Typische Probleme mit Pferden: Die Sache mit den Pfützen

In dieser neuen Kategorie widme ich mich ganz typischen Problemen mit Pferden, zu denen mich immer mal wieder Mails erreichen oder die beobachte. Besonders soll es hier um Probleme gehen, bei denen herkömmlicherweise oft Druck oder Strafen angewendet werden, damit das Pferd etwas tut oder lässt. Gemäß unseres Mottos möchte ich gemeinsam mit Euch überlegen, wie es anders gehen kann. Wenn Ihr auch so ein typisches Problem habt, schreibt mir gerne an tania@wege-zum-pferd.de

„Mein Pferd geht nicht durch Pfützen“

Im Gelände oder auch auf Außenreitplätzen kommt es beim Thema „Pfützen“ leider fast überall zu sehr ähnlichen Szenen: Das Pferd möchte nicht hindurchgehen und der Mensch versucht, es, – notfalls auch mit Nachdruck – genau dazu zu bringen. „Man darf einem Pferd nicht alles durchgehen lassen!“, heißt es dann, oder: „Wenn ich mich jetzt nicht durchsetze, geht mein Pferd ja nie mehr durch Pfützen!“ 

Lasst uns die Sache mal ein bisschen genauer anschauen.

Worum geht es hier eigentlich?

Grundsätzlich schätzen Pferde Gefahren anders ein als wir Menschen, weil sie anders als wir für Gefahren sensibilisiert sind und weil ihre Sinne anders funktionieren als unsere (sie sehen, hören, riechen und empfinden anders). Pferden sind als Fluchttiere ihre Beine sehr wichtig und sie achten mehr auf die Beschaffenheit des Bodens als wir. Ein Pferd, das im Gelände oder auf einem Reitplatz nicht durch eine Pfütze gehen will, ist deshalb für mich kein Pferd, das seinen Menschen ärgern oder „dominant“ sein will, sondern es ist einfach ein Pferd, das in diesem Moment aus seiner Sicht gute Gründe zum Zögern hat (… ob ich diese Gründe nun verstehe oder nicht). So gut wie immer besteht der Grund schlicht und einfach in Unsicherheit, manchmal steckt auch handfeste Angst dahinter – oder anders gesagt: Die Pfütze bereitet dem Pferd Stress.  

Wenn ein Pferd Stress hat, unsicher ist oder sogar Angst zeigt, dann hilft es ihm nicht, wenn ich behaupte, dass es dafür keinen Grund gibt, und es zwinge, die Sache trotzdem zu tun. Damit erhöhe ich den Stress und „beweise“ letztlich nur, dass ich die Gefahr nicht wahrnehme. Das verhindert Vertrauen. Viel schöner und sinnvoller ist es, für das Pferd vertrauenswürdig zu werden, so dass mein Pferd mir glaubt, wenn ich ihm vermittle, dass die Sache okay ist.

Oft hilft schon eines sehr gut: dem Pferd einfach etwas Zeit zu geben. Wir wollen meist zackige Reaktionen (das werten wir dann als guten Gehorsam), übergehen damit aber unser Pferd. Also einfach erstmal einen Moment abwarten (ohne zu treiben oder zu fordern) und schauen, was passiert. Hier kann man schon prima jedes Interesse an der Pfütze loben und so das Pferd darin bestätigen, sich aktiv mit der vermeintlichen Gefahr zu befassen. Achtung: Viele Pferde erforschen dann scharrend die Pfütze – bitte lasst sie genau das tun, denn so prüfen sie den Boden.

Eine weitere, sehr gute und einfache Möglichkeit ist, abzusteigen und selbst mitten durch die Pfütze zu laufen. Damit zeigen wir dem Pferd sehr verständlich, dass keine Gefahr droht. Allerdings sind die wenigsten dazu bereit, ganz im Gegenteil! Wie oft balancieren wir beim Führen selbst sorgsam um jede Pfütze herum, damit unsere Schuhe nicht nass werden? Oder wie oft reiten wir um Pfützen herum, weil das spritzt und wir nicht wollen, dass der Sattel(-gurt) nass wird? Damit trainieren wir unser Pferd regelrecht dazu, mit uns nicht durch Pfützen zu gehen … Aber überlegt mal: Auf dem Paddock in der Gruppe hat kaum ein Pferd je ein Problem damit, durch Pfützen zu gehen, sie trinken daraus und werfen sich manchmal auch gerne hinein! Macht also einfach eine Übung daraus. Zieht Euch Gummistiefel an und übt geduldig, mit viel Lob und vor allem mit einer spielerischen Begeisterung, durch Pfützen zu laufen. Macht es zu einem tollen Spiel, dass Ihr Euch gemeinsam jede noch so große Pfütze erobert. Auf diese Weise werden viele Pferde zu geradezu fröhlichen Pfützen-Durchquerern 😉 

ABER: Es kann selbst bei Pferden, die normalerweise gut durch Pfützen gehen, immer auch mal eine Pfütze geben, die an diesem Tag einfach zu gruselig ist – vielleicht weil sie anders aussieht, anders riecht oder sonst etwas anders ist, das wir selbst nicht wahrnehmen. Und das können wir nicht „wegmachen“, indem wir darauf bestehen, dass es keinen Grund gibt. Dann gilt es bereit zu sein, meinem Pferd Verständnis zu zeigen. Wenn Ihr hier in alte Muster fallt und grob werdet, könnt Ihr Euch das zuvor erarbeitete Vertrauen verspielen und Pfützen damit wieder zu einem großen Stressfaktor werden lassen. Wenn Ihr aber auf das vermeintliche „Recht“ verzichtet, Euch durchzusetzen, beweist Ihr Eurem Pferd, dass Ihr vertrauenswürdig seid. Und hier gleich noch ein Wort zu dem, was bei solchen Themen eigentlich immer kommt:  Wenn das Pferd eine Straße überqueren soll und nicht durch die Pfütze geht, aber gerade ein Auto kommt, dann würde ich persönlich das Pferd rückwärtsrichten und warten, bis das Auto vorbei ist. Dann kann ich in Ruhe entscheiden, ob ich wirklich an dieser Stelle über die Straße muss, und wenn ja, kann ich absteigen und das Problem gemeinsam mit meinem Pferd lösen.

Pfützen mit einer Lieblingsübung zu verbinden, kann übrigens auch eine tolle Idee sein.

Pferde und Pfützen

(Foto von Horst Streitferdt)

Extra-Tipps: Kennt Ihr die Videos von Anthony und dem Schaf? Da geht es zwar nicht um Pfützen, aber eben auch um etwas, das mein Pferd verunsichert und ich zeige dort ausführlich, wie wir das Ganze komplett ändern konnten – schaut doch mal rein. Und als Lesetipp empfehle ich hier unseren Anti-Angst-Kurs.

1. Juni 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching, Jungpferdausbildung, Spiele & Co, Umgang, Verhalten 0 Kommentare »

Achte auf Deine Energie! – Inspiration des Monats

Mit unserer  Rubrik Inspiration des Monats nehmen wir uns jeweils ein Schwerpunktthema vor, für das wir Euch kurz und knapp Denkanstöße und Anregungen geben möchten. Lange Texte gibt es bei uns genug, aber gerade bei Basis-Themen denken wir, ist es wichtig, sie immer wieder mit in den praktischen Pferde-Alltag zu nehmen, um für eine längere Zeit im Herzen bewegt zu werden. Und meist sind es Schlüsselsätze oder -erkenntnisse, die man wirklich bei sich behält. 

Unser Tipp: Zieht Euch jeweils unsere Inspiration des Monats auf Euer Handy, damit Ihr die Fragen und Denkanstöße  für eine Weile immer dabei habt – Ihr werdet vielleicht überrascht sein, wie unterschiedlich Eure Antworten und Gedanken dazu in verschiedenen Situationen ausfallen können. 

Thema des Monats:
Achte auf Deine Energie!

Im Zusammenhang mit Pferden wird häufig von „Temperament“ gesprochen oder auch von „Energie“: Beim Anweiden oder im Spiel bewundern wir die sprühende Energie unserer Tiere, auf Ausritten würden wir die Energie manchmal gerne etwas reduzieren und bei der Bahnarbeit vermissen wir sie, wenn unser Pferd eher träge um die Kurven schlurft.

Aber, … bist Du Dir eigentlich darüber bewusst, dass auch Du ganz unterschiedliche Arten von Energie ausstrahlst und dass Dein Pferd Deine Energie sehr genau wahrnimmt, deutet und darauf reagiert, ob Du nun willst oder nicht? 

Vielen von uns fällt es ziemlich schwer, ein Bewusstsein für die eigene Energie zu bekommen, dabei brauchen wir oft nur unser Pferd anzuschauen. Pferde sind wahre Meister darin, unsere Stimmungen wahrzunehmen. Sie wissen genau, wann wir gereizt sind oder locker, wann wir etwas von ihnen wollen, wann wir abgelenkt oder traurig sind, wann wir gut gelaunt und wann wir gestresst sind, auch wenn wir noch so sehr versuchen, etwas anderes auszustrahlen. Und sie nehmen unsere Energie nicht nur wahr, sondern sie reagieren oft unmittelbar darauf.  So benehmen sich viele Pferde sich ganz anders, wenn ihr Mensch gestresst ist oder bedrückt, und es ist auch immer wieder sehr spannend zu sehen, wie sehr sich ein und dasselbe Pferd bei verschiedenen Menschen verändern kann.

Unsere eigene Energie spielt also eine große Rolle im Miteinander mit unserem Pferd – im Umgang, im Training am Boden und im Sattel. Und so gilt die Regel:

Je bewusster wir uns unserer eigenen Ausstrahlung werden,
desto besser können wir mit Pferden kommunizieren.

Unsere Energie äußert sich

  • in unserer Mimik, unseren Gesten und unserer Stimme, aber auch
  • in unserer Ausstrahlung,
  • in unserer Körperhaltung
  • und in unserer Körperspannung.

Versuche im Zusammensein Deinem Pferd ab sofort immer mal wieder ganz bewusst zu überlegen, was Du wohl gerade ausstrahlst und wie Du in dem jeweiligen Moment auf Dein Pferd wirkst. Es braucht ein bisschen Übung, aber allein das Innehalten und bewusste Nachspüren ermöglicht immer mehr Achtsamkeit. Und noch ein Tipp: Hier können Videoaufnahmen sehr hilfreich sein, die man sich später in Ruhe anschauen kann und somit sich selbst einmal etwas aus der Distanz heraus wahrnehmen kann. Das schult das Bewusstsein!

Achte auf Deine Energie

25. Mai 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Inspiration des Monats, Reiten, Umgang, Verhalten 1 Kommentar »

Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 29: Nun guck doch mal nett

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

 

Als ich Monty heute auf den Reitplatz führe, schaut er skeptisch auf das Stativ, das ich dort vorher aufgebaut habe.

„Na, was guckst du so?“, frage ich.

„Da steht was.“, sagt er.

„Das ist ein Stativ. Da kommt jetzt meine Kamera drauf und wir werden Fotos erst von dir und dann auch von uns zusammen machen, Monty.“

„Wie Sie wünschen.“, sagt mein Pferd und klingt nicht allzu begeistert.

„Das wird prima.“, ermuntere ich ihn und glaube zu diesem Zeitpunkt auch noch daran.

Etwas später bin ich dann allerdings ziemlich genervt.

„Mensch, Monty, mach doch bitte, bitte einmal die Ohren nach vorn, nur einmal gaaaanz kuuuurrrrrz.“ Ich gurre wie eine Taube, schnalze und gebe Töne von mir, als wäre ich eine Klingel oder Donald Duck. Nichts davon bewegt mein Pferd, seine Ohren zu mir zu richten.

„Du kleiner Scheißer.“, zische ich wütend.

„Entschuldigung, was haben Sie gerade gesagt? Ich habe Sie nicht verstanden?“, fragt Monty scheinheilig nach und spitzt die Ohren, denn natürlich bin jetzt gerade nicht bereit, ein Foto zu machen.

„Ich will doch gar nicht viel, Monty.“, maule ich. „Einfach nur ein paar nette Fotos. Du musst nichts weiter tun, als ein bisschen freundlich zu gucken, ist das echt zu viel verlangt?“

Ich weiß, dass ich mich gerade kindisch verhalte, aber irgendwie finde ich das einfach nur unfair von meinem Pferd. Gestern hatte ich mühsam die Objektive geputzt, gewissenhaft den Akku aufgeladen, das Stativ und den Selbstauslöser herausgekramt, um dann heute hochmotiviert zum Stall zu fahren. Ich habe Monty ausgiebig geputzt, ihm den Schweif gewaschen, die Mähne gebürstet und ihm das schöne Flechthalfter angezogen, dass ich mal für viel Geld auf einer Messe erworben und noch nie benutzt habe, weil es mir zu schade für den Alltag ist. Nun steht er also da, mein wunderschönes Pferd, und weigert sich strikt, seine Ohren nach vorne zu machen. Und so sieht er richtig schlecht gelaunt aus.

„Monty“, seufze ich, „kannst du mir verraten, warum du mir nicht diesen kleinen Gefallen tun magst? Ist das wirklich so viel verlangt, dass du für ein Foto einmal die Ohren nach vorne nimmst?“

„Ich weiß gar nicht, was Sie meinen.“

„Ich geb’s auf.“, fluche ich. „Dann probieren wir es halt mit mir drauf.“

Monty schaut mich interessiert, oder vielleicht eher belustigt, an. Ich glaube, er amüsiert sich köstlich mit mir. Ich befestige meine Kamera auf dem Stativ und krame den Fernauslöser aus meiner Tasche. Dann hole ich eine Bluse aus der Tasche und tausche sie gegen das Schmuddelshirt, das ich gerade trage. Zum Schluss wurschtele ich noch ein bisschen durch meine Haare. Monty pfeift anerkennend. Ich wusste nicht, dass Pferde sogar pfeifen können.

„Ja, mach dich nur lustig über mich. Manchmal kannst du schon echt fies sein.“

„Wie können Sie denn so etwas sagen?“, fragt er und zieht die Augenbrauen hoch.

„Ach, komm her jetzt, jetzt machen wir wenigstens noch ein paar Bilder von uns zusammen – und es ist mir übrigens egal, wie du guckst, Hauptsache ich seh’ gut aus. So, das hast du nun davon.“

Ich stelle mich neben Monty und lächele in allen möglichen Varianten, mal ganz zart, dann ganz breit, mal mit meinem Kopf an seinem Maul, mal zu ihm aufschauend, mal direkt in die Kamera. Monty schaut dabei die ganze Zeit starr in die Kamera und bewegt sich bei all dem keinen einzigen Millimeter. Dabei hat er ein Ohr nach vorne, eines nach hinten.

„Das ist wirklich toll, dass du so begeistert mitmachst, die Fotos werden der Hit!“ Mein Sarkasmus geht komplett an meinem Pferd vorbei, denn er antwortet: „Danke, das freut mich zu hören.“ Aber vielleicht pariert er damit auch nur wieder auf seine Art?

Okay, nun kommt mein letzter Trumpf: Ich greife nochmal in meine Tasche und ziehe eine knisternde Tüte hervor. Hui, da kann er aber plötzlich aufmerksam schauen, der Monty! Ich drücke fleißig auf den Fernauslöser. Mein Pferd ist so interessiert an den Keksen, die ich aus der Tüte zaubere, dass er nicht mal mitbekommt, dass ich derweilen weiter Fotos mache.

Am Abend bei der Sichtung stelle ich dann fast, dass ich in der Summe nun eine tolle Mischung von Bildern habe, die genau meinen Monty ausmachen: Solche, auf denen er verstockt, reserviert und wie ein über den Dingen stehender Spielverderber aussieht und die er sicher mit einem „Gut getroffen!“ kommentieren würde. Welche, in denen er auf Skeptiker macht, während ich ihn anhimmele, auch die würden ihm wohl gefallen. Und dann die, auf denen er mit gespitzter Schlabberschnauze nach Keksen bettelt, sie genüsslich mampft und sehr anhänglich ist und die ihm sicher peinlich wären.

Nur eines habe ich nicht: kein einziges normales Pferdebild, … aber wer will schon auch so etwas, nicht wahr?

 

–> Fortsetzung: Kapitel 30

 

 

*******************************************************

 

Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

18. Mai 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 29: Nun guck doch mal nett

Jungpferdausbildung mit Tania: Das erste Aufsteigen

Als ich meinen Anthony bekam, war er ein noch roher Dreijähriger, denn es war schon immer mein Wunsch gewesen, einmal ein Pferd von Beginn an selbst ausbilden zu können. Als er vier Jahre alt war, begann ich langsam damit, ans Reiten zu denken, und erarbeitete mir ganz behutsam das erste Aufsteigen. Ich bereitete das Ganze in vielen kleinen Schritten vor, so dass das tatsächliche Aufsteigen kaum noch überraschend für ihn kam und zu einem wunderschönen Erlebnis für uns beide wurde. Erst später erfuhr ich, wie dieses so wichtige und prägende Ereignis leider herkömmlicherweise aussieht …

Als ich mitbekam, dass es für viele vollkommen normal ist, dass ein junges Pferd in einer Box von zwei, drei Leuten festgehalten wird, damit jemand auf seinen Rücken steigen kann, kamen mir, ehrlich gesagt, die Tränen. Warum wird etwas, das doch den Grundstein für das ganze Leben als Reitpferd legt, so brutal gemacht, wo es doch ganz anders gehen kann? Warum gibt man einem Tier, das man viele, viele Jahre reiten will, zu Beginn nicht die Zeit, die es braucht, um ein freiwilliges Ja als Einladung zu bekommen, sondern erzwingt das Aufsteigen? Ich werde es nie verstehen. Das Argument „Zeitdruck“ lasse ich nicht gelten, denn auch wenn es vielleicht zunächst länger dauert, so spart man sich durch ein besonnenes und pferdegerechtes Umgehen später sehr viel Ärger und das macht die Sache dreimal wieder wett.

Als ich mich das erste Mal auf Anthonys Rücken setzte, war ich mit ihm allein in der Halle. Er trug nur ein Halfter mit Zügeln und er blieb von sich aus vollkommen ruhig und gelassen an der Aufstieghilfe stehen, während ich sanft auf seinen Rücken glitt. Wer schon ein bisschen länger bei uns mitliest, weiß, dass Anthony alles andere als ein einfaches Pferd ist, sondern ein hochsensibles Tier mit einem ausgeprägten eigenen Willen. Ich hatte es also nicht „besonders einfach“, sondern ich habe es einfach gut vorbereitet. Mit ein bisschen Zeit, Geduld, Einfühlungsvermögen  und der Bereitschaft, in kleinen Schritten vorzugehen, kann jedes erste Aufsteigen zu einem schönen und guten Erlebnis für ein Pferd werden und das Aufsteigen auch für Pferde, die bereits schlechte Erfahrungen gemacht, neu entwickelt werden. Für mich ist eine positive Erstbesteigung eine ganz entscheidende Grundvoraussetzung für die weitere Ausbildung zum Reitpferd und ein entspanntes Aufsteigen ganz generell ein Muss für das pferdefreundliche Reiten

Da ich zur Zeit den fünfjährigen Norwegerwallach „Mucki“ und seine Besitzerin Daniela Baars ein bisschen bei der Ausbildung unterstützen darf, kann ich Euch hier einmal ein kleines Video davon zeigen, was ich als eine pferdefreundliche „Erstbesteigung“ empfinde und wie wir genau vorgegangen sind. Zu diesem Zeitpunkt hatte Daniela schon folgende Punkte vorgearbeitet: 

  • Mucki war vollkommen vertraut mit Berührungen am gesamten Körper und Rücken.
  • Er wurde behutsam an ein Reitpad gewöhnt und auch, damit zu laufen. 
  • Er lernte Gewicht auf dem Rücken kennen und zeigte dabei keinen Stress oder Unsicherheiten. 
  • Daniela brachte ihm das selbstständige Herantreten an eine Aufstieghilfe bei (was inzwischen eine seiner absoluten Lieblingsübungen ist, das macht er frei und sogar vom Gras weg!). 
  • Er war daran gewöhnt, dass Daniela auf der Aufstieghilfe steht und von dort aus seinen Rücken berührt. 

Diese Schritte sind aus meiner Sicht nötig, bevor man überhaupt ans erste Aufsteigen denken kann und so würde ich auch bei Pferden vorgehen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben und Angst oder Unruhe zeigen, wenn man aufsteigen möchte.  Jeder einzelne dieser Schritte sollte ebenfalls mit Geduld und Einfühlungsvermögen vermittelt werden. Das  Tempo sollte immer das Pferd vorgeben – ein Pferd lernt schneller, ein anderes braucht länger. Als bei Mucki all diese Punkte erfüllt waren, schauten Daniela und ich mal, ob er auch einverstanden damit ist, wenn ich mich auf seinen Rücken setze – hier könnt Ihr das kleine Video dazu sehen (Link führt zu Youtube): 

Das erste Aufsteigen

Und noch ein Lesetipp: Mit dem Herzen voran – der Reitkurs von „Wege zum Pferd“. 

10. Mai 2021 von Tania Konnerth • Tags: , , , , , • Kategorie: Aus der Bereiterpraxis, Jungpferdausbildung, Reiten, Umgang 1 Kommentar »

Spielen mit Pferden

Vor Kurzem wurde ich von Julia Schay-Beneke für die Zeitschrift „ReiterRevue“ zu einem Thema interviewt, das mir sehr am Herzen liegt, und zwar zum Thema „Spielen mit Pferden“. Ich habe mich riesig gefreut, dass meine Anregungen und Denkanstöße so toll aufgenommen und verarbeitet wurden, denn ich glaube, dass Spielen eine ganz wundervolle Möglichkeit ist, die Beziehung und das Miteinander mit dem Pferd zu pflegen. Das gilt vor allem für die so genannten „schwierigen Pferde“ oder in solchen Fällen, in denen das Miteinander in einer Sackgasse steckt. Da können gemeinsame Spiele kleine Wunder bewirken! Im Kasten rechts findet Ihr einen Link zu dem Artikel, den mir die ReiterRevue freundlicherweise als PDF zum Teilen zur Verfügung gestellt hat. 

Darüber hinaus habe ich hier noch ein paar weitere Gedanken zum Thema „Spielen“ für Euch, denn auch diese Idee wurde und auch das wird in der Pferdewelt ja sehr unterschiedlich umgesetzt. 

Spielen ist doch immer toll, oder?

„Spielen“ ist allgemeinhin ein sehr positiv besetzter Begriff. Für viele gilt das Spiel als eine Art Gegenteil von Arbeit  und wir verbinden mit dem Spiel Freizeit, Freude und Spaß. Spielen klingt nach Leichtigkeit und Entspannung. Wenn wir uns nun ein freudvolles Miteinander mit unserem Pferd wünschen, liegt es nahe, mit ihm zu spielen. Und genau damit sind wir beim ganz entscheidenden Punkt: Spielen soll Freude machen – und zwar beiden Seiten! Deshalb ist für mich das Allerwichtigste, im Spiel mit einem Pferd, seine Mimik, Körpersprache und Ausstrahlung aufmerksam und empathisch im Blick zu behalten, um sicherzustellen, dass auch das Pferd Spaß an der Sache hat.

Fragt Euch also immer wieder mal: 

  • Wirkt mein Pferd aufmerksam, interessiert und neugierig? 
  • Ist sein Blick offen?
  • Nimmt es aktiv teil, ist es aber dabei locker und entspannt?
  • Hat es eigene Ideen und zeigt es diese?
  • Möchte es von sich aus weitermachen? 

Hier sind Videos vom gemeinsamen Spielen sehr hilfreich, die man sich später noch mal in Ruhe anschauen kann. Was man selbst vielleicht als „munteres und lustiges Spiel“ empfunden hat, kann sich im Nachhinein als Stress für das Pferd herausstellen. Wenn so etwas passiert ist, ist das kein Drama, aber es ist wichtig, ein sicheres Gespür dafür zu bekommen, bei welchen Arten von Spiel ein Pferd wirklich Freude hat, damit wir mit unserer eigentlich guten Absicht nicht ungewollt Dauerdruck machen. So verständlich es ist, dass viele von uns beim Spielen zunächst vor allem an dynamische Ballspiele oder tolle Zirkuslektionen denken, so haben viele Pferde aber zum Beispiel viel mehr Freude daran, einen Gegenstand aufzuheben (ja, auch immer und immer wieder) oder Leckerbissen aus Teppichen zu rollen. Manche Pferde finden es auch lustig, Dinge umzuwerfen oder zu klauen, was wir Menschen wiederum eher nervig finden. Hier gilt es, achtsam zu sein und eben nicht nur unsere eigene Vorstellung vom Spielen durchsetzen zu wollen. 

Spiel braucht Offenheit und Leichtigkeit

Die Grenze zwischen Spiel und Sport (was für das Pferd dann entsprechend zum Training wird) ist schnell überschritten, weil wir als Erwachsende das Spielen leider oft zu ernst nehmen. Wir wollen gut sein, wollen gewinnen oder anderen etwas beweisen. Wenn wir aber zu enge Vorstellungen davon haben, wie das Spiel aussehen soll, kippt ein Spiel schnell in eine Form von Arbeit oder sogar Abrichtung. In diesem Zusammenhang lohnt auch ein kritischer Blick auf Ausbildungskonzepte, die ihre Bausteine gerne als „Spiele“ bezeichnen, obwohl sie ganz klar ein System aus Vorgaben durch den Menschen bestehen, auf die das Pferd nur auf eine ganz bestimmte Weise zu reagieren hat. Und das ist eben genau kein Spielen.

Die meisten Spiele haben zwar gewisse Regeln, sollten aber immer auch Raum für Varianten bieten, also Spielraum für Spielarten. Das ist besonders wichtig, wenn zwei Wesen zusammenspielen wollen, die a) von ihrer Natur her sehr verschieden sind und b) zwischen denen normalerweise ein Verhältnis besteht, in dem das eine Wesen tun soll, was das andere möchte. Im Spiel darf oder, besser gesagt, sollte das „Normale“ ein Stück weit aufgelöst werden. Wer wirklich mit seinem Pferd spielen möchte, sollte für diese Zeit die Idee loslassen, zu viel bestimmen, gestalten und kontrollieren zu wollen, und sich auf den Mitspieler Pferd einlassen – natürlich immer unter Beachtung der nötigen Sorgfalt und Vorsicht, damit es zu keiner Gefahr für uns kommt (hier ist für mich ein ausreichender Abstand zum Pferd einer der wichtigsten Punkte!). 

Unsere eigene spielerische Grundhaltung ist übrigens ganz entscheidend für die Qualität des Spiels, denn Pferde merken genau, wie wir stimmungsmäßig drauf sind. Ihnen also vormachen zu wollen, dass wir gerne spielen, obwohl wir eigentlich gar keine Lust dazu haben, keinen Sinn darin sehen oder es sogar für Blödsinn oder Zeitverschwendung halten, weil man lieber „richtig trainieren sollte“, bringt nichts. Sie spüren unsere inneren Bedenken, unsere Ablehnung und auch Unsicherheiten, genauso wie unsere Erwartungen sehr genau, weshalb manche Pferde scheinbar „nicht gerne spielen“. Probiert es dann einmal ein Mensch ohne Erwartungen, kommt so manche Besitzerin oder Pferdehalter ins Staunen darüber, wie verspielt das eigene Pferd doch sein kann. 

Ein paar Fragen für Dich

Hier habe ich noch ein paar Reflexionsfragen für Dich zum Thema „Spielen“:

  • Spielst Du gerne mit Deinem Pferd?
  • Was macht das Spielen für Dich aus?
  • Was spielt Ihr zusammen?
  • Worin unterscheiden sich Eure Spiele von dem, was Ihr normalerweise macht? 
  • Was war für Dich das bisher schönste Spielerlebnis mit Deinem Pferd?
  • Kennst Du die Lieblingsspiele Deines Pferdes?
  • Welche Arten von Spielen könntet Ihr vielleicht einmal ausprobieren? 
  • Wie könnte das Spielen vielleicht noch freudvoller für Euch werden? 

4. Mai 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Spiele & Co, Umgang 0 Kommentare »

Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 28: Ein ganz normaler „Alles anders“-Tag

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

 

Monty ist ja ein ziemlich großes Pferd, schon allein deshalb steige ich immer nur von einer Aufstieghilfe aus auf. Immer. Das war auch schon in der Reitschule so. Monty kennt es also von mir nicht anders. Er lässt sich prima daneben parken und steht brav, bis ich in aller Ruhe aufgestiegen bin. Aber heute ist alles anders.

Ich habe Monty wie gewohnt zur Aufstieghilfe geführt, die Zügel liegen auf seinem Hals und ich bin gerade dabei, den Kinnriemen meiner Kappe zu schließen, als Monty vorwärts geht.

„Hey, Monty, wo willst du denn hin?“, frage ich.

Er reagiert nicht.

„Monty, hast du vielleicht was vergessen? Mich zum Beispiel?“, lache ich.

Nun bleibt er stehen, dreht sich um und sagt: „Oh, ja, Entschuldigung.“

Ich gehe zu ihm und zusammen gehen wir wieder zur Aufstieghilfe. Ich will ihn wie gewohnt einparken, aber er will nicht herantreten, geht einen Schritt rückwärts und drängelt dann nach vorn.

„Was ist das Problem, Monty?“

„Es gibt kein Problem.“

„Naja, irgendwie schon, denn ich würde gerne aufsteigen und dafür solltest du dich bitte neben die Aufstieghilfe stellen, so wie immer.“

„Selbstverständlich.“, sagt mein Pferd, tut es aber nicht. Er weicht weiter aus und bleibt dann in einem viel zu großen Abstand von der Aufstieghilfe stehen.

„Monty, schau mal, das ist doch viel zu weit weg, wie soll ich so denn in den Sattel kommen?“

„Entschuldigung.“, sagt mein Pferd, bleibt aber stehen.

„Sag mal, was ist eigentlich los? Das war doch bisher nie ein Problem mit der Aufstieghilfe, wieso kannst du jetzt nicht da rangehen? Hey, du, ich rede mit dir.“ Monty scheint gar nicht richtig da zu sein.

„Willst du heute nicht geritten werden? Das wäre vollkommen in Ordnung für mich, sag es nur.“

„Nein, doch, machen wir.“

„Dafür muss ich aber aufsteigen, was offenbar heute nicht geht. Macht dir etwas Angst? Sag mir doch einfach, was es ist, Monty, dann kann ich vielleicht helfen.“

„Es ist nichts, alles in Ordnung.“, erwidert mein Pferd und lässt sich keinen Zentimeter an die Aufstieghilfe stellen.

So langsam kenne ich das ja schon. Früher haben mich solche Momente echt wahnsinnig gemacht, weil ich einfach nicht begreifen konnte, was plötzlich los war und irgendwie dachte, mein Pferd will mich nur ärgern. Aber ich lerne immer besser, einfach zu akzeptieren, dass es so ist. Manchmal scheint für mein Pferd einfach alles anders zu sein und da hilft auch alles Reden nichts und Schimpfen erst recht nicht. Ich nenne solche Tage inzwischen „Alles-anders“-Tage und lebe immer besser mit ihnen. Sie gehören einfach zu Monty dazu. Und heute scheint also genau so ein Alles-anders-Tag zu sein.

Aber dann habe ich eine Idee.

„Hey Monty, wir probieren mal was anderes.“, sage ich und führe ihn erstmal eine Runde in der Halle herum und komme mit ihm dann von der anderen Seite an die Aufstieghilfe, so dass ich also nicht links, sondern rechts aufsteige. Und siehe da, das klappt. Monty schaut zwar etwas verwundert, bleibt aber anstandslos stehen.

Ich kommentiere das nicht, sondern steige auf und lobe ihn und ich verkneife es mir auch, später nochmal nachzufragen. Beim nächsten Mal ist dann wieder alles beim Alten, als wäre nie etwas gewesen.

 

–> Fortsetzung: Kapitel 29

 

Monty - Wege zum Pferd

 

*******************************************************

 

Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

27. April 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 28: Ein ganz normaler „Alles anders“-Tag

Das kann der doch, der veräppelt dich nur …

Wenn ein Pferd etwas gelernt hat, gehen viele von uns davon aus, dass dieses Verhalten oder die Lektion dann auch jederzeit abrufbar sein muss, schließlich „kann es das ja“. Funktioniert das nicht, reagieren dann wiederum viele leider unwirsch und deuten das als Unwillen oder gar Widersetzlichkeit. Und damit tun wir unseren Pferden Unrecht!

Pferde „veräppeln“ uns nicht und sie wollen uns nicht vorsätzlich ärgern. Wenn ein Pferd etwas nicht tut, was es eigentlich kann, dann hat es dafür immer einen Grund. Der Grund kann sicher auch mal „Keine Lust!“ sein, aber das ist aus meiner Sicht vollkommen verständlich und sollte von uns nicht bestraft werden. Auch in diesem Fall sollten wir überlegen, warum das Pferd denn keine Lust hat: Vielleicht sieht es zu wenig Sinn darin, die Sache für uns zu machen? Vielleicht haben wir gerade einen falschen Zeitpunkt für unser Anliegen gewählt oder wir haben die entsprechende Übung zu oft abgefragt? Vielleicht ist es zu anstrengend? Es gibt viele Möglichkeiten, warum die Motivation eines Pferdes nachlässt und es ist dann unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unser Pferd die Sache wieder gerne macht. 

Häufig sind es aber andere Gründe, warum ein Pferd etwas, das es eigentlich kann, nicht tut, wie zum Beispiel diese: 

  • Das Pferd versteht gerade nicht, was es machen soll. Wir sind für Pferde oft viel weniger klar in unseren Signalen, als uns bewusst ist, denn Pferde lesen vor allem unsere Körpersprache und interpretieren unsere Ausstrahlung. Wir können also zwar fest davon überzeugt sein, immer dasselbe Zeichen oder dieselbe Hilfe zu geben, das kann aber beim Pferd vollkommen unterschiedlich ankommen. Pferde nehmen beispielsweise auch widersprüchliche Signale wahr, so dass wir vielleicht unsere Galopphilfe korrekt geben, aber es unsere unbewusste Angst vor dem Galopp spürt und darauf reagiert.
  • Das Pferd ist abgelenkt oder gestresst. Pferde nehmen sehr vieles in der Umwelt wahr – meist sogar deutlich mehr als wir Menschen. Sie sehen anders als wir, riechen und hören besser als wir und sie sind sehr feinfühlig. Dementsprechend kann alles Mögliche unser Pferd ablenken, so dass es unser Signal nicht richtig oder vielleicht auch gar nicht wahrnimmt oder dass es sich nicht konzentrieren kann oder ihm etwas anderes gerade wichtiger ist. Auch Stress kann dazu führen, dass ein Pferd nicht wie gewohnt reagiert. Sollte das Pferd Angst vor Strafen haben (müssen), kann auch diese Furcht dazu führen, dass es etwas, das es eigentlich kann, nicht ausführt. 
  • Das Pferd hat gerade mit sich selbst zu tun. Auch das kommt häufig vor! Wenn ein Pferd zum Beispiel hungrig ist oder müde, kann es sich schlechter konzentrieren. Vielleicht gab es Stress in der Herde oder es geht ihm an diesem Tag nicht so gut. Pferde sind keine Maschinen und sie sollten unser Verständnis haben, wenn sie entsprechend mal nicht „funktionieren“. 

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, aber ein „Veräppeln“, um uns zu ärgern, gehört meiner Erfahrung nach nicht dazu. Wer ein partnerschaftliches Miteinander und einen pferdefreundlichen Umgang pflegen will, versucht immer zu verstehen, was gerade in dem Pferd vorgeht und unterstellt ihm nicht einfach irgendetwas.  Die Vorstellung, dass wir uns „durchsetzen“ müssen, wenn sich ein Pferd anders verhält als wir es möchten, stammt aus der längst widerlegten Dominanztheorie, nach der wir unbedingt „der Chef“ sein müssen (… aber überlegt mal, wie Ihr einen Chef sehen würdet, der Euch gegebenenfalls auch mit Gewalt zu dem zwingt, was er von Euch will).

Ein neuer Ansatz: „Oh, wie interessant!“

Wann immer ein Pferd, etwas nicht tut, was es eigentlich kann, denke ich inzwischen: „Oh, das ist ja interessant!“ und fühle mich in die jeweilige Situation ein. Ich frage mich, was vielleicht gerade anders ist als sonst, und zwar aus der Sicht meines Pferdes. Ich nehme ganz bewusst wahr, wie mein Pferd eigentlich gerade drauf ist und was es ausstrahlt und ich prüfe, wie ich selbst gerade wirke. Und dann entscheide ich, ob ich versuche, einen Weg zu finden, uns die Sache auf eine andere Art zu erarbeiten, oder ob ich es vielleicht für diese Einheit auch einfach gut sein lasse. Für mich ist ein „Nö“ oder „Nein“ eines Pferdes immer eine Chance zu einem besseren Miteinander.

Hier habe ich noch ein kleines Video für Euch, das zeigt, wie mein Anthony vor kurzem eine seiner absoluten Lieblingsübungen einfach nicht ausführte. Für mich war genau diese kleine Szene Anlass dafür, diesen Blogbeitrag zu schreiben, denn hätte ich sein Verhalten als „Veräppeln“ interpretiert und hätte ich ihn gar gerügt oder bestraft, hätte ich ihm wirklich großes Unrecht getan. Schaut einmal selbst:

(Link führt zu Youtube)

19. April 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Umgang, Verhalten 2 Kommentare »

Was tun, wenn das Pferd schnappt?

Schnappende Pferde sind nicht gerade ein Vergnügen. Herkömmlicherweise wird ein schnappendes Pferd bestraft, entweder mit einer scharfen stimmlichen Ermahnung oder auch handfest mit einem Klaps oder Schlag. Aus unserer Sicht ist dieses Vorgehen kontraproduktiv und nicht zu empfehlen. Es ist vielmehr wichtig, zu verstehen, dass ein Pferd mit seinem Schnappen und auch Beißen etwas auszudrücken versucht – das kann Frust sein oder Stress, es kann damit Schmerzen ausdrücken oder Überforderung, es kann Ärger damit zeigen oder Übermut und vieles mehr. Allein diese kleine Aufzählung zeigt, wie entscheidend es ist, das Verhalten eines Pferdes zu verstehen. Denn nur so können wir zu guten Lösungen kommen. 

Bei der Arbeit nach unserem Longenkurs arbeiten wir zum Teil ja sehr nah am Pferd und gerade bei Übungen wie dem „Führen in Stellung“ oder dem „Übertreten lassen“ kann uns ein Pferd, das schnappt oder gar beißt, ganz schön die Laune verderben. Wir möchten Euch deshalb hier einen Audio-Track aus unserem Audio-Programm Der Longenkurs im Ohr zur Verfügung stellen, in dem Babette sehr ausführlich auf das Problem des Schnappens eingeht. Ihre Tipps helfen Euch ganz sicher auch beim normalen Führen oder im Umgangen ganz allgemein. Wir hoffen, dass möglichst viele mit diesen Anregungen, das Schnappen ihres Pferdes in Zukunft anders sehen und so auch andere Wege finden, damit umzugehen – denn es lässt sich tatsächlich in den allermeisten Fällen gut in den Griff bekommen, wenn WIR uns ändern und lernen, besser auf unser Pferd einzugehen. 

Den Audio-Track könnt Ihr hier herunterladen – viel Freude damit! Eure Babette

Hörprobe Audiokurs zum Longenkurs

23. März 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Jungpferdausbildung, Longieren, Umgang, Verhalten 0 Kommentare »

Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 27: Ziemlich beste Freunde

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

 

Heute erfolgt die Eingliederung von Cooper, Teil zwei. Ich nehme dieses Mal Monty vorher aus der Herde, wofür er wenig Verständnis hat.

„Das ist einfach lächerlich.“, sagt er.

„Nein, das ist vernünftig.“

„Ich habe gar nichts Schlimmes gemacht.“

„Das ist Ansichtssache.“

Wir schauen uns an, wie Cooper wieder umringt wird. Es folgt das übliche Quietschen und alle rennen ein bisschen herum, bis es wieder ruhiger wird. Dann geht Aaron, der Herdenchef, zu Cooper und wir halten alle den Atem an.

Beide stehen Nüster an Nüster. Aaron ist deutlich größer als Cooper, der zwar für einen Tinker nicht klein ist, aber neben dem schweren Warmblut fast zierlich wirkt. Dann legt Aaron einmal die Ohren an und Cooper dreht ab.

„So macht man das.“, sage ich.

Mein Pferd ignoriert die Bemerkung.

„Kann ich dich denn nun dazu stellen, ohne dass du auf Cooper losgehst?“

„Selbstverständlich.“, sagt mein Pferd.

„Ja, ja, dein ‚selbstverständlich‘ kenne ich langsam … Na gut, wagen wir es. Aber Monty, ich schwöre dir, wenn du wieder so eine Show abziehst, weiß ich nicht, was ich tue.“

„Na, na, kein Grund zu drohen.“

„Oh doch, das ist einer, glaub mir.“

Ich führe Monty zum Tor, öffne es und lasse mein Pferd auf den Auslauf.

„Ich warne dich wirklich, benimm dich bloß.“, sage ich noch mal zu ihm. Dann schauen wir alle etwas angespannt, was passiert. Diesmal bin eindeutig ich die Nervöseste.

Cooper steht abseits und tut so, als würde er Monty nicht sehen. Monty hebt den Kopf und sieht riesig aus. Er schaut rüber zu Cooper.

Bitte nicht, bitte, bitte nicht, denke ich, doch Monty nimmt Kurs auf Cooper.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, rufe ich und mach’ mich bereit, wieder loszusprinten.

„Warte mal.“, hält mich Inge zurück, denn Aaron setzt sich ebenfalls in Bewegung und schneidet Monty den Weg ab. Schützt er den Neuen?

Monty tut so, als wollte er eh zur Tränke gehen, und weicht seinem Chef nach links aus.

Puh, denke ich.

Wir schauen dann noch eine ganze Weile zu, aber es passiert nichts Aufregendes. Cooper hält einen sehr höflichen Abstand zu allen. Hin und wieder geht mal jemand zu ihm hin, aber es gibt keine Auseinandersetzungen. Nach einer Stunde sagt Inge, dass sie ihn jetzt erstmal drin lässt und zur Nacht noch mal auf den Paddock stellt.

Und was mache ich nun? Kann ich auch gehen? Schließlich bin ich ja schon verantwortlich für Monty… Ich beschließe, erstmal zum Stall runterzulaufen und aufs Klo zu gehen.

Als ich wieder zum Auslauf komme, ist alles friedlich. Ich gehe zu Monty.

„Kann ich denn jetzt auch heimfahren?“, frage ich mein Pferd.

„Warum sollten Sie nicht heimfahren können?“, fragt er.

„Na, wirst du dich jetzt anständig benehmen?“

„Selbstverständlich.“

Ruhig bleiben, ganz ruhig bleiben, Isa, sage ich zu mir.

„Gut, ich verlass mich darauf. Ich komme dann nachher noch mal.“

Nach rund drei Stunden bin ich wieder am Auslauf und kann meinen Augen kaum trauen: Da stehen Monty und Cooper zusammen und machen Fellpflege, als wären sie schon immer beste Freunde gewesen.

Inge ist auch schon da und sagt: „Ich glaube, ich kann ihn doch über Nacht drin lassen, oder was meinst du? Sieht aus, als hätte Monty einen neuen Freund.“

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Verstehe einer die Pferde, verstehe einer meines …

–> Fortsetzung: Kapitel 28

 

 

*******************************************************

 

Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

16. März 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 27: Ziemlich beste Freunde

Frag‘ Babette – Wie kann ich die Arbeit an der Longe interessant und spannend machen?

In meinem heutigen „Frag Babette“-Video beantworte ich die Frage, wie man die Longenarbeit abwechslungsreich und interessant gestalten kann. 

Viel Spaß beim Anschauen! (Link führt zu YouTube)

9. März 2021 von Babette Teschen • Kategorie: Allgemein, Longieren 0 Kommentare »

  • Reitkurs

  • Herzlich Willkommen im Archiv-Blog von „Wege zum Pferd“

    "Wege zum Pferd" wurde 2008 von Tania Konnerth und Babette Teschen gegründet und wird seit 2021 von Tania allein auf der neuen Seite weitergeführt.

    Dies hier ist das Archiv, in dem sich die vielen, vielen Blogbeiträge, die über die Jahre entstanden sind, finden. Neue Artikel gibt es im neuen Blog von "Wege zum Pferd".

    "Wege zum Pferd" und mich findet Ihr auch hier und hier bei Facebook und Instagram.

    Abonniert am besten gleich den kostenlosen Newsletter damit Euch nichts entgeht

    Mein neues Buch "Weil Du mich trägst" ist erschienen

    Entdecke "Tanias Freiraum-Training" – denn auch Freiarbeit geht anders!

    Und "Versteh Dein Pferd"

    Hier gibt es weitere Kurse und Webinare von "Wege zum Pferd" – alles für mehr Pferdefreundlichkeit:

    Und hier geht es zum "Praxiskurs Bodenarbeit", erschienen bei Kosmos:

  • Kategorien

  • Archiv