Die Sache mit den anderen…

Ich mache mir viele Gedanken darüber, wie ich meinen Pferden gerecht werden und unser Miteinander möglichst bewusst und gewinnbringend für beide Seiten leben kann. Und in diesem Zusammenhang ist mir immer wieder deutlich geworden, dass ich, wenn ich zu meinen Pferden fahre, mich dort ganz auf sie konzentrieren und konsequent bei ihnen bleiben will. Das wirkt sich zwangsläufig auf das Miteinander mit anderen Pferdeleuten im Stall aus. Denn, so hart das klingt: Andere Menschen bedeuten Ablenkungen. Das meine ich kein bisschen böse, sondern es ist eine Tatsache, derer wir uns bewusst sein sollten, gerade, wenn es uns darum geht, achtsam für unsere Pferde zu sein. Babette hat zu diesem Thema auch schon mal was verfasst, s. hier und in diesem Artikel bin ich auf das Thema „Gruppenzwang“ eingegangen. Mit dem heutigen Beitrag möchte ich ganz bei meinen eigenen Erfahrungen bleiben, schaut, was Ihr Euch daraus mitnehmen könnt.

Meine Entscheidung (bzw. mein Bedürfnis), in erster Linie meine Pferde zu besuchen, wenn ich in den Stall fahre, hat auch schon früher dazu geführt, dass ich immer versuch(t)e, eher ruhige Momente im Stall zu finden, also Zeiten, an denen wenig los ist und ich idealerweise allein da bin. Genauso halte ich mich auch sehr zurück, wenn ich andere mit ihren Pferden zusammen sehe, denn ich möchte nicht stören. Wahrscheinlich wirke ich dadurch leider oft ungesellig, ja, vielleicht sogar abweisend, und das tut mir leid. Aber genau das lässt sich kaum verhindern, wenn ich die Priorität im Stall konsequent auf meine Pferde legen will.

Es beginnt schon, wenn ich komme und Aramis freudig brummelnd zum Tor kommt und schon ungeduldig scharrt, weil er weiß, dass er gleich was Leckeres zu fressen bekommt. In diesem Moment kann ich mich nicht wirklich auf einen freundschaftlichen Plausch mit Miteinstellern einlassen und ja, in diesen Momenten lasse ich sogar Babette stehen und gehe erst zu meinem Pferd, denn er ist mein Date in diesem Moment und niemand anderes. 

Und es geht mit lauter solcher Einzelentscheidungen weiter:

  • Wie lange mute ich meinem Pferd zu, am Anbinder zu stehen, wenn mir jemand etwas erzählen will?
  • Unterhalte ich mich, während ich meine Pferde putze, mit jemanden oder will ich mich auch beim Putzen wirklich meinen Pferden widmen?
  • Unterbreche ich Übungen oder auch nur mein Bei-meinem-Pferd-sein, wenn jemand in den Stall kommt, um zu reden, mir etwas zu zeigen oder mich um Hilfe zu bitten?
  • Schaue ich, während ich eigentlich bei meinen Pferden bin, rüber zu den anderen, wie sie reiten oder mit ihren Pferden umgehen?
  • Reite ich mit jemanden zusammen aus?

Natürlich freue ich mich, die anderen im Stall zu sehen, und auch ich quatsche gerne. Aber, und darum geht es mir, ich setze Prioritäten. Zum Stall zu fahren bedeutet für mich, meine Pferde zu besuchen und Zeit mit ihnen zu verbringen. Ich möchte für sie da sein und ich möchte auf sie eingehen können. Dafür muss ich mich für sie öffnen und mich auf sie einlassen, auf ihre Stimmung und auch auf meine, auf ihr Tempo und auch meines, auf ihre Zeichen und auf meine eigene Körpersprache. Und das erfordert Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.

DSC_0022Die Kommunikation mit Pferden ist so vielschichtig und kann unglaublich fein sein, wenn wir wirklich bei unseren Pferden bleiben und uns nicht ablenken lassen – ablenken durch andere Menschen, durch Gespräche, durch das, was andere mit ihren Pferden machen, durch Fremdstimmungen usw.

Ich stelle immer wieder fest, dass ich „anders“ bin, wenn ich allein mit meinen Pferden bin oder wenn ich meine Aufmerksamkeit aufteile. Und so ist es mir am liebsten, wenn ich mich erst einmal ganz in Ruhe meinen Pferden widmen kann – und danach bin ich dann durchaus auch für ein Schwätzchen zu haben. Es ist ein Abwägen und ein Zwiespalt zwischen meinen Pferden und den anderen Menschen, der nicht immer leicht ist. Dass ich mich im Zweifelsfall für meine Pferde entscheide, hat nichts damit zu tun, dass ich andere nicht mag – und so kann dieser Beitrag vielleicht auch eine Erklärung bieten, warum manch ein Pferdemensch so eigenbrötlerisch wirkt; es hat oft überhaupt nichts mit einer Entscheidung gegen andere zu tun, sondern es ist eine Entscheidung für die eigenen Pferde.

Nun interessiert mich: Wie seht und wie haltet Ihr das?

Und hier könnt Ihr noch mehr zu dem Thema lesen. 

21. April 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Sonstiges, Umgang 31 Kommentare »

Ja zum Nein oder wozu sonst?

Wie alle, die schon länger mitlesen, wissen, ist mein Anthony ein Nein-Sager, wie er im Buche steht. Und da wird mir ziemlich oft die Frage gestellt, wie ich es eigentlich schaffe, mit seinem Nein umzugehen. Auf diese Frage möchte ich ganz ehrlich antworten: So sehr ich versuche, Ja zu seinem Nein zu sagen, so komme ich damit keineswegs immer gleich gut klar, sondern sehr unterschiedlich je nach meiner eigenen Tagesform oder auch nach dem Grad der Rotzigkeit, mit der er mir gegenübertritt.

Es gibt inzwischen viele Tage, an denen ich ehrlich schmunzeln oder auch herzlich lachen kann, wenn er mir mal wieder den Mittelhuf zeigt oder er komplett auf Krawall gebürstet ist. An anderen Tagen macht es mich traurig, weil alles so viel schöner sein könnte, wenn er etwas kooperativer wäre, und ich ihn nicht verstehe, und ich mich frage, was ich wieder falsch mache oder noch tun kann, aber keine Antwort finde. Und immer noch gibt es auch Tage, an denen es mich schlicht und einfach nervt, dass er so ist, wie er ist, und ich damit hadere, warum er nicht einfach ein bisschen unkomplizierter und netter sein kann.

Ich weiß, dass ich nicht umsonst ein Pferd wie ihn bekommen habe, und, wie schon öfter geschrieben, ich habe von Anthony durch seine Art mehr gelernt als von allen anderen Pferden, gerade auch über mich selbst. Gleichzeitig kostet er mich aber auch viel mehr als alle anderen Pferde, aber das liegt wohl in der Natur der Sache.

Gerade weil er mir auch immer wieder ganz berührende Momente schenkt, in denen er sich öffnet und dadurch buchstäblich die Sonne aufgeht, ist es dann umso härter, wenn er wieder dicht wie eine Auster macht. Da muss ich dann immer wieder feststellen, dass ich bis zum heutigen Tag nicht ganz erwartungsfrei bin und dass ich manches auch nach all den Jahren und Selbstreflexionen persönlich nehme. Es ist sein „Ich weiß zwar nicht, worum es geht, aber ich bin auf jeden Fall dagegen“, das mir besonders wehtut, da ich doch versuche, alles zu tun, um ihm ein gutes Leben zu ermöglichen, und noch immer mir die Schuld für sein Verhalten gebe, wenn ich das Gefühl habe, dass er unzufrieden ist. Wer auch ein Nein-Sager-Pferd hat, wird verstehen, was ich meine.

Mit Anthony umzugehen, heißt für mich immer wieder, ihm Grenzen zu setzen und auf diesen zu bestehen, denn in seinem Nein überschreitet er diese ständig. Und das macht es so schwer, Ja zu seinem Nein zu sagen, weil ich in der Praxis oft das Gefühl habe, Nein zu seinem Tun sagen zu müssen.

Ich ahne, dass viel in diesem Thema Grenzen steckt. Vielleicht geht es darum, meine eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu erkennen und diese zu akzeptieren – also das, was ich geben und leisten und tun kann und was eben auch nicht. Ich sehne mich nach Harmonie mit ihm und danach, endlich mal das Gefühl zu haben, ihm gerecht zu werden, aber genau das erreiche ich irgendwie nie (nicht dauerhaft jedenfalls). Ich bin also mal wieder oder immer noch auf dem falschen Weg.

Vielleicht stelle ich auch immer wieder die falsche Frage. Vielleicht geht es nicht nur darum, wie ich Anthony und sein Nein annehmen kann, sondern auch darum, mich selbst in der Beziehung zu ihm? Wie ich ohne Schuldgefühle und schlechtes Gewissen akzeptieren kann, dass ich mit ihm nicht so sein kann, wie es eigentlich gerne sein würde, und ihm nicht das geben kann, was ich geben möchte? Vielleicht muss ich mehr Ja zu mir selbst sagen?

Wieder mal viel Stoff zum Nachdenken …

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24. März 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 20 Kommentare »

Wie es mir geht? Fragen Sie mein Pferd!

Wer hier schon etwas länger mitliest, weiß dass ich mit meinem Anthony ein Pferd habe, das mich, sagen wir mal, immer wieder vor Herausforderungen stellt. Ich habe schon viel darüber geschrieben, was ich durch ihn gelernt habe (siehe z.B. hier, hier und hier) und es ist wohl so, dass Anthony mich mehr über das Wesen von Pferden gelehrt hat, als alle anderen Pferde, mit denen ich zu tun hatte.

Darüber hinaus aber hat Anthony mir auch sehr viel über mich selbst gezeigt. Dieses Pferd hat mich immer wieder an meine Grenzen gebracht und manches Mal auch darüber hinweg. Ich habe durch ihn viele meiner Schwächen erkannt und konnte lernen, manche davon konstruktiv umzuwandeln. Und wie kein anderes Wesen, das ich kenne, reagiert Anthony unmittelbar und ungefiltert auf meine Stimmungen und Befindlichkeiten. Wenn ich wissen will, wie es mir geht, muss ich nur zu ihm gehen und bekomme eine deutliche Antwort.

Es gibt z.B. Tage, an denen ich eigentlich denke, dass ich gut drauf bin. Vielleicht habe ich gut was weggearbeitet, vielleicht einen netten Erfolg gehabt oder bin aus anderen Gründen meiner Einschätzung nach gut gelaunt. Doch treffe ich dann auf Anthony, dreht er sich weg, schnappt nach meinem Arm oder lässt sich nicht aufhalftern. Während ich früher in einer solchen Situation schnell wütend wurde oder mich abgelehnt fühlte, nehme ich das heute zum Anlass zu überlegen, was ich wohl ausstrahle, auf dass er so reagiert – vielleicht bin ich angespannt, vielleicht zu „businessmäßig“ drauf, vielleicht zu wenig „da“, sondern mit meinen Gedanken ganz woanders. An anderen Tagen denke ich, dass er heute wahrscheinlich nicht mit mir mitkommen will, weil ich irgendwie mit einer ganz grauen Stimmung zu ihm komme, traurig bin oder nachdenklich und er empfängt mich gleichsam mit einem Lächeln, steckt seinen Kopf freiwillig ins Halfter und sucht meine Nähe. Dann weiß ich heute, dass ich offenbar an diesem Tag viel offener und zugänglicher bin, als ich dachte.

Auch dieser Beitrag könnte wieder einer sein, bei dem mir manch einer vorwerfen wird, mein Pferd zu vermenschlichen. Aber das weiß ich inzwischen besser. Pferde ganz allgemein sind sehr gut darin, unsere Stimmungen und Befindlichkeiten zu erspüren, und auch wenn sie nicht alle so deutlich darauf reagieren, so wissen sie alle sehr genau, ob wir gerade gestresst oder gereizt oder locker und entspannt sind (und vieles mehr).  Anthony gehört zu den Pferden, die nicht nur sehr viel wahrnehmen, sondern auch sofort ganz klar darauf reagieren. Seine Sensibilität ist tatsächlich so hoch, dass er oft besser weiß, wie es mir geht, als ich selbst.

Ich bin mir sicher, dass ich mir das nicht nur einbilde, denn über viele Jahre habe ich mir immer wieder gesagt, dass das nicht sein kann und habe die Zeichen meines Pferdes ignoriert oder ich habe versucht, ihn „zu erziehen“. Schließlich kann man sich nicht alles gefallen lassen, oder? Und wo kämen wir denn dahin, wenn man einem Pferd ständig alles durchgehen lässt? So dachte ich. Jetzt, wo ich immer besser akzeptieren kann, dass Anthony Anthony ist, und es mir immer besser gelingt, ihn in seinem Sein zu würdigen, kann ich auch das besser annehmen, was er mir durch sein Verhalten mitteilt. Klar, oft hat sein Verhalten vor allem mit ihm selbst zu tun (ich bin ja nur den kleinsten Teil seines Tages da und es gibt vieles, was ihn beschäftigt, angefangen vom Wetter und körperliche Befindlichkeiten über die Futtersituation bis hin zu anderen Pferden und vieles andere mehr), aber ganz oft reagiert er eindeutig auf mich und das, was ich mitbringe. 

Und so kann ich also tatsächlich an meinem Pferd ablesen, wie es mir geht. Nicht immer gefällt mir, was ich da gespiegelt bekomme, aber immer liegt er ziemlich richtig, was ich in der Selbstreflexion erkenne. Manchmal kann ich mich durch sein Verhalten anders auf ihn einlassen und bekomme sofort eine positive Reaktion, manchmal aber muss ich auch einfach akzeptieren, dass wir uns an diesem Tag nicht guttun. Dann bekommt er seine Möhre und wir lassen einander sein, so wie wir eben sind.

Vielleicht kann auch dieser kleine Artikel wieder manch‘ einem von Euch das Verhalten Eurer Pferde Euch gegenüber etwas anders sehen lassen, vor allem wenn Euer Pferd ungnädig, abweisend oder nervig zu sein scheint. Ich bin inzwischen fest davon überzeugt, dass wir selbst mit dem, wie ein Pferd auf uns reagiert, nämlich oft sehr viel mehr zu tun haben, als uns klar ist. Und diesen Gedanken wirklich mal zuzulassen, kann im Miteinander mit unserem Pferd sehr vieles ändern – da spreche ich mal wieder aus eigener Erfahrung!

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24. Februar 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Verhalten 13 Kommentare »

Hinter die Kulisse schauen

Mein Anthony wirkt auf die meisten Menschen cool und gelassen und viele schauen mich ziemlich zweifelnd an, wenn ich sage, dass er der deutlich Nervösere von meinen beiden Hafis ist. Tatsächlich nämlich sieht es in ihm oft ganz anders aus, als er vermuten lässt, und nur wenn man wirklich aufmerksam ist, bekommt man mit, dass er oft Angst hat und dann extrem aufgeregt ist. Das war mir selbst über lange Zeit nicht bewusst und so habe ich ihn unwissentlich in vielen Situationen überfordert und ihm Unrecht getan. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich gerne ein bisschen dafür sensibilisieren, dass Pferde manchmal nach außen ganz anders wirken können, als sie tatsächlich sind.

Tobende Kühe!

Neulich wurden zum Ausmisten die Kühe, die mit unseren Pferden auf dem Hof wohnen, auf die kleine Wiese neben dem Pony-Paddock getrieben. Das war, obwohl die Pferde die Kühe inzwischen gut kennen, natürlich ein Anlass zum Gucken und Staunen für unsere Ponys. Und für mich war es mal wieder sehr spannend zu erleben, wie unterschiedlich meine beiden Pferde sind.

Das hier sind die Kühe, die fröhlich buckelnd über das Stück Wiese tobten:

kuehe3Und hier ist gut zu sehen, wer der Mutigere meiner Hafis ist – Aramis vorne weg, Anthony schön im Hintergrund, noch hinter den anderen:

kuehe4Aramis bei der Kontaktaufnahme:

kuehe5Wirklich interessant ist, dass Aramis oft viel aufgeregter wirkt als Anthony. Seine Körperhaltung ist wach und gespannt:

kuehe6Anthony hingegen wirkt von seiner Ausstrahlung her auch in solchen Reaktionen eigentlich ruhig und es ist kaum zu merken, wie sehr er dabei unter Strom steht. Erkennbar ist das z.B. an dreimal äppeln in zwei Minuten und blitzschnellem Losstürmen (mit dem man aber eben bei ihm gar nicht rechnen würde). Er ist in solchen Situationen manchmal überhaupt nicht mehr ansprechbar, während Aramis auf Zuruf sofort kommt.

Ich habe Anthony lange Zeit für ein mutiges Pferd gehalten. Zum einen habe auch ich mich von seiner Ausstrahlung täuschen lassen und da Aramis ziemlich mutig ist, ging ich davon aus, Anthony sei genauso (und ein bisschen wollte ich wohl einfach auch, dass meine Pferde beide mutig sind). Erst nach einigen Situationen, in denen Anthony aus Angst ziemlich unhändelbar wurde, habe ich langsam begriffen, wie weit äußerer Eindruck und inneres Befinden bei einem Pferd auseinandergehen können. Inzwischen kann ich Anthony immer besser lesen und erkenne seine Nervosität und Angst schon lange vor anderen. Ich kann immer besser erkennen, wenn er sich anspannt, und reagiere dann ganz anders als früher (s. dazu auch In seinem Tempo). Ich lasse mich auch nicht mehr beirren, wenn andere so etwas sagen wie „Wieso, der ist doch ganz ruhig, der macht doch gar nichts.“, denn ich weiß inzwischen, dass Anthony tatsächlich erst „nichts“ macht (sich aber innerlich immer mehr hochpuscht) und die Reaktion dann in einer Explosion kommt (für viele aus dem Nichts, was aber so nicht stimmt, wenn man weiß, worauf man achten muss). Aramis hingegen ist schnell mal guckig, tänzelt auch mal, aber ist genauso schnell zu beruhigen und bleibt auch bei Angst immer ansprechbar. Anthony lässt sich, wenn er erstmal in seinem Film ist, kaum noch erreichen und damit auch nicht beruhigen. Hier habe ich gelernt, schon zu Beginn zu reagieren, damit die Situation eben nicht eskaliert.

Mut und Angst

Zusammen mit Aramis wird Anthony mutiger und stellt sich zu ihm. Aber wer genau hinschaut, kann auf dem folgenden Foto erkennen, dass Aramis sich zu den Kühen hin ausrichtet, während Anthony sich etwas nach hinten lehnt. Das ist nicht viel, aber es zeigt mir ganz deutlich, dass er in dieser Phase noch wie eine gespannte Spirale ist, jeden Moment bereit nach hinten zu explodieren. Und genau auf solche kleinen Details habe ich zu achten gelernt.

kuehe1Nach einigen Minuten hat sich die Gesamtaufregung gelegt und auch Anthony ist ansprechbar. Aber selbst jetzt ist er noch sehr aufgeregt und ich würde mich auf keinen Fall in Fluchtrichtung neben ihn stellen, während ich bei Aramis ganz locker an seiner Seite stehen könnte, ohne befürchten zu müssen, umgerannt zu werden.

kuehe2Das ist für mich ein sehr schönes Beispiel dafür, dass, wie sich ein Pferd präsentiert, nicht unbedingt etwas damit zu tun haben muss, wie es in ihm aussieht. Und ich denke, dass wir Pferden oft Unrecht tun, wenn wir sie nur nach dem äußeren Eindruck bewerten, ohne genauer hinzuschauen. So sind gerade oft die ach so „sturen“ Pferde oft sehr sensibel, die angeblich so „dominanten“ oft nur schrecklich unsicher und die scheinbar schreckhaften Pferde manchmal viel mutiger als man ahnt.

Ich bin dankbar dafür, dass ich durch meine beiden Pferde gelernt habe, genauer hinzuschauen und vor allem hinzufühlen, denn nur wenn wir die wahre Persönlichkeit eines Pferdes erkennen, können wir ihm auch gerecht werden.

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20. Januar 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Verhalten 9 Kommentare »

Versprochen ist versprochen

… und wird auch nicht gebrochen!

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich habe in der Vergangenheit leider schon so manches Versprechen, das ich meinen Pferden gegeben habe, gebrochen. Teils aus Unwissenheit, teils aus Hilflosigkeit und manchmal auch, weil ich unachtsam war oder meine eigenen Interessen durchgesetzt habe. Und jedes Mal habe ich mich ziemlich mies dabei gefühlt.

Inzwischen achte ich sehr darauf, meine Versprechen zu halten, und ich möchte Euch von einer kleinen Begebenheit erzählen, die veranschaulicht, was ich meine: Neulich fand ein Horsemanship-Seminar auf unserem Hof statt. Ich hatte mir für den Tag vorgenommen, mit Aramis einen kleinen Spazierritt zu machen, da endlich mal wieder schönes Wetter war. Also holte ich ihn vom Auslauf, putze ihn, packte das Pad drauf und sprang fröhlich auf mein Pferd. Im Seminar war gerade eine Pause und so standen alle vor der Halle, wo ich auf meinem Pferd saß und losreiten wollte.

Doch … – Aramis tat keinen Schritt vorwärts.

Da saß ich also auf meinem Pferd, überall standen Pferdeleute, die sich unterhielten (und gaaaaanz sicher genau zusahen, was wir da machten…). Aramis schaute sich aufmerksam die fremden Pferde in den Gastboxen an und musterte all die Menschen. Es war offensichtlich, dass er das alles höchst interessant fand und überhaupt kein Bedürfnis verspürte, loszugehen. Wer weiß, was er da verpassen würde!

Vor einer ganzen Weile habe ich Aramis mal versprochen, dass er nichts mehr tun muss, was er nicht tun will. „Durchsetzen“ war also genauso wenig eine Option, wie absteigen und ihn zu führen, denn er sollte ja freiwillig mit mir loslaufen wollen und er sagte in diesem Moment deutlich nein zu meinem Vorschlag.

So blieb ich also sitzen, ließ ihn schauen und übte mich darin, die Blicke der anderen auszuhalten und die Fragezeichen, die ich spürte. Nach einer Weile fragte ihn zum dritten Mal, ob wir nun vielleicht doch noch losgehen wollen, worauf er rückwärts ging und Richtung Halle drehte – klarer hätte die Antwort nicht sein können!

Also sprang ich ab und ließ es gut sein. Das Schöne: Ich war nicht sauer und nicht enttäuscht, sondern einfach froh, dass es mir gelungen war, mein Versprechen zu halten. Ich brachte ihn zurück zum Auslauf, wo er weiter den Ereignissen auf dem Hof zuschauen konnte.

Auch wenn manch einer vielleicht sagen wird, dass Pferde ja keine Worte verstehen und sich diese auch nicht merken können, so glaube ich schon, dass sie unsere Versprechen realisieren und auch, wenn wir sie brechen. Unser kleines Erlebnis hat mir noch einmal ganz deutlich gemacht: Ich möchte weiterhin bei meinen Pferden bleiben können, auch wenn z.B. viele Augen auf mich gerichtet sind, denn es geht um sie – und nicht darum, wie ich vor anderen aussehe. 

Aramis

2. Dezember 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 14 Kommentare »

Pferdeliebe?!

In den letzten Ausgaben unseres Newsletters haben wir uns mit der Frage befasst, was eigentlich Pferdeliebe ausmacht. Nach etwas kritischen Gedanken (hier nachzulesen) haben wir Ihnen als Leser/innen den Ball zugeworfen und Sie gefragt, was Sie unter Pferdeliebe verstehen. Dazu haben wir viele Zuschriften bekommen. Einige Aussagen können Sie hier nachlesen.

Noch sind wir Ihnen unsere eigenen Gedanken dazu schuldig:

Echte Pferdeliebe erfordert aus unserer Sicht:

  • ein ausreichendes Wissen über und Verständnis für Pferde und deren Grundbedürfnisse, Natur und Verhaltensweisen,
  • das Erkennen der eigenen Grenzen was Wissen und Können angeht, um sich, wo nötig, Hilfe zu suchen,
  • die Anerkennung, die Würdigung und den Respekt vor Pferden als Lebewesen mit Rechten und Persönlichkeiten mit eigenen Vorstellungen,
  • die Bereitschaft, eigene Wünsche und Ziele nicht über die Interessen des Pferdes hinweg auszuleben,
  • die Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstreflexion
  • und das Versprechen, ein Pferd Pferd sein zu lassen.

Viele von Ihnen haben ganz ähnliche Dinge geschrieben und wir freuen uns darüber, dass das Thema „Pferdeliebe“ mit so viel Selbstreflexion beleuchtet wird. Und manch ein Beitrag hat noch mehr Aspekte beleuchtet als wir sie angedacht haben, wie z.B. der von Meike Merle Kuhlman, den wir gerne an dieser Stelle veröffentlichen möchte – danke, Meike!

wirEin Pferd zu lieben bedeutet für mich, dass mich Glück und Freude im Umgang mit diesen wundervollen Tieren durchströmen.

Es bedeutet für mich, jede Minute der gemeinsamen Zeit zu genießen, egal ob im Gelände, bei der Longenarbeit, während gemütlicher Putz- und Kraulstunden oder beim Reiten. Mein Pferd zu lieben bedeutet für mich, ihm das Leben so schön wie möglich machen zu wollen. Angefangen bei einer artgerechten Haltung und Fütterung, über die passende Ausrüstung bis hin zu einem ethisch korrekten Umgang. Dies bedeutet für mich aber auch, dass ich mir die Zeit nehme, mir Wissen anzueignen und dabei stets bereit bin alteingesessene Meinungen kritisch zu hinterfragen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn die Pferdewelt ist voll von den konträrsten Meinungen und Ansichten über das, was für ein Pferd angeblich gut und richtig ist. Und kritische Denker sind auch nicht immer willkommen!

Pferdeliebe bedeutet ebenso, den Mut zu haben, nicht wegzusehen, wenn andere Pferde schlecht behandelt werden und sich für diese einzusetzen. Pferdeliebe ist für mich nicht besitzabhängig. Es bedeutet für mich auch, dass ich es akzeptiere ein Sonderling im Reitstall zu sein, weil ich vielleicht gebisslos reite oder es grundsätzlich ablehne „auch mal hart durchzugreifen“. Ein Pferd zu lieben bedeutet für mich, im Urlaub beispielsweise NICHT auszureiten, wenn ich sehe, dass die Tiere dort nicht gut behandelt werden, auch wenn der Strand noch so verlockend erscheint. Es bedeutet für mich ebenso sehr, das Pferd nicht als ein Sportgerät wahrzunehmen, welches nach meinen Wünschen zu funktionieren hat.

Mein Pferd zu lieben bedeutet für mich, dass wir füreinander da sind. Es bedeutet für mich, dass ich mich für mein Pferd einsetze und zum Beispiel auch gegenüber den Stallbesitzern einmal konstruktive Kritik übe, wenn ich Verbesserungsvorschläge in Punkte Haltung oder Fütterung habe. Es bedeutet für mich, dass ich mich nicht darüber ärgere, wenn mein Pferd krankheitsbedingt längere Zeit ausfällt und ich vielleicht nicht reiten kann. Mein Pferd zu lieben bedeutet für mich, dass ich ihm einen schönen Lebensabend machen möchte und dass ich das Pferd nicht als Gebrauchsgegenstand wahrnehme, welcher beliebig ausgetauscht oder ersetzt werden kann.

Mein Pferd zu lieben bedeutet für mich, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen! Es bedeutet, dass meine Bedürfnisse nicht über denen des Pferdes stehen. Es bedeutet für mich ebenso, darauf zu achten nicht anthropomorphistisch (vermenschlichend) zu sein.

Ein Pferd zu lieben bedeutet für mich, dass ich es genieße, am Koppelzaun zu stehen und den Pferden beim Spielen, Toben und Dösen zuzuschauen. Ganz egal, ob es sich dabei um mein eigenes oder um andere Pferde handelt. Pferde zu lieben bedeutet für mich, dass ich mir ein Leben ohne Pferde nicht mehr vorstellen kann!

Ganz liebe Grüße,
Meike und Snowy 

Besonders Meikes Satz Pferdeliebe ist für mich nicht besitzabhängig hat uns tief berührt. Denn er führt uns wieder zurück zu dem Grund dafür, dass wir das Thema angeschnitten haben, nämlich dass leider noch viel im Argen ist in der Pferdewelt.

Wie würde wohl die Pferdewelt – oder die Welt überhaupt – aussehen, wenn tatsächlich mehr besitzunabhängige Liebe gelebt würde?

25. November 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang 5 Kommentare »

Im Wald

Hin und wieder gehe ich mit Anthony spazieren. Wir laufen ein Stück an der Weide entlang und dann geht es in den Wald. Oft bin ich stur meine Runde gegangen, egal, ob Anthony nun hapste, drängelte, „lustig“ wurde oder maulig war. Und genauso oft habe ich abgebrochen und bin einfach wieder zurück, in der Annahme, mein Pferd hat einfach keine Lust darauf.

Auch neulich schlug ich wieder den Weg Richtung Wald ein. Nach ungefähr 50 Metern im Wald blieb Anthony stehen. Das kenne ich schon von ihm und lasse ihn dann meistens einfach ein bisschen herumschauen, bis ich ihn ermuntere, weiterzugehen. Dieses Mal blieb ich mit ihm stehen und ließ mich auf die Situation ein. Ich dachte nicht darüber nach, ob ich eigentlich hatte weiter gehen wollen oder ob wir wieder zurück sollten, sondern ich stand da, so wie er, und übte mich darin, mich einzulassen, auf das, was gerade war – in mir und in ihm.

Und da war so viel: Der Wald schien größer zu werden und tiefer. Es war, als öffneten sich mehrere Dimensionen hinter der, die mir bekannt ist. Wir lauschten den Geschichten, die der Wald erzählte, von den Wesen, die in ihm wohnten, vom Kommen und Gehen, vom Leben und Tod. Und wir hörten sein Lied vom Herbst, der am Einziehen war, und sogen seinen Geruch in uns auf. Wir nahmen die Anwesenheit anderer Tiere wahr und die Energie der Bäume. Und wir spürten uns selbst, die wir für diesen Moment ein Teil des Ganzen waren.

Ich kann nicht sagen, wie lange wir da standen, ich schätze einige Minuten. Gefühlt war es eine ewige Reise, auf der sich die Vorstellung von Zeit auflöste und nur noch das Jetzt war. Anthony stand ganz ruhig, kein Hampeln und kein Schnappen. Mal drehte er seinen Kopf nach links, mal nach rechts und dann schaute er nach vorn. Es fühlte sich so an, als ließe er sich ganz hineinsinken in die Stimmung, in den Wald und in die Natur.

Mir wurde bewusst, dass ICH es war, die in diesem Momente lernte. Lernte, das Sein auszuhalten. Mir liefen die Tränen, als ich diesen Gedanken zuließ. Ich fühlte mich winzig klein und jung und nahm Anthony in diesem Moment als sehr stark und sicher wahr und auf eine atemberaubende Art frei.

So wurde eine unscheinbare Wegkreuzung, auf der die meisten Menschen nichts zu sehen wüssten, zu einem magischen Ort. Anthony hatte mich dorthin geführt und ich verstand, dass er mir damit ein Stück seiner Welt zeigte. Und ja, vielleicht ist das genau das Geschenk: dass wir so viel mehr von den Pferden erfahren können, wenn wir unsere Bestrebungen loslassen können, sie immer wieder in unsere Welt zu nötigen, sondern wenn wir bereit sind, mit ihnen in ihre zu gehen?

Mal wieder nur so ein ganz persönlicher Gedanke …

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21. Oktober 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 24 Kommentare »

Einfach mal hineinfühlen

Ich habe neulich auf einem Spaziergang mit Anthony ein kleines Experiment gemacht: Ich habe versucht, mich ganz auf seine Wahrnehmung einzulassen, ganz darauf, wie er wohl all das um uns herum erlebt, und zwar mit all seinen Sinnen.

Das Spannende dabei war, dass ich dadurch tatsächlich vieles ganz anders erlebte: die Geräusche im Wald waren plötzlich viel präsenter, die Lichtspiele viel bewegter, der Wind war fühlbarer und ich roch mehr. Und ja, ich nahm auch seine Stimmung sehr viel deutlicher wahr.

Ich hatte immer schon den Verdacht gehabt, dass Anthony lange nicht so cool ist, wie er den Eindruck vermittelt, sondern dass er geradezu hochsensibel ist. Irgendwie schien mir das aber doch übertrieben und ich fand, er solle sich nicht so anstellen. Aber nun konnte ich seine Nervosität direkt selbst fühlen, es war regelrecht in mir. Auf dem Weg an der Weide entlang fühlte sich alles noch locker und unbeschwert an, doch im Wald veränderte sich die Stimmung. Da war plötzlich immer mehr Unruhe und ich spürte die Sorgen meines Pferdes in mir, das Halfter am Kopf kratzen und die Fliegen nervten.

Vielleicht klingt das alles mal wieder ein bisschen versponnen, aber das seid Ihr ja inzwischen von mir gewohnt. 😉 Ich folge im Moment sehr stark meiner Intuition und schaue, wohin es mich bringt, mich immer mehr auf Anthony einzulassen. Und vielleicht kann mein kleines Experiment ja auch Euch dazu anregen, Euch mal ganz bewusst in Euer Pferd hineinzufühlen,  also den Kopf auszuschalten und all das loszulassen, was wir zu wissen glauben, um einfach nur zu fühlen.

Wie oft habe ich mich darüber geärgert, dass Anthony beim Spazierengehen zu hapsen anfing und oft auch grantig war. Und man ist so schnell dabei, ein unerwünschtes Verhalten bei einem Pferd als „Unart“ oder „Frechheit“ abzutun. Jetzt sehe ich das alles ein bisschen anders, denn ich bin mir inzwischen sicher, dass das seine Art ist, mit seiner Unruhe umzugehen oder mir zu zeigen, dass er überfordert ist.

Wenn ich jetzt losgehe, bleibe ich bei ihm. Ich nehme mit ihm zusammen Veränderungen im Außen wahr und bekomme ein immer besseres Gefühl dafür, wann es für ihn Anlass zu Sorgen gibt. Ich kann so viel besser auf ihn eingehen und ihm Sicherheit geben. Statt Quengeleien schauen wir uns nun alles zusammen an. Manchmal kann er sich entspannen, manchmal bleibt er unruhig.

Ich bin gespannt, was Du mir noch alles zeigen wird, Kleiner!

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7. Oktober 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 10 Kommentare »

Etwas wiedergefunden…

Vor einer Weile schrieb ich hier über eine neue Herausforderung für mich: dem Nichtstun. Damit meine ich, zu seinen Pferden zu gehen, ohne etwas zu wollen, ohne etwas zu planen, sondern einfach nur um bei und mit ihnen zu sein.

Ich übe mich nun schon einige Zeit genau das und merke, dass es mir immer leichter fällt und selbstverständlicher wird. Es ist ein neuer Lernweg und ich bin inzwischen einfach nur gespannt, wohin er mich bzw. uns führen wird. Während ich am Anfang das Gefühl hatte, etwas aufgeben zu müssen, also etwas zu verlieren (nämlich das Reiten, das „Arbeiten“, das Trainieren, eben mein gewohntes Tun mit den Pferden), stelle ich nun fest, dass ich ganz viel bekomme.

Ich achte viel mehr darauf, wie mir meine Pferde entgegen kommen, was sie ausstrahlen, was sie vorschlagen und wie sich das jeweilige Miteinander an diesem Tag anfühlt. Anthony entspannt sich zusehends und ist inzwischen oft der Erste am Gatter!

Allem voran finde ich darüber hinaus etwas wieder, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es verloren hatte. Und das ist meine kindliche Liebe zu den Pferden.

Wie es anfing

Als Kind war ich einfach nur selig, wenn ich zu Pferden konnte. Es war mir vollkommen egal, ob ich nur am Zaun stand, ob ich anderen bei ihrer Arbeit mit den Pferden zuschauen konnte, ob ich Nasen streicheln oder selbst etwas mit den Pferden machen konnte. Entscheidend war, bei ihnen sein zu können. Ich wusste nichts von Trainingsanforderungen, Richtlinien oder korrektem Gymnastizieren, ich liebte sie einfach nur auf eine vollkommen reine und bedingungslose Art.

Später hatte ich dann Pflegepferde und da war die Situation zum großen Teil die, dass andere etwas mit den Pferden machten und ich mithalf, dass sie das tun konnten. So führte ich z.B. an Wochenenden mein Pflegepony oft stundenlang im Kreis, damit kleine Kinder darauf reiten konnten. Oder ich machte meine Pflegestute für den Unterricht fertig. Ich weiß nicht, wie ich es besser beschreiben soll, aber damit war ich gleichsam auf einer Ebene mit den Pferden. Wir verrichteten gemeinsam einen Job. Es waren nicht meine Pferde, ich hatte kein Mitspracherecht und ich wurde ebenso brutal ausgenutzt wie sie – und so war auch in dieser Phase das Miteinandersein das, worum es mir ging. Ich konnte mir keine Ziele mit den Pferden setzen, da ich sie kaum reiten oder etwas entscheiden durfte, ich konnte die Pferde nicht trainieren, ich bin nicht auf Turniere gegangen. Finanziell konnte ich mir hin und wieder eine Reitstunde leisten, aber die Hauptzeit verbrachte ich „nur“ mit ihnen.

Dann kamen die Ziele

Das alles änderte sich, als ich mit Aramis mein erstes eigenes Pferd bekam. Nun hatte ich also ein Pferd und war verantwortlich. Und ich wollte alles gut oder ja, natürlich am liebsten noch besser als alle anderen machen. Es gab plötzlich Trainingsziele, Dinge, die ich erreichen wollte und vieles, das es zu beachten gab. Ich wollte, dass mein Pferd gesund und fit ist und legte einen großen Schwerpunkt auf das korrekte Gymnastizieren und das Training. Damit veränderte sich sehr viel. Das steigerte sich natürlich, als wir „Wege zum Pferd“ aufbauten, da ich nun auch noch als Pferdefrau in der Öffentlichkeit stand.

Erst jetzt, wo ich mich durch Anthony darin übe, einfach nur bei meinen Pferden zu sein, ohne etwas zu wollen, ohne zu trainieren, ohne zu arbeiten, wird mir bewusst, wie sehr ich meine kindliche Liebe zu ihnen verloren hatte. Diese Erkenntnis ermöglicht es mir, in gewisser Hinsicht an den Anfang zurückzugehen. Und das ist schön!

Zurück zur Wurzel

Ich spüre wieder die hibbelige Vorfreude darauf, zu den Jungs fahren zu können, so wie ich sie als junges Mädchen immer hatte. Ich lerne, Pferde wieder zu sehen, ihre Schönheit wahrzunehmen, ihr wundervolles Sein, alles, wofür ich sie liebe. Ich merke, dass ich mir wieder mehr Zeit nehme im Stall, statt zuzusehen, wie ich mein Programm für beide in meinen eh engen Zeitplan bekommen kann. Wie viele Stunden täglich war ich als Kind bei den Pferden, egal ob es etwas zu tun gab oder nicht – und wie zackizacki habe ich dann später oft die Stallzeit erledigt…

Ich merke, dass alte Wunden zu heilen beginnen: Zum Beispiel meine ganz frühe Verzweiflung über die Ohnmacht, die ich erlebte, weil andere über die Pferde entschieden, die ich liebte, oder auch meine ständige Angst, etwas falsch zu machen mit meinen Pferden und die daraus resultierenden vollkommen überzogenen Ansprüche an mich selbst. Heilen tut auch langsam der Groll, den ich oft auf mich hatte, weil ich durchaus nicht immer im Sinne meiner Pferde gehandelt habe.

So stelle ich fest: Manchmal kann ein Zurückgehen ein Fortschritt in der eigenen Entwicklung sein. Denn so empfinde ich es im Moment: wieder in Kontakt mit der kindlichen Liebe zu den Pferden zu kommen, ist kein Rückschritt, sondern es ist ein Weiter- oder vielleicht sogar ein Ankommen. Und auch meine Pferde scheinen es so zu sehen, denn nie waren sie mir gegenüber offener, sanfter und fröhlicher. Nie habe ich eine so intensive Beziehung zu ihnen gespürt, wie im Moment.

Und an dieser Stelle gilt mein Dank vor allem Anthony, ohne den ich diesen Weg wohl nicht gefunden hätte. Danke, Kleiner, dass Du mich so unbeirrt zu dem führst, auf das es eigentlich ankommt.

Die Jungs

30. September 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 18 Kommentare »

Mein persönlicher Clickerweg

Nun ist er erschienen, unser Clickerkurs.

Diesen Kurs mit Babette zu erarbeiten war für mich eine grenzüberschreitende Erfahrung, denn es war für mich alles andere als leicht, mich auf das Clickern einzulassen. Und da ich glaube, dass ich damit nicht allein bin, schreibe ich diese persönlichen Zeilen. Vielleicht können diese auch Sie ermutigen, einmal ins Clickern hineinzuschnuppern, denn zumindest für mich brauchte es dafür einiges an Mut!

Mut, alte Muster und Erfahrungen loszulassen und neu (und damit als Anfänger) zu beginnen. Den Mut und die Offenheit, dazuzulernen und mir frühere Fehler einzugestehen. Und den Mut, innere Überzeugungen loszulassen, was vielleicht das Schwerste war, da sie mir gar nicht alle bewusst waren! 

Klappt doch auch so, oder nicht?

Ich war auf meinem vorherigen Weg nicht erfolglos mit meinen Pferden gewesen, sondern ich habe beide auf einen ansehnlichen Stand ausbilden können. Aber immer wieder stieß ich auf Widerstände. Bei Aramis auf sanfte, bei Anthony auf deutliche. Lange Zeit ging ich über diese Widerstände hinweg, auf eine meist nette, manchmal, so muss ich zugeben, aber auch auf eine weniger nette Art. Und so rieb ich mich an diesen Widerständen. Nicht nur mit meinen Pferden, sondern vor allem mit mir selbst und meinen Ansprüchen, denn was ich wollte, nein, wovon ich träumte, war Freiwilligkeit. Ich wünschte mir so sehr, dass sie Ja zu dem sagten, was ich vorschlug und mir war klar, dass ich an diesem Ziel noch nicht angekommen war.

Vielleicht machte mir gerade das bisher Erreichte es so schwer, noch einmal neu anzufangen und das, was ich gelernt hatte, loszulassen. Ohne Anthony hätte ich es vielleicht nicht gewagt. Es war vor allem sein Nein, das mich an meine Grenzen und vor allem darüber hinaus brachte. Und so betrat ich Neuland.

Neues wagen und so viel bekommen

Das Clickern fordert von uns Menschen die Bereitschaft, Tiere nicht mehr nur als Befehlsempfänger und -ausführer zu sehen, sondern ihr Mitspracherecht zu akzeptieren. Das kippt so ziemlich alles, was man im herkömmlichen Umgang mit Pferden vermittelt bekommt und rüttelt damit an Grundfesten.

Wenn ein Pferd beim Clickern „Nein“ sagt, gibt es keine der herkömmlichen Antworten darauf, wie z.B. mehr Druck zu machen oder zu strafen. Wenn mir ein Pferd beim Clickern die Mitarbeit verweigert, muss ich nach den Ursachen suchen, im Außen, aber vor allem auch bei mir. Ich muss mich fragen: Was kann ich tun, damit mein Pferd mich besser versteht oder damit es Lust darauf bekommt, das zu tun, was ich vorschlage? Ich bin gefordert, ich muss attraktiv für mein Pferd sein, ja, ich muss mir sein Ja verdienen. Und das macht die Sache manchmal ganz schön unbequem.

Wie viel leichter ist es, auf das Pferd zu schimpfen, auf den „ungezogenen Bock“ oder die „dominante Zicke“. Wenn man das tut, muss man sich selbst nicht in Frage stellen. Aber ohne die Bereitschaft, das eigene Tun zu hinterfragen, verändert man nichts. Dann macht man – oft aus Hilflosigkeit! – mehr vom Gleichen. Bei manchen Pferden kann man auf diese Weise Widerstände durchbrechen (aber zu welchem Preis!), andere machen noch dichter (und können gefährlich werden). 

Ich habe für mich erkannt, dass, wenn ich nicht kämpfen will mit meinen Pferden, ich bereit sein muss, sie wirklich zu verstehen. Ich muss hinfühlen, muss meine eigenen Ansprüche zurückstellen und muss bereit sein, ihnen in ihrer Welt zu begegnen. Wenn ich das tue, begreife ich plötzlich, wie vermessen ich oft war oder wie unklar ich mich oft ausdrücke, ja, wie verwirrend die Menschenwelt für unsere Pferde doch sein muss! Und mir wird bewusst, wie wenig ich manche Geschenke geschätzt habe und stattdessen immer mehr forderte.

Seitdem ich mich wirklich für meine Pferde öffne, weil ich eingesehen habe, dass es nicht ihr Job ist, meine Erwartungen zu erfüllen, sondern dass es meine Aufgabe ist, mir unser Miteinander zu verdienen, fühle ich mich reicher denn je. Man sieht mich vielleicht nicht mehr Traversalen reiten oder an fliegenden Galoppwechseln feilen, aber dafür erlebe ich eine Innigkeit mit meinen Pferden, von der ich bisher nur geträumt habe. Verständigung, Vertrauen und gemeinsame Erlebnisse. Lachen und still sein. Als Mensch zusammen mit ihnen zu sein und Zeit mit ihnen zu verbringen, einfach so.

Keine Frage, der Clickerweg ist nicht der einzig mögliche, aber es ist einer, auf dem ich persönlich sehr viel lernen durfte und jeden Tag neu dafür beschenkt werde. Das ist erfüllend und wunderschön und deshalb bin ich einfach nur dankbar.

aramis

28. Juli 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Clickertraining, Erkenntnisse, Sonstiges 13 Kommentare »

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