssen die Signale des Pferdes als Anlass nehmen, nach der Ursache zu suchen, und dürfen nicht einfach dem Pferd seine Ausdrucksmittel nehmen.  

Das Schmerzgesicht

Neben dem Verhalten gibt auch die Mimik eines Pferdes oft deutlichen Aufschluss über mögliche Schmerzen. Man spricht hier von einem Schmerzgesicht beim Pferd. Wie das aussieht, kann man gut auf den beiden folgenden Fotos einer Stute in den Wehen sehen: Der Blick ist in sich gekehrt, die Adern treten deutlich hervor, die Nüstern sind zusammengezogen, die Kaumuskulatur ist fest angespannt und tritt hervor. 

Schmerzgesicht

Schmerzgesicht

An der Augenpartie sieht man Schmerzen bei Pferden ganz besonders, wie auf dem folgenden Bild deutlich wird: 

Schmerzgesicht beim Pferd

Die Augen können auch tränen oder geschlossen gehalten werden. Bei sehr starken Schmerzen kann das Weiße im Auge sichtbar werden. Der Blick des Pferdes kann aber auch stark in sich gekehrt und wie „abgeschaltet“ wirken, das ist oft bei chronischen Schmerzen der Fall.

Und auch am Maul kann sich zeigen, dass es einem Pferd nicht gut geht: 

Schmerzgesicht beim Pferd

Die Nüstern können auch deutlich hochgezogen sein (sichtbar an den Falten darüber), sehr klein oder auch stark gebläht sein. Oft wirkt auch das Kinn spitz, da die Unterlippe fest angespannt ist.  

Die Ohren hat ein Pferd mit Schmerzen fast immer nach hinten gerichtet oder auch deutlich angelegt. 

Wichtig! Bei akuten Schmerzen sind Schmerzreaktionen und Schmerzgesicht meist ausgeprägter und deutlicher zu erkennen als bei Pferden, die unter chronischen Schmerzen leiden oder denen immer wieder aufs Neue Schmerzen z.B. durch grobes Reiten oder unpassendes Zubehör zugefügt wird. Solche Pferde resignieren und ziehen sich oft in sich selbst zurück. Ein geschultes Auge kann aber das Leid eines Pferdes auch dann noch erkennen und ein offenes Herz kann es fühlen.

Der aufgezogene Bauch

Hier haben wir noch ein Foto von einem Pferd mit einer akuten Stresskolik. Deutlich zu sehen ist die aufgezogene Bauchmuskelpartie, markiert durch die drei Pfeile in der Mitte des Bildes. Der Pfeil links oben zeigt eine stark abgekippte Kruppe, das Pferd zieht regelrecht den Hintern ein. 

Schmerzbauch beim Pferd

Darüber hinaus treten oft auch deutlich die Adern am Oberschenkel des Hinterbeins hervor, was man allerdings beim Winterfell meist nicht so gut sieht. Werft auch einen Blick auf die After-Partie, diese kann durch die Anspannung tief eingezogen sein. 

Hier noch einmal die vor Schmerzen aufgezogene Bauchpartie ohne Pfeile, es sieht aus, als würde das Pferd den Bauch einziehen: 

Kolik

Ein Pferd, das so aussieht, braucht einen Tierarzt

Verantwortung übernehmen aus Liebe zum Pferd

Das Thema Schmerz ist ein trauriges, schwieriges und unbequemes Thema. Es ist verbunden mit Sorgen und der Unsicherheit, was man tun soll, mit Entscheidungen, die getroffen werden müssen und Kosten, die sie verursachen. Es ist auch damit verbunden, dass wir ein Pferd nicht so nutzen können, wie wir das gerne würden, fürs Erste, vielleicht aber auch dauerhaft. Und oft ist es auch verbunden mit Schuldgefühlen und einem schlechten Gewissen. So ist es durchaus nachvollziehbar, dass wir manchmal am liebsten gar nicht so genau hinschauen würden.

Aber wir haben es mit lebendigen Wesen zu tun und damit haben wir eine Verantwortung für dieses Wesen.

Bitte trainiert Euren Blick und lernt, Schmerzen beim Pferd zu erkennen. Sie haben keine Stimme, aber sie „sprechen“ mit uns auf vielfältigste Weise. Es ist unsere Pflicht zu lernen, ihre Signale zu verstehen und ihnen zu helfen.

10. Juli 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Engagement und Pferdeschutz, Gesundheit, Verhalten 12 Kommentare »

Der hat nichts, der läuft doch… 

Darf man ein lahmendes Pferd reiten? Darf man sich auf ein Pferd setzen, das Rückenschmerzen hat? Darf man ein Pferd mit Gebiss reiten, das Zahnprobleme hat? Mit diesen Fragen, die man eigentlich für rhetorische halten sollte, lege ich einmal mehr den Finger in eine Wunde in der Pferdewelt: Es geht um das Thema Schmerzen beim Pferd und da liegt leider einiges im Argen. 

Ist doch nicht so schlimm!?

Einige Beispiele aus der ganz normalen Pferdewelt: 

  • Da ist der schon etwas betagte Wallach, der seine jugendliche Reiterin mehrfach in der Woche eine Stunde in der kleinen Halle herumträgt. Er tickt dabei auffällig, aber weist man das Mädchen oder deren Mutter darauf hin, dass das Pferd lahmt, sagen die nur: „Ja, der ist schon alt und hat Arthrose. Aber Bewegung ist gut für ihn und so lange er noch läuft, ist alles okay.“ 
  • Oder nehmen wir die junge Stute, die beim Aufsteigen beharrlich solange ausweicht, bis ihre Reiterin irgendwie doch raufkommt und die dann die gesamte Zeit mit durchgedrückten Rücken läuft. Darauf hingewiesen, dass dem Pferd der Sattel vielleicht nicht passt, wird abgewunken: „Doch, der passt, das hat ein Sattler im letzten Jahr gecheckt.“
  • Wir können auch einen Blick auf den Spanier werfen, der zu Beginn jeder Reitstunde und jedes Ausritts von sich aus keinen Schritt vorwärts gehen mag. „Ach, der fragt immer nur, wer der Boss ist. Setzt man sich durch, macht er auch alles mit“, ruft seine Besitzerin, während sie ihm eins mit der Gerte auf den Hintern gibt. 
  • Und noch ein Beispiel: Da ist der Haflinger, der seinen Besitzer durchs Gelände trägt, aber dabei sichtlich klamm läuft. Darauf angesprochen, wird erklärt, dass der Schmied gerade die Hufe gemacht hatte, und der habe wohl etwas zu viel weggenommen, das gibt sich schon wieder. Und in der Herde laufe er prima mit, also könne es ja nicht so schlimm sein. 

In all diesen und leider vielen anderen Fällen zeigen Pferde deutlich, dass sie Schmerzen haben, doch die verantwortlichen Menschen wischen diese mit verschiedenen Aussagen einfach weg. Der gemeinsame Nenner ist der, dass solange das Pferd läuft, es ja auch nicht so schlimm sein kann.

Tja, und genau damit können wir ganz, ganz gewaltig falschliegen. 

Verstehen, was das Wesen Pferd ausmacht

Dass Pferde Herden- und Fluchttiere sind, hat sich inzwischen herumgesprochen. Was aber aus diesen Tatsachen folgt, leider nicht: 

  • Als Herdentier wird jedes Pferd instinktiv versuchen, Anschluss zu halten – auch unter Schmerzen. Stehen zu bleiben bedeutet zurückzubleiben und das kann sich kein Pferd erlauben. 
  • Als Fluchttiere müssen Pferde auch unter Schmerzen laufen können, denn davon hängt im Ernstfall ihr Überleben ab. Während Raubtiere sich bei Schmerzen eher in eine geschützte Ecke zurückziehen, können Schmerzen bei Pferden gerade erst recht zu Unruhe und vermehrte Energie führen, da sie instinktiv wissen, durch die Schmerzen vielleicht gehandicapt zu sein. 
  • Als Fluchttiere verfügen Pferde darüber hinaus über keinen Schmerzlaut, denn dieser würde sie einem potentiellen Jäger verraten. Sie leiden deshalb still.
  • Und ein weiterer, ganz wichtiger Faktor: Pferde sind als soziale (Herden-)Tiere in der Lage, Gefühle und Erwartungen nicht nur von anderen Pferden, sondern auch von uns Menschen wahrzunehmen (siehe dazu auch diesen Text). Sehr viele Pferde wollen ihren Besitzern/innen gefallen, wollen deren Erwartungen erfüllen oder haben Angst vor negativen Folgen, wenn sie nicht tun, was von ihnen verlangt wird, und reißen sich deshalb in ihrer Gegenwart zusammen. So kommt es nicht selten vor, dass der Stallbesitzer den Pferdebesitzer über eine Lahmheit oder Bauchschmerzen informiert, das Pferd aber „ok“ wirkt, wenn sein Mensch auftaucht beziehungsweise, dass es dann „funktioniert“. Daraus kann aber eben nicht einfach geschlossen werden, dass dem Pferd wirklich nichts fehlt oder wehtut, sondern es ist sehr wichtig, die Schilderungen des Stallbesitzers oder andere Personen, die das eigene Pferd über längere Zeiträume sehen, ernst zu nehmen und der Sache auf den Grund zu gehen. 

Für die konkreten Beispiele von weiter oben folgt daraus:

  • Den älteren Wallach mit seiner Arthrose stumpf in der Halle auf engen Wendungen zu reiten, grenzt an Tierquälerei. Ein Pferd mit Arthrose braucht ein einfühlsames und seinem Krankheitszustand entsprechendes Training, wie z.B. ruhige Schrittausritte im Gelände oder Spaziergänge und behutsames Aufbautraining an der Hand. Nur weil sich ein solches Pferd nicht wehrt, heißt es nicht, dass es keine Schmerzen hat, wer das annimmt, ist ignorant und unfair. 
  • Ein Sattel, der bei einem jungen Pferd angepasst wurde, kann schon nach kurzer Zeit wieder unpassend sein, denn gerade junge Pferde verändern sich muskulär oft sehr stark. Aber auch bei allen anderen Pferden darf nie vorschnell davon ausgegangen werden, dass ein Sattel wirklich passt. Veränderungen im Training, in der Haltung oder durch die Jahreszeiten mit dem Wechsel von der Weide zum Paddock können Veränderungen in Bezug auf das Gewicht und die Muskeln mit sich bringen und dazu führen, dass ein einmal passender Sattel schmerzhaft zu drücken beginnt. Pferde können nicht sagen: „Du, der Sattel drückt ganz doll“, sondern sie zeigen es eben genau durch die beschriebenen Verhaltensweisen: Sie weichen beim Aufsteigen aus und drücken den Rücken weg. Werden die Schmerzen stärker, weil der Mensch nichts tut, um das Übel abzustellen, können irgendwann auch Buckeln und Abwerfen des Reiters folgen – das aber eben nicht, wie so oft behauptet, aus Böswilligkeit, sondern weil die Schmerzen zu groß werden. 
  • Wenn ein Pferd nur unter Druck oder mit Gewalt vorwärts läuft, dann gibt es dafür immer eine Ursache, und die liegt ganz sicher nicht darin, dass diesem Pferd erst gezeigt bekommen muss, wer das Sagen hat. Andauernde Bewegungsunlust kann neben psychischen Ursachen auch konkrete körperliche Gründe haben, wie z.B. Verspannungen oder Schmerzen unterschiedlichster Art. Auch eine Atemproblematik oder Erkrankungen des Stoffwechsels, ein Mangel an Mineralien oder Spurenelementen können die Bewegungslust hemmen. Ein solches Pferd mit Sporen oder Gerte zum Vorwärts zu zwingen, ist grob und brutal.
  • Bei dem Wallach mit dem klammen Gang sollte zunächst die Arbeit des Schmieds kritisch überprüft und ggf. über einen Wechsel entschieden werden, denn es ist keinesfalls in Ordnung, dass ein Pferd nach dem Ausschneiden so fühlig ist. Ein klammer Gang sollte immer ein klares Warnsignal für uns sein, denn hier zeigt das Pferd deutlich, dass ihm etwas weh tut. Im schlimmsten Fall ist nicht nur die Hufbehandlung schuld, sondern es kann sich auch um eine nicht erkannte Erkrankung, wie z.B. eine Entzündung der Hufrolle, oder um eine schleichende, nicht erkannte Hufrehe handeln. Ein Pferd, das so deutlich zeigt, dass ihm die Füße weh tun, braucht Hilfe und es darf nicht einfach „darüber hinweggeritten werden“. 

Und das sind nur einige Beispiele von typischen Schmerzen, die Pferde haben. Denken wir ruhig auch an Wirbelprobleme, Magengeschwüre, Zahnschmerzen, alte Verletzungen, noch nicht erkannte Chips und vieles andere mehr, das Pferden Beschwerden bereiten kann. 

Wir dürfen die Bereitschaft unserer Pferde nicht ausnutzen

Leider neigen viele Menschen dazu, die Tatsache, dass viele Pferde ihrer Natur entsprechend bei Schmerzen die Zähne zusammenbeißen und trotzdem ihren Job machen, so zu interpretieren, dass es ok ist, sie auch mit Beschwerden nach unseren Vorstellungen zu nutzen. Und mehr noch: Wir schimpfen auch noch auf sie, wenn sie in der Leistung nachlassen oder ab einem bestimmten Punkt tatsächlich den Dienst quittieren – das nämlich wird ihnen dann als Ungehorsam ausgelegt.

Es ist aus unserer Sicht dringend nötig, sich darüber bewusst zu werden, wie oft das überall in der Pferdewelt passiert und sich auch selbstkritisch zu prüfen. Uns macht es sehr traurig, dass so vielen die Nutzung ihrer Pferde so wichtig ist, dass viele nicht bereit sind, ihre Pferde als fühlende Wesen zu sehen und auf Schmerzen und Beschwerden angemessen zu reagieren. Aber ist das nicht eigentlich das Mindeste, wenn wir behaupten, Pferde zu lieben?

Tipp: Hier erfahrt Ihr, wie Ihr Schmerzen beim Pferd erkennen könnt.

3. Juli 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Gesundheit, Verhalten 11 Kommentare »

Pferde können unsere Gefühle erkennen

Ich freu mich mich immer aufrichtig darüber, wenn es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die bestätigen, wovon ich schon lange ausgehe. Das war vor einiger Zeit zum Beispiel die klare Aussage, dass Dominanz nicht pferdegerecht ist und jetzt wurde von Forschern nachgewiesen, dass Pferde in der Lage sind, unsere Gefühle zu erkennen (hier gibt es einen Artikel in der Süddeutschen dazu und hier geht’s zur Originalstudie). 

Was die Forscher erkundeten

Pferde nutzen nach den Erkenntnissen der Forscher verschiedene Aspekte, um unsere Gefühlslage einzuordnen, wie unsere Körperhaltung und -ausstrahlung, Mimik und Stimme. Normalerweise stimmen diese Elemente überein, ein wütender Mensch hat eine entsprechende Körperhaltung, spricht auf eine bestimmte Art und auch seine Mimik spiegelt Wut. Die Forscher prüften nun, was geschieht, wenn etwas davon abweicht.

Was passiert also, wenn das Pferd eine wütende Stimme hört, aber einen freundlichen Menschen sieht? Die Forscher nahmen verschiedene Faktoren in die Wertung, wie „Blickdauer des Pferdes“, „Reaktion“, „Rate des Herzschlags“ und konnten nachweisen, dass sich das Verhalten der Pferde deutlich unterschied, wenn Bild und Stimme widersprüchlich waren als wenn sie übereinstimmten, vor allem dann, wenn ihnen der Mensch vertraut war. Ein solches Verhalten wurde bisher vor allem bei Hunden beobachtet. Aus ihren Beobachtungen leiten die Forscher die Schlussfolgerung ab, dass Pferde in der Lage sind, aufgrund des Gesichtsausdrucks menschliche Emotionen zu erkennen.  

 Was das für den Umgang mit Pferden bedeutet

Wir schreiben ja immer wieder, für wie wichtig wir es im Umgang mit Pferden halten, dass wir uns über unsere eigene Ausstrahlung bewusster werden und sehen uns nun in unseren Anregungen bestätigt, denn für uns ist ganz klar: Wenn sie schon, wie in der Studie nachgewiesen, eindeutig unsere Mimik lesen können, können sie erst recht unsere Körpersprache und -ausstrahlung interpretieren. 

Unsere Erfahrung ist: Pferde reagieren ständig auf uns und werden durch unser Verhalten wesentlich beeinflusst. Tun sie also etwas, was wir nicht wollen oder unschön finden oder reagieren sie anders, als wir es erwartet hätten, gilt es sich zunächst zu fragen, ob wir vielleicht selbst die Ursache für das Verhalten sind:

  • Wie wirke ich in diesem Moment auf mein Pferd?
  • Was strahle ich gerade aus – und was macht das mit meinem Pferd?
  • Welche vielleicht widersprüchlichen Botschaften sende ich?
  • Wodurch könnte mein Pferd verwirrt werden?

Tipp: Hier kann es ausgesprochen nützlich sein, sich selbst zu filmen und das später in Ruhe anzuschauen. Da wird einem manches sichtbar gemacht, von dem man keine Ahnung hatte. Auch ein wohlwollender Blick einer vertrauten Person kann hilfreich sein, aber Vorsicht: Die Anwesenheit anderer kann uns angespannt und verkrampft werden lassen, so dass wir dann wieder ganz anders wirken als normalerweise. Eine Kamera, die einfach mitläuft, während wir mit unserem Pferd zusammen sind, zeigt unser gewöhnliches Verhalten oft besser auf. 

Der Vorwurf der Vermenschlichung

Viel zu oft hört man noch immer, dass man „Pferde nicht vermenschlichen“ soll und rechtfertigt damit Ignoranz, einen groben Umgang und ein unfaires Verhalten. Dabei wird aber leider übersehen, dass „vermenschlichen“ und „menschlich sein“ zwei ganz verschiedene Paar Schuhe sind…

Wir vermenschlichen ein Pferd keineswegs, wenn wir seine hoch entwickelten Sozialfähigkeiten anerkennen und begreifen, wie empfindsam sie sind – im Gegenteil, nur dann können wir wirklich pferdegerecht reagieren. 

Pferde können Gefühle lesen

26. Juni 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 3 Kommentare »

Was will mir mein Pferd sagen?

Leute wie ich werden oft von Menschen gerufen und um Rat gefragt, die konkrete und zum Teil umfassende Probleme mit ihren Pferden haben. Meist suchen sie einen Weg, auf dem sie sich ihrem Pferd besser mitteilen können. Und schon an dieser Stelle muss ich das Bild korrigieren, denn für mich geht es in der Arbeit mit Pferden zunächst nicht darum, was wir Menschen dem Pferd sagen wollen, sondern viel wichtiger finde ich, was sie uns mitteilen wollen

Ein grundsätzlich anderer Zugang, der alles ändert

Dieser Ansatz unterscheidet sich ganz wesentlich vom herkömmlichen Umgang mit Pferden, der ja in der Regel so aussieht: Der Mensch entscheidet, was getan wird und das Pferd soll eben genau das dann tun. Die Skala geht dann von einem liebevoll-freundlichen Miteinander bis hin zu gewaltvollem Durchsetzen des eigenen Willens gegenüber dem Pferd mit allen Abstufungen dazwischen, je nachdem, wie das Pferd auf den Menschenwillen reagiert. 

Viele Mensch-Pferd-Paare finden auf dieser Basis auch durchaus ein mehr oder weniger gut funktionierendes Miteinander, bei dem, zumindest solange keiner dran rüttelt, alles wie gehabt läuft. Rüttelt aber doch mal jemand oder ändern sich die Umstände, dann zeigt sich oft plötzlich, dass das, was so verlässlich erschien, leider brüchiger ist als gedacht. 

  • Laura hat seit sechs Jahren eine Hannoveranerstute, mit der sie dreimal die Woche Dressur in der Halle reitet, an zwei Tagen wird das Pferd longiert und am Wochenende geht’s auch mal ins Gelände. Als sie mit der Stute nach einem langwierigen Hufgeschwür wieder das Training aufnehmen will, klappt gar nichts mehr – das Pferd verweigert die Arbeit in der Bahn genauso wie die an der Longe und im Gelände flippt es regelrecht aus. 
  • Bodo ist mit seinem Araber-Wallach in einen anderen Stall gezogen. Vorher stand das Pferd nachts in einer Box und kam tagsüber auf einen Paddock. Nun hat Bodo einen gut geführten Laufstall gesucht, um seinem Pferd 24 Stunden Pferdegesellschaft zu bieten. Während sein Wallach im alten Stall schon wieherte, wenn er die Stallgasse betrat, scheint er sich nun kaum noch für seinen Menschen zu interessieren. Bodo hat sogar Schwierigkeiten, ihn einzufangen. 
  • Ulrike pflegt mit ihrem Isländer ein inniges Verhältnis. Als sie einen Mann kennenlernt, der sich auch für Pferde interessiert, beschließt sie, sich ein zweites Pferd zu kaufen, um auch mit ihm ihr Hobby teilen zu können. Von dem Tag an, an dem Ulrike den neu gekauften Tinker zum Stall bringt, verändert sich ihr Isländer und wird vom ruhigen Verlasspferd zu einem fahrigen Nervenbündel.  

Pferde kommunizieren über ihr Verhalten

Pferde können nicht sprechen, sondern sie kommunizieren über ihr Verhalten mit uns. Sie wollen uns natürlich nicht mit allem, was sie tun, etwas sagen (so wichtig sind wir meist gar nicht ;-), aber manches in ihrem Verhalten enthält ganz konkrete Aussagen. Und die müssen wir erkennen, um entscheiden zu können, wie sich auftretende Probleme lösen lassen. 

  • Lauras Stute stand wegen des Hufgeschwürs eine ganze Weile allein und von einem Tag auf den anderen wurde nichts mit ihr gemacht, da sie so stark lahmte. Während sich Laura nach dem Abheilen des Hufgeschwürs nun darauf freut, wieder mit ihrer Stute zu arbeiten, hat sich für diese in der Zwischenzeit die Welt geändert. Die starken Schmerzen haben sie misstrauisch werden lassen und die Isolation hat die Stute ängstlich gemacht. Es ist dem Pferd nicht möglich, so zu sein wie vorher, da es erst wieder neues Vertrauen entwickeln muss. 
  • Dass Bodos Wallach nicht mehr zu ihm kommt, nimmt Bodo persönlich. Er erkennt nicht, dass sein Pferd durch die neue Situation nun erst einmal andere Prioritäten setzt. Für ihn ist die neue Herde eine große Herausforderung, denn er ist gerade dabei, sich seine Position zu erarbeiten und Freundschaften aufzubauen. Für Bodo hat der Wallach einfach keinen Kopf. 
  • Der sensible Isländer von Ulrike erfährt durch das neue Pferd Veränderungen, die Ulrike nicht bewusst sind. In der Herde ist der Tinker ranghöher und jagt den Isländer gerne weg. Viel von Ulrikes Aufmerksamkeit bekommt nun der Tinker, während sie mit ihrem eigenen Pferd aus Zeitmangel oft nur kurz etwas macht. All das verunsichert den sensiblen Isländer sehr.  

Die aufgeführten Beispiele zeigen, wie komplex das Verhalten unserer Pferde betrachtet werden kann. Wir, die wir meist nur für eine kurze Zeit am Tag zu unseren Pferden kommen, beachten oft weder die Wirkung unseres eigenen (vielleicht veränderten) Verhaltens unserem Pferd gegenüber, noch all die vielen anderen Einflussfaktoren. Wenn wir aber verstehen wollen, was uns unser Pferd sagen will, müssen wir den Blick weiten und mehr als nur das herausgelöste („Fehl-„)Verhalten sehen.

Ganz oft ist die Frage: „Wie kann ich mein Pferd zu XYZ bringen?“ oder „Wie erreiche ich, dass mein Pferd Verhalten XYZ sein lässt?“ der falsche Ansatz, denn wir müssen uns erst einmal fragen, WARUM unser Pferd etwas tut oder nicht mehr tut und was es damit möglicherweise ausdrückt

Keine Frage, hier können wir vieles auch missinterpretieren. Das aber sollte uns nicht davon abhalten, zu versuchen, unser Pferd zu verstehen. Die Alternative, nämlich unerwünschtes Verhalten einfach zu bestrafen oder auf Veränderungen beim Pferd nicht einzugehen, führt häufig zu einer Verschlimmerung der Situation, da die Gründe nicht abgestellt werden. Für mich geht es also viel weniger oft um die Frage „Wie?“ als um das „Warum?“.

Pferdeverhalten

24. April 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Erlernte Hilflosigkeit?

Seit einiger Zeit wird auch in der Pferdewelt immer wieder über „erlernte Hilflosigkeit“ gesprochen. Diese Formulierung stammt von den amerikanischen Psychologen Martin E. P. Seligman und Steven F. Maier zur Erklärung von Depressionen. Beschrieben wird damit die Tatsache, dass ein Wesen (Mensch oder Tier) sein eigenes Verhalten einschränkt und unangenehme Zustände nicht verändert, obwohl er oder es das von außen betrachtet eigentlich können müsste. Ursache dafür ist die wiederholte Erfahrung von Machtlosigkeit. 

Bezeichnenderweise wurden für dieses Phänomen grausame Versuche an Hunden gemacht, durch die eines deutlich wurde: Wesen, die nichts gegen Leid machen können (also ihm z.B. nicht entfliehen können), geben irgendwann auf und lassen das Leid über sich ergehen.

Und damit kommen wir genau zu dem Punkt, um den es mir hier geht. Für mich ist der Begriff  „erlernte Hilflosigkeit“ sträflich irreführend. Er umschreibt nämlich auf eine viel zu harmlose Weise etwas sehr Schlimmes. 

Tatsache ist:

Hilflosigkeit wird
viel mehr erzeugt als erlernt.

Und verantwortlich dafür sind sehr oft wir Menschen. Überlegen wir doch einmal selbstkritisch und ehrlich, in wie vielen Situationen Pferde durch Menschen in eine hilflose Position gebracht werden. Mir fallen sehr, sehr viele ein…  

Hilflosigkeit ist eine schlimme Erfahrung

Hilflosigkeit, das wissen wir alle,  ist ein Zustand, der ausgesprochen unangenehm ist und das gilt ganz besonders für ein instinktiv reagierendes Wesen wie das Fluchttier Pferd.

Versetzt man ein Wesen immer wieder in diesen Zustand, dann lernt es Ohnmacht und reagiert mit (Selbst-)Aufgabe, es reagiert immer weniger um seine Situation zu verbessern, sondern es erträgt, was mit ihm gemacht wird. 

Was diese eh schon traurige Tatsache dann noch furchtbarer macht, ist dass dieses Nicht-Reagieren gerade in der Pferdewelt dann auch oft noch so interpretiert wird, dass das, was der Mensch macht, ja nicht so schlimm sein kann, weil sich das Pferd doch sonst wehren würde und weil die untereinander ja auch nicht zimperlich sind oder weil das Pferd einfach so „stur“ und „bockig“ ist… 

Ursachen von Hilflosigkeit

Die Ursachen für ein Gefühl von Hilflosigkeit bei Pferden können vielfältig sein und es sind so gut wie immer wir Menschen, die wir ein Pferd in diesen Zustand bringen, z.B. durch Folgendes:

  • Wir Menschen überfordern Pferde mit Anforderungen oder unklaren Zeichen und bestrafen sie dann durch aggressives Verhalten (Anbrüllen, Schlagen, andere körperliche Strafen) für unerwünschtes Verhalten, was das Pferd aber nicht verstehen und umsetzen kann. Es weiß oft nicht, wofür es bestraft wird und es hat keine Chance, herauszufinden, was der Mensch will oder nicht will —> die meisten Pferde resignieren dann irgendwann. 
  • Mit Hilfsmitteln wie scharfen Gebissen, Sporen, Hilfszügel & Co sorgen wir Menschen dafür, unsere Einwirkung um ein Vielfaches erhöhen und damit enorm viel Kraft und Schmerzen ausüben zu können; je mehr sich das Pferd wehrt, desto stärker erfolgt der Einsatz –> irgendwann erlischt die Gegenwehr bei den meisten Pferden.  
  • Pferde werden oft systematisch auf eine Weise geritten, die sie in eine hilflose Postion bringt (Stichwort „Rollkur“ und vergleichbare Trainingsmethoden) –> sie resignieren irgendwann vollständig.
  • Nicht passendes Zubehör oder falsche Einwirkung von „Hilfen“ sorgen für dauerhafte Schmerzen, denen das Pferd nicht entkommen kann —> die meisten Pferde ertragen es irgendwann nur noch.
  • Das Pferd empfindet Angst, aber statt dass der Stressfaktor reduziert wird, wird das Pferd auch noch für sein Verhalten (Scheuen, Tänzeln etc.) bestraft oder der Stressreiz wird mit dem Ziel der Desensibilisierung erhöht, bis das Pferd versteht, dass es keine Angst haben muss —> tatsächlich gibt es aber nur auf.
  • Die Haltung des Pferdes ist nicht artgerecht: zu wenig Bewegung, keine Sozialkontakte, zu wenig Futter usw.) —> das Pferd verkümmert und gibt innerlich auf. 
  • Und anderes mehr. 

Ein hilfloses Pferd ist immer ein Pferd in Not

Um es ganz deutlich zu sagen: Ein hilfloses Pferd ist in den meisten Fällen (wenn wir nicht gerade von Unfällen o.Ä. sprechen) ein Pferd, das nicht pferdegerecht, sondern falsch und schlecht behandelt wurde. Es lernt in diesem Fall nichts, sondern es wird durch das Fehlverhalten des Menschen in eine Notsituation gebracht – sei es, dass er es nicht besser weiß oder nicht anders kann oder auch noch der Meinung ist, dass er sich richtig verhält. 

Lernen müssen in all diesen Fällen wir Menschen, denn für den Zustand der Hilflosigkeit gibt es immer Ursachen, die nicht das Pferd lösen kann, sondern nur wir. Nur, wenn wir bereit sind, unseren eigenen Teil in dem Ursache-Wirkung-Kreis zu erkennen, können wir unser Verhalten verändern, um Pferde nicht immer wieder hilflos zu machen. 

 

Erlernte Hilflosigkeit

Zum Weiterlesen: 

17. April 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Sie merken es eh…

Immer wieder kann man solche  Tipps lesen und hören:

  • „Du musst souverän sein, damit Dein Pferd Dich akzeptiert!“
  • „Du darfst keine Angst haben, Dein Pferd muss sich sicher bei Dir fühlen können.“
  • „Es ist wichtig, dass Du Gelassenheit ausstrahlst, wenn Dein Pferd nervös ist.“
  • „Lass Dir den Stress, den Du sonst hast, nicht anmerken.“
  • „Werde niemals wütend oder ungeduldig mit Deinem Pferd!“

Klingen alle gut und richtig, das Problem ist nur: Sie funktionieren in der Regel nicht, weil wir damit gegen die Wirklichkeit ankämpfen, also gegen das was ist und gegen uns selbst. 

Und, mehr noch: Pferde merken eh alles.

Wir können einem Pferd Souveränität nicht vorspielen, genauso wenig wie wir uns gelassen geben können, wenn wir es nicht sind und unseren Stress können wir auch nicht verbergen. Pferde merken unsere Sorgen genauso wie unsere Ängste, sie spüren unsere Nervosität, unseren Frust und unsere Traurigkeit und sie spüren, wenn wir unzufrieden sind oder wütend oder aggressiv. 

Beispiel „Angst“

Ein sehr typisches Beispiel aus meinen Coachings ist das Thema „Angst“. Ich werde oft gerufen, weil der Mensch seine Angst besiegen will. Statt dann aber etwas gegen die Angst zu tun, gebe ich ihr erst einmal Raum. Angst, wie jedes Gefühl, hat Gründe und bevor wir uns nicht wenigstens ein Stück weit mit diesen Gründen befassen, können wir das Problem nicht lösen.

Wer Angst vor seinem Pferd hat, überfordert sich sehr oft selbst und verlangt von sich etwas, zu dem er eigentlich nicht bereit ist. Das zu erkennen und sich zu erlauben, eben im Moment zum Beispiel nicht zu galoppieren oder eben nicht auszureiten und stattdessen etwas zu tun, was sich gut und sicher anfühlt, schenkt Erleichterung und die Chance, Gutes zu erleben.

Wir sind so sehr darauf geeicht, ständig „an uns zu arbeiten“, dass wir ein Stück weit verlernt haben, auch Mitgefühl mit uns zu entwickeln. Keine Frage, Angst ist kein schönes Gefühl und der Impuls, sie einfach weghaben zu wollen, ist verständlich, aber nicht hilfreich. Sich selbst mit seiner Angst wirklich wahr- und ernstzunehmen, bedeutet, sich sich selbst zuzuwenden und für sich da zu sein. Angst will uns immer vor etwas schützen. Im Kontakt mit der Angst können wir überhaupt erst unseren ganz eigenen Weg zu mehr Sicherheit und Selbstvertrauen finden; sie einfach überwinden zu wollen, sorgt in der Regel für ein Mehr an Angst. 

Mit unseren Gefühlen arbeiten und nicht gegen sie

Und das gilt für so ziemlich jedes Gefühl! Stress lässt sich genauso wenig wegwünschen wie Angst, Wut genauso wenig wie Ehrgeiz oder Ungeduld.

Für mich gilt für jedes „Problem“, das wir Menschen an uns weghaben wollen, dass wir es erst einmal wirklich wahrnehmen und so gut wie möglich verstehen sollten, damit wir dann damit und nicht dagegen arbeiten können. 

… und das gemeinsam mit dem Pferd!

Wenn wir dazu bereit sind, dann gewinnen wir in unserem Pferd fast immer einen echten Partner und Coach.

Je ehrlicher wir mit uns selbst sind, desto authentischer wird uns unser Pferd wahrnehmen und desto leichter wird es ihm fallen, den Prozess auf eine gute Art mitzugestalten. Pferde haben grundsätzlich kein Interesse daran, Stress zu erhöhen oder Angst zu verstärken. Sie wollen uns nicht ärgern oder noch unzufriedener machen, sondern viele von ihnen sind bestrebt, die Situation zu verbessern oder sie zumindest nicht noch zu verschlechtern. Nur oft senden wir sehr viele verschiedene Signale und sind in unserem Verhalten oft so unwirsch oder auch unfair, dass Pferde gar keine Chance haben, auf das eigentliche Problem zu reagieren.

Wir können nicht nur nichts vor Pferden verstecken, wir sollten es auch gar nicht versuchen, denn die auf diese Weise verzerrten, übertünchten und oft widersprüchlichen Signale sind es, die Pferden das Miteinander mit uns so schwer machen. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass wenn wir uns hingegen ehrlich so zeigen, wie wir sind, Pferde oft auf eine ganz wundervolle und manchmal unerwartete Weise reagieren – dann können sie trösten oder aufmuntern, sie können mutig werden und uns Sicherheit schenken, sie können stark werden und über sich selbst hinauswachsen und vieles mehr. Vor allem aber wird dann überhaupt erst ein echtes Miteinander möglich.

Pferd

Foto von Horst Streitferdt

20. März 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 14 Kommentare »

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