Probleme beim Clickertraining: Übermotiviert und unter Stress

Wir beide arbeiten ja begeistert mit dem Clickertraining. Leider gibt es aber noch immer viele Vorbehalte gegen diese Art der Ausbildung, die unserer Einschätzung nach vor allem auf Unsicherheiten, Ängsten und Unwissenheit beruhen. Vielleicht können wir hier ein bisschen Abhilfe schaffen, indem wir uns einmal einem sehr typischen Problem widmen, auf das viele stoßen, die mit dem Clickern beginnen und das nicht selten dazu führt, dass das Clickertraining wieder abgebrochen wird, obwohl sich gerade darin eine große Chance für ein harmonisches Miteinander bietet. Es geht um den Übereifer beim Pferd.

Der Übereifrige –
„Clickern macht mein Pferd ganz wuschig“

Das Problem: Isa hat mit ihrem jungen Haflingerwallach zu clickern begonnen, da sie ihn möglichst gewaltfrei ausbilden möchte. Der Einstieg klappt auch gut, der Youngster lernt schnell. Es dauert aber nicht lang und es zeigt sich ein Problem: Isas Haflinger ist vom Clickern so begeistert, dass er bald damit beginnt, hektisch alles Mögliche anzubieten und gar nicht mehr auf Isas Signale achtet. Sie ist seinem Übereifer nicht gewachsen und überlegt, mit dem Clickern wieder aufzuhören. 

Begeisterung ist etwas Gutes…

Schauen wir uns einmal an, was hier passiert: Isa hat mit dem Clickertraining eine Möglichkeit gefunden, mit ihrem Pferd so zu arbeiten, dass es mit Feuereifer dabei ist. Diese Freude und Begeisterung sind etwas Gutes, denn genau darum geht es doch: unsere Pferde zur Mitarbeit zu motivieren. 

Wie aber bei so vielen, kann etwas Gutes auch ins Gegenteil umschlagen, wenn es zu extrem wird. Pferde, die sich sehr für das Clickertraining begeistern, entwickeln oft zu viel Energie und achten im Übereifer nicht mehr auf den Menschen. 

… Stress aber nicht

Bei übereifrigen Pferden schlägt die Begeisterung schnell in Stress um. Sie wollen um jeden Preis alles richtig machen und schießen dabei über das Ziel hinaus. Das ist sowohl für das Tier als auch für den Menschen unangenehm und macht ein Lernen schwer bis unmöglich. 

Hier liegen die Ursachen aber weniger im Clickertraining selbst, sondern sind zum einen in der Persönlichkeit des Pferdes oder aber noch mehr in der Beziehung zwischen Mensch und Pferd zu suchen. 

Das Problem an sich ist leicht zu lösen: Ruhe als Übung

Das Problem des Übereifers lässt sich meist gut in den Griff bekommen, indem man von Beginn an systematisch Pausen und Ruhemomente konsequent als Übungen einbaut und auch diese clickert.

Wichtig ist, dass man eine so genannte „Null-Position“ bestimmt, also z.B. das entspannte Stehen. Immer wieder gilt es, auch diese Null-Position zu clickern, also die Pausen-Momente, in denen nichts zu tun ist, genauso attraktiv zu gestalten, wie die Lernphasen. 

Schwieriger ist, an der eigenen Einstellung zu arbeiten

Interessanterweise tun sich viele Menschen recht schwer damit, Nichts-Tun zu belohnen. Hier zeigt sich der weitverbreitete Ansatz, dass nur Leistung ein Lob verdient und das wiederum deckt eine Strenge auf, die viele von uns in sich haben und so unbewusst auch ausstrahlen. 

Die meisten von uns lernen das Reiten in herkömmlichen Reitschulen und entwickeln auf diese Weise die Einstellung, dass Pferde tun müssen, was der Mensch will. Der eigene Wille wird mit mehr oder weniger Druck durchgesetzt und Fehlverhalten des Pferdes wird vom Menschen mehr oder weniger freundlich korrigiert oder auch bestraft. 

In einem Pferdeleben geht es naturgemäß nicht um Leistungen oder darum, Dinge zu erreichen oder gut zu machen. Pferde wollen ihr Überleben sichern, Zugang zu Ressourcen wie Futter und Wasser haben und innerhalb ihres Sozialsystems möglichst stressfrei und harmonisch leben. Sie wollen vor allem eines: sich wohl fühlen.

Nun bringen wir Menschen, indem wir mit Pferden arbeiten, etwas Neues in ihr Leben: nämlich Erwartungs- und Leistungsdruck. Wir Menschen haben bestimmte Vorstellungen davon, was Pferde tun und können sollen, wir stellen Forderungen und Aufgaben, die wir erfüllt sehen wollen und wir geben mehr oder weniger nette „Befehle“, die wir befolgt sehen wollen. Damit bauen wir, oft unbewusst und ungewollt, Druck auf, den Pferde mit ihrer feinen Wahrnehmung spüren, egal wie sehr wie ihn auch verbergen wollen.

Manche Pferde reagieren auf Druck mit Entzug oder Verweigerung, andere wollen unbedingt ungute Erlebnisse vermeiden und setzen darauf, alles richtig machen zu wollen. Genau diese zeigen dann oft Übereifer. Da aber Pferde oft gar nicht genau wissen, was wir eigentlich von ihnen erwarten, bieten sie unter Stress oft alles Mögliche an.

Und hier müssen wir Menschen ihnen helfen, indem wir ihnen deutlich machen, dass gar nicht immer etwas getan werden muss, sondern dass es genauso gut und richtig ist, auch einfach mal entspannt beieinanderzustehen. 

Unsere Tipps für alle anderen mit übereifrigen Pferden

  • Von Beginn an eine Null-Position einführen, in der es nur um Ruhe und Pause geht und diese nicht erst bei Übereifer, sondern auch schon zwischendurch genauso wie eine Lektion clickern und loben, um dem Pferd deutlich zu machen, dass es nicht ständig Leistung bringen muss. 
  • Die eigene Ausstrahlung, die Ansprüche und Erwartungen an das Pferd überprüfen:
    • Bin ich ungewollt zu streng?
    • Erwarte ich vielleicht zu viel von meinem Pferd?
    • Bin ich zu hart in meiner Ausstrahlung? 
    • Wie reagiere ich bei Fehlern meines Pferdes?
    • Wie geht es mir, wenn ich selbst Fehler mache?
    • Kann ich selbst auch einmal nichts tun?
    • Wie kann ich für mehr Leichtigkeit und Freude in unserem Miteinander sorgen? (Tipp: Speziell dazu gibt es viele Tipps in unserem Freudekurs.)

Und noch ein wichtiger Punkt

Manchmal müssen wir die Ursachen für ein (Fehl-)Verhalten auch außerhalb der eigentlichen Situation suchen. Wirkt ein Pferd im Training sehr fahrig, nervös und überaktiv, so kann das auch daran liegen, dass wichtige Grundbedürfnisse unerfüllt sind. Viel mehr Pferde, als man denken sollte, haben z.B. permanent Hunger, weil sie zu wenig Raufutter bekommen. Kommt nun durch das Clickertraining Futterlob ins Spiel, ist vollkommen verständlich, dass der Erregungslevel steigt! Ähnliches gilt für Pferde, die Durst haben, nicht genug Bewegung bekommen, keinen ausreichenden Kontakt zu Artgenossen haben, nicht genug Ruhe oder Schlafmöglichkeiten haben und vieles mehr. Also bitte auch immer auf das Gesamtbild schauen. 

 

 

2. April 2019 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Clickertraining, Jungpferdausbildung, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

 

5 Reaktionen zu “Probleme beim Clickertraining: Übermotiviert und unter Stress”

 

Von Isabell • 8. April 2019

Manchmal wird das Clickern auch in den Foren als Lösungsvorschlag unterbreitet. Vor allem und in erster Linie, wenn es um ein problematisches Verhalten geht. Ich sehe das sehr kritisch, denn wenn unsere Pferde erst mal begriffen haben, wie das funktioniert, wird die Methode in ihrer Anwendung eben komplexer. Dazu muss man als Mensch aber halt auch bereit sein und nicht nur problemorientiert an die Sache ran gehen. Ich glaube, dass aus dieser Gruppe (die wegen eines Problems begonnen haben) die meisten Abbrecher kommen.

Ergänzend noch zum Übereifer: ich kann meinen Skári nur mit Graspellets Clickern, alles andere macht ihn zu gierig. Da wird er dann eben ungeduldig und hektisch. Möhren geht z.B. gar nicht. Die brauch ich schon gar nicht in die Tasche packen.

Liebe Grüße
Isabell mit Skári

 

Von Birgit Zimmermann • 15. April 2019

ich bin ein bisschen verwundert, sonst gibt es immer zahlreiche Kommentare und hier nur einer!?

Ich habe mit meinem Pferd von Anfang an mit dem Click kommuniziert. Ich habe den Vorteil sie von klein auf bei mir zu haben, bin mir aber sicher, es funktioniert auch bei „verzogenen“ Pferden.

Alles hier zu beschreiben, wäre zu lang aber nach fünf Jahren bin ich sicher, nie so ein inniges Verhältnis zu meinem Pferd bekommen zu haben, wenn ich es anders gemacht hätte. Jeden Tag bekomme ich den Dank und alle, die uns in unserem Umgang sehen, sind verblüfft. Ich kann z. B. mit ihr spazieren gehen, ohne sie am Strick zu haben. Das ist für beide Teile unglaublich schön. Sie reagiert sofort auf mein Stimmkommando. Gleiches gilt für´s Reiten. Ich reite gebisslos und kann ohne Einwirkung auf die Zügel oder Gewichtshilfen Kommandos geben, die sofort umgesetzt werden. Das muss ich auch nicht jedes mal mit einem Leckerli belohnen. Hin und wieder reicht vollkommen.

Genau so präzise reagiere aber auch ich auf ihre Hinweise. Wir sind eben gleichberechtigt (ja, das funktioniert auch bei großen Pferden)! Hierzu ein kleines Beispiel, wenn sie genug hat und ihre Ruhe haben will, zeigt sie mir das Danke (ein Bein vor und den Kopf zwischen die Beine). Das habe ich am Anfang immer abgefragt, bevor ich mit dem Training aufgehört habe. Wenn das von ihr kommt, steige ich ab und höre mit dem Training auf. Dieses Danke kommt stets, wenn ich selbst überlege aufzuhören, nie nach kurzer Zeit.

Vor ein paar Wochen hat sie es gleich bei meinem Kommen gezeigt, was mich sehr gewundert hat auch weil es sehr steif aussah. Fazit, sie hatte sich irgendwie verrenkt. Das hätte ich vielleicht erst nicht bemerkt. Die Osteophatin hat sie eingerenkt und alles war gut. Das zeigt überdeutlich wie schlau Pferde sind und wie prima wir miteinander „reden“ können, wenn wir bereit sind hinzuhören.

Ich kann nur positives berichten und jedem ans Herz legen es auszuprobieren. An dieser Stelle nochmal HERZLICHEN DANK für Euren Clickerkurs. Ich hatte am Anfang auch Bedenken zur Futterbox zu mutieren aber dem ist nicht so. Probiert es bitte aus und gebt nicht schnell auf. Der Anfang ist das allerwichtigste. Wer bettelt kriegt nix auch wenn die Übung noch so klasse war.

Liebe Grüße Birgit

 

Von Mareike • 17. April 2019

Ich habe mit meiner Stute erst nach 15 Jahren mit dem Clickern begonnen – Dank Babette.

Unsere erste Übung war tatsächlich genau das „Entspannen“. Mein Pony hat am Anfang natürlich nicht verstanden, warum es auf einmal einen Keks gab, aber sie entspannte immer schneller.
Meine Stute ist grundsätzlich nicht übermotiviert, eher verfressen. Deswegen wollte ich von Anfang an kein bettelndes Pferd. Lange vermied ich jegliches Futterlob.

Doch irgendwann hatte Babette mich vom Clickern überzeugt, ich fing an. Diese „Entspann dich-Übung“ war da einfach perfekt.
Umso erstaunter war ich über die immense Motivation, die dann doch in meinem Pony steckte. Ein Hals, ein Trippeln der Beine, ein Brummeln beim Kekswort.
Dazwischen immer wieder „Entspann dich“.

Unser schönster Moment: Als das Pony gemerkt hat, dass ich endlich mal zuhöre. Dass sie endlich weiß, was sie machen soll und dann dafür belohnt wird. Und nicht immer nur Druck die Richtung/Geschwindigkeit/Position ändert.

Die Entspann-dich-Übung ist dabei nicht ihre Lieblingsübung, weil sie ja „nichts“ machen soll. Ich habe für die Übung auch kei „Kommando“. Ich tue einfach auch nichts.
🙂

Liebe Grüße!

 

Von Bettina Kraus • 22. April 2019

Auch ich habe meinem verfressenen Fjordi alles mit dem Clicker beigebracht und muss manchmal lächelnd dran denken wie ich am Anfang fast aufgeben wollte, weil er mich so bedrängte und nur auf das Futter konzentriert war. Üben hinter einer Begrenzung, lernen, dass Belohnung abwarten heißt und nur nach dem click verabreicht wird, das löste das Problem, Geduld, Glaube an die Methode. Oft sind auch menschliche Fehler das Problem: unklare, wechselnde Kommandos,Bestärkung des Falschen,Bestärkung erfolgt zu spät: wochenlang hab ich mich mit dem Hufe geben abgequält bis ich kapiert habe, dass ich immer das Absetzen des Hufes bestärkte statt des Haltens :)Empfehlen kann ich die Bücher der Verhaltenstierärztin Barbara Schöning zu dem Thema, liebe Grüße von Bettina und Jarek

 

Von Claudia • 23. April 2019

Ich clickere meinen Kleinen jetzt seit 10 Jahren. Ich kenne es auch, dass ihm eine Lektion zu langweilig wird und er mir spontan etwas anbietet, was wir letzte Woche geübt haben. Ich muss dann immer lachen und habe es schwer ernst zu bleiben, wenn er plötzlich ohne Vorwarnung „um das Hütchen rum“ läuft und mich mit großen Augen anschaut und auf seine Belohnung wartet. Aber ganz ehrlich – besser kann die „Arbeit“ doch gar nicht laufen! Ich habe ein intelligentes Pony, mit Spaß an der Arbeit und würde das niemals als Versagen bezeichnen. Ich kann nur allen raten: Gebt nicht auf! Mein Kleiner war nicht einfach. Er hatte vor allem Angst. Das Clickern hat ihn zu einem vorwitzigen, selbstbewussten zufriedenen Pony gemacht und mehr möchte ich gar nicht.
Grüße von Claudia und Caspa
P.S.: Zum Entspannen haben wir ein „Pause-Quadrat“ aus Gassen. Dort wird Pause gemacht und gekuschelt. Das klappt bei uns auch super.

 

 

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