Gutes Pferd, böses Pferd?

Wir versuchen hier bei „Wege zum Pferd“ immer wieder die Seite der Pferde zu beleuchten, weil wir glauben, dass so gut wie alle Probleme mit Pferden ihre Ursache bei uns Menschen haben. Nun sagte jemand mal zu mir, dass anzunehmen, dass Pferde nur gut sein, kontraproduktiv ist. Dass man Pferde damit verklärt und nicht mehr realistisch einschätzt. Dass Pferde oft alles andere als „gut“ sind, sondern z.B. untereinander fies sein können und eben auch zu Menschen, um damit dann sämtliche Maßnahmen im Beherrschen von Pferden (von Dominanzgetue bis hin zu handfester Gewalt) zu rechtfertigen…

Ehrlich gesagt halte ich schon allein die Frage, ob Pferde eigentlich eher „gut“ oder doch eher „böse“ ist, für den falschen Ansatz.

Pferde sind einfach. Sie sind nicht „gut“ oder „schlecht“, sondern sie sind Pferd. Und ich glaube, dass die meisten Probleme entstehen, wenn man genau das nicht akzeptiert, sondern wenn man als Mensch von einem Pferd fordert, mehr zu sein oder auch anders zu sein als ein Pferd (nämlich z.B. ein Sportgerät, ein Partner- oder Kindersatz, der beste Freund usw.).

Unsere Erwartungen bestimmen unsere Bewertung

Wir Menschen erwarten so viel von Pferden und übersehen dabei leider, dass fast alles, was wir mit ihnen machen oder von ihnen wollen, für sie NICHT natürlich ist.

Pferde in freier Wildbahn werden nicht angebunden, nicht gesattelt, nicht geritten. Keiner fasst sie überall an, reitet sie eine Stunde im Kreis oder fordert sie auf, über Oxer und Kombinationen zu springen. Pferde in der Natur ziehen keine Kutschen, machen keine Zirkuslektionen und müssen nicht im Straßenverkehr oder auf Umzügen laufen. All das und vieles mehr erwarten wir aber – oft ganz selbstverständlich – von unseren Pferden. Und dann bewerten wir Pferde, die sich unseren Erwartungen entziehen als „schlecht“ und nur die, die brav alles machen, was wir wollen, sind „gut“.

Fair ist das nicht, oder?

Anerkennen heißt wertschätzen

Ich denke, wir sollten uns viel öfter einmal klarmachen, in wie vielen Bereichen uns Pferde entgegenkommen:

  • Wie oft sie z.B. Dinge für uns tun, die vollkommen gegen ihre Natur gehen,
  • wie oft sie ihre Ängste für uns überwinden,
  • wie oft sie uns unsere Ungeduld, Launen und Ungerechtigkeiten verzeihen,
  • wie brav sie sich oft auch mit schlechten Haltungsbedingungen, zu wenig Futter und Trennungen von Artgenossen arrangieren,
  • wie oft sie sich von uns vom Futter wegführen oder aus einer Schlummerstunde holen lassen,
  • wie viel sie bereit sind zu lernen,
  • wie schwer es ihnen oft fällt zu verstehen, was wir von ihnen wollen und wie sehr sie sich aber dennoch bemühen,
  • welche großen Leistungen sie oft für uns bringen,
  • wie oft sie Unangenehmes (drückende Sättel, zu viel Reitergewicht, einengende Hilfszügel, Reiterfehler usw.) ertragen und wie oft sogar Schmerzen und
  • wie oft sie sich von uns schubsen, treten, buffen und sogar schlagen lassen, ohne sich zu wehren.

Ich glaube, dass die Bewertung unserer Pferde direkt aus unseren Erwartungen an sie entsteht – erfüllen sie diese, sind sie gut, erfüllen sie diese nicht, sind sie schlecht. Und das ist deshalb unfair, weil unsere Erwartungen sehr oft weit über das gehen, was Pferden eigen ist. Wenn wir einmal ganz bewusst anerkennen, was sie alles für uns tun, lernen wir diese Wesen noch mal auf eine ganz andere Art wertzuschätzen. 

Ein Pferd ist ein Pferd ist ein Pferd

Obwohl es eigentlich nicht nötig sein sollte, das überhaupt zu erwähnen, aber Pferde sind keine Maschinen oder Spielzeuge, die für uns Menschen entwickelt wurden, sondern Pferde sind lebendige Wesen, deren Daseinsberechtigung zunächst einfach nur ihr Sein ist. Der Mensch schafft sie sich zwar an, um bestimmte Dinge mit ihnen zu tun, aber er hat deshalb nicht auch gleichzeitig das Recht auf die Erfüllung dieser Dinge. Und ich glaube, davon gehen leider noch viele von uns aus.

Wenn ich Pferde Pferde sein lasse, bin ich diejenige, die sich auf sie einstellen muss und die von ihnen und über sie lernen muss. Ich akzeptiere sie dann in ihrem Tier-Sein und erwarte von ihnen nicht, was ich vielleicht auch von anderen Menschen oder mir selbst erwarte (denn genau das tun viele von uns!).

Wenn ich akzeptiere, dass Pferde Pferde sind, kann ich ihnen in ihrer Welt begegnen und sie von dort einladen und verlocken, gemeinsam mit mir etwas zu unternehmen. Es ist dann mein Job, dem Pferd zu zeigen, dass meine Ideen toll sind und Spaß machen und wenn ich sie nicht überzeugen kann, ist es nicht ihr Fehler, sondern meiner.

Gut, dass es Pferde gibt!

Um noch einmal zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Nach rund 35 Jahren, die ich nun mit Pferden zu tun habe, kann ich aus der Tiefe meines Herzens sagen, dass Pferde für mich ganz wundervolle Wesen mit großen Seelen sind und ja, ich glaube, Pferde sind von Natur aus „gut“.

Gut, dass es sie gibt!

13. Mai 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 16 Kommentare »

Mach mich glücklich!

Ich möchte noch einmal das Thema „Erwartungshaltung“ aufgreifen und einen Aspekt gesondert beleuchten, da ich zumindest von mir weiß, dass er über lange Zeit ziemlich beherrschend in der Beziehung zu meinen Pferden war. Es handelt sich um eine wohl meist unbewusste Erwartung, die aber meiner Ansicht nach für sehr viel Leid in der Pferdewelt (auf beiden Seiten!) verantwortlich ist: Und zwar ist das die Erwartung, dass unser Pferd uns glücklich machen soll.

 Wie andere Tiere auch werden Pferde oft unbewusst als Ersatz für alles Mögliche eingesetzt:

  • Sie sollen unsere Freunde sein,
  • einen Partner ersetzen (oder das, was in einer Partnerschaft fehlt),
  • sie sollen uns dabei helfen, dass wir erfolgreich sind und Anerkennung bekommen,
  • oft sind sie ein Kindersatz oder
  • sie werden gar zum Sinn des Lebens …

Was auch immer die unbewussten Motive und Muster bei jedem einzelnen sind, unter dem Strich steht der schmerzliche Wunsch oder auch die klare Forderung, dass unser Pferd uns bitteschön glücklich machen soll. Dafür haben wir es schließlich, oder?

Ja, natürlich schaffen wir uns Pferde an, um mit ihnen Freude zu haben, schöne Stunden zu erleben oder auch um bestimmte Ziele zu verwirklichen. Aber kein Pferd der Welt kann all die Löcher in uns stopfen, die wir oft in dieser so meist hoch emotionalen Beziehung zu füllen versuchen.

  • Wenn uns im Leben Anerkennung fehlt, darf nicht der Reit- oder Turnierplatz der einzige Ort sein, wo wir diese suchen.
  • Wenn wir einsam sind, kann ein Pferd nicht zum alleinigen Ansprechpartner werden.
  • Wenn uns körperliche Nähe fehlt, dürfen wir diese nicht allein beim Pferd zu erfüllen suchen.
  • Wenn wir einen Sparringspartner suchen, um unsere unterschwelligen Aggressionen auszuleben, dürfen wir dazu nicht unser Pferd missbrauchen.
  • Wenn uns unser Leben sinnlos erscheint, dürfen wir nicht unser Pferd zum Mittelpunkt von allem machen.

Ich formuliere das ganz bewusst so scharf, weil ich für mich zu diesen Erkenntnissen gekommen bin. Ich habe alles Mögliche versucht, über meine Jungs auszuleben oder zu bekommen. Damit habe ich sie sehr oft bedrängt und überfordert, was allein schon unschön ist. Aber vielleicht noch entscheidender: Ich habe dort weder das bekommen, was ich suchte, noch konnte ich die Geschenke wirklich würdigen, die sie mir gaben.

Ich weiß heute, dass meine unbewussten und unangemessenen Erwartungshaltungen an meine Pferde unser Miteinander oft vergiftet haben. Je besser es mir gelingt, meine Muster zu erkennen und FÜR MICH SELBST zu sorgen, desto besser gelingt es mir, auch für meine Pferde zu sorgen. Ihnen angemessen und pferdegerecht gegenüber zu treten und mit offenem Herzen das annehmen zu können, was sie mir schenken.

Ich schreibe hier ausdrücklich über mich selbst, aber vielleicht kann diese kleine Selbstreflexion mal wieder einige Denkanstöße bei Euch auslösen und den einen oder anderen Knoten lösen.

11. März 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 13 Kommentare »

Nobody is perfect – Über den Umgang mit Fehlern

Sehr oft höre ich von Pferdebesitzern: „Ich habe schon so vieles falsch gemacht im Umgang mit Pferden. In Zukunft will ich alles richtig machen.“

So sehr ich diesen Wunsch nachvollziehen kann, so versuche ich jedoch sanft allen, die so reden, diese Erwartungshaltung an sich selbst zu nehmen. Denn ich bin fest davon überzeugt: Das wird nicht gelingen! Mit einem solchen Erwartungsdruck an sich selbst ist das Versagen vorprogrammiert und mit aller Wahrscheinlichkeit ist der Frust danach noch höher.

So sehr wie uns wünschen, alles richtig machen zu wollen, wir werden Fehler machen. Aber Fehler müssen nichts Schlechtes sein!

Fehler sind zum Lernen da

Wenn man mich fragt, was für mich der Sinn des Lebens ist, lautet meine Antwort: Wir sollen lernen.

Und woraus lernen wir? Richtig: aus Fehlern!

Wenn man Fehler so betrachtet, sind sie eigentlich etwas Gutes. Die Frage ist doch nur, wie gehen wir mit Fehlern um?

Konstruktiv reflektieren

Aus meiner Erfahrung ist die Art, wie wir mit unseren eigenen Fehlern und Schwächen umgehen, auch ganz entscheidend für den Umgang mit unseren Pferden. Viele Menschen, die zu sich selbst sehr streng sind, sind es auch ihren Tieren gegenüber (und übrigens auch anderen Menschen gegenüber…).

Hier einige Anregungen für konstruktivere Gedanken, wenn etwas nicht so gut gelaufen ist:

  • Situation analysieren:
    • Was ganz konkret habe ich gemacht, das ich anders machen möchte?
    • Warum habe ich das so gemacht?
    • Wie will ich es das nächste Mal tun?
    • Wie kann ich in Zukunft vermeiden, denselben Fehler noch einmal zu machen?
  • Das Problem erkennen:
    • Was genau hat zu dem Fehler geführt, den ich gemacht habe?
    • Kann ich mein Verhalten, das zu dem Fehler geführt hat, eigentlich aus mir heraus ändern?
    • Fehlen mir vielleicht Ideen oder Ansätze, etwas zu ändern?
    • Fehlt mir vielleicht Wissen, um etwas anderes zu tun?
    • Was müsste ich lernen, wenn ich den Fehler vermeiden will?
    • Wen könnte ich um Hilfe bitten?
  • Blick öffnen:
    • Was in der Situation habe ich vielleicht sogar gut gemacht?
    • Habe ich z.B. weniger heftig reagiert als in vergleichbaren Situationen?
    • Was lief bis zu dem Moment alles gut?
    • Was habe ich vielleicht alles schon gelernt und mache es heute besser als früher?

Vielleicht behalten Sie diese kleine Fragenliste einmal im Hinterkopf, um Ihre nächsten Fehler dazu zu nutzen, etwas nachsichtiger mit sich selbst zu sein und nicht in die Falle negativer Selbstkritik zu tappen. Üben Sie sich in einem konstruktiven Umgang mit dem, was nicht so gut läuft, denn dann erfüllen Fehler ihre eigentliche Funktion: Wir lernen dazu!

 

25. Februar 2014 von Babette Teschen • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 3 Kommentare »

Kinderspielzeug?

Wenn ich auf das letzte halbe Jahr zurückschaue, so muss ich sagen, dass das die unbeschwertesten, ja, vielleicht sogar glücklichsten Pferdemonate waren, die ich je hatte. Und zwar nicht, weil ich so viel Spektakuläres und Tolles erreicht habe. Ich habe keine Preise gewonnen, keine Trainingsfortschritte gemacht und keine neuen Lektionen erreicht. Nichts dergleichen kann ich vorweisen.

Nein, diese Monate waren deshalb gut, weil ich tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben meine Pferde einfach Pferde sein lassen kann.

Was so einfach hingeschrieben ist, ist das Ergebnis unzähliger Selbstreflexionen nach geweinten Tränen, Wutanfällen, Ungerechtigkeiten und vielem Mist, den ich gemacht habe. Mir ist eines klar geworden: Ich habe mit dem Reiten angefangen als ich 10 war. Mit 10 hat man die Vorstellung, die ganze Welt müsste nach der eigenen Pfeife tanzen und Pferde sind ein Barbie-Puppen-Ersatz – zumindest muss ich zugeben, dass es für mich so war. Statt mit meinen Stofftieren zu spielen, fühlte ich mich zu echten Pferden hingezogen und ich betüddelte sie wie meine Puppen. Aber ich wollte auch, dass sie genauso funktionieren wie mein Spielzeug.

Während ich im Zusammensein mit Pferden lernte, mich um sie zu kümmern, sie zu versorgen, sie zu putzen, zu führen und zu reiten, lernte ich eines leider erst sehr viel später: wirklich anzuerkennen, dass Pferde weder Spielzeuge noch ein Sportgeräte sind. Dieser Erkenntnisprozess kam in quälend kleinen Schritten und dauerte lange. Selbst bis noch vor kurzem hatte ich klare Erwartungen an meine Pferde. Sicher schon gemäßigter als früher und ja, ich war inzwischen auch schon toleranter und offener für ihre eigenen Ansichten, aber von der Grundsache her wollte ich noch immer, dass sie, tja, ich muss es wohl so formulieren, wenn ich ehrlich sein will: funktionieren. Schließlich tat ich doch alles für die beiden, oder etwas nicht? Alles erdenklich Mögliche, damit es ihnen gut geht, damit sie motiviert sind, fit und gesund.

(mehr …)

4. Februar 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 33 Kommentare »

Personal Trainer

Ich glaube inzwischen fest daran, dass  Pferde so etwas wie „Personal Trainer“ sind, also Wesen, die uns etwas beibringen wollen. Und das gilt nicht nur für unsere eigenen Pferde, sondern offenbar stellen sich auch andere Pferde dafür immer wieder bereitwillig zur Verfügung.

Einer meiner persönlichen Trainer ist z.B. eine Araberstute. Ein eigentlich feines, sensibles Pferd, doch wenn sie auf mich trifft, erblassen selbst meine Hafis angesichts ihrer Stumpfheit. 🙂

Diese Stute trainiert mich regelmäßig, wenn ich mit Stalldienst, also mit Abäppeln, dran bin. Das ist ja doch eine recht anstrengende Angelegenheit, die ich manchmal einfach nur schnell hinter mich bringen will, vor allem, wenn es matschig ist, regnet oder kalt ist oder ich genervt und gestresst bin. Tja, und genau an solchen Tagen ist das Stütchen dann zur Stelle: Sie steht mir im Weg, sie geht genau dahin, wo ich gerade abäppeln will, sie rennt mich über den Haufen, weil sie unbedingt genau da lang muss, wo ich gerade bin. Wie oft bin ich schon in die Falle getappt, mich darüber aufzuregen, wütend zu werden und Rumpelstilzchen zu spielen (nein, ich habe ihr nichts getan, aber ich gebe zu, geschimpft und geflucht habe ich durchaus)! Und je mehr ich mich aufrege, desto mehr wird sie zum Ärgernis für mich.

Ganz anders die Tage, an denen ich offen und freundlich bin, an denen ich in meiner Balance bin und mir das Abäppeln nichts ausmacht. Dann ist genau dieselbe Stute vollkommen unauffällig. Vielleicht begrüßt sie mich kurz, aber sie stört mich nicht ein einziges Mal während der Arbeit.

Alles nur Zufall? Wohl kaum!

Ich bin davon überzeugt, dass Pferde Meister darin sind, unsere Stimmungen zu erspüren. Tja, und mein Personal Trainer hat es inzwischen geschafft, dass ich an Tagen, an denen ich merke, dass ich gereizt bin (meist weil ich gerade besagte Stute anmotzen will), tief durchatme, nach meinem Humor suche und alles einfach ein bisschen lockerer nehme. Und ich bekomme jedes Mal ein unmittelbares Feedback, ob ich das schaffe oder nicht, denn sie ist jederzeit zur Stelle, mir sofort wieder im Weg zu stehen, wenn es nötig ist. 😉

Ich bin mir sicher, so etwas kennt Ihr auch, oder nicht?

3. Dezember 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 11 Kommentare »

Vertrauensarbeit in der Praxis

Vor einigen Tagen konnte ich mal wieder erleben, wie wichtig eine einfühlsame Vertrauensarbeit mit unseren Pferden ist (und die Betonung liegt auf einfühlsam). Wir zeigen auf unserer Seite (z.B. hier, hier und hier) und in unseren Kursen ja immer wieder, wie wir unsere Pferde z.B. mit Planen vertraut machen, mit Luftballons, mit großen Plastik-Tieren, mit Gymnastikbällen, Klappersäcken und allen möglichen „Monstern“, auf die Pferde so treffen können. Manch einer mag sich vielleicht fragen, wofür all der Aufwand, schließlich dürfte einem im Wald wohl kaum ein Plastik-Wal begegnen oder ein Gymnastikball entgegen gehüpft kommen. Aber manchmal erlebt man so seine Überraschungen…

Wir haben ganz in der Nähe eine Biogas-Anlage. Und für diese Biogas-Anlage werden enorme Berge aufgehäuft und dann mit Folien abgedeckt. Das geschieht normalerweise eher in der Nähe der Anlage, aber in diesem Jahr hat man sich dafür einen neuen Platz ausgesucht: und zwar unmittelbar an dem Weg, der bei uns in den Wald führt. Tja, und was macht man, wenn man mit seinem Pferd gerne in den Wald möchte und dort in vielleicht 20m Abstand nun diese überdimensional großen Folien über die Berge gezogen werden? Man reitet einfach trotzdem los! 🙂

Schon von weitem sah Aramis, dass da reges Treiben auf dem Feld war:

IMG_7291Aufmerksam, aber gelassen lief er darauf zu und schaute sich interessiert an, was die Menschen da trieben. Auf dem Hinweg wurde eine dünne, durchsichtige Folie gezogen, die knisterte und raschelte. Dass Aramis das vollkommen kalt ließ, wäre übertrieben, aber es war ganz deutlich zu spüren, wie er meinem guten Zureden nach dem Motto „Ist alles ok, ganz ehrlich.“ vertraute.

Denn darum ging es: um Vertrauen. Um jahrelang gewachsenes Vertrauen. Hier zahlte sich all die Arbeit mit den Planen aus und auch, dass ich ihn, wann immer wir etwas Gruseliges draußen fanden, das anschauen ließ. So ließen wir den Planenberg hinter uns und genossen unsere Runde.

Auf dem Rückweg folgte dann Teil 2 der Vertrauensarbeit und der dürfte, wenn auch unspektakulärer, viel wichtiger gewesen sein! Denn da war es an mir gewesen, Aramis‘ Vertrauen in mich nicht zu enttäuschen und vor allem nicht auszunutzen. Als wir nämlich nun zum Feld kamen, wurde gerade eine zweite Plane über den Berg gezogen. Nun war es eine dunkelgrüne, feste Plane, die deutlich mehr Lärm machte und eindrucksvoll im Wind flatterte. Ich merkte, wie der Große sich immer mehr anspannte. Obwohl ich mir sicher war, dass wir auch so an dem Planenmonster vorbei gekommen wären, stieg ich ab und führte ihn vorbei.

Warum tat ich das, was doch so verpönt ist, obwohl es wahrscheinlich ein Leichtes gewesen wäre, ihn mit etwas Nachdruck daran vorbeizureiten (ich höre in meinem Kopf den herkömmlichen Rat: „Beine zu und dann vorbei da!“)? Weil ich merkte, dass er sich Sorgen machte und ich ihm die Sicherheit geben wollte, die er brauchte. Ich denke, viele hätten gedacht: „Hey, vorhin hatte er keine Angst vor der Folie und nun plötzlich doch, der veräppelt mich bestimmt!“ Aber genau das halte ich für eine glatte Fehleinschätzung. Die grüne Folie war deutlich anders als die durchsichtige und aus Pferdesicht offenbar deshalb gruselig. Er hatte mich nicht veralbern wollen, sondern er hatte Angst. An der Hand entspannte er sich fast sofort, was mir zeigte, dass meine Einschätzung richtig gewesen war. Es wäre, wie gesagt, kein Thema gewesen, ihn mit entsprechenden Hilfen vorbeizureiten, aber es wäre ein Problem für unser Vertrauensverhältnis geworden. Denn wenn ich mich an dieser Stelle „durchgesetzt“ hätte, hätte ich zwar Macht bewiesen, wäre aber über seine (aus seiner Sicht vollkommen berechtigten!) Bedenken hinweggegangen. Wir wären dann nicht zusammen an der Plane vorbeigegangen, sondern ich hätte ihn dazu gebracht. Indem ich abstieg und ihn führte, bewältigten wir die Situation aber dann gemeinsam.

Ich weiß, dass ich in diesem Moment die Chance hatte, meinem Pferd zu beweisen, dass ich sein Vertrauen verdient habe und ich bin sehr froh, dass ich ihm genau das zeigen konnte.

15. Oktober 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Vertrauenstraining 17 Kommentare »

DIE Methode gefunden?

Ich nehme an, dass Ihr das auch kennt: Man hat eine neue Methode entdeckt, die einem wie eine Offenbarung erscheint – vielleicht eine neue Reitweise, eine neue Art, ein Pferd auszubilden oder einen anderen Ansatz, zu trainieren. Oder vielleicht auch einen neuen Zaum, ein neues Halfter oder eine andere Trainingshilfe. Was auch immer es im Einzelfall ist, in diesem Moment ist man überzeugt davon, endlich DIE Lösung, DEN ultimativen Weg gefunden zu haben. Dann kauft man Bücher darüber, das Zubehör dazu, bucht Kurse und geht ganz diesen neuen Weg (oder nutzt eben nur noch das neue Equipment). Darüber hinaus versucht man vielleicht auch noch andere zu überzeugen, das doch auch auszuprobieren, weil das sooo super ist und sooo viel bringt. Und das geht solange, bis, ja bis auch mit dieser tollen Methode (oder Halfter oder Hilfszügel) die ersten, meist altbekannten Probleme auftauchen …

Ich weiß nicht, wie oft mir das schon passiert ist! Erst war ich Feuer und Flamme, aber über kurz oder lang klappte die Sache dann doch nicht mehr so toll, mein Pferd fand es doof oder ich las etwas Kritisches darüber, was mich nachdenklich machte. Dann schob ich das teure Zeug, das ich gekauft hatte, immer weiter nach hinten im Spind und räumte auch vor anderen kleinlaut ein, dass ich doch nicht mehr so überzeugt von der Sache sei.

Es ist nicht leicht, sich einzugestehen, mal wieder auf einem falschen Weg gewesen zu sein, aber ich denke, es ist wichtig, sich selbst immer wieder kritisch zu hinterfragen, gerade dann, wenn man auf etwas besonders anspringt. Was steckt dahinter? Meine Sehnsucht nach einer leichten Lösung? Will ich endlich sicher sein, alles richtig zu machen? Will ich anderen gefallen? „In“ sein und mithalten? Will ich mich wichtig machen? Oder geht es wirklich um mein Pferd und darum, was für es am besten ist?

Heute renne ich nicht mehr mit fliegenden Fahnen hinter dem neuesten Trend hinterher, da ich erkannt habe, dass vieles, was so toll klingt, vor allem gut aufbereitetes Marketing ist. Ich glaube nicht mehr an Halfter, die alle Probleme lösen, oder an Trainingshilfen, die Gesundheit garantieren. Ich lass mich nicht mehr blenden von schönen Bildern und großen Versprechen und erst recht glaube ich nicht an Abkürzungen in der Pferdeausbildung und nicht an Universalrezepte. Aber ich schaue noch immer aufmerksam hin, was neue Trainer vorstellen oder was für neue Erkenntnisse präsentiert werden. Denn: Dazulernen kann man immer etwas und dafür möchte ich offenbleiben.

Wenn mich etwas wirklich überzeugt, bin ich jederzeit bereit, meine Meinung zu ändern, zu erweitern oder zu korrigieren, aber ich habe heute genug Selbstvertrauen, nicht mehr alles bisher Erarbeitete über den Haufen zu werfen, nur weil mal wieder ein neuer Guru geboren wird, nach dessen Methode alles anders wird. Denn ich höre heute mehr denn je auf meine Pferde. Und die zeigen mir sehr deutlich, wann ich mal wieder mit etwas auf dem Holzweg bin oder nicht. 🙂

DSC_0105

 

27. August 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 21 Kommentare »

Vertrauen braucht Vertrauen

Neulich konnte ich mal wieder etwas von Babette lernen, das mich sehr bereichert hat.

Ein Pferd sollte verladen werden. Es war ein kalter Tag und es war schon einige Zeit vergangen, in der das Pferd nicht auf den Hänger wollte. Babette wurde dann um Hilfe gebeten und wir beide machten uns an die Aufgabe.

Babette hat eine sehr ruhige und klare Art und es war schön zu sehen, wie das Pferd nach kurzer Zeit schon fast im Hänger stand. In diesem Moment hätte ich wohl einen entscheidenden Fehler gemacht: nämlich Druck. Ich hätte wahrscheinlich versucht, das Pferd noch das kleine Stückchen vorzutreiben, aus Angst, es könnte sonst noch viel länger dauern. Nicht so Babette. Sie ließ das Pferd die Rampe wieder runtergehen, damit erst einmal der Äppelhaufen weggemacht werden konnte, der die Rampe doch ziemlich rutschig machte. Das Pferd ging dann fast anstandslos wieder bis an denselben Punkt: eben kurz davor, aber noch nicht ganz rein. Doch auch dieses Stück war schnell geschafft.

Nun hätte ich wohl den zweiten Fehler gemacht, nämlich möglichst gleich die Stange befestigt. Babette aber sagte, wir sollen das Pferd erst einmal ankommen lassen. Erst wenn es sich wohl und sicher fühlt, solle ich ganz langsam die Trennwand ranschieben und die Stange festmachen. Und genauso machten wir es. Das Pferd machte keine Anstalten, einen Schritt zurückzumachen, obwohl es dazu alle Möglichkeiten gehabt hätte.

Mir zeigte das ganz deutlich: Vertrauen braucht Vertrauen. Babette vertraute nicht nur ihren Fähigkeiten, das Pferd verladen zu können, sondern sie erkannte, dass sie zuerst darauf vertrauen muss, dass das Pferd freiwillig im Hänger bleiben würde. Dass genau das dem Pferd die Sicherheit geben würde, die es brauchte, um seinerseits zu vertrauen.

Danke, Babette, ich habe damit wieder etwas ganz, ganz Wichtiges gelernt!

25. Juni 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 8 Kommentare »

Warum kannst du nicht anders sein?

Neulich schrieb ich über Ja- und Nein-Sager-Pferde. Wie die meisten von Euch wissen, habe ich ja je ein Exemplar.

Anthony macht es mir mit seinem oft massiven Nein nicht leicht. Wenn ich zur Weide fahre, braucht Aramis nur mein Auto zu sehen und kommt schon zum Tor und oft werde ich sogar wiehernd begrüßt. Anthony hingegen bleibt fast immer stehen oder geht demonstrativ zur Raufe. Tage, an denen er sich mal wirklich zu freuen scheint, wenn ich komme, sind selten. Egal, was ich mir ausdenke, seine Begeisterung währt, wenn überhaupt, meist nur einmalig oder über kurze Zeit. Immer wieder stellt er komplett alles in Frage, auch solche Aktivitäten, von denen es erst so schien, als würden sie ihm gefallen.

Ja, und irgendwann habe ich mich bei einem ziemlich miesen Gedanken ertappt. Ich habe gedacht: „Warum kannst du nicht mehr wie Aramis sein?“

Ich habe mich für diesen Gedanken sehr geschämt. Das mit Euch zu teilen, ist nicht so einfach und ich bin um diesen Artikel eine Weile herumgeschlichen. Ich glaube aber, dass sehr viele Pferdebesitzer manchmal an genau diesen Punkt kommen, sei es, dass man sich ein neues Pferd angeschafft hat, weil das alte verstorben ist, sei es, dass man sein eigenes Pferd mit dem eines anderen vergleicht oder sei es, wie bei mir, dass man seine eigenen Pferde untereinander vergleicht. Und da es mir gutgetan hätte, wenn jemand mal dieses Thema angesprochen hätte, weil ich mich dann weniger allein und schlecht gefühlt hätte, schreibe ich nun diesen Artikel.

Ja, Aramis macht es mir um Längen einfacher, ihn zu lieben und mich über ihn zu freuen, als Anthony. Er ist ein echtes Wohlfühlpferd für mich und das macht es so angenehm und so schön. Natürlich will ich ihn nicht vorziehen und erst recht will ich Anthony nicht das Gefühl geben, weniger wert zu sein. Denn so ist es nicht! Ich liebe beide Pferde und ich habe mir lange verboten, überhaupt etwas Negatives über Anthony zu denken. Aber, und das ist eine Erfahrung, die ich auch schon aus anderen Bereichen meines Lebens nur zu gut kenne: Das, was ich zu unterdrücken oder zu ignorieren versuche, gärt und brodelt immer weiter.

Tja, und so habe ich mich meiner Erkenntnis gestellt. Ich bin nicht stolz darauf, dass ich so etwas denke, aber seitdem ich es mir erlaube, kann ich viel konstruktiver damit umgehen. Ich kann, wenn ich mal wieder Wut spüre, weil Anthony mich komplett ignoriert oder mir sein Nein ins Gesicht brüllt, milder sein. Während ich früher damit extrem gehadert habe, die Schuld ständig bei mir gesucht habe und immer frustrierter wurde, konnte ich als ersten Schritt in solchen Situationen so etwas Ähnliches zu ihm sagen, wie z.B.: „Siehst du, und jetzt ist wieder so ein Moment, in dem ich es nicht leicht mit dir habe. Ich gebe mein Bestes, was willst du denn noch?“ oder „Boah, auf diese Tour kann ich heute leider gar nicht, ich stell dich zurück und wir schauen, was wir morgen machen können.“ Und in letzter Zeit gelingt es mir immer öfter, einfach nur zu sagen: „Ich hab‘ dich trotzdem lieb.“

Was für ein Unterschied!

(mehr …)

11. Juni 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 26 Kommentare »

Funktioniert nicht mehr …

Muss ein Pferd funktionieren? Ja, ich wähle ganz bewusst diese mechanistische Wortwahl, denn das ist das, was ich immer wieder in der Pferdewelt erlebe und was mich auch selbst geprägt hat: unsere Anspruchshaltung unseren Pferden gegenüber, dass sie zu erfüllen haben, was wir von ihnen erwarten. Ein Pferd ist zum Reiten da (wahlweise noch zum Fahren), basta.

Tja, und genau das funktioniert bei mir nicht mehr.

Meine Pferde zeigen mir inzwischen freundlich, aber dabei sehr deutlich, dass sie sich nicht mehr benutzen lassen, denn ihre Eignung zum Nutztier habe ich mir durch den Umgang, den ich mit ihnen pflege, gründlichst versaut. Für viele sicher ein Alptraum, für mich nur eine vollkommen logische Folge des Weges, den ich mit meinen Pferden eingeschlagen habe. Wenn ich meinen Pferden eigene Ideen zugestehe, wenn ich bereit bin, zuzuhören, wenn ich sie als eigenständige Wesen akzeptiere, muss ich auch dafür offen sein, dass meine Pferde „Nein“ sagen. Und dass sie eigene Vorstellungen entwickeln.

Ich weiß, ich rühre damit an Grundfesten der Pferdewelt, denn Pferden einen eigenen Willen zuzugestehen, ist ja immer noch geradezu ein Tabu. Darf man tatsächlich so weit gehen?  Wo kämen wir denn schließlich hin, wenn Pferde plötzlich nicht mehr zu tun bräuchten, was wir von ihnen wollen?

Tja, … wo kämen wir hin?

(mehr …)

19. Februar 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 17 Kommentare »

  • Reitkurs

  • Herzlich Willkommen im Archiv-Blog von „Wege zum Pferd“

    "Wege zum Pferd" wurde 2008 von Tania Konnerth und Babette Teschen gegründet und wird seit 2021 von Tania allein auf der neuen Seite weitergeführt.

    Dies hier ist das Archiv, in dem sich die vielen, vielen Blogbeiträge, die über die Jahre entstanden sind, finden. Neue Artikel gibt es im neuen Blog von "Wege zum Pferd".

    "Wege zum Pferd" und mich findet Ihr auch hier und hier bei Facebook und Instagram.

    Abonniert am besten gleich den kostenlosen Newsletter damit Euch nichts entgeht

    Mein neues Buch "Weil Du mich trägst" ist erschienen

    Entdecke "Tanias Freiraum-Training" – denn auch Freiarbeit geht anders!

    Und "Versteh Dein Pferd"

    Hier gibt es weitere Kurse und Webinare von "Wege zum Pferd" – alles für mehr Pferdefreundlichkeit:

    Und hier geht es zum "Praxiskurs Bodenarbeit", erschienen bei Kosmos:

  • Kategorien

  • Archiv