Das begriffsstutzige Wesen namens Mensch

Mein Buddy hat mir eine schöne Lektion erteilt.

Ein absolutes Lieblingsspiel von Buddy ist es, sich den Hula-Hoop-Reifen über den Kopf zu werfen:

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Er macht das sicher und mit großer Freude. Nun habe ich dieses Spiel lange Zeit nicht mehr mit ihm gemacht. Letztens wollte ich es dann wieder mit ihm spielen und Buddy schien es komplett verlernt zu haben. Er nahm den Reifen, den ich ihm anbot, kaum ins Maul, geschweige denn, dass er versuchte, den Reifen über seinen Kopf zu werfen. Ich clickerte die kleinsten Ansätze und konnte nicht glauben, dass er sich so gar nicht mehr an diese Übung erinnern sollte. Buddy verlor dann auch schnell das Interesse und ließ den Reifen links liegen. Ein paar Tage später versuchte ich es erneut, mit dem gleichen kläglichen Ergebnis. Ich muss zugeben, ich war wirklich enttäuscht. Wie konnte er diese Übung nur verlernt haben? Er ist doch sonst so ein schlaues Pony …

Beim Autofahren kam mir plötzlich der Geistesblitz! Es war der falsche Reifen! Wir hatten immer mit einem anderen Reifen geübt. Der Reifen, den ich jetzt mit hatte, hat abgeflachte Seiten, ist also kantig – hier auf den Fotos ist es der gelbe Reifen:

bh2 bh1Anscheinend konnte Buddy diesen Reifen einfach nicht in seinem Maul drehen. Also gab er nach einigen Versuchen auf. Bei meinem nächsten Besuch bei Buddy suchte ich nach einem anderen Reifen, einen, der keine abgeflachten Kanten hat, sondern schön rund ist (s. oben der graue Reifen) und sofort war Buddy wieder Feuer und Flamme und schmiss sich den Reifen gekonnt über den Hals! 

Tja Buddy, bitte entschuldige, dass ich an deinen Fähigkeiten gezweifelt habe! Es hat etwas gedauert, aber zum Glück bin ich dann doch noch darauf gekommen, dass mal wieder ICH schwer von Begriff war … 🙂

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16. Februar 2016 von Babette Teschen • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Spiele & Co, Verhalten 7 Kommentare »

Enttäuscht vom eigenen Pferd?

Heute möchte ich ein Thema ansprechen, das meiner Einschätzung nach viele Pferdemenschen bewegt, das aber nur selten offen behandelt wird. Und zwar geht es um enttäuschte Erwartungen.

Beispiele

  • Silvia hat sich für viel Geld ein junges, vielversprechendes Dressurpferd aus einer bekannten Zuchtlinie gekauft. Ihr Ziel war, mit diesem Pferd sportliche Erfolge zu erzielen. Es stellt sich allerdings heraus, dass das Pferd sehr sensibel und von seinem Nervenkostüm her wenig belastbar ist. Es scheut auf den Turnierplätzen und regt sich oft so auf, dass die Prüfung abgebrochen werden muss.
  • Lutz möchte zusammen mit seiner Frau ausreiten und kauft sich einen Tinker, der als Verlasspferd angeboten wurde. Als Reitanfänger hat er noch nicht allzu viel Erfahrung mit Pferden und ist schnell überfordert, als sich der Tinker als rüpelig und futterfordernd herausstellt. An ein ruhiges Ausreiten ist kaum zu denken, da das Pferd bei der erstbesten Gelegenheit stehenbleibt und Gras frisst. Beim Spazierengehen wird Lutz durch die Gegend gezogen.
  • Andrea hat für sich und ihre Tochter ein schon etwas älteres Springpferd gekauft, da beide gerne auf die Turniere im Landkreis gehen wollen. Nach einem halben Jahr geht das Pferd lahm, der Tierarzt diagnostiziert einen Chip.
  • Danas Traum war es immer schon, einmal ein eigenes Jungpferd auszubilden. Sie kauft sich einen dreijährigen Isländer, den sie gemeinsam liebevoll und verständig mit einer Trainerin ausbildet. Trotz allem verweigert das Pferd beharrlich, geritten zu werden, indem es sich massiv gegen jeden Reiter wehrt.

All das sind offensichtliche Beispiele von Pferd-Mensch-Beziehungen, die anders laufen, als der Mensch sich das gedacht hat, und es gibt viele weitere solcher Geschichten. Verständlicherweise sind Silvia & Co enttäuscht.

Die Frage ist nur, wie gehen wir mit Enttäuschungen dieser Art um?

Manch einer wird in einem solchen Fall das Pferd verkaufen und es mit einem anderen versuchen. Andere halten an ihren Zielen fest und probieren alles Mögliche, um zu erreichen, was sie wollen. Wieder andere versuchen Kompromisse zu finden, indem sie ihre Erwartungen herunterschrauben und sehen, was möglich ist.

Auch wir hatten Erwartungen an unsere Pferde und nicht alle dieser Erwartungen wurden erfüllt. Damit sind wir ganz unterschiedlich umgegangen: wir waren frustriert und traurig, wir haben verschiedenste Methoden gewählt, um zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben und ja, auch wir haben unsere Erwartungen verändert.

Es gibt aber noch einen anderen Gedanken.

Dürfen wir überhaupt etwas erwarten?

Was für uns fundamental etwas im Umgang mit Pferden verändert hat, war die Frage, ob es eigentlich okay ist, überhaupt feste Erwartungen an unsere Pferde zu haben.

Die Frage, ob wir tatsächlich ein Recht haben, von unserem Pferd zu verlangen, was wir wollen, ist eine heikle, denn die meisten Menschen schaffen sich ja ein Pferd an, weil sie etwas Bestimmtes vorhaben: sie wollen das Pferd nutzen, also reiten, fahren, Vorführungen machen usw. Und klar, Wünsche und Träume darf jeder haben, aber eine Erwartung geht deutlich weiter: Wenn wir etwas erwarten, WOLLEN wir es, und je nach Typ und Persönlichkeit werden wir sehr viel daran setzen, es auch zu bekommen. Und genau da werden die eigenen Interessen viel zu oft auf Kosten der Pferde und häufig unter Einsatz von Gewalt verfolgt.

Meine Pferde haben mir beide auf ihre Art Lehrstücke in Sachen Erwartungshaltung geschenkt. Vor allem aber war es Anthony, der mir klar machte, dass ich kein Recht habe, von ihm etwas zu wollen, das er mir nicht geben kann oder will. Ich habe mit ihm viel erreicht – bis er sich dann entschied, immer weniger geben zu wollen. Er entzog mir nach und nach so ziemlich alles, was ich mir mit ihm und von ihm gewünscht hatte und während ich das lange Zeit als ziemlich schmerzlich empfand und auch sehr damit haderte, so erkenne ich heute, dass er mir damit etwas Kostbares geschenkt hat.

Ich habe nämlich erst durch ihn das gelernt, was eigentlich selbstverständlich für jeden sein sollte, der Pferde liebt: dass wir tatsächlich kein Anrecht darauf haben, Pferde zu etwas zu bringen, was wir von ihnen erwarten, sondern dass wir ihre Vorstellungen, ihre Persönlichkeit und ihr eigenes Sein respektieren müssen.

Es geht um ein Mitspracherecht

Es geht mir hier nicht um die immer wieder vorgebrachte Diskussion darüber, dass man Pferden ja ihren Willen nicht lassen kann, da sie sonst auf Straßen rennen oder Menschen gefährden. Ganz klar: Eine Grunderziehung muss sein, da sonst ein sicherer Umgang mit einem Pferd nicht möglich ist. Mir geht es hier um das, was darüber hinaus geht, also um alles, was wir zu unserem eigenen Vergnügen von unseren Pferden wollen.

Natürlich können anfragen und anbieten, wir können verlocken und motivieren, aber wir dürfen meiner Ansicht nach Pferde nicht zwingen – nicht zum Reiten, nicht zum Springen, nicht zu Zirkuslektionen usw. Vor einiger Zeit hätte ich das sicher noch etwas anders gesehen und hätte damit argumentiert, dass ein Pferd ja auch wegen der Gesunderhaltung trainiert werden muss und dass ja das, was ich vorhabe, eben auch gut fürs Pferd sei … Heute weiß ich, dass diese Argumente zu einem großen Teil dafür dienten, dass ich mein Ding durchziehen und meine Erwartungen nicht loslassen wollte.

Ein Pferd wirklich zu lieben, bedeutet für mich heute, ihm ein ganz klares Mitspracherecht einzuräumen, es anzunehmen wie es ist und auch zu akzeptieren, wenn es meine Erwartungen nicht erfüllt. Pferde sind eben genau nicht dafür da, sondern Pferde sind einfach nur Pferde. Wenn wir von einem Pferd enttäuscht sind, ist es nicht sein Fehler, sondern die Ursache liegt bei uns, in unseren Erwartungen. Wenn wir bereit sind, sie loszulassen, können wir unser Pferd so wertschätzen, wie es ist.

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4. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 26 Kommentare »

Die Welt durch Pferdeaugen sehen

 Letzte Woche haben wir diese Inspiration bei Facebook eingestellt:

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Die Aussage wirkt fast trivial, denn es wird kaum jemanden geben, der da nicht zustimmt, oder? Aber wie sieht es damit in der Praxis aus? Im Alltag mit unserem Pferd? Wie oft und wie intensiv versuchen wir da, uns in unser Pferd hineinzudenken und vor allem hineinzufühlen?

  • Angenommen unser Pferd hampelt aufgeregt neben uns, wenn wir aufsteigen wollen und tritt uns dabei auf den Fuß – versuchen wir in dieser Situation auch, die Welt durch die Augen unseres Pferdes zu sehen?
  • Oder wir möchten endlich mal einen runden Zirkel hinbekommen und nicht immer nur ein Ei – wie sieht es hier mit der Frage aus, wie unser Pferd wohl gerade die Welt sieht?
  • Oder unser Pferd scheut im Gelände zum gefühlten 195. Mal an derselben Bank, bleiben wir auch dann noch bei unserem Pferd?
  • Oder wir können zum 20. mal hintereinander den Führstrick aus dem Maul unseres Pferdes holen, weil es immer und immer wieder darauf herumkaut – was macht das mit unserer Bereitschaft, unser Pferd zu verstehen?
  • Und was, wenn unser Pferd uns zum fünften Mal in Folge den Huf wegzieht und uns zur Seite drängelt – versetzen wir uns da auch noch in unser Pferd hinein?

Beispiele wie diese lassen sich endlos viele finden. Für die meisten von uns ist es kein Problem, sich in ein Pferd hineinzuversetzen, wenn es freudig in seiner Herde über die Wiese tobt, genüsslich in der Sonne döst oder gerade Fellpflege mit einem anderen Pferd macht. Viel schwieriger wird es, dieselbe Bereitschaft zum Einfühlungsvermögen im Alltag aufzubringen, wenn unser Pferd die Mitarbeit verweigert, „widersetzlich“ ist oder uns mit seinem Verhalten nervt.

Menschenalltag versus Pferdealltag

Die große Herausforderung besteht wohl darin, dass wir Menschen ein grundsätzlich und komplett anderes Leben führen als unsere Pferde. Und da treffen dann oft die sprichwörtlichen Welten aufeinander.

Wir Menschen kommen ja immer aus unserem eigenen Alltag heraus zum Pferd, das nichts weiß von Leistungsgesellschaft, Geldsorgen oder Beziehungsstress und so bringen wir – bewusst oder unbewusst – meist ein ganzes Bündel von Erwartungen mit:

  • Wir wollen uns z.B. entspannen und Spaß haben, weil unser Tag einfach nur frustrierend war,
  • wir möchten unsere Sorgen loslassen, die uns das Leben gerade so schwer machen und einfach mal an nichts denken,
  • oder wir wollen vielleicht unbedingt eine bestimmte Lektion hinbekommen und damit die anderen aus dem Stall beeindrucken,
  • wir wollen endlich mit dem Training vorankommen, damit die abgebauten Rückenmuskeln wiederkehren oder sich das Gewicht reduziert,
  • wir hören von anderen, dass uns unser Pferd auf der Nase herumtanzt und wir uns endlich mal durchsetzen sollen
  • und so weiter und so fort.

Unser Pferd hingegen

  • hatte vielleicht gerade Ärger mit einem Kumpel in der Herde,
  • oder es stand die ganze Zeit gelangweilt auf einem Einzelpaddock und wusste nichts mit sich anzufangen,
  • oder es liegt ein seltsamer Geruch in der Luft, von dem es nicht weiß, ob der gefährlich ist oder nicht,
  • oder es zwackt seit gestern bei jedem Schritt etwas in der Wirbelsäule,
  • vielleicht ist es müde,
  • vielleicht ist es aufgedreht,
  • vielleicht freut es sich, uns zu sehen, weil es auf einen Ausritt hofft,
  • vielleicht möchte es am liebsten auch einfach nur eine Möhre und seine Ruhe …

Wenn Mensch und Pferd nun aufeinandertreffen, sind Interessenkonflikte leider unvermeidlich. Nach der herkömmlichen Denkweise gehen viele davon aus, dass das Pferd zu gehorchen und zu funktionieren hat und so kommt es immer wieder zu den unschönen Bildern, in denen der Mensch seinen Willen durchsetzt.

Um das zu vermeiden, ist viel Selbstreflexion nötig.

Einfühlungsvermögen erfordert, die eigenen Erwartungen zurückzustellen

Wünsche und Erwartungen zu  haben, ist menschlich, sie um jeden Preis durchsetzen zu wollen, leider nicht. Die Idee, sich in sein Pferd hineinzuversetzen, ermöglicht uns, einen Schritt neben uns selbst zu machen und unsere eigenen Vorstellungen für den Moment loszulassen. Dazu können wir uns so etwas fragen, wie:

  • Wie geht es meinem Pferd gerade jetzt in diesem Moment?
  • Was geht wohl gerade in meinem Pferd vor?

Und eine weitere, sehr gute Frage ist diese:

  • Würde ich ein Mensch-Pferd-Paar in der Situation beobachten, in der ich gerade bin, was würde mir auffallen und was würde ich für einen Rat geben?

Die Welt mit den Augen unseres Pferdes zu sehen, ist nicht nur eine theoretische Einladung, den eigenen, oft begrenzten Handlungshorizont zu erweitern, sondern es ist eine zutiefst praktische Maßnahme für ein pferdegerechtes Miteinander. Indem wir mehr wahrnehmen als unser eigenes Wollen, erweitern wir unseren Blick und erkennen mehr:

  • nämlich z.B. die Not unseres Pferdes, wenn es Angst hat oder überfordert ist,
  • dass es gerade nicht versteht, was von ihm gewollt wird,
  • die Stimmung und Laune in der es gerade ist, also z.B. übermutig, gereizt oder hungrig
  • und vieles mehr.

Der eigentlich recht kleine Schritt, sich für einen Moment in das Pferd zu versetzen, kann ganz Wesentliches im Umgang verändern. Es ist ein Schritt hin zu Wertschätzung und Respekt und damit hin zu gelebter Pferdeliebe.

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17. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 9 Kommentare »

Die Sache mit dem schlechten Gewissen

In der letzten Woche hatten wir diese Inspiration bei Facebook eingestellt:

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Es geht um ein, zugegeben, unbequemes Thema, aber um ein sehr wichtiges, denn das schlechte Gewissen scheint ein fester Bestandteil der Pferdewelt.

Die meisten von uns haben wegen allem Möglichen ein schlechtes Gewissen: Weil wir zu wenig mit unserem Pferd machen oder zu viel, weil wir es zu hart behandeln oder zu nachlässig, weil wir zu schlecht reiten oder zu viel wiegen, weil wir unser Pferd über- oder unterfordern, weil wir Zubehör benutzen, von dem wir wissen, dass es dem Pferd Unbehagen oder gar Schmerzen bereitet, weil wir genau merken, dass wir gerade unfair oder zu ungeduldig oder zu emotional sind, weil wir ahnen, dass wir uns eigentlich einen anderen Stall suchen müssten, damit es unserem Pferd besser geht, es aber nicht tun – und so weiter und so weiter und so weiter …

Eigentlich etwas Gutes …

Ein schlechtes Gewissen ist eigentlich eine gute Sache, denn es ermahnt uns, unser eigenes Verhalten zu hinterfragen. Ein schlechtes Gewissen entsteht, weil wir moralische Vorstellungen und Grundsätze haben, und das ist etwas Gutes.

Nun fühlt sich so ein schlechtes Gewissen aber oft einfach nur mies an. Wir schämen uns und fühlen uns schlecht. Wir wollen dieses unangenehme Gefühl möglichst schnell weghaben und (er-)finden deshalb Gründe für unser Tun, schauen auf andere, die noch schlimmer sind und rechtfertigen das, weswegen wir eigentlich das schlechte Gewissen haben. Das hilft kurzfristig, weil wir uns dann etwas besser fühlen, aber schon mittelfristig haben wir genau deshalb ein noch größeres schlechtes Gewissen. Und weil das noch unangenehmer ist, schieben wir auch das gleich wieder mit den entsprechenden Argumenten von uns weg und, ja, machen oft genau das, was wir falsch finden, erst recht, wie um uns zu beweisen, dass es ok ist oder nicht anders geht.

Obwohl es also eigentlich dafür da ist, dass wir unser Tun in Hinblick auf „richtig oder falsch“ prüfen, verhindert ein schlechtes Gewissen oft leider, dass wir etwas an unserem falschen Verhalten ändern. Es scheint absurd, aber dennoch ist genau das oft der Fall: je schlimmer unser schlechtes Gewissen ist, desto stärker halten wir oft an genau dem fest, was das schlechte Gewissen auslöst.

Warum das so ist? Weil uns ein schlechtes Gewissen zu einem „Opfer“ und damit immer ohnmächtiger macht. Es geht uns nicht gut mit einem schlechten Gewissen, ja, wir leiden darunter oft sogar sehr. Dieses Leid lässt uns um uns selbst kreisen und übersehen dabei, dass wir selbst die Ursache für unser Leid sind. Wir tun (oder unterlassen) etwas, das uns Schuldgefühle macht. Diese Schuldgefühle schwächen uns und verstärken unser Gefühl von Hilflosigkeit. Dann haben wir den Eindruck, „… ja sowieso nichts ändern zu können, weil es ja eh schon passiert ist und immer wieder passiert“, wodurch wir uns noch schlimmer fühlen – eine Endlos-Spirale!

Ein schlechtes Gewissen hält uns also oft in unseren Mustern gefangen und macht es uns manchmal fast unmöglich, sie zu durchbrechen.

Wie man da herauskommt? Indem wir unsere moralischen Vorgaben nicht nur als Lippenbekenntnisse sehen, sondern bereit sind, sie tatsächlich zu leben und uns an sie zu halten! Oder anders gesagt: Ein schlechtes Gewissen hört erst auf, wenn wir das, was wir für falsch halten, sein lassen und unser Verhalten ändern.

… aber nur dann, wenn wir auch etwas ändern!

Ein schlechtes Gewissen ist gut, wenn es uns zu der Erkenntnis bringt, dass wir etwas ändern müssen. Dafür aber müssen wir aus dem (Selbstmit-)Leid heraus und hin zur Bereitschaft, aktiv an uns selbst zu arbeiten. Dazu sind drei Schritte nötig:

  • Im ersten Schritt müssen wir bereit sein zu erkennen, WAS wir eigentlich genau tun. Das erfordert den Mut, ehrlich mit sich selbst zu sein, und zwar ohne, uns mit einem „Was bin ich doch nur für ein schlechter Mensch“ selbst zu zerfleischen – genau das ist nämlich das, was uns keinen Schritt weiterbringt.
  • Im zweiten Schritt müssen wir bereit sein, uns das, was wir getan haben, zu verzeihen. Jeder Mensch macht Fehler und manchmal machen wir auch schlimme Fehler. Aber kein Fehler wird dadurch besser, dass wir uns selbst deswegen fertigmachen (eben mit einem schlechten Gewissen). Fehler sind wichtig, denn ohne sie kann es keine Entwicklung und kein Lernen geben. Aber dafür dürfen wir nicht im Schuldgefühl hocken bleiben, sondern wir müssen erkennen, was falsch gelaufen ist und uns damit aussöhnen, um es dann loszulassen zu können, um Neues möglich zu machen.
  • Denn darum geht es im dritten Schritt: uns für etwas Neues zu öffnen. Wenn wir erkannt haben, etwas falsch gemacht zu haben, gilt es unser Verhalten zu verändern. Manchmal können wir einfach etwas anders machen oder aufhören etwas zu tun, manchmal aber schaffen wir es nicht aus eigener Kraft oder es fehlt uns an Wissen oder Möglichkeiten. In diesem Fall steht an, uns Hilfe zu suchen und diese anzunehmen. Dieser dritte Schritt ist unerlässlich, damit unser schlechtes Gewissen das bewirken kann, wofür es eigentlich in uns eingebaut ist: tatsächlich etwas zum Guten zu verändern.

Ich sehe mein schlechtes Gewissen inzwischen als genau das, wofür es da ist: als ein Zeichen dafür, dass etwas falsch läuft und ich etwas ändern muss. Dass ich manchmal keine Ahnung habe, wie ich die Sache tatsächlich ändern kann, darf kein Grund sein, einfach weiter klagend die Hände zu ringen und mich schlecht zu fühlen, sondern es ist dann mein Job, eine Antwort auf die Frage nach dem Wie zu finden und dazu bereit zu sein, einen anderen Weg als den bisherigen einzuschlagen.

Schlechtes Gewissen

3. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang 11 Kommentare »

Selbstreflexion, ja bitte!

Wir hatten in der letzte Woche diese Inspiration bei Facebook veröffentlicht:

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Die Reaktionen darauf waren einfach unglaublich! Das Bild wurde in einem Ausmaß geliked und geteilt, den wir nicht für möglich gehalten hätten. Wir waren tatsächlich ein bisschen wie im Rausch, so sehr begeisterte uns die Resonanz. Herzlichen Dank an alle, die da beteiligt waren!

Mit diesem Bild wollten wir nachdenklich machen und zur Selbstreflexion anregen und hoffen, dass uns das auch ein bisschen gelungen ist. Wir selbst empfinden die auf dem Bild gestellte Frage durchaus als ernst und unbequem, wenn wir sie konsequent aus Pferdesicht beleuchten. Und wir persönlich müssen zugeben: Es gab Zeiten und Momente, in denen wir die Frage ehrlicherweise mit einem Nein hätten beantworten müssen…

Natürlich hatten wir, wie die meisten, immer „das Beste“ für unser Pferd im Sinn, aber wir sind dabei auch manchen Irrweg gegangen. Wir haben zum Teil abstruse Methoden angewandt und Zubehör verwendet, das wir heute ablehnen. Manchmal hat unser Ehrgeiz überhandgenommen und oft genug haben wir unsere Stimmungen an unseren Pferden ausgelassen und wurden ungerecht. Auch was die Haltung angeht oder in Fragen der Ernährung und Gesundheit haben wir Fehler gemacht und zum Teil schlechte Entscheidungen getroffen.

Waren wir uns all dieser Sachen bewusst? Nein, wohl nicht. Vielleicht hätte uns eine ehrliche und selbstkritische Auseinandersetzung mit der Frage auf dem Bild manches Mal schneller erkennen lassen, dass wir auf einem Holzweg waren, vielleicht auch nicht. Mit dem Blick auf unsere gemachten Fehler sind wir jedenfalls heute bereit, uns diese Frage selbstkritisch immer und immer wieder aufs Neue zu stellen: 

  • Lebt unser Pferd so artgerecht wie möglich? –> Hier geht es um Punkte wie Platz, Sozialkontakte, Möglichkeiten zum Pferd-Sein, Bewegungsanreize, pferdegerechte Ernährung, die es nicht krank macht, sinnvolle Beschäftigung, förderndes Training usw.
  • Haben wir Erwartungen und Ansprüche an unser Pferd, die es nicht erfüllen kann? –> Hier schauen wir auf Leistungen, die wir von unserem Pferd fordern und stellen in Frage, ob wir wirklich erwarten können, dass unser Pferd so „funktioniert“, wie wir es gern hätten. Und wir fragen uns auch, ob unser Pferd vielleicht Löcher in uns stopfen soll, die wir eigentlich anders heilen sollten usw.
  • Was müssen wir selbst noch lernen oder an uns trainieren, um unserem Pferd gerecht zu werden? –> Hier denken wir an reiterliche Mankos, aber auch fehlendes Wissen u.ä.
  • Sind wir im Umgang mit unserem Pferd fair und respektvoll? –> Oder fallen wir doch wieder in alte Muster und werden aus Ungeduld ungerecht oder unwirsch?
  • Nehmen wir unser Pferd in seiner ganz eigenen Persönlichkeit an? –> Oder versuchen wir ständig, es zu ändern?

Das Ziel kann sicher nicht Perfektion sein, aber für uns gehört eine tägliche Portion Selbstreflexion inklusive der Bereitschaft, wenn nötig auch Konsequenzen zu ziehen, dazu. Letztlich geht es darum, immer wieder neu dazuzulernen, um nicht vorschnell anzunehmen, alles sei schon gut, wie es ist – und genau dafür empfinden wir eine Frage wie auf dem Bild als sehr hilfreich.

6. Oktober 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse 2 Kommentare »

Sei anders!

Je länger ich mit Mensch-und-Pferd-Paaren zu tun habe, desto klarer erkenne ich einen sehr unguten Mechanismus, der – oft vollkommen unbewusst! – zu einer großen Portion Schmerz und Leid auf beiden Seiten führt. Und zwar geht es darum, dass viele Menschen dazu neigen, immer das vom Pferd zu wollen, was es nicht geben kann oder geben mag, und in der Folge dann nicht einmal das, was sie von ihrem Pferd bekommen, als Geschenk sehen zu können.

Beispiele gefällig?

  • Linda hat eine Vollblutstute, die sehr ängstlich ist. Die Stute hat aber gelernt, Linda zu vertrauen, und geht mit ihr sogar an ganz schrecklichen Dingen vorbei, wie an flatternden Planen oder Traktoren. Das aber kann Linda gar nicht würdigen, weil sie vollkommen frustriert darüber ist, dass sie ihr Pferd im Gelände nicht galoppieren kann, da die Stute dann zu heiß wird.
  • Udo hat sich einen Kaltblutwallach gekauft, der ihn sicher durchs Gelände trägt. Udo ist Reitanfänger und sein Pferd sieht über all die vielen Reitfehler, die unruhigen Hände und das In-den-Rücken-Geplumpse hinweg und trottet fröhlich mit ihm durch den Wald. Darüber ist sich Udo aber leider nicht bewusst, weil er sich immer wieder darüber ärgert, dass der Wallach bei der Bahnarbeit fast gar nicht vorwärts zu bekommen ist.
  • Noch deutlicher wird es bei Sanne: Sie hat zwei Pferde, ein noch sehr junges und ein schon älteres. Mit dem Jüngeren kann sie die tollsten Kunststücke am Boden zeigen und er läuft bereits exzellent an der Hand. Ihr älteres Pferd zeigt dafür unter dem Sattel, wie viel Freude er an kniffligen Lektionen wie Seitengänge und Galoppwechsel hat. Sanne ist nun aber tief traurig, dass sie mit keinem der beiden ausreiten kann – den Jüngeren kann sie vom Sattel aus noch nicht händeln und der Ältere mag draußen nur sehr gemütlich laufen, schon einen Trab findet er eher überflüssig.
  • Und auch bei Birte wird dieses Phänomen sehr sichtbar: Erst hatte sie eine Warmblutstute, mit der sie selbst schwierige Dressurlektionen zeigen konnte. Die Stute war fein zu reiten und gehorchte sehr gut, aber blieb im Kontakt verschlossen. Birthe vermisste es, ein „Herzenspferd“ zu haben. Als die Stute an einer Kolik verstarb, kaufte sie sich einen Araber, der seine Besitzerin von Anfang an abgöttisch liebte. Schon wenn er ihr Auto sah, kam er angaloppiert und folgte Birthe auf Schritt und Tritt. Allerdings war er gänzlich unbegabt, was das Dressurreiten anging, und ja, Ihr könnt es Euch denken, Birthe fand ihn süß, aber war ständig unzufrieden mit seinen Leistungen unter’m Sattel…

Und ich kann von mir selbst auch noch ein Beispiel beisteuern: Als ich Anthony frisch bekam, wollte ich unbedingt mit ihm spazieren gehen. Als noch fast vollkommen rohes Jungpferd hatte er aber draußen ganz andere Ideen als ich, so dass ich da erstmal nicht weiterkam und deswegen ziemlich frustriert war. Später war das Spazierengehen kein Problem mehr, aber da wollte ich dann mit ihm so entspannt ausreiten können wie mit Aramis, was zu diesem Zeitpunkt nicht ging, weil er mir unter dem Sattel noch nicht zuhören wollte. Als er im Gelände aufmerksam war, hatte ich gerade das Ziel, in der Bahn mit fortgeschrittenen Lektionen voranzukommen…. und so weiter und so weiter. (Und das nur als Fußnote: Meine beiden Pferde, jeder auf seine ganz eigene Art, haben mir meine Unersättlichkeit inzwischen gut ausgetrieben. Ich kann mich nun tatsächlich jeden Tag neu aus tiefstem Herzen über das freuen, was mir von ihnen geschenkt wird, was immer es auch ist…).

Die eigene Erwartungshaltung kritisch überprüfen!

Beobachtet Euch doch mal aufmerksam selbst und spürt in Eure Unzufriedenheit hinein: Kann es vielleicht auch bei Euch so sein, dass Ihr genau das von Eurem Pferd wollt, was es eben gerade nicht geben kann oder will? Schaut Ihr vielleicht einfach nicht genug auf das, was Euch Euer Pferd gibt, und würdigt Ihr das vielleicht nicht gut genug?

Es mag ein menschliches Phänomen sein, immer mehr und immer weiter zu wollen und eigentlich nie mit dem, was man hat, zufrieden zu sein. Dieser Mechanismus mag eine Erfolgseigenschaft sein, aber er arbeitet guten Gefühlen, einem schönen Miteinander und vor allem der Lebensqualität ziemlich empfindlich entgegen.

Für mich und meine Pferde hat sich unser Zusammensein um Welten positiv verändert, als ich mir meine ständige Unzufriedenheit a) bewusst machte und sie b) durch Dankbarkeit über das, was mir meine Pferde geben, ersetzte. Es ist so viel schöner, zu genießen, was man hat als dem nachzurennen, was man noch nicht (oder vielleicht auch) nie erreichen kann.

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14. September 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Jungpferdausbildung, Umgang 24 Kommentare »

Ewiges Dauerlob?

Immer wieder stoßen wir auf ein Phänomen unter Pferdeleuten: den Unwillen, ein Pferd für Dinge zu loben, „die es eigentlich weiß und schon kann“.

  • Da steht ein Pferd superbrav, während der Mensch aufsteigt, wird aber dafür nicht gelobt.
  • Da zeigt ein Pferd ein perfektes Schulterherein im Schritt, bekommt aber keinerlei positive Bestätigung.
  • Da galoppiert ein Pferd an der Longe wundervoll gesetzt an, erhält aber keine Rückmeldung, dass das toll war.
  • Da lässt sich ein Pferd vollkommen gelassen die Hufe auskratzen, aber der Mensch reagiert nicht einmal darauf.

Danach befragt, warum in solchen Fällen sogar ein Stimmlob ausbleibt, heißt es oft: „Ach, das kann der doch.“ oder „Na, das haben wir so oft geübt, das muss sitzen.“ Aber wehe, das Pferd macht auch nur einen halben Schritt zur Seite beim Aufsteigen, wackelt im Schulterherein, stürmt in den Galopp oder zieht mit dem Bein beim Hufeauskratzen… Dann gibt es sofort Korrekturen, wenn nicht sogar Strafen und das dann aber durchaus jedes Mal, selbst wenn es wirklich nur ein Ausrutscher war.

Und dieses Missverhältnis von Lob und Strenge ist doch eigentlich ziemlich traurig. 

Kann man ein Pferd zu viel loben?

Es scheint, als würden viele denken, dass es falsch ist, ein Pferd sehr viel zu loben; so als würden Pferde die Sachen, die sie können, nicht mehr zeigen, wenn sie dafür gelobt werden. Aber es ist doch das genaue Gegenteil der Fall: Lob bringt Freude und motiviert.

Lob ist Anerkennung. Indem wir unser Pferd für etwas Tolles loben, zeigen wir ihm, dass wir zufrieden sind und uns darüber freuen, dass es seine Sache so toll macht. Unser Lob lässt Pferde wachsen und gibt ihnen das schöne Gefühl, gut zu sein.

Vielen ist gar nicht bewusst, dass wir nie genau wissen können, was für ein Pferd jeweils eine besondere Herausforderung ist und was nicht: Für ein Pferd kann es jedes Mal viel Konzentration abfordern, still stehen zu bleiben, auch wenn man es ihm nicht anmerkt (zum Beispiel, wenn es im Busch daneben raschelt oder viel Unruhe auf dem Hof ist oder weil es schwierig ist, das Reitergewicht auszubalancieren und Ähnliches). Ein gutes Schulterherein oder ein gesetztes Angaloppieren ist immer mit Konzentration und Anstrengung verbunden und deshalb nicht selbstverständlich (das Pferd tut das für uns!). Und für ein Fluchttier ist es jedes Mal gegen seine Natur, ruhig zu bleiben, wenn sein Bein festgehalten wird (auch das tut es für uns). Warum deshalb nicht einfach diese Regel einführen:

Jede gute Leistung ist IMMER ein Lob wert!

„Aber dann lobe ich ja ständig.“ heißt es dann und wir antworten dann: „Jaaaa, genau, wie wundervoll!“

Ein Training, in dem viel und freudig gelobt wird, ist ein gutes Training, denn es baut auf, motiviert, sorgt für eine lockere und entspannte Stimmung und lädt ein, weiter aktiv und konzentriert mitzuarbeiten. Es geht dabei gar nicht immer um Futterlob, ein anerkennendes „Super!“ oder ein würdigendes „Brav!“ reicht in vielen Fällen vollkommen aus, es sollte nur aus dem Herzen kommen.

Also ewiges Dauerlob? Ja, das wär’s!

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18. August 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Jungpferdausbildung, Umgang 19 Kommentare »

Schlechte Manieren?

Neulich bekam ich wieder mal eine nette kleine Lektion von meinen Pferden serviert – vielleicht macht sie den einen oder die andere von Euch nachdenklich.

Normalerweise, wenn ich einige Zeit verreist war und dann wieder zu den Jungs komme, ist es oft ganz besonders schön (hier hatte ich darüber schon mal geschrieben), denn wir begegnen uns dann behutsam und ganz freundlich. Dieses Mal war es anders, denn ich wurde gebufft und angerempelt und die Jungs waren unruhig und ungnädig. „Na, Eure Manieren lassen aber ziemlich zu wünschen übrig!“ sagte ich zu den beiden und war ein bisschen traurig, dass unser Wiedersehen doch eher unharmonisch abgelaufen war.

Am nächsten Tag war alles anders: Die Jungs waren ganz offen und vorsichtig mit mir, beide strahlten Ruhe und Zufriedenheit aus. Da war er, der Nach-dem-Urlaub-Zauber! Und als ich mich fragte, warum es heute so anders war als gestern, wurde mir eines bewusst: Tatsächlich waren es eher MEINE Manieren gewesen, die am Tag zuvor zu wünschen übrig gelassen hatten!

  • Mein erster Gedanke, als ich die Jungs sah, war: Himmel, seid Ihr fett! Das war natürlich alles andere als freundlich (zur Entschuldigung muss ich sagen, dass ich zwei Wochen auf Gran Canaria mit einer Frau und ihrem Spanier gearbeitet hatte…, danach kommen einem die Pferde in Deutschland vor wie Michelin-Männchen).
  • Mein Fokus lag dann auf den vollkommen ausgefransten Hufen, bei denen ich dann ein bisschen was zu retten versuchte. Damit aber forderte ich natürlich gleich, dass die Jungs still stehen und „funktionieren“. Auch nicht gerade eine schöne Begrüßung.
  • Ich selbst fühlte mich müde und erschöpft, mich nervte, dass es so kalt und windig war und eigentlich war ich mit meinen Gedanken noch auf der Reise… Ich war also nicht wirklich da, was den Jungs gegenüber ebenfalls nicht nett war.

Tja, und als mir das alles klar wurde, erkannte ich natürlich, dass die Jungs wieder einmal nur auf mich reagiert und mir einen deutlichen Spiegel vorgehalten hatten. Als ich am Folgetag mit einer ganz anderen Stimmung zu ihnen ging, reagierten auch sie ganz anders. Danke, Jungs, für die Lektion in Sachen Manieren!

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20. Juli 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Auf jeden Fall Abwechslung?

Bisher war ich fest davon überzeugt, dass Abwechslung in der Arbeit mit Pferden eine gute Sache ist. Ich wollte meine Jungs immer möglichst vielfältig fördern und so sah dann auch unser Trainings-Programm aus: Bodenarbeit, Longentraining, Freiarbeit, Reiten in der Bahn, Ausritte, Freispringen, Arbeit an der Hand, Zirkuslektionen, Fahren vom Boden, Spaziergänge und… und… und…

Seit kurzem bin ich dabei, das ein bisschen zu überdenken. Mein Anthony hat über die Jahre, die ich ihn nun habe, nach und nach zu so ziemlich allem, was ich mit ihm machen wollte, „nein“ gesagt – bis auf eine Sache: die Freiarbeit. Nun ging es vor einigen Wochen darum, dass ich ihn vor dem Weideauftrieb abspecken musste, denn ich fürchtete um seine Gesundheit (hier nachzulesen). Also beschloss ich, täglich 15-20 min. Lauftraining einzuführen, und zwar in Form der Freiarbeit.

Wie ich schon in dem anderen Beitrag schrieb, war ich verblüfft, wie positiv er auf das regelmäßige Training reagierte. Er nahm es so gut an, dass ich einfach dabei bleibe: Fast täglich machen wir 15-20 Minuten Freiarbeit, also immer dasselbe. Zwei-, dreimal habe ich versucht, etwas anderes vorzuschlagen, was von Anthony mit einem klaren „Nö!“ beantwortet wurde, während er sich auf die Freiarbeit jeden Tag aufs Neue einlässt, ja, mich sogar oft mit einem Wiehern dazu begrüßt.

Bei seinen täglichen Runden sehe ich, wie er immer mehr bei sich ist und sich richtiggehend selbst ausprobiert: Er scheint in sich zu spüren und auszuprobieren, was sich am besten anfühlt. Seine Haltung wird stetig besser, er schwingt immer mehr mit dem Rücken und er scheint Freude daran zu haben, seine Schritte immer weiter und schöner zu gestalten. Ich muss immer weniger Hilfen geben und kann ihn einfach nur bewundern.

Es ist unverkennbar: Anthony ist zur Zeit schlicht und einfach zufrieden mit der Freiarbeit und eben auch offenbar genau damit, dass wir immer dasselbe machen. Ich habe ihn selten so ausgeglichen und vor allem so offen mir gegenüber erlebt. Und auch wenn ich noch immer denke, dass Abwechslung im Pferdetraining eigentlich eine tolle Sache ist, so sehe ich inzwischen ein, dass es auch Pferde gibt, die Beständigkeit zu schätzen wissen. Wie immer geht es um Differenzierung und darum, die individuelle Persönlichkeit eines Pferdes zu erkennen und sich darauf einzustellen. Das vielleicht als Denkanstoß für alle, deren Pferde auch eher nein als ja sagen: Es könnte sein, dass manchmal weniger mehr ist, um ihr Herz zu gewinnen.

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2. Juni 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 11 Kommentare »

Wie wir wirken oder: Die Sache mit den anderen, Teil 2

In der letzten Woche habe ich beleuchtet, was andere Leute im Stall für mich bedeuten und wie ich damit umgehe. Heute möchte ich den Blick auf die andere Seite lenken: nämlich was meine eigene Anwesenheit vielleicht für andere mit sich bringt.

Jeder kennt das Gefühl beobachtet zu werden und meist ist das kein angenehmes Gefühl. In Pferdeställen wird das Unbehagen oft noch durch eine Portion Missgunst, durch allgegenwärtige Lästereien und zum Teil auch durch handfeste Feindseligkeiten verstärkt. So kann das Reiten oder Zusammensein mit dem eigenen Pferd zu einer Qual werden und manch einer hat sich sicher schon entschieden, lieber nichts zu machen, wenn zu erwarten ist, dass bestimmte Leute zuschauen…

Ich habe das große Glück in einem kleinen, ruhigen und sehr friedvollen Stall zu sein. Bei uns steht niemand an der Bande und lästert und das ist etwas sehr Kostbares. Und dennoch kann jeder von uns für andere eine Quelle an Unsicherheit sein, das ist mir neulich sehr klar geworden.

Es sollte eine Sattelmessung mit einem Impression-Pad stattfinden und da ich noch etwas Zeit hatte, schaute ich zu. Während wir zu zweit an der Hallentür standen, wurde die Stute, für die die Sattelmessung gemacht wurde, geritten. Irgendwann sagte die Reiterin: „Ihr macht mich ja ganz nervös!“ Gut, dass sie das so sagen konnte, denn tatsächlich war mir nicht bewusst gewesen, dass wir durch unser interessiertes Schauen und unser Reden eine verständlicherweise verunsichernde Wirkung hatten – prüfend, kritisch, abschätzend. Und damit veränderte sich die Stimmung für die Reiterin ganz wesentlich.

Wie schön, dass dieses Erlebnis genau nach dem Schreiben meines letzten Blogbeitrags kam, denn so bewusst ich mir auch darüber war, wie andere auf mich wirken, so hatte ich mir bisher eher wenige Gedanken über meine eigene Präsenz gemacht. Zwar lasse ich Leute, die gerade etwas mit ihrem Pferd machen, in der Regel ganz bewusst in Ruhe, aber allein mein Schauen und ganz sicher auch meine Gedanken, die ich oft automatisch habe, haben dennoch eine Wirkung. Ich werde in Zukunft versuchen, hier achtsamer zu sein und, wenn ich schon gucke, ganz gezielt gute Gedanken zu senden. Vielleicht kann Euch Text Euch dazu anregen, mal zu überlegen, wie oft Ihr selbst mit anderen zusammensteht und anderen beim Reiten zuschaut und dabei vielleicht auch noch miteinander über die Person redet – und wie das möglicherweise wirkt. Ich denke, ein etwas achtsamerer Umgang untereinander kann die Stimmung in vielen Ställen nur verbessern, meint Ihr nicht?

28. April 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Sonstiges 4 Kommentare »

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