Das mitdenkende Pferd – wie Nico die biegenden Hilfen verstanden hat
Heute möchten wir mal wieder einen Auszug aus Petras Tagebuch mit Ihnen teilen (für alle, die Petra noch nicht kennen: mit ihr und ihrer Tochter Alex hat Babette den jungen Nico nach den Prinzipien der positiven Verstärkung ausgebildet – lesen Sie dazu bitte hier weiter). Dieser Bericht zeigt sehr schön, was das Clickertraining u.a. so besonders macht:
Die Pferde lernen mitzudenken und uns Angebote zu machen. Wenn auf ihre Angebote kein Click erfolgt, wird das Angebot nicht wiederholt. Bekommt das Pferd aber einen Click, versteht es sogleich, was der Mensch ihm mit seiner Hilfe vermitteln möchte. So wird aus einem Monolog (Mensch sagt dem Pferd, was es tun soll) ein Dialog (Pferd fragt, Mensch antwortet).
Hier also der Auszug aus Petras Tagebuch:
Eine Reiteinheit mit Stellung und Biegung
Vor zwei Jahren haben wir Nico zu uns geholt. Seitdem sind wir zu einem tollen Team zusammengewachsen. Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten hat Nico sich ganz klar für den Clickerweg entschieden. Wie klar, zeigte er uns vor Kurzem. Dieses Erlebnis hat mich ganz besonders beeindruckt.
Es ging darum, Nico die Biegung, die angehobene Schulter sowie die korrekte Stellung unter dem Sattel zu erklären. Bei der klassischen Handarbeit, der Freiarbeit und beim Longieren hat er die biegenden Hilfen schon gut verstanden. Alles, was der Mensch vom Boden aus erklärt, fällt Nico mittlerweile sehr leicht. Da die Welsh’s Spätentwickler sind, reiten wir Nico noch sehr selten, und wenn es mal der Fall ist, suchen wir uns Punkte und Linien, die im Schritt und Trab mit Genauigkeit angesteuert werden. So waren unter dem Sattel Stellung und Biegung bisher noch kein Thema.
Jetzt ging es uns aber darum, ihn immer mehr auf den Reiter zu konzentrieren und die biegenden Hilfen vom Sattel aus zu erklären. Die Brücke zum Gelernten sollte die anliegende Gerte an der Schulter sein. Die Gerte sollte ihm signalisieren, sich auf korrekte Art auf der Zirkel- oder Voltenlinie zu biegen.
Nico ging sehr konzentriert im Schritt auf Zirkellinie. Die Öhrchen waren bei Alexandra, die ihn ritt. Schnell hatte er verstanden, dass die Gerte ihm etwas zu sagen hatte.
Was uns nun wirklich begeistert hat, war, dass Nico nach dem Ausschlussverfahren Dinge ausprobierte. Alles, was er irgendwie mit der Gerte in Verbindung brachte, bot er uns an. Dabei wurde jeder Einfall, den er mit dem Gertenzeichen verband, genau ein einziges Mal angeboten – gab es keinen Click, ließ er sich etwas Neues einfallen.
- Seine erste Idee war, ungebogen den Zirkel zu vergrößern. Kein Click? Okay, dann muss es etwas anderes sein.
- Verkleinern? Auch nicht. Alles klar.
- Meint Ihr etwa Schenkelweichen auf dem Zirkel?
- Schulterherein? Nee?
- Jetzt habe ich es!!! Ihr meint Travers.
- …und wenn ich auf Zirkellinie den Kopf etwas reinnehme? CLICK! Jippieh. Ich hab’s!
- Ich kann auch ganz dolle den Hals reinnehmen und das Genick gerade lassen. Das wollt ihr nicht? Okay, dann halt weniger.
Da Nico die Bewegungsabläufe selbst schon sehr gut beherrscht, war nach dem Verstehen, worum es geht, innerhalb kurzer Zeit eine perfekte Biegung vom Reiter aus abrufbar. Wir fragten ihn in dieser Einheit immer nur für ein paar Schritte. In der nächsten Einheit werden wir nach kurzer Wiederholung daran arbeiten, dass die Biegung länger gehalten wird.
Ach, es macht außergewöhnlich viel Spaß, ein mitdenkendes Clickerpferd zu haben! Ich kann jedem nur raten, diesen Weg zu beschreiten. Auch wenn es natürlich auch auf diesem Weg mal Probleme gibt, bekommt man als Ergebnis motivierte, mitdenkende Pferde, die auf freiwilliger Basis mit einer unbeschreiblichen Freude als „pferdischer Partner“ gemeinsam mit dem Menschen Dinge erarbeiten. Ich würde mit jedem Pferd immer wieder diesen Weg gehen.
…und ich denke, hätten die Pferde die Wahl, würden sie sich ebenfalls dafür entscheiden, mit positiver Verstärkung ausgebildet zu werden.
22. Juli 2014 von Babette Teschen • Kategorie: Clickertraining, Jungpferdausbildung • 6 Kommentare »