Über die Angst, dass alles anders wird oder: Manchmal ist ein gutes Wort

Babette und ich regen hier auf „Wege zum Pferd“ ja oft dazu an, Herkömmliches nicht nur zu hinterfragen, sondern durchaus auch ganz andere Wege einzuschlagen im Umgang mit Pferden. Eine häufige Angst, die darauf immer wieder geäußert wird, ist die, dass ja dann aber vielleicht alles anders wird… „Anders“ ist unbekannt und erscheint damit grundsätzlich eher bedrohlich, weshalb so viele lieber beim Alten bleiben, auch wenn das eigentlich gar nicht mehr so schön ist!

Ok, ich werde konkreter: Ich habe ja nun schon ziemlich lange mit Pferden zu tun und habe irgendwann begonnen, mich von alternativen Wegen inspirieren zu lassen. Ich habe zahllose Bücher gelesen, Videos geschaut, habe Seminare und Workshops besucht und war immer auf der Suche nach „etwas anderem“. Tatsächlich aber habe ich ganz oft zwar gedacht: „Wow, das ist ja toll!“ oder „Oh ja, das klingt gut!“ habe es aber nicht umgesetzt (siehe dazu z.B. auch Mein Clickerweg). Warum nicht? Weil ich Angst vor Veränderungen hatte! Ich träumte zwar von ganz vielem, aber allein die Vorstellung, etwas könnte anders werden, verunsicherte mich, weil ich ja nicht wusste, wie dieses „anders“ aussehen würde. 

Veränderungen wirken oft bedrohlich, können aber sehr gut sein

Vielleicht ist es eine Frage des Mutes, vielleicht auch der Reife, der Erfahrung oder es spielt noch etwas ganz anderes eine Rolle, aber irgendwann habe ich für mich immer wieder erfahren dürfen, dass Veränderungen ganz viel Tolles bewirken können, auch wenn ich es mir zu Beginn nicht so recht vorstellen konnte. Selbst Veränderungen, die ich fürchtete, stellten sich im Nachhinein als Geschenke heraus – im normalen Leben wie auch im Zusammensein mit meinen Pferden. 

Heute mache ich sehr vieles anders als früher. Während ich früher zu meinen Pferden gefahren bin, um „etwas mit ihnen zu machen“, gehe ich sie heute besuchen. Ich schau, wie es ihnen geht, manchmal putze und versorge ich sie, manchmal äpple ich nur ab, manchmal mache ich Fotos und manchmal machen wir auch etwas. Vielleicht reite ich mit Aramis ein bisschen übers Feld und frage Anthony, ob er Lust auf Freiarbeit hat. Zeigen sie mir, dass sie meinen Vorschlag gerade doof finden, macht es mir nichts mehr aus. Manchmal schlage ich etwas anderes vor, manchmal auch nicht. Manchmal schau ich auch, ob sie wirklich keine Lust haben, indem ich nachfrage. Dann lassen sie sich manchmal ein und manchmal nicht. 

Manchmal ist ein gutes Wort!

Merkt Ihr, wie oft das Wort „manchmal“ im letzten Absatz auftaucht? Manchmal ist ein Schlüsselwort geworden, denn ein Manchmal beschreibt keine Regeln, sondern etwas, das sich nicht planen, sondern nur einladen lässt. Manchmal ist für mich ein Synonym für ein entspanntes Miteinander geworden. Früher hätte mir ein Manchmal sicher nicht gereicht, denn ich wollte ja trainieren, wollte vorankommen, wollte gut sein usw. Heute ist mir ein Manchmal genug, denn jedes von diesen Manchmals ist ein Geschenk, das ich mehr und mehr zu würdigen weiß. 

Und um zum Ausgangsthema zurückzukommen: Ja, es ist heute tatsächlich so ziemlich alles anders als früher mit mir und meinen Pferden. Und es ist wunderschön! Fast finde ich es ein bisschen schade, dass ich so lange Angst hatte, mich auf das Andere einzulassen, aber auch das gehört wohl einfach zu unserem Weg. 

fb_lisawolpers_schnee2(Foto von Lisa Wolpers)

20. März 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 3 Kommentare »

Respekt ist keine Einbahnstraße

„Respekt“ ist in der Pferdewelt zu einem populären Thema geworden und nicht wenige Ansätze und Methoden beanspruchen für sich, dass sie dem Pferd eben genau diesen beibringen und vermitteln wollen. Mehr oder weniger nett wird dem Pferd dann gezeigt, was der Mensch unter Respekt versteht, denn Respekt ist wichtig, das ist klar! Aber es lohnt, einmal genauer hinzuschauen, denn in vielen Fällen bedeutet Respekt nichts anderes als dass das Pferd tut, was der Mensch will… 

Ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass Respekt keine Einbahnstraße ist, nirgendwo, nicht unter Menschen und nicht im Zusammensein mit Tieren. Wenn ich Respekt möchte, muss ich zunächst selbst respektvoll sein und genau daran mangelt es im Umgang mit Pferden leider sehr oft. 

Für mich ist es zum Beispiel respektlos, Pferden menschliche Charaktereigenschaften wie „Verschlagenheit“, „Fiesheit“ oder „Berechnung“ zu unterstellen, wenn sie nicht wunschgemäß funktionieren, anstatt mich mit meinen Forderungen und Erwartungshaltungen zu hinterfragen. Aber genau daran wird ganz oft Respektlosigkeit festgemacht: Funktioniert das Pferd und tut es ohne Mucks, was man will, ist es ein respektvolles Pferd – widersetzt es sich, hat es nicht genug Respekt, lautet die so logische klingende Schlussfolgerung. Dass wir Menschen aber immer wieder alles Mögliche von Pferden verlangen, das kein bisschen artgerecht ist, dass wir sie nach (unserer!) Lust und Laune nutzen wollen und dass wir ganz oft all die vielen kleinen Zeichen übersehen, mit denen sie Unwohlsein oder Schmerzen, Unsicherheit oder Angst, Verwirrung oder auch pures Nichtverstehen signalisieren, wird gerne verschwiegen. Genau das ist aber ein ganz entscheidender Punkt im Zusammenhang mit einem respektvollen Miteinander! 

Ich sehe das so: Mit dem Respekt ist es wie mit dem Vertrauen, wir können ihn nicht erzwingen. Wir können unseren Willen durchsetzen und Angst machen, Respekt bekommen wir deshalb noch lange nicht. Respekt beginnt immer damit, selbst respektvoll zu sein.

respekt 

14. Februar 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 7 Kommentare »

Mein Pferd sollte… – warum eigentlich?

Ich habe mich neulich mal wieder dabei erwischt, wie ich ganz schön verbissen wurde, weil ich glaubte, dass meine Pferde unbedingt etwas „sollten“, was sie aber gar nicht wollten: Es war ziemlich kalt und auf dem Auslauf bewegten sie sich kaum, weil der Matsch gefroren und damit der Boden sehr holprig war. Also nahm ich sie mit auf den Sandplatz, der zwar auch noch gefroren, aber lange nicht so huckelig war. Dort sollten sie sich dann bewegen. Das war zumindest meine Ansicht – die beiden dachten darüber anders. 

Unterschiedliche Vorstellungen – kann ich mir sicher sein, dass ich im Recht bin?

Aramis war sichtlich genervt und Anthony wollte viel lieber Blödsinn machen. Ich versuchte also, sie zu motivieren, und wurde zunehmend nachdrücklicher in meinem „Ich-meine-es-doch-nur-gut-mit-Euch“, bis ich innehielt und mich fragte, ob denn das, was ich wollte auch wirklich „gut“ für die Jungs war, wenn sie doch so offensichtlich anderer Ansicht waren als ich.

  • Vielleicht war auch der Sandboden zu hart?
  • Vielleicht hatten sie eben gar kein Bedürfnis nach mehr Bewegung, da sie im Kälte-Energiespar-Modus waren?
  • Vielleicht hatten sie schon bevor ich gekommen war miteinander oder mit den anderen Pferden gespielt?
  • Vielleicht gab es noch andere Gründe, die ich nicht erkennen konnte? 

Und mir wurde mal wieder bewusst, wie vorschnell ich doch oft davon ausgehe, dass ich genau weiß, was gut für meine Pferde ist. An dieser Stelle ging es ja nicht einmal darum, dass ich sie „nutzen“ wollte, sondern ich war der Ansicht, dass sie sich bewegen sollten, weil Bewegung doch eben gut für sie ist. Damit mag ich natürlich grundsätzlich Recht haben, aber wenn ich eine so deutliche Aussage von beiden bekomme, gilt es vielleicht eher, diese zu akzeptieren und nicht meine eigenen Vorstellung mit Druck durchzusetzen.

Als ich etwas später den Auslauf abäppelte, spielten Anthony und ich ein bisschen Ball, ganz zwanglos und fröhlich. Damit habe ich ihm einen deutlich größeren Gefallen getan, als ihn zusammen mit Aramis im Kreis herumzuscheuchen.

Ich glaube, wir können ruhig öfter mal auf unsere Pferde hören und nicht immer davon ausgehen, dass wir es besser wissen und einfach für sie entscheiden dürfen, was meint Ihr?

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31. Januar 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 7 Kommentare »

Vom Umgang mit Hilflosigkeit

Hilflosigkeit ist ein mir sehr vertrautes Gefühl im Umgang mit meinem nicht gerade einfachen Pferd Anthony und, wenn ich mir andere Pferdemenschen anschaue, dann gewinne ich immer mehr den Eindruck, dass Hilflosigkeit tatsächlich eine der größten Herausforderungen für uns Menschen im Umgang mit Pferden ist.

Hilflosigkeit bringt uns oft in große Not und wir reagieren aus ihr heraus ganz anders, als wir es eigentlich wollen. Hilflosigkeit macht viele von uns hart und lässt uns oft mit Gewalt reagieren. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, sich einmal genauer mit diesem Thema zu befassen. 

Wann Hilflosigkeit entsteht

Schauen wir zunächst, was genau uns hilflos macht. Hilflosigkeit kann in ganz unterschiedlichen Situationen entstehen: 

  • Hilflos fühlen wir uns zum Beispiel oft dann, wenn ein Pferd nicht tut, was wir möchten, und wir nicht wissen, wie wir es dazu bringen können. 
  • Hilflos fühlen wir uns auch dann, wenn wir mit unseren bisherigen Techniken oder dem, was wir zu wissen glauben, nicht weiterkommen. 
  • Hilflos fühlen sich viele von uns auch, wenn wir merken, dass unser Pferd Angst hat und nicht mehr zuhört oder/und wenn wir selbst Angst haben.
  • Hilflos fühlen wir uns oft auch dann, wenn uns andere zu etwas raten oder drängen, das wir eigentlich nicht tun wollen. 

Denkanstoß

Was ist es bei dir? Vervollständige einmal den folgenden Satz schriftlich immer und immer wieder, bis dir wirklich nichts mehr einfällt:

Ich fühle mich hilflos, wenn… 

 

… und wozu Hilflosigkeit führt

Sehr viele Menschen werden wütend, wenn sie hilflos sind, und die Folge von Wut ist wiederum ganz oft Gewalt: 

  • Wenn ein Pferd nicht tut, was es tun soll, wenden viele Menschen Druck und Gewalt an, um ihren Willen durchzusetzen. 
  • Wenn jemand merkt, dass seine Hilfen oder Techniken bei einem Pferd versagen, wird ganz oft mehr davon eingesetzt, die „Hilfen“ werden also verstärkt, die Technik deutlicher eingesetzt – es wird nicht mehr nur getrieben, sondern getreten, es wird nicht mehr nur am Zügel oder Strick gerupft, sondern gerissen, die Gerte tippt nicht mehr nur, sondern schlägt usw. 
  • Wer sein Pferd nicht beruhigen kann und/oder selbst Angst hat, fängt oft an, am Strick zu zerren, das Pferd anzubrüllen oder gar zu schlagen. 
  • Wenn wir nicht weiterkommen und andere uns einen Rat geben, befolgen wir den oft aus Hilflosigkeit, obwohl wir spüren, dass es nicht richtig ist, was wir tun. So kommt es gerade unter Anleitung oft zum Einsatz von Gewalt gegen Pferde. 

Denkanstoß

Wie reagierst du, wenn du hilflos bist?

Schreibe es auf!

 

Was genau ist Hilflosigkeit?

Hilflosigkeit ist eine gesteigerte Form von Ratlosigkeit. Wir erleben einen Kontrollverlust und wissen nicht mehr weiter. Dieses Gefühl ist für die meisten Menschen sehr unangenehm. Gerade da im Umgang mit Pferden so viel Wert auf Kontrolle gelegt wird und viele von uns (oft unbewusst) Angst vor den Reaktionen von Pferden haben oder davor, verletzt zu werden, ist Hilflosigkeit schon im Ansatz bedrohlich und wir versuchen vieles, um möglichst schnell aus diesem Zustand wieder herauszukommen. Im Affekt reagieren viele dann aggressiv und gewaltbereit. 

Dauert das Gefühl von Hilflosigkeit an, können wir auch resignieren und uns letztlich ganz gelähmt fühlen. In diesen Fällen hört man vielleicht mit dem Reiten auf oder das Pferd wird verkauft.  

Wie kann man besser auf Hilflosigkeit reagieren? 

Ein wichtiger Schritt ist der, die eigene Hilflosigkeit überhaupt erst einmal wahrzunehmen, denn so automatisch wie wir dieses Gefühl durch Aktionen (und oft auch Aktionismus) zu vermeiden versuchen, fällt es uns meist schwer, Hilflosigkeit zu benennen. Wir müssen aber unsere Hilflosigkeit erst einmal wahrnehmen, um dann fragen und verstehen zu können, woher sie kommt und wie wir besser mit ihr umgehen können. Hier ist viel Selbstreflexion nötig. 

Denkanstoß

Denk einmal zurück an Situationen, in denen Du hilflos warst. Konntest Du Deine Hilflosigkeit erkennen oder wurde Dir erst später bewusst, dass Du hilflos warst? Woran könntest Du Deine Hilflosigkeit in Zukunft erkennen?

Vervollständige diesen Satz schriftlich so lange, bis Dir nichts mehr einfällt: 

Wenn ich hilflos bin, dann …

Zulassen und schauen, wohin sie uns führt

Wenn wir Hilflosigkeit als Gefühl bei uns wahrnehmen, steht es an, sie uns einzugestehen, sie ein Stück weit zu zulassen und auch auszuhalten.

Hilflosigkeit bringt uns an unsere Verletzlichkeit, denn sich nicht zu helfen zu wissen, schwächt sehr. Indem wir uns aber bewusst auf das Gefühl einlassen, können wir die Erfahrung machen, dass Hilflosigkeit nicht immer eine Katastrophe ist, sondern manchmal eigentlich gar nicht schlimm ist oder sogar z.B. auch witzige Momente haben kann oder dass sie uns ermöglicht, in eine ganz andere Richtung zu denken, die wir vorher nicht sehen konnten.

Drei Tipps für den Umgang mit der eigenen Hilflosigkeit

Wenn Du Dich das nächste Mal hilflos im Umgang mit Deinem Pferd erlebst, dann probiere einmal das aus: 

  • Mach, wenn es irgendwie möglich ist, nicht einfach weiter, sondern beende entweder die Lektion, an der Du gerade arbeitest, mach eine Pause mit dem, was Du gerade tust oder bitte jemanden, Dein Pferd zu halten. So verhinderst Du, dass Du etwas tust, was Du hinterher bereust. 
  • Versuche, im Ja zu bleiben. Sprich aus, was gerade in Dir vorgeht: „Ok, ich weiß gerade nicht weiter und das fühlt sich überhaupt nicht gut an“, oder sprich dein Pferd direkt an: „Ich verstehe Dich nicht und habe keine Ahnung, was ich jetzt mit Dir machen soll.“
  • Öffne Dich für andere Ideen und Wege. Hilflosigkeit entsteht oft, wenn wir das Gefühl haben, keine Wahlmöglichkeiten zu haben. Wir tun z.B. etwas, das wir gelernt haben, aber das Pferd reagiert nicht wie vorgesehen. Das verunsichert uns, weil wir keinen Plan B haben. Versuche, Dich nicht unter Druck zu setzen, sofort eine Lösung finden zu müssen, sondern atme durch und versuche, Dich wenigstens ein bisschen zu entspannen. Frage Dich dann, welche Möglichkeiten Du vielleicht noch hast außer diesen einen Weg, der im Moment (oder auch grundsätzlich) nicht hilft. Gib Dir Zeit, wenn Dir nicht gleich etwas einfällt.

Mittelfristig gilt es dann vielleicht, sich Hilfe zu suchen, aber auch das, ohne in Aktionismus zu verfallen. Manchmal fehlen uns einfach ein paar Informationen, Techniken oder Fertigkeiten oder einfach nur mal ein neutraler Blick von außen, der besser erkennen kann, was gerade falsch läuft.  

Manchmal aber ist es auch wichtig, sich klarzumachen, dass nicht jedes Problem, nicht jede Schwierigkeit immer einer sofortigen Lösung bedarf. Sollte ein Pferd zum Beispiel eine Lektion partout nicht ausführen wollen, hilft es oft, sie einfach eine ganze Weile nicht mehr zu fordern. Irgendwann kann man sie ganz nebenbei noch einmal abfragen oder neu aufbauen und in vielen Fällen hat sich das Problem dann von allein erledigt.  

Mein Anthony hat mich gelehrt, mich meiner Hilflosigkeit immer wieder neu zu stellen und sie anzunehmen. Meistens kann ich sogar schon darüber lachen, wenn ich mal wieder komplett ratlos vor ihm stehe. Und interessanterweise sind das oft genau die Momente, in denen ich ihm ein großes Stück näher komme.  

hilflosigkeit

9. Januar 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang 20 Kommentare »

WIE sagt mein Pferd ja oder nein?

Wer meine Blogbeiträge schon länger liest, weiß, dass ich mich immer wieder mit dem Thema befasse, ob ein Pferd ja oder nein sagt, ganz allgemein oder auch in einzelnen Bereichen (s. dazu auch meinen Blogbeitrag (Ja- und Nein-Sager). Meiner Erfahrung nach lassen sich die meisten Pferde dazu von ihrer Grundtendenz her einordnen, sie reagieren also entweder eher offen und positiv auf alles, was von außen kommt oder eher zurückhaltend bis ablehnend. Damit eine solche Einteilung aber nicht zu holzschnittartig wird, ist es wichtig, sich immer wieder zu fragen, WIE ein Pferd eigentlich ja oder WIE es nein sagt.

Mir wird nämlich immer bewusster, dass es große Unterschiede sowohl in einem Ja als auch in einem Nein gibt, und ich werde meinen Pferden nur dann wirklich gerecht, wenn ich ihr Ja oder Nein genau so differenziert wahrnehme, wie es geäußert wird. Mehr noch, meine eigene Reaktion wird auch durch die Qualität eines Jas oder eines Neins meines Pferdes beeinflusst. 

Schauen wir uns also mal an, welche Qualität so ein Ja oder Nein jeweils haben kann.

Die verschiedenen Arten, Ja zu sagen

Die meisten Pferdemenschen würden wohl das Ja eines Pferdes vor allem so definieren, dass es mitarbeitet, den Hilfen folgt und letztlich das tut, was der Mensch gerne möchte. Lassen wir das an dieser Stelle einmal so stehen (obwohl es lohnenswert sein könnte, allein schon diese Grunddefinition einmal in Frage zu stellen, aber das ist Stoff für einen anderen Blogbeitrag…) und schauen wir uns an, WIE ein solches Ja zur Mitarbeit des Pferdes aussehen kann. Dazu einige Beispiele (es gibt noch viel mehr Spielarten!):

  • Ein Pferd kann freudig ja sagen, verbunden mit Lust und Motivation. Das Pferd erwartet etwas Gutes und hat Spaß an der Aufgabe. 
  • Das Ja kann gestresst sein und zwar grob zu unterscheiden in:
    • negativem Stress ausgelöst durch Angst vor negativen Folgen (das Pferd wurde in der Vergangenheit dafür bestraft, dass es nicht schnell genug reagierte oder Fehler machte u.ä.)
    • und positivem Stress, den man z.B. bei Pferden sehen kann, die geclickert werden und bei denen zu wenig auf Ruhe und Entspannung geachtet wird – diese Pferde haben so viel Freude an der Arbeit, dass der Energielevel so stark ansteigt, dass sie hektisch und hibbelig werden.
    • Stress kann darüber hinaus ausgelöst werden durch nicht-artgerechte Haltung (z.B. oft zu sehen bei reinen Boxenpferden, ausgelöst durch zu wenig Bewegung und Ausgleich mit Sozialkontakten) oder auch in der Persönlichkeit und Geschichte des Pferdes begründet sein (Rasse, starke Unsicherheit, vergangene Erfahrungen usw.).
  • Ein Ja kann auch ein resigniertes Ja sein. Sehr viele Pferde tun, was man von ihnen will, aber sie tun es ohne Freude, ohne Engagement. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass Weigerung Strafen bedeutet, und sie haben aufgegeben, einen eigenen Willen zu zeigen. Sie machen zwar mit, aber haben innerlich gekündigt und betreiben Dienst nach Vorschrift. 

Allein diese drei Arten, ja zu sagen, zeigen wie unterschiedlich ein Pferd mitarbeiten kann. Dass ein Pferd macht, was man von ihm will, heißt noch lange nicht, dass es das gerne tut. 

Die unterschiedlichen Qualitäten eines Neins

Ein Pferd kann auf viele Weisen nein sagen: Es dreht vielleicht den Kopf weg, wenn es gehalftert werden soll oder es läuft weg, wenn es von der Weide geholt werden soll. Es verweigert Hilfen, reagiert nicht auf Impulse und tut nicht, was der Mensch möchte. Im schlimmeren Fällen wehrt es sich gegen den Menschen, beißt, tritt, steigt oder Ähnliches.

Genauso vielfältig wie sich das Nein eines Pferdes äußern kann, so vielfältig können auch die Ursachen dafür sein. Hier auch einige Beispiele dafür:   

  • Ein Nein aus Angst – Das Pferd zeigt Angst oder gar Panik (wovor auch immer), erstarrt und geht z.B. nicht weiter vorwärts oder flüchtet. 
  • Ein „Jetzt-gerade-nicht-Nein“ – Das Pferd hat zum Beispiel gerade Futter bekommen und mag sich nicht halftern lassen, weil es fressen will. 
  • Ein „So nicht“-Nein – In diesem Fall sagt das Pferd zu der Art, wie mit ihm gerade im Moment oder ganz allgemein gearbeitet wird, nein, nicht aber grundsätzlich zu allem. Ein solches Pferd läuft vielleicht gerne vor der Kutsche, verweigert aber die Arbeit in der Reitbahn.
  • Ein „Nicht mit dir“-Nein“ – Dieses Nein zeigt sich am deutlichsten, wenn ein Pferd Angst vor einer Person hat (z.B. vor dem Tierarzt, weil es ihn mit Schmerzen verbindet oder vor einem Ausbilder, der es misshandelt hat). Dieses Nein kann sich aber auch so zeigen, dass ein Pferd z.B. mit einer Reitbeteiligung gerne springt, das aber bei der Besitzerin verweigert oder mit seinem Besitzer locker ins Gelände geht, aber bei der Reitbeteiligung schon am Hofausgang stehen bleibt. 
  • Ein „Ich will gar nicht mehr“-Nein – Diese Art des Neins zeigt sich je nach Typ in zwei Extremen: Mit einem solchen Nein gibt das Pferd entweder komplett auf (lässt sich also z.B. schlagen und reagiert nicht mehr) oder es wird aggressiv. Es erwartet nichts Gutes mehr von Menschen und ist bereit, gegen jeden anzugehen, der etwas von ihm will. 

Für mich bietet die Beschäftigung mit der Frage, wie ein Pferd jeweils ja oder nein sagt, sehr viel Denk- und vor allem Fühlstoff. Sie begleitet mich seit einiger Zeit im ganz praktischen Pferdealltag und ich merke, dass mir die Frage nach dem Wie ganz viele Anregungen für einen besseren Umgang mit Pferden und einem schöneren Miteinander schenkt.

Nehmt diese Frage doch einmal selbst mit, wenn Ihr zu Eurem Pferd geht, und schaut, was Euch auffällt.

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6. Dezember 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 22 Kommentare »

Wo Pferde unter Regenbögen warten – oder: Ein Coaching auf La Palma

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29. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching, Erfahrungsberichte, Erkenntnisse 3 Kommentare »

Eine Idee: Supervision für Trainer und Reitlehrer

Bei vielem, über das wir in Sachen Pferdeschutz und Engagement schreiben, kommt man über kurz oder lang zu der wichtigen Rolle, die Reitlehrer und Trainer spielen. Sie sind es, die Anfänger und auch Fortgeschrittene oft entscheidend prägen und das zum Guten oder auch zum Schlechten. Es sollte eine ihrer Aufgaben sein, Reitschülern/innen zu vermitteln, dass man sich immer wieder selbst hinterfragen muss und nie etwas beim Pferd als selbstverständlich zu sehen. Leider aber erlebe ich immer wieder, dass Reitlehrer und Trainerinnen irgendwann genau damit aufhören: sich und ihr Tun zu hinterfragen und das hat oft sehr negative Folgen. Deshalb möchte ich die Idee einer Supervision für alle, die in Sachen Pferde Unterricht geben, in die Runde werfen. 

Was ist Supervision? 

Supervisionen gibt es vor allen in psychosozialen Berufen und ist z.B. bei Therapeuten ein wichtiger Bestandteil ihrer Ausbildung und Arbeit. Supervisionen haben das Ziel, blinde Flecke aufzudecken und stellen so etwas wie eine „Qualitätssicherung“ dar.

Bei der Supervision gibt es eine außenstehende und meist gezielt dafür ausgebildete Person (den Supervisor) und es geht darum, auf die so genannte Meta-Ebene zu gehen, also gleichsam das eigene Tun mit etwas Abstand und ein bisschen wie aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dabei wird das Verhalten beobachtet, analysiert und reflektiert, mit dem Ziel einer positiven Weiterentwicklung.

Nun muss man das Ganze ja aber gar nicht gleich ganz so hoch aufhängen. Ich denke, es wäre schon viel geholfen, wenn jeder, der unterrichtet, sich hin und wieder dabei filmt und sich seine eigene Arbeit einmal aus etwas Abstand anschaut und hineinspürt. Wenn man dann noch jemanden, dem man vertraut und dessen Arbeit man selbst schätzt, hin und wieder um ein Feedback bittet, bekommt man sicher schon einige gute Impulse für die eigene Arbeit. 

Brauchen Reitlehrer so etwas überhaupt? 

Nun werden viele vielleicht denken, dass so etwas ja ein bisschen übertrieben ist, ist doch schließlich nur Reitunterricht oder nicht?

Fakt ist: Beim Reitunterricht geht es nicht nur um ein anderes Lebewesen (den Menschen), sondern auch noch um ein ganz anderes (das Pferd) – und der Spagat den Bedürfnissen beider gerecht zu werden, ist oft sehr, sehr schwer. Ein Reitlehrer ist ja eben nicht nur dafür da, dem Reitschüler bestimmte Techniken zu vermitteln, sondern eigentlich soll er zwei (oft sehr unterschiedlichen) Wesen ermöglichen, sich zu verständigen, um gemeinsam lernen zu können und wenn es sich um ein eigenes Pferd handelt, die beiden im besten Fall zu einem Team zu machen. 

Nun ist Reitlehrer kein geschützter Beruf. Quasi jeder kann Reitunterricht geben, unabhängig davon, wie viel Pferdeverstand, wie viel Erfahrung und Wissen die Person hat, von den pädagogischen Fähigkeiten, Einfühlungsvermögen und Kommunikations-Knowhow und dergleichen mehr mal ganz abgesehen. Selbst wenn Reitlehrer eine spezielle Ausbildung dafür gemacht haben (ob nun Trainerscheine der FN, Seminare, Ausbildungsgänge oder ähnliches), heißt das noch lange nicht, dass sie tatsächlich gut sind in dem, was sie tun. Und es überschätzen sich leider doch ganz schön viele Pferdemenschen, wenn es um ihre Fähigkeiten geht, andere zu unterrichten. 

Selbstreflexion ist die wichtigste Grundlage eines jeden, der unterrichtet!

Für mich macht gute Reitlehrer und Pferdetrainerinnen aus, wenn ich merke, dass sie nie vorgeben, alles zu wissen, sondern wenn sie selbst in einem ständigen Lern- und Dazulern-Prozess sind und das transparent machen. Keiner muss alles wissen, aber wir sollten uns immer darüber bewusst sein, dass wir alle Lernende sind, eben auch die, die unterrichten. 

Ich denke, der Schlüssel zu einem menschen- und pferdegerechten Unterricht ist immer Selbstreflexion. Und die ist verdammt schwer. Es kann deshalb sehr hilfreich sein, sich hier von anderen helfen zu lassen – sei es durch einen liebevoll-kritischen Blick, durch einige Anregungen oder auch durch gezielte Weiterbildung. Und ja, als erster Schritt könnten auch schon Videos von der eigenen Arbeit zur Selbstreflexion helfen.

Mir ist klar, dass die Idee einer Supervision für Reitlehrer und Trainer ganz schön unbequem ist und ja, das Ganze kann mit Kosten und Zeitaufwand verbunden sein. Ich weiß auch nur zu gut, dass man manches eigentlich auch gar nicht so genau wissen möchte, weil man ahnt, dass das größere Veränderungsprozesse anstoßen könnte. Entscheidend für mich ist an dieser Stelle, aber überhaupt einmal für die enorme Verantwortung zu sensibilisieren, die all jene haben, die andere unterrichten (und sei es nur „nebenbei“) –  und zwar in Bezug auf Mensch UND Pferd. Genau das möchte ich gerne zur Diskussion stellen und ich bin gespannt auf Eure Ansichten dazu!

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22. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching, Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse 6 Kommentare »

Der Schlüssel lautet „Zeit“

Ich glaube inzwischen, dass es ein regelrechtes Wundermittel für die meisten Probleme gibt, die wir mit Pferden haben (oder besser gesagt: zu haben glauben, denn oft haben sie viel mehr ein Problem mit uns, aber das ist ein anderes Thema 😉 ) und das lautet: Zeit! 

Plötzlich ein Kleber?!

Ich bin ja vor kurzem mit meinen Jungs umgezogen und so reibungslos der Umzug und das Ankommen für die beiden waren, so zeigten sich dort dann einige Sachen, mit denen wir bisher keine Probleme hatten. Zum Beispiel wurde Anthony fast panisch, wenn ich mit Aramis etwas machen wollte. Die Jungs kennen das, solange sie zusammenstehen, dass ich mal mit dem einen, mal mit dem anderen losgehe. Nun hatte Anthony aber den Sommer getrennt von Aramis verbracht und ganz eindeutig fehlen ihm im Moment das Vertrauen und die gelassene Gewissheit, dass Aramis wiederkommen wird. In den ersten Tagen wieherte er schon herzzerreißend, wenn ich Aramis nur aus dem Paddock nahm, um in Sichtweite etwas mit ihm zu machen. Ihn auch nur um die Ecke vom Hof zu führen ließ dann Anthonys Stimmchen regelrecht kippen, so dass echte Verzweiflung zu hören war. 

Während ich früher ganz sicher voller Sorge davon ausgegangen wäre, dass ich nun einen Kleber habe und alles versucht hätte, das zu ändern, war ich jetzt ganz gelassen. Ich wusste, dass die Zeit für mich arbeiten würde. Erstens würde Anthony die Erfahrung machen, dass Aramis immer wieder kommt, und das Problem würde ganz sicher geringer werden, wenn die Jungs erstmal nicht mehr nur zu zweit stehen, sondern mit den anderen Pferden zusammen kommen würden. 

Also tat ich das, was ich anderen inzwischen bei ganz vielen Problemen rate: Ich gab Anthony Zeit. Ich forcierte nichts, dosierte die kleinen Abschiede ganz behutsam und ließ die beiden oft auch einfach beieinanderstehen und unternahm dann eben nichts mit Aramis, um Anthony nicht ständig zu beunruhigen.

Jetzt sind die Jungs schon einige Wochen in dem neuen Stall und seit kurzem stehen sie dauerhaft mit den anderen Wallachen zusammen. Und siehe da: Anthony kann es inzwischen immer besser ertragen, wenn ich mit Aramis mal weggehe. Zwischendurch wiehert er noch mal und wird unruhig, aber dann beruhigt ihn einer der anderen. Das Problem löst sich, genau, wie ich mir das dachte, einfach langsam von allein. Hätte ich „das Problem“ aktiv zu lösen versucht, damit es schneller geht, hätte ich unter Umständen vieles schlimmer gemacht.

Zeit kann Wunder bewirken

Ich bin fest davon überzeugt: Oft muss man einfach nur Geduld haben und etwas Zeit verstreichen lassen – und das gilt für ganz, ganz viele Themen! Aber wir Menschen neigen dazu, alles immer gleich und sofort haben zu wollen und schlagen Alarm, wenn ein Problem nicht ad hoc lösbar ist. Dabei übersehen wir, dass Pferde in einer ganz anderen Zeitwelt leben als wir. Sie wissen nichts von unseren Vorstellungen und Erwartungen darüber, wie schnell etwas zu gehen hat. Es ist uns vielleicht nicht bewusst, aber wir nehmen uns für uns selbst viel wenig Zeit und erwarten in der Folge davon auch von all unseren Mitlebewesen, dass sie sich unserem Zeittakt (der oft gleichbedeutend mit Druck und Stress ist) anpassen. Aber genau das können Pferde oft nicht. Sie tun das nicht aus Bosheit oder Dummheit, sondern für sie gibt es unsere Vorstellung von Zeit einfach nicht. 

Auch in meinen Coachings stelle ich immer wieder fest, dass Zeit ein ganz wichtiger Faktor in Hinblick auf positive Veränderungen ist: Diejenigen, die bereit sind, nicht nur ihren Pferden, sondern eben auch sich selbst Zeit zu geben – egal ob es z.B. um das Thema Angst geht, um Vertrauen, um das Erlernen von neuen Übungen, um den Umgang mit Verhaltensveränderungen oder um noch etwas anderes – erreichen oft sehr viel. Denn sie geben sich und dem Pferd Entwicklungsraum und sie tun etwas ganz Entscheidendes: In dem Moment, in dem sie bereit sind, Zeit zu investieren, lassen sie ihre Erwartungen los. Und das bewirkt ganz, ganz viel.  

anundar 

1. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Haltung, Umgang, Verhalten 8 Kommentare »

Wir brauchen eine Streitkultur in unseren Ställen: 3 hilfreiche Regeln

Ich kaue weiter auf dem schwierigen Thema herum, wie man mit Unrecht gegenüber Pferden umgehen soll. Die zahlreichen Reaktionen, die wir auf den letzten Artikel dazu bekommen haben, zeigen, dass sich sehr viele hilflos fühlen, wenn sie etwas sehen, unter dem Pferde leiden und dass die wenigsten wissen, wie man damit am besten umgehen kann, sowohl im eigenen Stall als auch draußen. Was ich glaube, was uns allen fehlt, ist eine konstruktive Streitkultur oder wenigstens eine Handvoll Regeln für die Kommunikation, denn Kommunikation ist der Schlüssel zum Verstehen. 

Vielleicht bin ich mal wieder hoffnungslos naiv, aber ich habe ein Bild im Kopf von einem anderen, einem besseren Umgang miteinander, von dem wir Menschen und damit auch die Pferde profitieren würden.

Für den Anfang habe ich hier mal drei Regeln zusammengestellt, die meiner Einschätzung nach sehr vieles verändern könnten: 

Regel 1: Es geht um die PFERDE!

Diese Regel scheint leider sehr schwer zu vermitteln zu sein, aber sie könnte Grundlegendes zum Guten verändern. 

Aus meiner Sicht liegt das Hauptproblem in der Kommunikation in Ställen darin, dass sich jeder sofort persönlich angegriffen fühlt. Selbst eine neutrale Nachfrage wird oft sofort als Kritik aufgefasst, die Äußerung einer anderen Idee als Affront und auch konstruktive Kritik geradezu als Kriegserklärung.

Aber muss das wirklich so sein? Es sollte doch eben gerade nicht um UNS gehen, sondern um die Pferde und genau das müsste doch im Interesse aller Pferdemenschen sein! Wenn wir die Pferde konsequent in den Fokus stellen, wird vielleicht möglich, auch in Ställen Gespräche zu führen, von denen alle profitieren.

Lassen wir uns doch für den Moment einmal auf diese Vision ein: Was würde wohl passieren, wenn wir alle davon ausgehen würden, dass für jeden im Stall das Wohl der Pferde oberste Priorität hat. Das würde bedeuten, dass wir annehmen können, dass also jeder, der etwas sagt, seinen Blick konsequent auf dem Pferd hat und dass er oder sie vielleicht tatsächlich etwas sieht und wahrnimmt, für das ich in diesem Moment vielleicht blind bin?

Wow, würde ich dann vielleicht nicht ganz anders damit umgehen, wenn mir jemand etwas sagt? Schließlich will ich doch das Beste für mein Pferd, oder etwa nicht?

Ja, diese Regel fordert von uns, unser Ego zurückzunehmen und verletzte Gefühle und Eitelkeiten, eigene Erwartungen, Schuldgefühle und dergleichen mehr, wenigstens für einen Moment hinter die Frage zu stellen: 

Ist das, was ich gerade tue oder entscheide,
wirklich gut für mein Pferd?

Es geht bei dieser Idee nur um dieses Innehalten, nicht darum, dass man seinen eigenen Weg und seine eigenen Ansichten komplett über den Haufen werfen soll, nur weil mal jemand etwas sagt. Es geht allein um die kleine Pause, die ermöglicht, einen Schritt zur Seite zu machen und das eigene Tun zu reflektieren – was uns direkt zur zweiten Regel bringt:

Regel 2: Ständige Bereitschaft zur Selbstreflexion

Pferdeställe sind leider Orte, an denen die wenigsten bereit sind, voneinander zu lernen, sondern in denen die meisten (aus welchen Gründen auch immer) davon ausgehen, genug zu wissen und alles richtig zu machen. Nun gibt es aber niemanden, wirklich niemanden, der keine Fehler macht und es gibt niemanden, der nichts mehr dazulernen kann (wenn wir ehrlich sind, wissen wir das auch ganz genau). 

Für mich gehört inzwischen die Bereitschaft und auch die Fähigkeit, das eigene Tun zu hinterfragen, nicht nur, aber gerade in Pferdeställen zu dem Wichtigsten, was vermittelt werden kann. In vielen Lernsituationen herrscht immer noch das Lehrerprinzip: Einer sagt, was richtig ist und alle müssen es übernehmen – genauso wird es traurigerweise immer noch oft im Reitunterricht praktiziert. Wir brauchen aber eine offene Lernatmosphäre, in der Fragen erlaubt sind, in der Fehler eingestanden, in der wir ausprobieren dürfen und Verhalten geändert werden kann. 

Gerade Reitlehrer müssten Vorbilder in Sachen Selbstreflexion sein, denn sie ist der einzige Garant dafür, dass wir Fehler nicht ständig wiederholen, dass wir fair bleiben und auf unser Gegenüber (also unser PFERD) eingehen können. Wer nicht bereit ist, sich selbst zu reflektieren, wird sehr schnell selbstherrlich – und diese Selbstherrlichkeit ist aus meiner Sicht eines der größten Probleme in Pferdeställen und vor allem die Aggression, die aus ihr entsteht, wenn jemand an ihr zu kratzen wagt. Denn, wenn uns jemand auf unser Verhalten anspricht und wir nicht bereit sind, kurz nachzuspüren, ob vielleicht etwas an dem Gesagten dran sein könnte, sondern uns nur angegriffen fühlen, reagieren viele von uns reflexartig und schlagen zurück – oft ohne überhaupt genau verstanden zu haben, was gesagt und gemeint wurde. Wenn wir aber versuchen würden, erst einmal zu verstehen, was die Person uns sagen will, würden wir die automatische Reaktion unterbrechen können und wir würden unser Verhalten zu reflektieren beginnen. 

Es geht, wie schon gesagt, überhaupt nicht darum, dass man all das, was man gelernt hat, weiß und tut, über den Haufen werfen muss. Aber es geht darum, offen zu bleiben für die Anregungen und Ansichten andere, für Feedback und Rückmeldungen und vor allem für Weiterentwicklung und Dazulernen. Und dafür braucht es eine viel vertrauensvollere Umgebung, als sie bisher in der Regel in Reitställen herrscht. Die vielleicht entscheidendste Ursache dafür führt mich zu Regel Nummer drei:

Regel 3: Nicht über- sondern MITeinander reden

Diese Regel ist aus meiner Sicht ebenfalls unerlässlich, weil sie überhaupt erst so etwas wie Offenheit und ja, im Idealfall sogar Vertrauen ermöglicht. Und zwar geht es darum, dass wir nicht über andere reden, sondern MIT ihnen.

Keine Frage, es ist oft viel leichter, anderen von dem „Mist“ zu erzählen, den jemand verzapft und wie „doof“ jemand ist oder wie brutal – aber, und darüber sind sich viele leider nicht wirklich bewusst: das Reden über andere vergiftet alles.

Aus meiner Sicht ist es nur dann angemessen und unter Umständen auch sinnvoll, über jemanden zu reden, wenn mehrere sich zusammen tun wollen, um aktiv (und hoffentlich konstruktiv) gegen jemanden vorzugehen, der unbelehrbar immer wieder Schlimmes tut. Eine solche Absprache hat aber nichts mit Lästern zu tun. Lästern sollte immer tabu sein, denn Lästern ist der Nährboden für Angst, Misstrauen, Missgunst und vieles mehr. Und darunter leiden alle. 

Ich habe mich immer gefragt, was dieser Spruch „Das Leben ist kein Ponyhof“ eigentlich bedeuten soll, denn er suggeriert, dass Ponyhöfe eine heile Welt sind. Jeder, der normale Reitställe von innen kennt, weiß, dass in den meisten Fällen genau das Gegenteil der Fall ist: Lästereien, Missgunst und Mobbing gehören häufig zur Tagesordnung und das ganz sicher, weil immer eher über andere und eben nicht MITEINANDER geredet wird. Wie sollen da konstruktive Gespräche zustande kommen, wie soll man da voneinander lernen und offen für Anregungen sein? Nur wenn wir mutig werden, auf andere Pferdemenschen zuzugehen und etwas von uns selbst zu zeigen, nämlich z.B., was in uns vorgeht, was wir denken und fühlen und ja, auch unsere eigenen Fehler und Unsicherheiten und Fragen, werden sich auch andere öffnen können. 

Um diese Regel umsetzen zu können, brauchen wir alle eine gute Portion Kommunikations-Knowhow, denn viele von uns wissen nicht wirklich, wie man überhaupt Gespräche konstruktiv führen kann. So etwas wird natürlich nicht im Reitunterricht gelehrt (und leider eben oft auch nicht in der Schule oder daheim). Sich hier gewisse Schwächen einzugestehen, ist der erste Schritt, sich mit der Frage zu befassen, was Kommunikation eigentlich ausmacht und wie man konstruktiv und respektvoll mit anderen Menschen reden kann. Es gibt dazu viele Modelle und Anregungen und es wird dazu auch bei „Wege zum Pferd“ noch den einen oder anderen Beitrag zu lesen geben. 

Und gerade was diesen Punkt angeht, also mehr über das zu lernen, was eine gute Kommunikation ausmacht und achtsamer im Umgang mit anderen Menschen zu werden, das ist genau das, was sich meiner Ansicht nach auch unmittelbar positiv auf unser Verhalten gegenüber Pferden auswirken wird. 

Was meint Ihr, wollen wir es versuchen? 

kommunkation

25. Oktober 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Sonstiges 5 Kommentare »

Meinem Pferd zuliebe

Wie oft habe ich in der Vergangenheit gedacht, ich tue etwas meinem Pferd zuliebe und wie oft habe ich dabei schon daneben gelegen. Ich habe meinem Pferd zuliebe trainiert und gefordert, ich habe meinem Pferd zuliebe gekauft und ausprobiert, ich war meinem Pferd zuliebe grob und streng, ja, ich habe meinem Pferd zuliebe so viel getan und so viel falsch gemacht… 

Mein Anthony hat mich in den letzten Jahren konsequent gelehrt, was es wirklich heißt, einem Pferd etwas zuliebe zu tun: 

  • Es erfordert, das Pferd in seiner Persönlichkeit und mit seinen Bedürfnissen wahrzunehmen. 
  • Es erfordert, die eigenen Erwartungen ein großes Stück und manchmal auch ganz loszulassen. 
  • Es erfordert offen zu werden für Signale und Zeichen des Pferdes und zu lernen, diese zu verstehen. 
  • Es erfordert bereit zu sein, das eigene Tun und Denken zu hinterfragen und dazu zu lernen. 
  • Und es erfordert, nicht blind Regeln oder Vorgaben zu folgen (ob selbst gemachte oder von anderen übernommene), sondern vor allem dem, was uns unser Pferd zeigt. 

Dieser Weg ist zugegebenermaßen anstrengend und schwierig. Und immer wieder all das loslassen zu müssen, was man sich nett ausgemalt hatte, kann ziemlich frustrierend sein, so dass es durchaus verlockend ist, seinen Willen einfach durchzusetzen. Und ja, es ist natürlich viel einfacher, das zu tun, was einem andere sagen oder jedes Pferd gleich zu behandeln, nach dem Motto: Was einmal klappt, klappt immer.

Aber all das heißt eben genau nicht, dass wir es unserem Pferd zuliebe tun, sondern, wenn wir ehrlich sind, uns selbst zuliebe. Danke, Anthony, dass Du mir das bewusst gemacht hast.

anthony_0416

18. Oktober 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 6 Kommentare »

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