Irrtümer über die Freiarbeit

Ich bin ein großer Fan der Freiarbeit, weil sie für mich eine der schönsten Möglichkeiten ist, mit einem Pferd tatsächlich auf Augenhöhe zu arbeiten. Leider wird viel Unfug in ihrem Namen gemacht, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Unvermögen. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich einige Irrtümer über die Freiarbeit benennen und aufzeigen, wozu sie führen. (Die Fotos stammen von Horst Streitferdt aus einem Shooting für unser Buch, vielen Dank dafür!)

  • Ein Pferd einfach nur laufen und toben zu lassen, ist NICHT Freiarbeit. Viele lassen ihr Pferd in die Halle oder auf den Reitplatz, damit es sich dort austoben kann und nennen das Freiarbeit. Ein Pferd aber einfach nur toben zu lassen, hat so gut wie nichts mit Freiarbeit zu tun. 
  • Ein Pferd mit einer Peitsche durch die Halle zu scheuchen, ist NICHT Freiarbeit. Eine weitere, häufig als „Freiarbeit“ bezeichnete Aktivität besteht darin, ein Pferd in der Halle oder auf dem Reitplatz mit einer Peitsche zu scheuchen, damit es mal richtig rennt. Je phlegmatischer das Tier, desto mehr Peitschengefuchtel oder -geknalle kommt zum Einsatz. Auch das hat nichts mit Freiarbeit zu tun.
  • Ein Pferd solange rennen zu lassen, bis es müde wird und zum Menschen kommt, ist NICHT Freiarbeit. Diese angebliche Art der Freiarbeit wird von einigen großen Trainern betrieben und auch als „Join up“ bezeichnet. Hierbei wird ein Roundpen genutzt und das Pferd wird so lange zum Laufen gebracht (je nach Temperament mit mehr oder weniger Druck), bis es genug hat und sich dem Menschen zuwendet, damit er das Treiben einstellt. Auch das ist für mich keine Freiarbeit.

Die Probleme falsch verstandener Freiarbeit

Falsch verstandene Freiarbeit kann zu massiven Problemen und negativen Folgen führen. 

Gefahren für den Menschen

Es kommt häufig vor, dass temperamentvolle Pferde oder solche, die unter Bewegungsmangel leiden, vor der eigentlichen Arbeit erst einmal frei laufen gelassen werden, damit sie überhaupt händelbar werden. Ich buche das allerdings mehr unter Verzweiflungstat ab als unter Freiarbeit. 

Beim reinen Tobenlassen hat der Mensch keine Möglichkeit zur Kommunikation, da das Pferd nicht zuhört bzw. vor Aufregung gar nicht zuhören kann. Und das kann für den Menschen sehr schnell gefährlich werden. 

Zur Veranschaulichung ist hier eine Szene zu sehen, in der Anthony nicht auf mich achtet, sondern einfach losbuckelt:

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Da ich grundsätzlich nicht allzu nah am Pferd arbeite, wurde es für mich in dieser Situation nicht gefährlich und er war auch schnell wieder mit seiner Aufmerksamkeit bei mir. Aber gerade wenn Menschen noch unerfahren in der Freiarbeit sind, sind sie oft viel zu nah am Pferd oder rechnen nicht mit den zum Teil blitzschnellen Richtungswechseln, zu denen Pferde in der Lage sind. So laufen sie Gefahr umgerannt oder von Hufen getroffen zu werden. Der Fehler dabei liegt aber nicht in der Methode der Freiarbeit, sondern in der Unwissenheit und der Vorstellung, dass ein unkontrolliertes Rumtoben schon Freiarbeit ist!

Wichtig: Wenn ein Pferd sofort, sobald das Halfter abgemacht wird, das mit der Aufforderung zum wilden Herumtollen verbindet, ist bereits etwas grundlegend falsch gelaufen. Das Pferd sollte, wenn wir das Halfter abmachen, erst einmal ruhig stehen bleiben und auf unser Signal achten, das ihm sagt, ob es nun loslaufen soll oder ob vielleicht erstmal eine ganz andere Übung ansteht.

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Achtet das Pferd nicht in dieser Weise auf den Menschen, hat das nichts mit Freiarbeit zu tun! Und genau dieser Grundsatz sollte sich durch die ganze Einheit der Freiarbeit ziehen: Der Mensch muss jederzeit in der Lage sein, die Aufmerksamkeit des Pferdes auf sich zu ziehen, das Pferd zu sich rufen und Ruhe in die Sache bringen zu können. Gelingt das nicht, wird es in der Freiarbeit nicht nur schnell für den Menschen gefährlich, sondern auch für das Pferd.

Körperliche Gefahren für das Pferd

Während ein frei rennendes Pferd auf gerader Strecke meist noch ganz manierlich läuft, zeigt sich auf engerem Raum, nämlich spätestens dann, wenn es um eine Kurve muss, wie schlecht es naturgemäß darauf vorbereitet ist. 

Hier ist Anthony beim freien Galoppieren an der langen Seite des Reitplatzes zu sehen – er ist in Balance und gut aufgerichtet: 

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Und so sieht es aus, wenn er ohne Unterstützung in zu hohem Tempo um die Kurve will – er verliert das Gleichgewicht und fällt massiv nach innen. Solange der Boden griffig ist, wird die Gefahr eines Sturzes gering sein, aber Sehnen und Gelenke werden bei solchen Aktionen immer auf eine ungesunde Art belastet und können Schaden nehmen. 

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Kurze Temperamentsausbrüche dieser Art schaden in der Regel nicht, wer aber sein Pferd minutenlang Runde um Runde auf diese Weise herumrasen lässt, muss sich über gesundheitliche Schäden nicht wundern. 

Deshalb gilt: Ein Pferd in schiefer Lage im Kreis laufen oder gar rasen zu lassen ohne korrigierend einzuwirken, handelt grob fahrlässig. Und mit Freiarbeit hat das einmal mehr nichts zu tun. 

Psychische Folgen falsch verstandener Freiarbeit

Neben körperlichen Problemen, die durch ein unkontrolliertes Tobenlassen und Scheuchen von Pferden auftreten können, können Pferde, denen in der Halle oder auf dem Platz ausdrücklich jede „Narrenfreiheit“ gewährt wird, das gesunde Maß für den Respekt gegenüber dem Menschen verlieren.

Da wir Menschen Pferden körperlich unterlegen sind, ist es wichtig, dass Pferde immer gut auf uns achten. Sie müssen verstehen, dass sie einen gewissen Abstand zu uns halten sollen und uns nicht umrennen dürfen. Pferde, die regelmäßig im Beisein ihrer Menschen immer wieder wild und ohne Rücksichtnahme toben dürfen, lernen genau das nicht – im Gegenteil, sie können so regelrecht verlernen, auf den Menschen zu achten. Und das nicht einmal aus Bösartigkeit, sondern vor allem deshalb weil das Austoben lustvoll für ein Pferd ist (vor allem, wenn es sonst zu wenig Bewegung hat). Ohne kontrollierende Einwirkung steigern sich viele Pferde regelrecht in eine Euphorie darüber hinein, sich endlich ganz frei bewegen zu können, und vergessen dabei alles andere. Nur wenn der Mensch sich von Beginn an aktiv in die Freiarbeit einbringt und ein besinnungsloses Toben in vernünftige, aber dennoch für das Pferd angenehme Bahnen führt, wird das Pferd es mehr und mehr als selbstverständlich empfinden, auf den Menschen zu achten, um sich gemeinsam mit ihm zu bewegen – und das ist unerlässlich dafür, dass die Freiarbeit für den Menschen nicht gefährlich wird. 

Die andere Seite falsch verstandener Freiarbeit zeigt dann das komplette Gegenteil: Der Mensch kontrolliert jede Bewegung, jede Regung des Pferdes und erwartet 100%igen Gehorsam, sodass das Pferd rein mechanisch und ohne Freude alle Lektionen auf kleinsten Fingerzeig hin abspult. Diese Art so genannter „Freiarbeit“, die für mich eher ein Abrichten ist, wird meist mit großem psychischen (und manchmal auch physischen) Druck erarbeitet. Pferden wird dabei vermittelt, ohne Wenn und Aber zu funktionieren und auf keinen Fall eigene Ideen einzubringen oder gar einen eigenen Willen zu zeigen. Der Mensch kann dann so ziemlich alles auf Signal wie bei einer Maschine abrufen, doch mit Freiarbeit hat auch das aus meiner Sicht nichts mehr zu tun. Pferde, die so gearbeitet werden, wirken auf eine traurige Art resigniert und abgestumpft und eben genau kein bisschen „frei“.  

Fazit

Mit diesem Blogbeitrag möchte ich aufzeigen, dass viele Freiarbeit leider so gründlich missverstehen, dass sie im schlimmsten Fall damit sich selbst in Gefahr bringen und auch dem Tier massiv schaden können. 

Freiarbeit, so wie ich sie verstehe, steht für diese Punkte: 

  • Beiderseitige Freude am gemeinsamen Tun in einer konstruktiven, motivierenden und lockeren Atmosphäre. 
  • Das Erarbeiten einer gemeinsamen Kommunikation über Körpersprache und stimmliche Signale. 
  • Gemeinsames Arbeiten an Themen wie Respekt und Achtsamkeit. 
  • Einflussnahme auf die Bewegungen des Pferdes, sodass es in einer guten Manier läuft. 

Im nächsten Beitrag gehe ich noch ausführlicher auf die Umsetzung einer für mich guten Freiarbeit ein.

12. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Freiarbeit, Jungpferdausbildung, Umgang 18 Kommentare »

Enttäuscht vom eigenen Pferd?

Heute möchte ich ein Thema ansprechen, das meiner Einschätzung nach viele Pferdemenschen bewegt, das aber nur selten offen behandelt wird. Und zwar geht es um enttäuschte Erwartungen.

Beispiele

  • Silvia hat sich für viel Geld ein junges, vielversprechendes Dressurpferd aus einer bekannten Zuchtlinie gekauft. Ihr Ziel war, mit diesem Pferd sportliche Erfolge zu erzielen. Es stellt sich allerdings heraus, dass das Pferd sehr sensibel und von seinem Nervenkostüm her wenig belastbar ist. Es scheut auf den Turnierplätzen und regt sich oft so auf, dass die Prüfung abgebrochen werden muss.
  • Lutz möchte zusammen mit seiner Frau ausreiten und kauft sich einen Tinker, der als Verlasspferd angeboten wurde. Als Reitanfänger hat er noch nicht allzu viel Erfahrung mit Pferden und ist schnell überfordert, als sich der Tinker als rüpelig und futterfordernd herausstellt. An ein ruhiges Ausreiten ist kaum zu denken, da das Pferd bei der erstbesten Gelegenheit stehenbleibt und Gras frisst. Beim Spazierengehen wird Lutz durch die Gegend gezogen.
  • Andrea hat für sich und ihre Tochter ein schon etwas älteres Springpferd gekauft, da beide gerne auf die Turniere im Landkreis gehen wollen. Nach einem halben Jahr geht das Pferd lahm, der Tierarzt diagnostiziert einen Chip.
  • Danas Traum war es immer schon, einmal ein eigenes Jungpferd auszubilden. Sie kauft sich einen dreijährigen Isländer, den sie gemeinsam liebevoll und verständig mit einer Trainerin ausbildet. Trotz allem verweigert das Pferd beharrlich, geritten zu werden, indem es sich massiv gegen jeden Reiter wehrt.

All das sind offensichtliche Beispiele von Pferd-Mensch-Beziehungen, die anders laufen, als der Mensch sich das gedacht hat, und es gibt viele weitere solcher Geschichten. Verständlicherweise sind Silvia & Co enttäuscht.

Die Frage ist nur, wie gehen wir mit Enttäuschungen dieser Art um?

Manch einer wird in einem solchen Fall das Pferd verkaufen und es mit einem anderen versuchen. Andere halten an ihren Zielen fest und probieren alles Mögliche, um zu erreichen, was sie wollen. Wieder andere versuchen Kompromisse zu finden, indem sie ihre Erwartungen herunterschrauben und sehen, was möglich ist.

Auch wir hatten Erwartungen an unsere Pferde und nicht alle dieser Erwartungen wurden erfüllt. Damit sind wir ganz unterschiedlich umgegangen: wir waren frustriert und traurig, wir haben verschiedenste Methoden gewählt, um zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben und ja, auch wir haben unsere Erwartungen verändert.

Es gibt aber noch einen anderen Gedanken.

Dürfen wir überhaupt etwas erwarten?

Was für uns fundamental etwas im Umgang mit Pferden verändert hat, war die Frage, ob es eigentlich okay ist, überhaupt feste Erwartungen an unsere Pferde zu haben.

Die Frage, ob wir tatsächlich ein Recht haben, von unserem Pferd zu verlangen, was wir wollen, ist eine heikle, denn die meisten Menschen schaffen sich ja ein Pferd an, weil sie etwas Bestimmtes vorhaben: sie wollen das Pferd nutzen, also reiten, fahren, Vorführungen machen usw. Und klar, Wünsche und Träume darf jeder haben, aber eine Erwartung geht deutlich weiter: Wenn wir etwas erwarten, WOLLEN wir es, und je nach Typ und Persönlichkeit werden wir sehr viel daran setzen, es auch zu bekommen. Und genau da werden die eigenen Interessen viel zu oft auf Kosten der Pferde und häufig unter Einsatz von Gewalt verfolgt.

Meine Pferde haben mir beide auf ihre Art Lehrstücke in Sachen Erwartungshaltung geschenkt. Vor allem aber war es Anthony, der mir klar machte, dass ich kein Recht habe, von ihm etwas zu wollen, das er mir nicht geben kann oder will. Ich habe mit ihm viel erreicht – bis er sich dann entschied, immer weniger geben zu wollen. Er entzog mir nach und nach so ziemlich alles, was ich mir mit ihm und von ihm gewünscht hatte und während ich das lange Zeit als ziemlich schmerzlich empfand und auch sehr damit haderte, so erkenne ich heute, dass er mir damit etwas Kostbares geschenkt hat.

Ich habe nämlich erst durch ihn das gelernt, was eigentlich selbstverständlich für jeden sein sollte, der Pferde liebt: dass wir tatsächlich kein Anrecht darauf haben, Pferde zu etwas zu bringen, was wir von ihnen erwarten, sondern dass wir ihre Vorstellungen, ihre Persönlichkeit und ihr eigenes Sein respektieren müssen.

Es geht um ein Mitspracherecht

Es geht mir hier nicht um die immer wieder vorgebrachte Diskussion darüber, dass man Pferden ja ihren Willen nicht lassen kann, da sie sonst auf Straßen rennen oder Menschen gefährden. Ganz klar: Eine Grunderziehung muss sein, da sonst ein sicherer Umgang mit einem Pferd nicht möglich ist. Mir geht es hier um das, was darüber hinaus geht, also um alles, was wir zu unserem eigenen Vergnügen von unseren Pferden wollen.

Natürlich können anfragen und anbieten, wir können verlocken und motivieren, aber wir dürfen meiner Ansicht nach Pferde nicht zwingen – nicht zum Reiten, nicht zum Springen, nicht zu Zirkuslektionen usw. Vor einiger Zeit hätte ich das sicher noch etwas anders gesehen und hätte damit argumentiert, dass ein Pferd ja auch wegen der Gesunderhaltung trainiert werden muss und dass ja das, was ich vorhabe, eben auch gut fürs Pferd sei … Heute weiß ich, dass diese Argumente zu einem großen Teil dafür dienten, dass ich mein Ding durchziehen und meine Erwartungen nicht loslassen wollte.

Ein Pferd wirklich zu lieben, bedeutet für mich heute, ihm ein ganz klares Mitspracherecht einzuräumen, es anzunehmen wie es ist und auch zu akzeptieren, wenn es meine Erwartungen nicht erfüllt. Pferde sind eben genau nicht dafür da, sondern Pferde sind einfach nur Pferde. Wenn wir von einem Pferd enttäuscht sind, ist es nicht sein Fehler, sondern die Ursache liegt bei uns, in unseren Erwartungen. Wenn wir bereit sind, sie loszulassen, können wir unser Pferd so wertschätzen, wie es ist.

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4. Januar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 26 Kommentare »

Was sich Pferde von uns wünschen würden

Nicht nur, aber gerade passend zur Weihnachtszeit oder für die guten Vorsätze im nächsten Jahr, könnten wir einmal versuchen, die Idee, die Welt aus Pferdeaugen zu sehen, ganz praktisch umzusetzen. Dafür habe ich mir eine kleine Übung ausgedacht:

Eine Übung zum Fühlen

Geht in diesen Tagen einmal ganz bewusst zu Eurem Pferd, nur um diese Übung auszuführen. Nehmt Euch für diesen Tag nichts weiter vor mit Eurem Pferd. Wählt möglichst einen Zeitpunkt, an dem nicht allzu viel los ist im Stall, damit Ihr für eine Weile ungestört sein könnt. Plant mindestens eine halbe Stunde für diese Übung ein.

Begrüßt Euer Pferd und stellt Euch dann an den Zaun (oder, sollte es in einer Box stehen, an die Boxentür), um es einfach nur zu beobachten. Schaut bei dem zu, was es tut und fühlt Euch in Euer Pferd hinein. Lasst Euch ganz ein auf diesen Moment, ohne etwas zu wollen, ohne etwas zu erwarten, und ohne etwas von Euch selbst zu fordern. Widersteht auch der Versuchung, mit dem Pferd zu reden, es zu locken oder anzufassen. Es geht darum, für einige Augenblicke nichts tun, sondern einfach nur da zu sein mit Eurem Pferd.

Gebt Euch ein bisschen Zeit und brecht möglichst nicht gleich schon nach einigen Minuten ab, weil Ihr glaubt, dass es da nichts weiter zu sehen oder zu spüren gibt. Es braucht eine Weile, um sich einlassen zu können. Lasst Eure Gedanken fließen, im Stillstand rattert unserer Denkmaschine oft besonders laut. Versucht, all die vielen Gedanken einfach im Hintergrund laufen zu lassen, und lasst Euch auf das Fühlen ein. 

Schaut Euer Pferd ganz aufmerksam und offen an – Euer Pferd als Ganzes und auch die vielen kleinen Details. Versucht, nicht zu bewerten oder einzuordnen („Oh, wie sehen denn die Hufe aus!“ oder „Er ist einfach zu fett!“ usw.), sondern nehmt mit einem staunenden Herzen das Lebewesen wahr, das dort ist.

Noch ein kleiner Tipp: Tut für diese Übung so, als wüsstet Ihr nichts von diesem Pferd und lasst nur das wirken, was Ihr in diesem Moment spüren könnt.

Und dann stellt Euch ganz behutsam diese Frage:

Wenn es sprechen könnte,
was würde sich dieses Pferd
wohl von mir wünschen?

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Wenn Ihr mögt, dann teilt gerne Eure Erfahrungen hier mit uns und anderen.

1. Dezember 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Übungen, Umgang 9 Kommentare »

Was ist Gewalt, die zweite – psychische Gewalt gegen Pferde

Vor einiger Zeit hatten wir uns mit der Frage, was Gewalt ist, befasst. Dabei hatten wir einen Bereich ausgespart, da er so vielschichtig ist, dass wir ihm einen Extra-Beitrag widmen wollten: und zwar geht es um die psychische Gewalt.

Psychische Gewalt ist selten offensichtlich

Gewalt gegen Pferde findet nicht nur statt, wenn geschlagen, am Zügel gerissen oder getreten wird. Sehr häufig wird Gewalt gegen Pferde viel subtiler angewandt, oft sogar so subtil, dass viele nicht erkennen, dass das Pferd in Not ist. Bei einem Fluchttier ist es leider relativ einfach, psychische Gewalt anzuwenden, weil es von Natur aus vor vielem Angst hat.

Das große Problem beim Thema psychische Gewalt ist dieses: sie lässt sich noch weniger fassen als körperliche Gewalt, da sie schwer zu definieren, dafür umso leichter zu tarnen ist, was dazu führt, dass sie viel schwieriger zu erkennen ist. Während man in der Diskussion darüber, was Gewalt gegenüber Pferden ist, bei körperlicher Gewalt zumindest ab einem gewissen Grad kaum noch Widerspruch erhält, wird man bei der Beurteilung von psychischer Gewalt kaum einheitlich akzeptierte Maßstäbe finden, sondern man gerät statt dessen sehr schnell in erbitterte und meist hoch emotionale Diskussionen.

Wir denken, dass auch hier wieder nur jeder für sich seinen eigenen Standpunkt finden muss, und zwar auf der Grundlage dieser Faktoren: 

  • unser Wissen über das Wesen von Pferden,
  • unseren persönlichen ethisch-moralischen Grundsätzen,
  • unseren gesunden Menschenverstand und
  • vor allem auch unserem Bauchgefühl.

Viel zu oft lassen wir uns durch blumige Worte, spektakuläre Aktionen oder durch eine charismatische Persönlichkeit beeinflussen, anstatt selbst hinzuschauen, selbst zu denken und vor allem selbst zu fühlen

Wir möchten an dieser Stelle nicht unsere eigene Ansicht schildern, sondern einige Situationen aufführen und Sie dazu anregen, diese gleich einmal nachdenkend, reflektierend und fühlend zu nutzen:

Das erste Aufsteigen

Ein junges Pferd, vielleicht dreieinhalb Jahre alt, wird in seiner Box gesattelt und gezäumt. Es stehen drei Helfer bereit, damit ein Reiter das Pferd in der Box (3x4m) erstmals besteigen kann. Zwei halten das Pferd am Kopf, einer hilft dem Reiter hinauf. Das Pferd wird dabei nicht geschlagen oder grob behandelt. Es kann allenfalls einen oder zwei Schritte zur Seite oder nach hinten machen.

Psychische Gewalt oder nicht?

Den Blick nehmen

Ein Pferd wird so trainiert, dass es den Kopf so tief tragen muss, dass die Nase Richtung Brust geht (dieser Akt dürfte für die meisten von uns durchaus unter körperliche Gewalt fallen, andere sehen aber bereits das anders…). Das Pferd hat keinerlei Möglichkeit mehr, seine Umwelt in der für es gewohnten Weise wahrzunehmen. Pferde können durch ihre seitlich liegenden Augen normalerweise fast alles um sich herum sehen und das auch in weiten Entfernungen. Ein Pferd, das mit der Nase an seiner Brust klebt, sieht fast nichts mehr.

Zusätzlich zur physischen auch psychische Gewalt oder nicht?

Alleinhaltung

Ein Pferd wird in einem privaten Stall in einer Box gehalten. Es hat keinen Kontakt zu Artgenossen und kommt auch nicht heraus. Ihm stehen rund 12 Quadratmeter zur Verfügung. Hin und wieder wird es zum Reiten herausgeholt.

Neben der physischen Gewalt auch psychische oder nicht?

Futterentzug

Ein Pferd macht bei der abendlichen Kraftfuttergabe im Boxenstall Randale. Es tritt gegen die Box und giftet aggressiv nach Mensch und Pferd. Deshalb wird ihm kein Kraftfutter gegeben. Dadurch soll es lernen, sich zu benehmen.

Psychische Gewalt?

Das Laufen im Kreis

Ein Pferd wird auf einer Messe vor tausenden Menschen unter Flutlicht in einen Round Pen gebracht, also in einen eingezäunten Kreis mit ca. 16-20m Durchmesser. In der Mitte des Round Pens steht ein Mensch mit einem Seil. Das Pferd befindet sich also in einer für ihn fremden Umgebung, es gibt unzählige von Lichtreizen und Geräuschen, nichts ähnelt seinem gewohnten Leben. Es sind keine anderen Pferde da, nur ein dem Pferd unbekannter Mensch. Der Raum, den das Pferd zur Verfügung hat, ist ein Kreis, es gibt keine Ecken, in die es sich stellen kann, keine Ausweichmöglichkeit. Natürlicherweise rennt das Pferd los, vor allem dann, wenn z.B. ein Seil nach ihm geworfen wird. Es wird vielleicht wiehern und es wird rennen und rennen. Irgendwann wird das Pferd müde werden oder es begreift, dass es nicht wegkommt, egal wie lange es noch weiterrennt. Dann wird es tun, was seine einzige Möglichkeit in dieser Situation ist: sich dem Menschen in der Mitte zuzuwenden. Das Pferd wird nicht angefasst, es erlebt kein Ziehen am Halfter oder Zaumzeug, es wird nicht geschlagen.

Psychische Gewalt oder nicht?

Das Aussacken

Ein Pferd soll lernen, dass ein Klappersack nichts ist, vor dem es Angst haben muss. Der Mensch zeigt dem Pferd den mit leeren Blechdosen gefüllten Sack und versucht, es damit zu berühren. Das Pferd weicht vor dem Sack, aber es kommt nicht weit, da der Mensch es am Strick festhält. Der Mensch geht solange auf das Pferd zu, bis es die Berührung duldet.

Psychische Gewalt oder nicht?

Wir möchten die Frage jeweils bewusst offen lassen, damit Sie hier in der Kommentarfunktion Ihre Gedanken dazu äußern und diskutieren können. Wir sind gespannt auf Ihre Reaktionen. (Bitte bleiben Sie konstruktiv. Destruktive oder unangemessene Beiträge werden umgehend entfernt).

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24. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Umgang 17 Kommentare »

Die Welt durch Pferdeaugen sehen

 Letzte Woche haben wir diese Inspiration bei Facebook eingestellt:

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Die Aussage wirkt fast trivial, denn es wird kaum jemanden geben, der da nicht zustimmt, oder? Aber wie sieht es damit in der Praxis aus? Im Alltag mit unserem Pferd? Wie oft und wie intensiv versuchen wir da, uns in unser Pferd hineinzudenken und vor allem hineinzufühlen?

  • Angenommen unser Pferd hampelt aufgeregt neben uns, wenn wir aufsteigen wollen und tritt uns dabei auf den Fuß – versuchen wir in dieser Situation auch, die Welt durch die Augen unseres Pferdes zu sehen?
  • Oder wir möchten endlich mal einen runden Zirkel hinbekommen und nicht immer nur ein Ei – wie sieht es hier mit der Frage aus, wie unser Pferd wohl gerade die Welt sieht?
  • Oder unser Pferd scheut im Gelände zum gefühlten 195. Mal an derselben Bank, bleiben wir auch dann noch bei unserem Pferd?
  • Oder wir können zum 20. mal hintereinander den Führstrick aus dem Maul unseres Pferdes holen, weil es immer und immer wieder darauf herumkaut – was macht das mit unserer Bereitschaft, unser Pferd zu verstehen?
  • Und was, wenn unser Pferd uns zum fünften Mal in Folge den Huf wegzieht und uns zur Seite drängelt – versetzen wir uns da auch noch in unser Pferd hinein?

Beispiele wie diese lassen sich endlos viele finden. Für die meisten von uns ist es kein Problem, sich in ein Pferd hineinzuversetzen, wenn es freudig in seiner Herde über die Wiese tobt, genüsslich in der Sonne döst oder gerade Fellpflege mit einem anderen Pferd macht. Viel schwieriger wird es, dieselbe Bereitschaft zum Einfühlungsvermögen im Alltag aufzubringen, wenn unser Pferd die Mitarbeit verweigert, „widersetzlich“ ist oder uns mit seinem Verhalten nervt.

Menschenalltag versus Pferdealltag

Die große Herausforderung besteht wohl darin, dass wir Menschen ein grundsätzlich und komplett anderes Leben führen als unsere Pferde. Und da treffen dann oft die sprichwörtlichen Welten aufeinander.

Wir Menschen kommen ja immer aus unserem eigenen Alltag heraus zum Pferd, das nichts weiß von Leistungsgesellschaft, Geldsorgen oder Beziehungsstress und so bringen wir – bewusst oder unbewusst – meist ein ganzes Bündel von Erwartungen mit:

  • Wir wollen uns z.B. entspannen und Spaß haben, weil unser Tag einfach nur frustrierend war,
  • wir möchten unsere Sorgen loslassen, die uns das Leben gerade so schwer machen und einfach mal an nichts denken,
  • oder wir wollen vielleicht unbedingt eine bestimmte Lektion hinbekommen und damit die anderen aus dem Stall beeindrucken,
  • wir wollen endlich mit dem Training vorankommen, damit die abgebauten Rückenmuskeln wiederkehren oder sich das Gewicht reduziert,
  • wir hören von anderen, dass uns unser Pferd auf der Nase herumtanzt und wir uns endlich mal durchsetzen sollen
  • und so weiter und so fort.

Unser Pferd hingegen

  • hatte vielleicht gerade Ärger mit einem Kumpel in der Herde,
  • oder es stand die ganze Zeit gelangweilt auf einem Einzelpaddock und wusste nichts mit sich anzufangen,
  • oder es liegt ein seltsamer Geruch in der Luft, von dem es nicht weiß, ob der gefährlich ist oder nicht,
  • oder es zwackt seit gestern bei jedem Schritt etwas in der Wirbelsäule,
  • vielleicht ist es müde,
  • vielleicht ist es aufgedreht,
  • vielleicht freut es sich, uns zu sehen, weil es auf einen Ausritt hofft,
  • vielleicht möchte es am liebsten auch einfach nur eine Möhre und seine Ruhe …

Wenn Mensch und Pferd nun aufeinandertreffen, sind Interessenkonflikte leider unvermeidlich. Nach der herkömmlichen Denkweise gehen viele davon aus, dass das Pferd zu gehorchen und zu funktionieren hat und so kommt es immer wieder zu den unschönen Bildern, in denen der Mensch seinen Willen durchsetzt.

Um das zu vermeiden, ist viel Selbstreflexion nötig.

Einfühlungsvermögen erfordert, die eigenen Erwartungen zurückzustellen

Wünsche und Erwartungen zu  haben, ist menschlich, sie um jeden Preis durchsetzen zu wollen, leider nicht. Die Idee, sich in sein Pferd hineinzuversetzen, ermöglicht uns, einen Schritt neben uns selbst zu machen und unsere eigenen Vorstellungen für den Moment loszulassen. Dazu können wir uns so etwas fragen, wie:

  • Wie geht es meinem Pferd gerade jetzt in diesem Moment?
  • Was geht wohl gerade in meinem Pferd vor?

Und eine weitere, sehr gute Frage ist diese:

  • Würde ich ein Mensch-Pferd-Paar in der Situation beobachten, in der ich gerade bin, was würde mir auffallen und was würde ich für einen Rat geben?

Die Welt mit den Augen unseres Pferdes zu sehen, ist nicht nur eine theoretische Einladung, den eigenen, oft begrenzten Handlungshorizont zu erweitern, sondern es ist eine zutiefst praktische Maßnahme für ein pferdegerechtes Miteinander. Indem wir mehr wahrnehmen als unser eigenes Wollen, erweitern wir unseren Blick und erkennen mehr:

  • nämlich z.B. die Not unseres Pferdes, wenn es Angst hat oder überfordert ist,
  • dass es gerade nicht versteht, was von ihm gewollt wird,
  • die Stimmung und Laune in der es gerade ist, also z.B. übermutig, gereizt oder hungrig
  • und vieles mehr.

Der eigentlich recht kleine Schritt, sich für einen Moment in das Pferd zu versetzen, kann ganz Wesentliches im Umgang verändern. Es ist ein Schritt hin zu Wertschätzung und Respekt und damit hin zu gelebter Pferdeliebe.

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17. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 9 Kommentare »

Buch-Tipp: „Pferdesprache für Kinder“ von Andrea und Markus Eschbach

„Pferdesprache für Kinder: Pferdeflüstern leicht gemacht“ von Andrea und Markus Eschbach
Stuttgart: Kosmos, 2014. – 56 S.
ISBN: 9783440140710
ca. 10,– EUR

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um einen groß formatigen und reich bebilderten Ratgeber für Kinder, die Pferde lieben und das Reiten lernen möchten. Mit 56 Seiten ist der Band eher schmal, hat es aber dennoch in sich, denn „Pferdesprache für Kinder“ geht viel weiter als der Titel vermuten lässt. Geboten wird nämlich ein umfassender Grundkurs im Umgang mit Pferden für Kinder.

Es geht

  • darum, die Mimik und Körpersprache eines Pferdes zu deuten,
  • darum, die eigene Körpersprache in der Freiarbeit einzusetzen, um mit dem Pferd zu kommunizieren,
  • darum, einen vertrauensvollen, achtsamen und respektvollen Umgang mit dem Pferd zu erlernen.
  • um Bodenarbeit,
  • ums Spielen,
  • ums Reiten
  • und um vieles mehr, was Kinder gemeinsam mit einem Pferd unternehmen können.

Aus unserer Sicht ein rundum empfehlenswertes Buch für pferdebegeisterte Kinder. Würden alle Reitanfänger auf der Grundlage der Philosophie dieses Buches geschult werden, würde es ganz sicher weniger hässliche Szenen geben und wir könnten unseren offenen Brief zum Thema Kinderreitunterricht vergessen. Außerdem würde die Sicherheit für Kinder im Zusammensein mit Pferden ganz wesentlich erhöht werden. Ein fundiertes Know-How sorgt immer noch für den sichersten Umgang.

Das Buch liefert auch interessierten Eltern wertvolle Infos und kann ein exzellenter Leitfaden sein, wenn Sie Ihr Kind selbst in Sachen Pferd unterrichten möchten.

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10. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps 1 Kommentar »

Die Sache mit dem schlechten Gewissen

In der letzten Woche hatten wir diese Inspiration bei Facebook eingestellt:

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Es geht um ein, zugegeben, unbequemes Thema, aber um ein sehr wichtiges, denn das schlechte Gewissen scheint ein fester Bestandteil der Pferdewelt.

Die meisten von uns haben wegen allem Möglichen ein schlechtes Gewissen: Weil wir zu wenig mit unserem Pferd machen oder zu viel, weil wir es zu hart behandeln oder zu nachlässig, weil wir zu schlecht reiten oder zu viel wiegen, weil wir unser Pferd über- oder unterfordern, weil wir Zubehör benutzen, von dem wir wissen, dass es dem Pferd Unbehagen oder gar Schmerzen bereitet, weil wir genau merken, dass wir gerade unfair oder zu ungeduldig oder zu emotional sind, weil wir ahnen, dass wir uns eigentlich einen anderen Stall suchen müssten, damit es unserem Pferd besser geht, es aber nicht tun – und so weiter und so weiter und so weiter …

Eigentlich etwas Gutes …

Ein schlechtes Gewissen ist eigentlich eine gute Sache, denn es ermahnt uns, unser eigenes Verhalten zu hinterfragen. Ein schlechtes Gewissen entsteht, weil wir moralische Vorstellungen und Grundsätze haben, und das ist etwas Gutes.

Nun fühlt sich so ein schlechtes Gewissen aber oft einfach nur mies an. Wir schämen uns und fühlen uns schlecht. Wir wollen dieses unangenehme Gefühl möglichst schnell weghaben und (er-)finden deshalb Gründe für unser Tun, schauen auf andere, die noch schlimmer sind und rechtfertigen das, weswegen wir eigentlich das schlechte Gewissen haben. Das hilft kurzfristig, weil wir uns dann etwas besser fühlen, aber schon mittelfristig haben wir genau deshalb ein noch größeres schlechtes Gewissen. Und weil das noch unangenehmer ist, schieben wir auch das gleich wieder mit den entsprechenden Argumenten von uns weg und, ja, machen oft genau das, was wir falsch finden, erst recht, wie um uns zu beweisen, dass es ok ist oder nicht anders geht.

Obwohl es also eigentlich dafür da ist, dass wir unser Tun in Hinblick auf „richtig oder falsch“ prüfen, verhindert ein schlechtes Gewissen oft leider, dass wir etwas an unserem falschen Verhalten ändern. Es scheint absurd, aber dennoch ist genau das oft der Fall: je schlimmer unser schlechtes Gewissen ist, desto stärker halten wir oft an genau dem fest, was das schlechte Gewissen auslöst.

Warum das so ist? Weil uns ein schlechtes Gewissen zu einem „Opfer“ und damit immer ohnmächtiger macht. Es geht uns nicht gut mit einem schlechten Gewissen, ja, wir leiden darunter oft sogar sehr. Dieses Leid lässt uns um uns selbst kreisen und übersehen dabei, dass wir selbst die Ursache für unser Leid sind. Wir tun (oder unterlassen) etwas, das uns Schuldgefühle macht. Diese Schuldgefühle schwächen uns und verstärken unser Gefühl von Hilflosigkeit. Dann haben wir den Eindruck, „… ja sowieso nichts ändern zu können, weil es ja eh schon passiert ist und immer wieder passiert“, wodurch wir uns noch schlimmer fühlen – eine Endlos-Spirale!

Ein schlechtes Gewissen hält uns also oft in unseren Mustern gefangen und macht es uns manchmal fast unmöglich, sie zu durchbrechen.

Wie man da herauskommt? Indem wir unsere moralischen Vorgaben nicht nur als Lippenbekenntnisse sehen, sondern bereit sind, sie tatsächlich zu leben und uns an sie zu halten! Oder anders gesagt: Ein schlechtes Gewissen hört erst auf, wenn wir das, was wir für falsch halten, sein lassen und unser Verhalten ändern.

… aber nur dann, wenn wir auch etwas ändern!

Ein schlechtes Gewissen ist gut, wenn es uns zu der Erkenntnis bringt, dass wir etwas ändern müssen. Dafür aber müssen wir aus dem (Selbstmit-)Leid heraus und hin zur Bereitschaft, aktiv an uns selbst zu arbeiten. Dazu sind drei Schritte nötig:

  • Im ersten Schritt müssen wir bereit sein zu erkennen, WAS wir eigentlich genau tun. Das erfordert den Mut, ehrlich mit sich selbst zu sein, und zwar ohne, uns mit einem „Was bin ich doch nur für ein schlechter Mensch“ selbst zu zerfleischen – genau das ist nämlich das, was uns keinen Schritt weiterbringt.
  • Im zweiten Schritt müssen wir bereit sein, uns das, was wir getan haben, zu verzeihen. Jeder Mensch macht Fehler und manchmal machen wir auch schlimme Fehler. Aber kein Fehler wird dadurch besser, dass wir uns selbst deswegen fertigmachen (eben mit einem schlechten Gewissen). Fehler sind wichtig, denn ohne sie kann es keine Entwicklung und kein Lernen geben. Aber dafür dürfen wir nicht im Schuldgefühl hocken bleiben, sondern wir müssen erkennen, was falsch gelaufen ist und uns damit aussöhnen, um es dann loszulassen zu können, um Neues möglich zu machen.
  • Denn darum geht es im dritten Schritt: uns für etwas Neues zu öffnen. Wenn wir erkannt haben, etwas falsch gemacht zu haben, gilt es unser Verhalten zu verändern. Manchmal können wir einfach etwas anders machen oder aufhören etwas zu tun, manchmal aber schaffen wir es nicht aus eigener Kraft oder es fehlt uns an Wissen oder Möglichkeiten. In diesem Fall steht an, uns Hilfe zu suchen und diese anzunehmen. Dieser dritte Schritt ist unerlässlich, damit unser schlechtes Gewissen das bewirken kann, wofür es eigentlich in uns eingebaut ist: tatsächlich etwas zum Guten zu verändern.

Ich sehe mein schlechtes Gewissen inzwischen als genau das, wofür es da ist: als ein Zeichen dafür, dass etwas falsch läuft und ich etwas ändern muss. Dass ich manchmal keine Ahnung habe, wie ich die Sache tatsächlich ändern kann, darf kein Grund sein, einfach weiter klagend die Hände zu ringen und mich schlecht zu fühlen, sondern es ist dann mein Job, eine Antwort auf die Frage nach dem Wie zu finden und dazu bereit zu sein, einen anderen Weg als den bisherigen einzuschlagen.

Schlechtes Gewissen

3. November 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang 11 Kommentare »

Buch-Tipp: „Mein Pferd“ von Regine Heuser

„Mein Pferd: So fotografieren Sie Ihren Liebling mal ganz anders“ von Regine Heuser
Haar bei München: Franzis, 2015. – 224 S.
ISBN: 3645604057
ca. 30,- EUR

Da ich ja selbst schon einen Fotokurs für Pferdeleute verfasst habe, machte mich dieser Titel natürlich besonders neugierig. Und ich freue mich sehr, dass ich „Mein Pferd“ von Regine Heuser guten Gewissens empfehlen kann. Regine Heuser ist eine bekannte Tierfotografen und hat in derselben Aufmachung auch noch Fotobücher zu Hunden und Katzen verfasst.

Der sehr schön aufgemachte und reich bebilderte Ratgeber ist ein bisschen technischer als mein Kurs, bietet also viele Möglichkeiten für einen tieferen Einstieg in die Materie bis hin zu der Idee, sich als Pferdefotograf selbstständig zu machen. Gleichzeitig ist er aber auch nicht zu technisch, sondern bleibt auch für ambitionierte Fotolaien immer verständlich.

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, was alles geboten wird:

  • Pferde vor der Kamera
    • Welcher Kameratyp passt zu mir?
    • Das zeichnet ein gutes Pferdefoto aus
    • Laufphasen im Detail
    • u.a.
  • Belichtung und Fokussierung
    • Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert wählen
    • Lichtverteilung mit dem Histogramm prüfen
    • Fotografieren im RAW-Format
    • u.a.
  • Der Blick für das Motiv
    • Hin zu kreativer Gestaltung
    • Wichtig ist, was Ihnen gefällt
    • Besondere Lichtstimmungen einfangen
    • u.a.
  • Beim Pferdeshooting
    • Das nehme ich zum Shooting mit
    • Wo Licht ist, ist auch Schatten
    • Wildpferde – mit langer Brennweite
    • u.a.
  • Bildoptimierung nach dem Shooting
    • Allheilmittel Goldener Schnitt?
    • Bilder richtig zuschneiden
    • Kleine Retuschearbeiten
    • u.a.
  • Start-up als Tierfotograf

Ich kann das Buch allen empfehlen, die mehr über das Fotografieren erfahren wollen und Lust darauf haben, auch zu besonderen Bildern zu kommen.

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23. Oktober 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps 1 Kommentar »

Pferde brauchen Pferde!

Vor einigen Tagen hatten wir bei Facebook wieder eine Inspiration online gestellt, von der wir glauben, dass sie eine Art Grundgesetz für die Haltung von Pferden darstellt:

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Pferde sind Herdentiere

In der Natur leben Pferde in Herden. Selbst junge Hengste stromern so gut wie nie allein herum, sondern tun sich zu Junggesellenherden zusammen. In der Natur bedeutet für ein Pferd die Isolation von anderen Pferden fast immer den Tod, es ist also tief in der Natur des Pferdes verwurzelt, mit anderen Pferden zusammensein zu wollen.

Pferde brauchen deshalb idealerweise rund um die Uhr Sozialkontakte. Sie brauchen die Nähe anderer Pferde, müssen Fellpflege mit anderen Pferden betreiben können, brauchen die Möglichkeit zum Spielen oder zum gemeinsamen Dösen, sie müssen gemeinsam fressen und sich sonnen können, müssen gemeinsam in die Gegend schauen und miteinander um den besten Platz an der Raufe rangeln können.

Ja, Pferde brauchen den Kontakt zu Artgenossen fast genauso wie die Luft zum Atmen! 

… und nichts kann das ändern, vor allem nicht wir Menschen!

Leider scheint das aber vielen Pferdemenschen immer noch nicht wirklich klar zu sein und so werden viele Pferde den größten Teil des Tages allein in Boxen gestellt (allenfalls mit Schnupperkontakt zu anderen Pferden durch Gitter hindurch) oder im schlimmsten Fall sogar ganz allein gehalten. „Ich mach ja ganz viel mit ihm.“ oder „Dafür wird die auch ordentlich trainiert.“ heißt es dann. Das aber ist NICHT artgerecht und aus unserer Sicht sogar tierschutzrelevant.

Fakt ist: Kein Mensch kann einem Pferd die Gesellschaft anderer Pferde ersetzen, denn Pferde haben Pferde-Bedürfnisse. So, wie wir Menschen nicht in einer Pferdeherde leben können, können wir einem Pferd nicht einfach menschliches Sein aufzwingen und erwarten, dass es das auch noch gut findet. Deshalb gehen wir inzwischen so weit, dass Pferdehaltung nur dann erlaubt sein sollte, wenn sie den Grundbedürfnissen von Pferden entspricht – Einzelhaltung oder reine Boxenhaft gehören nicht dazu.

Aber mein Pferd versteht sich nicht mit anderen…

Immer wieder wird das Argument gebracht, dass sich manche Pferde nicht mit anderen verstehen, dass sie entweder selbst zu aggressiv sind oder in einer Herde von anderen Pferden gemobbt werden. „Mein Pferd ist halt ein Einzelgänger“ heißt es dann oft, was aber fast immer mehr über den Menschen aussagt als über das Pferd …

Es gibt Fälle, in denen es zugegebenermaßen schwieriger ist, dem Pferd ein Leben mit anderen Pferden zu ermöglichen, aber es ist nur in absoluten Ausnahmefällen wirklich unmöglich. Wenn ein Pferd in einer normalen Herde nicht klar kommt, ist es unser Job als Eigentümer, ihm eine Pferdegesellschaft zu suchen, in der sich auch dieses Pferd wohlfühlen kann (… und ruhig auch mal zu überprüfen, inwieweit wir es selbst dem Pferd vielleicht durch unser eigenes Verhalten oder durch unseren Umgang schwer machen, sich in einer Pferdegruppe einzuleben.).

Für eher hengstige Wallache kann das z.B. eine reine Wallachherde sein oder auch das Zusammenstellen nur mit Stuten. Sehr rangniedrige Pferde oder solche, die kein normales Sozialverhalten haben, fühlen sich oft in einer kleinen Gruppe von drei oder vier Pferden wohler als in einer großen Herde. In Ausnahmefällen kann auch eine Zweierhaltung sinnvoll sein, vielleicht dann wenigstens in Sichtweite anderer Pferde. Bei älteren Pferden muss abgewogen werden, inwieweit das Leben in einer altersgemischten Herde die Lebensgeister mobilisiert und das Pferd gleichsam jung gehalten wird oder ob es sinnvoll ist, es mit eher gleichaltrigen Pferden zusammen zu stellen, damit es einen ruhigen Lebensabend verbringen kann. Hier kann, wie letztlich in allen Fällen, immer nur individuell entschieden werden. In Krankheitsfällen gibt es fast immer Möglichkeiten ein Pferd, das allein stehen muss, wenigstens in Schnupper- und Sichtkontakt zu den anderen zu stellen, z.B. durch das Einrichten von Krankenpaddocks oder das wenigstens zeitweise Dazustellen eines Kumpels.

Lösungen gibt es so gut wie immer!

Ja, keine Frage, individuelle Lösungen für das eigene Pferd zu finden, kann aufwändig und unbequem sein und vielleicht ist es auch mit längeren Fahrzeiten zu einem passenden Stall verbunden oder mit einer Haltungsform, die uns mehr Arbeit als gewünscht abverlangt, aber aus unserer Sicht gibt es kaum eine Entschuldigung dafür, einem Pferd dauerhaft die Erfüllung eines Grundbedürfnisses zu verwehren. Mit dem Kauf des Tieres übernehmen wir Verantwortung für sein Wohl und die Gesellschaft anderer Pferde gehört schlicht und einfach dazu.

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20. Oktober 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Gesundheit, Haltung, Verhalten 9 Kommentare »

Auf Freunde ist Verlass

Für meine Jungs endete die Weidezeit in diesem Jahr aus gesundheitlichen Gründen leider früher als für den Rest der Herde. Wir richteten den beiden einen Platz am Stall ein und es war rührend zu sehen, wie verlässlich ihre Freundschaft ist.

In der Herde haben sich beide durchaus auch mit anderen Pferden angefreundet und verbringen ihre Zeit keineswegs nur miteinander. Ein bisschen fragte ich mich deshalb schon, ob sie nicht vielleicht gegenseitig den Frust aneinander auslassen würden…, aber ganz im Gegenteil: Sie spielten wieder viel miteinander im großen Sandpaddock und sie teilten sich alles:

Sie standen zusammen drin:

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Und fraßen aus einem gemeinsamen Heunetz:

freunde

Und auch die von mir mitgebrachten Knabberzweige wurden (fast) einvernehmlich geteilt:

zweige

Und als es dann wieder zurück in die Herde ging, hielten sie natürlich auch dicke zusammen. Erst wurde zusammen geschaut und abgewartet:

wiederda

Dann wurde der Auslauf gemeinsam ausprobiert:

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Die anderen wurden auch zusammen begrüßt:

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Es hat mich sehr gerührt, die beiden wieder einmal so eng zusammen zu erleben und dass ihre Freundschaft immer wieder solch intensive Phasen hat, gerade auch in schwierigen Zeiten. Gemeinsam geht einfach alles besser, was Jungs? Und wir Menschen sollten nie vergessen, welch intensive Freundschaften Pferde knüpfen können, wenn wir ihnen den für sie so unerlässlichen Kontakte zu anderen Pferden ermöglichen.

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13. Oktober 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Haltung, Verhalten 5 Kommentare »

  • Über Tania Konnerth

    Mitgründerin und aktuelle Betreiberin von "Wege zum Pferd".

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