Schlechte Manieren?

Neulich bekam ich wieder mal eine nette kleine Lektion von meinen Pferden serviert – vielleicht macht sie den einen oder die andere von Euch nachdenklich.

Normalerweise, wenn ich einige Zeit verreist war und dann wieder zu den Jungs komme, ist es oft ganz besonders schön (hier hatte ich darüber schon mal geschrieben), denn wir begegnen uns dann behutsam und ganz freundlich. Dieses Mal war es anders, denn ich wurde gebufft und angerempelt und die Jungs waren unruhig und ungnädig. „Na, Eure Manieren lassen aber ziemlich zu wünschen übrig!“ sagte ich zu den beiden und war ein bisschen traurig, dass unser Wiedersehen doch eher unharmonisch abgelaufen war.

Am nächsten Tag war alles anders: Die Jungs waren ganz offen und vorsichtig mit mir, beide strahlten Ruhe und Zufriedenheit aus. Da war er, der Nach-dem-Urlaub-Zauber! Und als ich mich fragte, warum es heute so anders war als gestern, wurde mir eines bewusst: Tatsächlich waren es eher MEINE Manieren gewesen, die am Tag zuvor zu wünschen übrig gelassen hatten!

  • Mein erster Gedanke, als ich die Jungs sah, war: Himmel, seid Ihr fett! Das war natürlich alles andere als freundlich (zur Entschuldigung muss ich sagen, dass ich zwei Wochen auf Gran Canaria mit einer Frau und ihrem Spanier gearbeitet hatte…, danach kommen einem die Pferde in Deutschland vor wie Michelin-Männchen).
  • Mein Fokus lag dann auf den vollkommen ausgefransten Hufen, bei denen ich dann ein bisschen was zu retten versuchte. Damit aber forderte ich natürlich gleich, dass die Jungs still stehen und „funktionieren“. Auch nicht gerade eine schöne Begrüßung.
  • Ich selbst fühlte mich müde und erschöpft, mich nervte, dass es so kalt und windig war und eigentlich war ich mit meinen Gedanken noch auf der Reise… Ich war also nicht wirklich da, was den Jungs gegenüber ebenfalls nicht nett war.

Tja, und als mir das alles klar wurde, erkannte ich natürlich, dass die Jungs wieder einmal nur auf mich reagiert und mir einen deutlichen Spiegel vorgehalten hatten. Als ich am Folgetag mit einer ganz anderen Stimmung zu ihnen ging, reagierten auch sie ganz anders. Danke, Jungs, für die Lektion in Sachen Manieren!

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20. Juli 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Wie es mir geht? Fragen Sie mein Pferd!

Wer hier schon etwas länger mitliest, weiß dass ich mit meinem Anthony ein Pferd habe, das mich, sagen wir mal, immer wieder vor Herausforderungen stellt. Ich habe schon viel darüber geschrieben, was ich durch ihn gelernt habe (siehe z.B. hier, hier und hier) und es ist wohl so, dass Anthony mich mehr über das Wesen von Pferden gelehrt hat, als alle anderen Pferde, mit denen ich zu tun hatte.

Darüber hinaus aber hat Anthony mir auch sehr viel über mich selbst gezeigt. Dieses Pferd hat mich immer wieder an meine Grenzen gebracht und manches Mal auch darüber hinweg. Ich habe durch ihn viele meiner Schwächen erkannt und konnte lernen, manche davon konstruktiv umzuwandeln. Und wie kein anderes Wesen, das ich kenne, reagiert Anthony unmittelbar und ungefiltert auf meine Stimmungen und Befindlichkeiten. Wenn ich wissen will, wie es mir geht, muss ich nur zu ihm gehen und bekomme eine deutliche Antwort.

Es gibt z.B. Tage, an denen ich eigentlich denke, dass ich gut drauf bin. Vielleicht habe ich gut was weggearbeitet, vielleicht einen netten Erfolg gehabt oder bin aus anderen Gründen meiner Einschätzung nach gut gelaunt. Doch treffe ich dann auf Anthony, dreht er sich weg, schnappt nach meinem Arm oder lässt sich nicht aufhalftern. Während ich früher in einer solchen Situation schnell wütend wurde oder mich abgelehnt fühlte, nehme ich das heute zum Anlass zu überlegen, was ich wohl ausstrahle, auf dass er so reagiert – vielleicht bin ich angespannt, vielleicht zu „businessmäßig“ drauf, vielleicht zu wenig „da“, sondern mit meinen Gedanken ganz woanders. An anderen Tagen denke ich, dass er heute wahrscheinlich nicht mit mir mitkommen will, weil ich irgendwie mit einer ganz grauen Stimmung zu ihm komme, traurig bin oder nachdenklich und er empfängt mich gleichsam mit einem Lächeln, steckt seinen Kopf freiwillig ins Halfter und sucht meine Nähe. Dann weiß ich heute, dass ich offenbar an diesem Tag viel offener und zugänglicher bin, als ich dachte.

Auch dieser Beitrag könnte wieder einer sein, bei dem mir manch einer vorwerfen wird, mein Pferd zu vermenschlichen. Aber das weiß ich inzwischen besser. Pferde ganz allgemein sind sehr gut darin, unsere Stimmungen und Befindlichkeiten zu erspüren, und auch wenn sie nicht alle so deutlich darauf reagieren, so wissen sie alle sehr genau, ob wir gerade gestresst oder gereizt oder locker und entspannt sind (und vieles mehr).  Anthony gehört zu den Pferden, die nicht nur sehr viel wahrnehmen, sondern auch sofort ganz klar darauf reagieren. Seine Sensibilität ist tatsächlich so hoch, dass er oft besser weiß, wie es mir geht, als ich selbst.

Ich bin mir sicher, dass ich mir das nicht nur einbilde, denn über viele Jahre habe ich mir immer wieder gesagt, dass das nicht sein kann und habe die Zeichen meines Pferdes ignoriert oder ich habe versucht, ihn „zu erziehen“. Schließlich kann man sich nicht alles gefallen lassen, oder? Und wo kämen wir denn dahin, wenn man einem Pferd ständig alles durchgehen lässt? So dachte ich. Jetzt, wo ich immer besser akzeptieren kann, dass Anthony Anthony ist, und es mir immer besser gelingt, ihn in seinem Sein zu würdigen, kann ich auch das besser annehmen, was er mir durch sein Verhalten mitteilt. Klar, oft hat sein Verhalten vor allem mit ihm selbst zu tun (ich bin ja nur den kleinsten Teil seines Tages da und es gibt vieles, was ihn beschäftigt, angefangen vom Wetter und körperliche Befindlichkeiten über die Futtersituation bis hin zu anderen Pferden und vieles andere mehr), aber ganz oft reagiert er eindeutig auf mich und das, was ich mitbringe. 

Und so kann ich also tatsächlich an meinem Pferd ablesen, wie es mir geht. Nicht immer gefällt mir, was ich da gespiegelt bekomme, aber immer liegt er ziemlich richtig, was ich in der Selbstreflexion erkenne. Manchmal kann ich mich durch sein Verhalten anders auf ihn einlassen und bekomme sofort eine positive Reaktion, manchmal aber muss ich auch einfach akzeptieren, dass wir uns an diesem Tag nicht guttun. Dann bekommt er seine Möhre und wir lassen einander sein, so wie wir eben sind.

Vielleicht kann auch dieser kleine Artikel wieder manch‘ einem von Euch das Verhalten Eurer Pferde Euch gegenüber etwas anders sehen lassen, vor allem wenn Euer Pferd ungnädig, abweisend oder nervig zu sein scheint. Ich bin inzwischen fest davon überzeugt, dass wir selbst mit dem, wie ein Pferd auf uns reagiert, nämlich oft sehr viel mehr zu tun haben, als uns klar ist. Und diesen Gedanken wirklich mal zuzulassen, kann im Miteinander mit unserem Pferd sehr vieles ändern – da spreche ich mal wieder aus eigener Erfahrung!

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24. Februar 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Verhalten 13 Kommentare »

Übereifer – was tun?

Ein häufig auftretendes Problem beim Clickertraining ist, dass Pferde dabei schnell übereifrig werden. Solch ein Übereifer zeigt sich z.B. in Hektik, Drängeln, Futtergier oder dem Anbieten von allen möglichen Übungen. Leider wird dieses Verhalten oft als „dominant“ bezeichnet und die Pferde werden zurechtgewiesen oder bestraft. Oft wird auch das Clickern schnell wieder aufgegeben, da man befürchtet, das Pferd nicht mehr beherrschen zu können. In unserem Clickerkurs gehen wir auf das Thema ausführlich ein, möchten aber auch hier im Blog einige Tipps für diese Situationen geben und aufzeigen, worum es bei solchen Problemen eigentlich oft geht.

Übereifer ist KEIN Zeichen von Dominanz

Das Wichtigste vorab: Übereifrige Pferde sind nicht, wie so oft angenommen, dominant, ganz im Gegenteil: Sehr oft sind übereifrige Pferde ausgesprochen unsicher.

Unserer Erfahrung nach wollen die meisten Pferde uns Menschen gefallen. Sie möchten ihre Aufgabe richtig machen, um gelobt und belohnt zu werden – und genau das sollten wir auf jeden Fall erkennen können, damit wir ihnen nicht, ohne es zu merken, Unrecht tun. 

Wir stellen hier zwei Möglichkeiten vor, warum ein Pferd beim Clickertraining zu übereifrig wird und zeigen Ihnen, wie Sie damit umgehen können.

Übereifer aus Angst

Viele Pferde, die zuvor vor allem über Druck und Strafe gearbeitet wurden, haben oft viel Angst vor negativen Folgen von Fehlern und werden deshalb schnell hektisch, wenn sie in einer neuen Situation sind. Für sie kann selbst die positive Atmosphäre des Clickertrainings großen Stress bedeuten, denn sie wissen nicht genau, was von ihnen erwartet wird, und sie rechnen jeden Moment mit einem Rüffel oder einem Buff. Sie müssen also erst die Erfahrung machen können, dass es keine Strafen gibt.

Wenn Sie ein solches Pferd haben, dann brauchen Sie einiges an Geduld und viel innere Ruhe. Denn auch wenn Sie von sich selbst wissen, dass Sie das Pferd nicht bestrafen werden, so weiß das das Pferd noch lange nicht! Und in der Hektik, die dann aus dem Gemisch von Angst und Gefallenwollen resultiert, passieren gerade solchen Pferden viele Fehler. Sie müssen sich das Vertrauen des Pferdes erst erarbeiten und das kann u.U. bedeuten, dass, wenn Ihnen Ihr Pferd z.B. auf den Fuß tritt, weil es vor lauter Aufregung nicht ruhig stehen kann, Sie in diesem Fall NICHT schimpfen (und schon gar nicht hauen), sondern auf den Moment warten sollten, in dem Ihr Pferd wieder ruhig neben Ihnen steht, um das dann zu clickern (und ja, das kann ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin erfordern). Wichtig ist zu verstehen, dass Ihr Pferd das nicht mit Absicht oder aus bösem Willen macht, sondern weil es in Not ist und deshalb unruhig.

Setzen Sie Ihre Erwartungen bei einem solchen Pferd vor allem zu Beginn ganz niedrig an. Verlangen Sie nur wenig und wechseln Sie nicht zu schnell zwischen verschiedenen Lektionen. Und ganz wichtig: Bauen Sie bei einem solchen Pferd viele Pausen ein und belohnen Sie es, wenn es ruhig steht und nichts tut. Das vornehmliche Ziel bei einem solchen Pferd ist Entspannung. Je öfter das Pferd die Erfahrung machen kann, nicht mehr bestraft zu werden, auch wenn ihm vielleicht sogar etwas Ungeschicktes passiert, desto ruhiger wird es in Zukunft bleiben können. Aber ein Restmaß an Nervosität wird dieser Pferdetyp wohl immer behalten, so dass Sie auch später immer wieder durch gezielte Ruhepausen für Entspannung sorgen müssen.

Übereifer aus Freude

Manche Pferde entwickeln einen Übereifer auch aus schlichter Freude. Vielleicht wurden sie vorher eher stumpfsinnig trainiert, also ohne Abwechslung, Spiel und Spaß. Vielleicht sind sie auch nie mit Futter belohnt worden und erleben das nun zum ersten Mal. Solche Pferde sind wie kleine Kinder, die zum ersten Mal seit langer Zeit wieder richtig spielen dürfen oder die zum ersten Mal Süßigkeiten bekommen: Sie freuen sich und bekommen nicht genug.

Wenn Sie das Pferd dann als „frech“ empfinden und für sein Betteln bestrafen, wird es die Welt nicht verstehen und das Clickertraining in der Folge wahrscheinlich immer misstrauischer sehen. Oder es wird sogar noch massiver zu betteln beginnen, weil es nicht einsieht, dass Sie ihm das Futter erst geben, es dann aber strafen, wenn es mehr haben will. Einem solchen Pferd müssen Sie zeigen, dass es weiter Futter bekommen wird, aber nur dann, wenn es sich gut benimmt.

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3. Februar 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Clickertraining, Verhalten 19 Kommentare »

Hinter die Kulisse schauen

Mein Anthony wirkt auf die meisten Menschen cool und gelassen und viele schauen mich ziemlich zweifelnd an, wenn ich sage, dass er der deutlich Nervösere von meinen beiden Hafis ist. Tatsächlich nämlich sieht es in ihm oft ganz anders aus, als er vermuten lässt, und nur wenn man wirklich aufmerksam ist, bekommt man mit, dass er oft Angst hat und dann extrem aufgeregt ist. Das war mir selbst über lange Zeit nicht bewusst und so habe ich ihn unwissentlich in vielen Situationen überfordert und ihm Unrecht getan. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich gerne ein bisschen dafür sensibilisieren, dass Pferde manchmal nach außen ganz anders wirken können, als sie tatsächlich sind.

Tobende Kühe!

Neulich wurden zum Ausmisten die Kühe, die mit unseren Pferden auf dem Hof wohnen, auf die kleine Wiese neben dem Pony-Paddock getrieben. Das war, obwohl die Pferde die Kühe inzwischen gut kennen, natürlich ein Anlass zum Gucken und Staunen für unsere Ponys. Und für mich war es mal wieder sehr spannend zu erleben, wie unterschiedlich meine beiden Pferde sind.

Das hier sind die Kühe, die fröhlich buckelnd über das Stück Wiese tobten:

kuehe3Und hier ist gut zu sehen, wer der Mutigere meiner Hafis ist – Aramis vorne weg, Anthony schön im Hintergrund, noch hinter den anderen:

kuehe4Aramis bei der Kontaktaufnahme:

kuehe5Wirklich interessant ist, dass Aramis oft viel aufgeregter wirkt als Anthony. Seine Körperhaltung ist wach und gespannt:

kuehe6Anthony hingegen wirkt von seiner Ausstrahlung her auch in solchen Reaktionen eigentlich ruhig und es ist kaum zu merken, wie sehr er dabei unter Strom steht. Erkennbar ist das z.B. an dreimal äppeln in zwei Minuten und blitzschnellem Losstürmen (mit dem man aber eben bei ihm gar nicht rechnen würde). Er ist in solchen Situationen manchmal überhaupt nicht mehr ansprechbar, während Aramis auf Zuruf sofort kommt.

Ich habe Anthony lange Zeit für ein mutiges Pferd gehalten. Zum einen habe auch ich mich von seiner Ausstrahlung täuschen lassen und da Aramis ziemlich mutig ist, ging ich davon aus, Anthony sei genauso (und ein bisschen wollte ich wohl einfach auch, dass meine Pferde beide mutig sind). Erst nach einigen Situationen, in denen Anthony aus Angst ziemlich unhändelbar wurde, habe ich langsam begriffen, wie weit äußerer Eindruck und inneres Befinden bei einem Pferd auseinandergehen können. Inzwischen kann ich Anthony immer besser lesen und erkenne seine Nervosität und Angst schon lange vor anderen. Ich kann immer besser erkennen, wenn er sich anspannt, und reagiere dann ganz anders als früher (s. dazu auch In seinem Tempo). Ich lasse mich auch nicht mehr beirren, wenn andere so etwas sagen wie „Wieso, der ist doch ganz ruhig, der macht doch gar nichts.“, denn ich weiß inzwischen, dass Anthony tatsächlich erst „nichts“ macht (sich aber innerlich immer mehr hochpuscht) und die Reaktion dann in einer Explosion kommt (für viele aus dem Nichts, was aber so nicht stimmt, wenn man weiß, worauf man achten muss). Aramis hingegen ist schnell mal guckig, tänzelt auch mal, aber ist genauso schnell zu beruhigen und bleibt auch bei Angst immer ansprechbar. Anthony lässt sich, wenn er erstmal in seinem Film ist, kaum noch erreichen und damit auch nicht beruhigen. Hier habe ich gelernt, schon zu Beginn zu reagieren, damit die Situation eben nicht eskaliert.

Mut und Angst

Zusammen mit Aramis wird Anthony mutiger und stellt sich zu ihm. Aber wer genau hinschaut, kann auf dem folgenden Foto erkennen, dass Aramis sich zu den Kühen hin ausrichtet, während Anthony sich etwas nach hinten lehnt. Das ist nicht viel, aber es zeigt mir ganz deutlich, dass er in dieser Phase noch wie eine gespannte Spirale ist, jeden Moment bereit nach hinten zu explodieren. Und genau auf solche kleinen Details habe ich zu achten gelernt.

kuehe1Nach einigen Minuten hat sich die Gesamtaufregung gelegt und auch Anthony ist ansprechbar. Aber selbst jetzt ist er noch sehr aufgeregt und ich würde mich auf keinen Fall in Fluchtrichtung neben ihn stellen, während ich bei Aramis ganz locker an seiner Seite stehen könnte, ohne befürchten zu müssen, umgerannt zu werden.

kuehe2Das ist für mich ein sehr schönes Beispiel dafür, dass, wie sich ein Pferd präsentiert, nicht unbedingt etwas damit zu tun haben muss, wie es in ihm aussieht. Und ich denke, dass wir Pferden oft Unrecht tun, wenn wir sie nur nach dem äußeren Eindruck bewerten, ohne genauer hinzuschauen. So sind gerade oft die ach so „sturen“ Pferde oft sehr sensibel, die angeblich so „dominanten“ oft nur schrecklich unsicher und die scheinbar schreckhaften Pferde manchmal viel mutiger als man ahnt.

Ich bin dankbar dafür, dass ich durch meine beiden Pferde gelernt habe, genauer hinzuschauen und vor allem hinzufühlen, denn nur wenn wir die wahre Persönlichkeit eines Pferdes erkennen, können wir ihm auch gerecht werden.

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20. Januar 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Verhalten 9 Kommentare »

In seinem Tempo

Unsere Pferde sind nun von der Sommerweide in ihr Winterquartier geholt worden. Seitdem Babette ihren Hof verkauft hat, hat sich einiges verändert und so gibt es auf dem Hof viel Neues für die Pferde zu entdecken. Die Begegnung mit den Rindern hatte ich ja schon beschrieben, aber es sind auch Enten, Hühner und anderes eingezogen, so dass es viel kennen zu lernen gibt. Und genau das ging ich neulich mit den Jungs an.

Aramis, ganz cool und gelassen, schaute sich nacheinander alles ohne zu zögern an – 5 Minuten, fertig.

Früher hätte ich dann mit Anthony genau dasselbe machen wollen, wäre also auch einfach hin zu den Dingen marschiert und … hätte ihn damit einmal mehr überfordert. Dieses Mal passierte mir das aber nicht!

Während ich mit Aramis gleich direkt zu den Bereichen ging, wo nun die Enten und Hühner leben, führte ich Anthony erst einmal auf den Reitplatz. Dort machte ich zu, dass, sollte er sich losreißen, er nicht gleich auf- und davon rennen würde. Damit war ich schon mal selbst ruhiger. Das Entengehege grenzt gleich an den Reitplatz und so nahmen wir uns erst einmal die Enten vor. Ich führte Anthony so weit heran, dass er die Enten sehen konnte. Gleichzeitig hatte er von dort auch schon das Hühnergehege im Blick, auf dem auch eine Vogelscheuche steht und Flatterband hängt, um die Habichte zu vertreiben. Und etwas weiter unten spielten Kinder mit allerlei Spielzeug, es wurde auch noch gewerkelt und geräumt – kurz und gut: Es gab wirklich seeeehr viel zu sehen.

Zu sehen und vor allem zu verarbeiten und genau DARUM geht es!

Zeit zum Verarbeiten geben

Was tat ich also, als Anthony da stand, hoch aufgerichtet mit versteinerter Muskulatur und riesigen Augen und Nüstern? Ich tat nichts.

Ich versuchte nicht, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, ich versuchte nicht, ihn näher heranzuführen, ich schlug keine Lektionen oder Übungen zur Ablenkung vor – ich ließ ihn einfach stehen und glotzen. Ich redete mit ihm, aber nicht um ihn zu beruhigen, sondern um ihm zu vermitteln: „Ich bin da und ich sehe, was hier los ist, wir sind zusammen hier und es ist okay.“ Und dann wartete ich einfach ab.

Irgendwann entspannte er den Kopf ein kleines bisschen, das clickerte ich sofort. Genauso wie jede kleine Bewegung hin zu den ganzen Gruseldingen, jedes winzige Mehr an Neugier und jede Tendenz, sich einen Hauch zu entspannen. Ich schätze, wir standen 15-20 Minuten da und ließen einfach alles auf uns wirken. Und nach und nach entspannte sich mein wie ein Flitzebogen angespanntes Pferd etwas.

Das Schöne und vor allem auch das Wichtige an der Sache war das: Ich hatte ihn nicht zu manipulieren oder zu pushen versucht, sondern ich hatte ihn ganz in seinem eigenen Tempo die Situation anschauen lassen. Dazu musste ich seine Anspannung aushalten, etwas, das ich früher immer am liebsten sofort weghaben wollte. Ich wollte nicht, dass mein Pferd Angst hat und nervös wurde, weil er mir doch vertrauen sollte, schließlich tat ich doch so viel dafür, und weil er sich doch keine Sorgen machen soll und weil er sich nicht festglotzen soll und händelbar bleiben soll usw. usw. Damit habe ich so manches Mal nur eines erreicht: dass er ausstieg und gar nicht mehr zuhörte (er ging dann wortwörtlich einfach weg, etwas, das nicht gerade angenehm war).

Dieses Mal gab ich seiner Angst Raum. Seinem Bedürfnis, das alles anzuschauen, tief und drachenartig ein- und auszuatmen und fluchtbereit zu sein. All das war vollkommen ok für mich und ich glaube, genau das tat ihm sehr gut.

Als er am Ende dann schon deutlich entspannter stehen und nicht mehr ängstlich, sondern interessiert gucken konnte, ging ich langsam wieder zurück zum Paddock mit ihm. Ich forderte also nicht noch mehr. Die Hühner würden auch morgen noch da sein. Es war gut genauso, wie es war. Sowohl sein Blick als auch seine Ausstrahlung bei der Verabschiedung bestätigten mich genau darin. Und gleich am nächsten Tag waren die Enten überhaupt kein Thema mehr und auch von der Ungefährlichkeit der Hühner überzeugte er sich in wenigen Minuten.

Es ist so schön für mich, langsam tatsächlich einen Weg zu finden, meinem Pferd gerecht(er) zu werden, einfach indem ich mich auf sein SEIN einlasse und ihm nicht meine Ideen und meinen Weg aufdränge. So kann ich ihm endlich eine Stütze sein und bin keine zusätzliche Belastung in einer eh schon schwierigen Situation. Genau das habe ich mir immer gewünscht!

11. November 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang, Verhalten 16 Kommentare »

Buchtipp: „Die Intelligenz der Pferde“ von Marlitt Wendt

„Die Intelligenz der Pferde“ von Marlitt Wendt
Cadmos Verlag, 2013. – 144 S.
ISBN 384041038X
ca. 25,- EUR (gebunden, mit vielen farbigen Fotos)

  • Wussten Sie, dass Pferde erlernen können, was Symmetrie ist und dann in der Lage sind Gegenstände in symmetrisch und asymmetrisch zu unterscheiden?
  • Oder dass Pferde nach einer Übungszeit in der Lage sind, die Beschaffenheit unterschiedlicher unbekannter Objekte zu benennen?
  • Dass Pferde Farben und Formen in unterschiedliche Kategorien ordnen können?

In diesem Buch von der Verhaltensbiologin Marlitt Wendt lernen wir die Fähigkeiten unserer Pferde mit einem ganz anderen Verständnis zu begegnen.

Ein spannendes, lehrreiches Buch über faszinierende Geschöpfe! Wie alle Bücher von Frau Wendt kann ich dieses Buch nur jeden Pferdebesitzer wärmstens empfehlen.

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24. Oktober 2014 von Babette Teschen • Kategorie: Buchtipps, Verhalten 0 Kommentare »

Buchtipp: „Tochter der Mustangs“ von Carolyn Resnick

„Tochter der Mustangs: Mein Leben unter Wildpferden“ von Carolyn Resnick
Stuttgart: Kosmos, 2012. – 304 S.
ISBN 3440126188
ca. 20,- EUR (gebunden)

„Tochter des Mustangs“ ist kein klassisches Pferdebuch, sondern es sind die Geschichten einer tief mit der Natur und den Pferden verbundenen Frau.

Carolyn Resnick hat eine Liebeserklärung verfasst. Eine Liebeserklärung nicht nur für Pferde, sondern für die Natur ganz allgemein. Ihre Schilderungen sind schon poetisch und sie hat mich an viele Stellen tief berührt einfach nur durch ihre Beschreibungen.

Wir praktisch das Buch ist, wird sicher sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Ich denke, dass ich vor einiger Zeit nicht viel mit dem Buch hätte anfangen können. Vielleicht hätte ich ein bisschen darin gelesen, es hübsch gefunden, aber es wäre mir zu weit weg gewesen von meinem eigenen Sein mit Pferden. 

Jetzt hingegen holt es mich genau da ab, wo ich in meiner eigenen Entwicklung mit meinen Pferden steht: Ich bin wieder beim Beobachten angekommen, weil ich lernen möchte von meinen Pferden. Ich höre immer mehr auf, etwas von ihnen zu wollen oder zu erwarten, dafür bekomme ich immer mehr geschenkt. Die Lektüre dieses Buches öffnet mich noch viel mehr dafür, mich auf meine Pferde einzulassen, mich von ihnen leiten zu lassen.

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bei Kosmos

17. Oktober 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps, Verhalten 0 Kommentare »

Einfach mal hineinfühlen

Ich habe neulich auf einem Spaziergang mit Anthony ein kleines Experiment gemacht: Ich habe versucht, mich ganz auf seine Wahrnehmung einzulassen, ganz darauf, wie er wohl all das um uns herum erlebt, und zwar mit all seinen Sinnen.

Das Spannende dabei war, dass ich dadurch tatsächlich vieles ganz anders erlebte: die Geräusche im Wald waren plötzlich viel präsenter, die Lichtspiele viel bewegter, der Wind war fühlbarer und ich roch mehr. Und ja, ich nahm auch seine Stimmung sehr viel deutlicher wahr.

Ich hatte immer schon den Verdacht gehabt, dass Anthony lange nicht so cool ist, wie er den Eindruck vermittelt, sondern dass er geradezu hochsensibel ist. Irgendwie schien mir das aber doch übertrieben und ich fand, er solle sich nicht so anstellen. Aber nun konnte ich seine Nervosität direkt selbst fühlen, es war regelrecht in mir. Auf dem Weg an der Weide entlang fühlte sich alles noch locker und unbeschwert an, doch im Wald veränderte sich die Stimmung. Da war plötzlich immer mehr Unruhe und ich spürte die Sorgen meines Pferdes in mir, das Halfter am Kopf kratzen und die Fliegen nervten.

Vielleicht klingt das alles mal wieder ein bisschen versponnen, aber das seid Ihr ja inzwischen von mir gewohnt. 😉 Ich folge im Moment sehr stark meiner Intuition und schaue, wohin es mich bringt, mich immer mehr auf Anthony einzulassen. Und vielleicht kann mein kleines Experiment ja auch Euch dazu anregen, Euch mal ganz bewusst in Euer Pferd hineinzufühlen,  also den Kopf auszuschalten und all das loszulassen, was wir zu wissen glauben, um einfach nur zu fühlen.

Wie oft habe ich mich darüber geärgert, dass Anthony beim Spazierengehen zu hapsen anfing und oft auch grantig war. Und man ist so schnell dabei, ein unerwünschtes Verhalten bei einem Pferd als „Unart“ oder „Frechheit“ abzutun. Jetzt sehe ich das alles ein bisschen anders, denn ich bin mir inzwischen sicher, dass das seine Art ist, mit seiner Unruhe umzugehen oder mir zu zeigen, dass er überfordert ist.

Wenn ich jetzt losgehe, bleibe ich bei ihm. Ich nehme mit ihm zusammen Veränderungen im Außen wahr und bekomme ein immer besseres Gefühl dafür, wann es für ihn Anlass zu Sorgen gibt. Ich kann so viel besser auf ihn eingehen und ihm Sicherheit geben. Statt Quengeleien schauen wir uns nun alles zusammen an. Manchmal kann er sich entspannen, manchmal bleibt er unruhig.

Ich bin gespannt, was Du mir noch alles zeigen wird, Kleiner!

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7. Oktober 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 10 Kommentare »

Neue Nachbarn

Wir haben neue Mitbewohner im Stall bekommen: Zwergrinder. Hübsche schwarze Tiere mit eindrucksvollen Hörnern.

Nun mag sich der eine oder die andere vielleicht an einen Blogbeitrag erinnern, indem ich davon berichtete, dass Aramis Kühe bisher nicht ganz so vertrauenserweckend fand, s. Hilfe, Kühe!  Dort beschrieb ich, wie ich damit umgehe, wenn wir auf einem Ausritt Kühen begegnen und Aramis Angst zeigt. Jetzt war ich natürlich gespannt, wie er auf seine neuen Nachbarn reagieren würde!

Ich führte ihn von der Sommerweide zum Stall, wo die Rinder nun stehen. Er erblickte sie natürlich sofort und blieb stehen – hoch aufgerichtet und sehr aufmerksam. Auf mein gutes Zureden hin ließ er sich dann sehr schnell zu den Rindern führen, aufgeregt ja, aber nicht ängstlich. Eigentlich sogar im Gegenteil: er fand sie spannend! Da merkt man dann doch, dass sich das jahrelange Anti-Scheutraining auszahlt.

Er näherte sich also den Hörnerträgern:

kuehe1Und mit ein kleines bisschen Ermutigung ging er noch näher heran:

kuehe2Es war schön zu sehen, wie die Neugier siegte und er dann auch ganz ohne mich in Kontakt mit der Kuh ging:

kuehe3Und die beiden dann Nase an Nase standen:

kuehe4Das einfach mal für alle, die Bedenken haben, ein Pferd an gruseligen Dingen nicht „einfach stramm vorbeizureiten“, sondern auch mal abzusteigen und zu führen. Für mich ist das ein klarer Beweis dafür: Verständnis für Pferdeängste und ein einfühlsamer Umgang mit ihnen führen nicht zu mehr Angst oder gar Widersetzlichkeiten, sondern, wie man sieht, eben genau zu dem, was man damit bezwecken möchte: zu mehr (Selbst)Vertrauen!

15. Juli 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang, Verhalten 2 Kommentare »

Aramis und die Rangfolge

Die Herden, in denen unsere Pferde leben, haben alle eines gemein: sie sind von uns Menschen zusammengestellt. Das heißt, dass die Rangfolge in diesen Herden oft mehr aus der Not geboren entsteht, denn aus einem natürlichen Gefüge heraus. Wer je erlebt hat, welche unschönen Folgen es haben kann, wenn plötzlich ein Pferd in die Position des Herdenchefs kommt, ohne dafür eigentlich gemacht zu sein, weiß, wovon ich rede…

Mich fasziniert immer wieder sehr, was zwischen Pferden geschieht und wie sich das Verhältnis untereinander,  Freund- und Feindschaften und eben auch die Rangfolge entwickeln. Ich könnte da oft Stunden einfach zuschauen. Und aktuell gibt es dazu bei uns einiges zu berichten, was Ihr vielleicht ähnlich spannend findet, wie ich:

Mein Aramis war über all die Jahre, die ich ihn nun habe, eigentlich immer an Position 2 in jeder Herde. Das änderte sich erst, als der vorherige Herdenchef in einen anderen Stall umzog. Nach einer Trauerphase (denn dieses Pferd war ein dicker Kumpel von Aramis gewesen) und einigen anderen Veränderungen in der Herde übernahm Aramis die Führung und wurde, zumindest solange ich ihn kenne, zum ersten Mal überhaupt die Nummer 1 der inzwischen recht kleinen Herde. Es war schon nett, ihn so stolz als Führungsoberhaupt zu erleben, und ich denke, er hat seinen Job auch nicht schlecht gemacht.

Jetzt, Anfang Juni, kam ein neues Pferd in die Herde. Ein stattlicher Tinker, bei dem ich sofort dachte, dass das ein geborener Führer ist (und ich bin kein Pferd 😉 ).

Tja, und genau das schätzte Aramis wohl auch so ein. Mit Anthony an seiner Seite ging er sofort auf den Neuankömmling los, der das einzig Richtige tat, nämlich zu fliehen. Und so zeigte sich auch die ersten Tage dasselbe Bild: Der Tinker wurde gejagt, nicht nur von meinen Jungs, auch von den anderen Pferden.

Aber, wer genauer hinsah, konnte auch bereits beobachten, dass die Flucht nicht aus Schwäche stattfand, sondern Teil der Strategie dieses Pferdes war. Echte Führer unter Pferden brauchen kaum zu kämpfen. Sie haben eine natürliche Autorität, die von den anderen Pferden akzeptiert wird. Und genau darauf verlässt sich der Neue.

Nach einigen Tagen konnte ich z.B. beobachten, wie Anthony zur Tränke ging und der Tinker ihn scheinbar zufällig (in Wahrheit aber natürlich sehr bewusst) begleitete. Er stellte sich schräg zur Tränke, scheinbar (aber natürlich in Wahrheit überhaupt nicht) beiläufig. Anthony irritierte das durchaus, dass der Neue da so ein Auge auf ihn warf und als er fertig war, drehte er sich mit dem Hintern zu ihm, um ihn zu vertreiben. Der Tinker wich keinen Zentimeter, worauf Anthony gleichsam mit den Schultern zuckte und ging.

Das war ein klassischer Führungssieg.

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24. Juni 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Verhalten 9 Kommentare »

  • Reitkurs

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    "Wege zum Pferd" wurde 2008 von Tania Konnerth und Babette Teschen gegründet und wird seit 2021 von Tania allein auf der neuen Seite weitergeführt.

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