Ein Wort an alle Reitschulbetreiber/innen und Reitlehrer/innen und auch an die Eltern reitender Kinder.
Die Tochter meines Lebensgefährten ist 10 Jahre alt. Sie liebt Pferde auf diese wundervolle Weise, wie es viele Mädchen tun. Schon länger hat sie Unterricht in einer Reitschule und ich nehme sie oft mit zu meinen Pferden. Sie möchte so gerne richtig reiten können, doch nun will sie nicht mehr zum Reitunterricht gehen. Warum nicht? Weil sie Pferde nicht schlagen möchte und weil sie nicht mit Sporen reiten möchte.
Bitte spürt einmal nach: Ein zehnjähriges Mädchen verzichtet auf einen Herzenswunsch, weil sie im Reitunterricht Dinge tun soll, von denen sie genau weiß, dass sie falsch sind. Leider hat sich offenbar noch nicht viel geändert zu der Zeit, in der ich Reiten lernte. Pferde schlagen ist niemals richtig und Kinder dazu anzuleiten auch nicht.
Liebe Reitschulbetreiber/innen und Reitlehrer/innen, seid Ihr Euch eigentlich Eurer großen Verantwortung bewusst? Einmal habt Ihr Verantwortung der Kreatur Pferd gegenüber, die nicht nur Mittel zum Zweck sein darf, sondern die ein Mitgeschöpf ist. Ihr habt darüber hinaus eine große Verantwortung für die Kinder, die zu Euch kommen, weil sie Pferde lieben und sich nichts sehnlicher wünschen, als Zeit mit diesen Tieren zu verbringen. Indem Ihr Kinder dazu bringt, Gewalt gegen Pferde zu richten, schadet Ihr nicht nur den Tieren, sondern vor allem auch den Kinderseelen, denn Kinder wissen sehr genau, was falsch ist und wann sie etwas Unrechtes tun. Pferde zu schlagen, macht schlimme Schuldgefühle. Ich weiß, wovon ich rede, denn auch ich habe als Kind gelernt, Pferde zu schlagen und Gewalt anzuwenden – und auch wenn ich aus meinen Fehlern gelernt habe, trage ich bis heute die Schuld mit mir herum.
Wenn schon nicht der Pferde wegen, dann wacht wenigstens der Kinder wegen auf und beendet die Gewalt Pferden gegenüber. Sucht gemeinsam mit den Kindern nach gewaltfreien Wegen eines Zusammenseins von Pferd und Mensch. Der Mensch hat kein Recht, Pferde durch Gewaltmaßnahmen seinen Willen aufzuzwingen und es ist grundfalsch, Kinder zum Schlagen von Tieren und zum Einsatz von Gewalt zu erziehen.
Reitställe könnten zu Orten werden, an denen schon kleine Kinder einen respekt- und liebevollen Umgang mit Tieren erlernen. Haben wir gerade in unserer Zeit das nicht sehr nötig? Möglich wird das aber nur, wenn IHR bereit dazu seid, die Basis dazu zu legen! Und ja, dafür müsst Ihr zunächst Euer eigenes Verhalten hinterfragen. Es ist nie zu spät, Fehler einzusehen und einen anderen Weg einzuschlagen. Nur so wird ein pferde- und kindgerechter Unterricht möglich. Ja, der braucht viel Verständnis, Zeit, Geduld und Selbstreflexion, aber er schenkt dafür Fröhlichkeit und Leichtigkeit und das nährende Gefühl, etwas Gutes zu tun, denn ein solcher Reitunterricht vermittelt persönlichkeitsfördernde Werte.
Liebe Reitschulbetreiber/innen und Reitlehrer/innen, IHR seid die Vorbilder, Ihr stellt die Weichen für den Umgang mit Pferden für die Kinder, die zu Euch kommen. Es liegt an Euch, ob Pferden auch in Zukunft Gewalt angetan wird, in dem Maße, wie es heute leider noch immer weit verbreitet ist, oder ob sich alternative Wege zum Pferd durchsetzen, die auf einem freundschaftlichen Miteinander von Mensch und Pferd beruhen, denn die gibt es! Pferde sind keine Sportgeräte, sondern Mitgeschöpfe und das sollte das Wichtigste sein, das Ihr in Euren Schulen und in Eurem Unterricht vermittelt. Dann kann Reitunterricht das sein, was er sein sollte: nicht nur eine Schulung im Umgang mit Pferden, sondern vor allem auch eine Schulung in Menschlichkeit.
Bis jetzt ist Reitunterricht leider oft das genaue Gegenteil, denn dort lernen Kinder systematisch, über ihre moralischen Bedenken hinwegzugehen und mit Stricken, Gerten und Sporen Tieren ihren Willen aufzuzwingen. Seid Ihr Euch eigentlich bewusst, was das mit Kindern macht? Seid Ihr Euch darüber im Klaren, dass wenn die Hemmschwellen von Gewalt fallen, sie nur sehr schwer wieder aufzubauen sind?
Ich weiß, dass ich mir mit diesen Zeilen nicht nur Freunde machen werde, aber ich bin einfach nur traurig und ich hoffe inständig, dass dieser offene Brief möglichst viele von Euch erreicht – und zwar nicht nur gelesen, sondern auch gefühlt. Denn nur, wenn Ihr das hier wirklich in Euch bewegt, werdet Ihr etwas ändern. Und dass sich etwas ändert, ist bitter, bitter nötig, damit Mädchen, wie die Tochter meines Lebensgefährten, nicht einfach traurig mit dem Reiten aufhören, sondern mit Freude und vor allem mit einem guten Gewissen zum Reitunterricht gehen können.
Ihr legt die Grundsteine für das Miteinander von Mensch und Pferd und Ihr habt es in der Hand, die bestehenden Irrwege zu beenden.
Diejenigen unter Euch, die sich nicht angesprochen fühlen müssen, da sie bereits andere Wege gehen, bitte ich, andere Reitlehrer/innen zu unterstützen. Viele schlimme Dinge passieren aus Hilflosigkeit und weil man nicht weiß, wie es besser geht. Lebt Ihr es vor und bietet Eure Hilfe an.
Ich hoffe auch, dass viele Eltern diesen Brief lesen, die reitende Kinder haben, denn Euch bitte ich: Geht und schaut Euch an, was Eure Kinder im Reitunterricht tun und lernen. Fragt nach und hört zu, wenn Eure Kinder von dem erzählen, was in Pferdeställen läuft. Steht ihnen bei, wenn sie nicht das tun möchten, was gang und gäbe ist und unterstützt sie dabei, offen nein zu sagen zu Gewalt und zum Schlagen. Geht zu den Reitlehrern/innen und fordert sie auf, Euren Kindern keine Gewalt beizubringen, sondern einen respektvollen Umgang mit Tieren. Überlasst hier nicht anderen, Eure Kinder zu prägen, denn es kann tiefe Narben hinterlassen, wenn Kinder Dinge tun, die sie eigentlich für falsch halten.
Macht bitte die Augen auf in Pferdeställen und schaut nicht weg, wenn Pferde geschlagen werden, sondern sagt, dass Ihr das falsch findet. Erklärt Euren Kindern, dass es nicht richtig ist, wenn Menschen Tiere schlagen oder mit Gewalt zu etwas bringen.
Sucht gemeinsam mit Euren Kindern nach Pferdemenschen, die bereit sind, Euren Kindern einen pferdegerechten Umgang zu vermitteln und seid bereit, für einen solchen Unterricht etwas mehr zu bezahlen. Was Eure Kinder damit lernen, ist Gold wert.
Ich sage allen danke, die bis hierhin gelesen haben, und wir bitten Euch gemeinsam, diesen offenen Brief zu verlinken – hier zu diesem Blogbeitrag oder zum Film – oder auszudrucken und aufzuhängen, hier gibt es ihn als PDF-Dokument.
Tania und Babette
