Eine Idee: Supervision für Trainer und Reitlehrer

Bei vielem, über das wir in Sachen Pferdeschutz und Engagement schreiben, kommt man über kurz oder lang zu der wichtigen Rolle, die Reitlehrer und Trainer spielen. Sie sind es, die Anfänger und auch Fortgeschrittene oft entscheidend prägen und das zum Guten oder auch zum Schlechten. Es sollte eine ihrer Aufgaben sein, Reitschülern/innen zu vermitteln, dass man sich immer wieder selbst hinterfragen muss und nie etwas beim Pferd als selbstverständlich zu sehen. Leider aber erlebe ich immer wieder, dass Reitlehrer und Trainerinnen irgendwann genau damit aufhören: sich und ihr Tun zu hinterfragen und das hat oft sehr negative Folgen. Deshalb möchte ich die Idee einer Supervision für alle, die in Sachen Pferde Unterricht geben, in die Runde werfen. 

Was ist Supervision? 

Supervisionen gibt es vor allen in psychosozialen Berufen und ist z.B. bei Therapeuten ein wichtiger Bestandteil ihrer Ausbildung und Arbeit. Supervisionen haben das Ziel, blinde Flecke aufzudecken und stellen so etwas wie eine „Qualitätssicherung“ dar.

Bei der Supervision gibt es eine außenstehende und meist gezielt dafür ausgebildete Person (den Supervisor) und es geht darum, auf die so genannte Meta-Ebene zu gehen, also gleichsam das eigene Tun mit etwas Abstand und ein bisschen wie aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dabei wird das Verhalten beobachtet, analysiert und reflektiert, mit dem Ziel einer positiven Weiterentwicklung.

Nun muss man das Ganze ja aber gar nicht gleich ganz so hoch aufhängen. Ich denke, es wäre schon viel geholfen, wenn jeder, der unterrichtet, sich hin und wieder dabei filmt und sich seine eigene Arbeit einmal aus etwas Abstand anschaut und hineinspürt. Wenn man dann noch jemanden, dem man vertraut und dessen Arbeit man selbst schätzt, hin und wieder um ein Feedback bittet, bekommt man sicher schon einige gute Impulse für die eigene Arbeit. 

Brauchen Reitlehrer so etwas überhaupt? 

Nun werden viele vielleicht denken, dass so etwas ja ein bisschen übertrieben ist, ist doch schließlich nur Reitunterricht oder nicht?

Fakt ist: Beim Reitunterricht geht es nicht nur um ein anderes Lebewesen (den Menschen), sondern auch noch um ein ganz anderes (das Pferd) – und der Spagat den Bedürfnissen beider gerecht zu werden, ist oft sehr, sehr schwer. Ein Reitlehrer ist ja eben nicht nur dafür da, dem Reitschüler bestimmte Techniken zu vermitteln, sondern eigentlich soll er zwei (oft sehr unterschiedlichen) Wesen ermöglichen, sich zu verständigen, um gemeinsam lernen zu können und wenn es sich um ein eigenes Pferd handelt, die beiden im besten Fall zu einem Team zu machen. 

Nun ist Reitlehrer kein geschützter Beruf. Quasi jeder kann Reitunterricht geben, unabhängig davon, wie viel Pferdeverstand, wie viel Erfahrung und Wissen die Person hat, von den pädagogischen Fähigkeiten, Einfühlungsvermögen und Kommunikations-Knowhow und dergleichen mehr mal ganz abgesehen. Selbst wenn Reitlehrer eine spezielle Ausbildung dafür gemacht haben (ob nun Trainerscheine der FN, Seminare, Ausbildungsgänge oder ähnliches), heißt das noch lange nicht, dass sie tatsächlich gut sind in dem, was sie tun. Und es überschätzen sich leider doch ganz schön viele Pferdemenschen, wenn es um ihre Fähigkeiten geht, andere zu unterrichten. 

Selbstreflexion ist die wichtigste Grundlage eines jeden, der unterrichtet!

Für mich macht gute Reitlehrer und Pferdetrainerinnen aus, wenn ich merke, dass sie nie vorgeben, alles zu wissen, sondern wenn sie selbst in einem ständigen Lern- und Dazulern-Prozess sind und das transparent machen. Keiner muss alles wissen, aber wir sollten uns immer darüber bewusst sein, dass wir alle Lernende sind, eben auch die, die unterrichten. 

Ich denke, der Schlüssel zu einem menschen- und pferdegerechten Unterricht ist immer Selbstreflexion. Und die ist verdammt schwer. Es kann deshalb sehr hilfreich sein, sich hier von anderen helfen zu lassen – sei es durch einen liebevoll-kritischen Blick, durch einige Anregungen oder auch durch gezielte Weiterbildung. Und ja, als erster Schritt könnten auch schon Videos von der eigenen Arbeit zur Selbstreflexion helfen.

Mir ist klar, dass die Idee einer Supervision für Reitlehrer und Trainer ganz schön unbequem ist und ja, das Ganze kann mit Kosten und Zeitaufwand verbunden sein. Ich weiß auch nur zu gut, dass man manches eigentlich auch gar nicht so genau wissen möchte, weil man ahnt, dass das größere Veränderungsprozesse anstoßen könnte. Entscheidend für mich ist an dieser Stelle, aber überhaupt einmal für die enorme Verantwortung zu sensibilisieren, die all jene haben, die andere unterrichten (und sei es nur „nebenbei“) –  und zwar in Bezug auf Mensch UND Pferd. Genau das möchte ich gerne zur Diskussion stellen und ich bin gespannt auf Eure Ansichten dazu!

supervision_reitlehrer

22. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching, Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse 6 Kommentare »

Die angelegten Ohren bei der Freiarbeit

Vielleicht ist Euch das ja auch schon aufgefallen: in vielen Filmen oder Fotos von der Freiarbeit mit Pferden sieht man angelegte Ohren. Manch einer interpretiert das als Aggression, viele als Konzentration. Beides kann der Fall sein. Daneben sind aber auch noch andere Interpretationen möglich. So zeigen z.B. resignierte, verunsicherte, verwirrte, gestresste oder überforderte Pferde oder solche, die Schmerzen oder Angst vor negativen Folgen haben, ebenfalls angelegte Ohren. Um herauszufinden, was angelegte Ohren bei der Freiarbeit im Einzelfall tatsächlich ausdrücken, gilt es auf mehr zu schauen als nur auf die Ohren. 

Die Ohren sind nicht alles

Für mich greift es eindeutig zu kurz, wenn wir nur die angelegten Ohren allein interpretieren, denn sie sind immer nur ein Teil des Ganzen. Wenn wir nicht nur die Ohren allein, sondern das Pferd als Ganzes anschauen, wird meist viel deutlicher, was in dem Pferd vorgeht.

Schauen wir auch den Gesichtsausdruck des Pferdes an: 

  • Wie sieht das Auge des Pferdes aus? Groß und rund und offen oder eher klein und verengt oder stumpf und in sich gekehrt?
  • Zeigen sich Falten über dem Auge des Pferdes?
  • Ist die Kaumuskulatur sichtbar angespannt? Knirscht das Pferd mit den Zähnen? 
  • Sind die Lippen zusammengekniffen oder ist die Maulpartie entspannt?
  • Ist die Nase gekräuselt? Oder sind die Nüstern stark geweitet?

Schauen wir auch auf den Körper des Pferdes: 

  • Wirkt das Pferd ent- oder angespannt? Freudig oder gestresst? 
  • Sind die Bewegungen des Pferdes locker und weich oder zackelig und kurz? 
  • Schwingt der Rücken im Trab und ist ein gleichmäßiger Fluss zu erkennen oder sind die Bewegungen gehalten oder explodiert das Pferd geradezu?
  • Ist das Tempo ingesamt wie gebremst, ist es energievoll oder viel zu hoch?
  • Welchen Eindruck vermittelt das Pferd mit seinen Bewegungen: Sieht man einen Tänzer? Wirkt es mehr wie ein Roboter? Oder denkt man an einen Sportler? Oder woran sonst?

Und versuchen wir auch ein Gefühl für die Gesamtstimmung zu bekommen: 

  • Ist die Stimmung leicht und freudig? Hat es etwas Spielerisches? Oder wirkt die Arbeit wie einstudiert und abgespult? Oder gibt es Momente, in denen man beim Zuschauen denkt, dass das aber ganz schön gefährlich aussieht? 
  • Wird das Pferd während der Arbeit schöner und „größer“, beginnt es zu strahlen oder befolgt es allein die Anweisungen und reagiert mechanisch auf Zeichen? 
  • Wie fühlt sie die Rolle des Menschen an: Dirigiert er? Leitet er? Bestimmt er? Und welche Ausstrahlung hat er bei der Arbeit? Eine weiche und offene oder eine angespannte und harte?
  • Wie fühlt sich die Arbeit insgesamt an? Nach Lust und Freude? Nach Anspruch und Erwartung? Nach einem Ringen und Kämpfen? Nach Funktionieren? Nach einer gelungenen Kommunikation mit gegenseitigem Respekt?

Der letzte Punkt ist für mich persönlich tatsächlich der wichtigste: das HINEINFÜHLEN in das Miteinander zwischen Mensch und Pferd. Wenn wir weniger mit den Augen als mit dem Bauch „sehen“, entdecken wir oft den Kern der Dinge viel zuverlässiger. 

Konzentration oder Aggression? 

Um noch einmal zurück auf die angelegten Ohren zu kommen: Angelegte Ohren immer gleich als Aggression zu deuten oder mit einem „Der ist halt konzentriert“ abzutun, heißt für mich die Chance zu verpassen, etwas mehr von dem zu verstehen, was da gerade zwischen Mensch und Pferd geschieht. Gerade in der Freiarbeit hängt so viel von der Stimmung ab und vom Miteinander der Beteiligten. Menschen machen hier oft hier viel mehr Druck als ihnen bewusst ist und das zeigen Pferde dann eben unter anderen mit angelegten Ohren.

Das, was unter „Freiarbeit“ gezeigt wird, kann von einem zauberhaften Tanz bis hin zum absoluten Kadavergehorsam reichen, es kann ein Ausdruck von gewachsenem Vertrauen sein, aber auch zu brandgefährlichen Situationen führen. Wenn der Mensch nicht bereit ist, die Signale des Pferdes, die oft zunächst ganz leise und unauffällig sind, manchmal aber auch sehr deutlich werden, zu lesen und auf sie zu reagieren, wird er nie wirklich MIT dem Pferd arbeiten können. 

Angelegte Ohren sind immer ein Zeichen für mich

Für mich sind angelegte Ohren bei der Freiarbeit immer ein Zeichen dafür, dass ich achtsam hineinspüren sollte, in das, was wir da gerade machen. Bleiben die Ohren dauerhaft angelegt, stimmt für mich etwas nicht und ich frage mich, ob ich zum Beispiel zu viel Druck mache, dem Pferd etwas unangenehm ist oder heute einfach nicht der richtige Tag für diese Arbeit ist.

Mir fällt auf, dass vor allem dann, wenn der Mensch in der Freiarbeit sehr dicht am Pferd mitläuft und gleichsam jeden Schritt des Pferdes vorgibt oder kontrolliert, häufig angelegte Ohren zu sehen sind, oft in der Kombination mit einem verbissen wirkenden Gesichtsausdruck. Hier fehlt mir dann der freudige Aspekt und das spielerische Miteinander.  

Es stimmt natürlich, dass Konzentration beim Pferd zu angelegten Ohren führen kann, aber Pferde können durchaus konzentriert und aufmerksam mitarbeiten, ohne die ganze Zeit die Ohren angelegt zu haben. Auf diesem Foto sieht man sehr schön, wie Anthony mit einem Ohr ganz bei mir ist. Dabei ist aber seine ganze Haltung und Ausstrahlung weich und entspannt. So wünsche ich mir die Grundstimmung bei der Freiarbeit. 

Lesetipp: Tanias Freiraum-Training

freiarbeit4

15. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Freiarbeit, Verhalten 12 Kommentare »

Pferdeverhalten verstehen: Sehen lassen!

Wir freuen uns riesig, dass wir für unser Blog mit dem Tierfilmer Marc Lubetzki zusammenarbeiten können. Marc macht nicht nur ganz zauberhafte Aufnahmen von Wildpferden aus aller Welt, sondern er bietet mit seinen Filmen einen reichen Schatz an Informationen für alle, die mit Pferden zu tun haben. Das Wissen, das er zur Verfügung stellt, kann uns ganz unmittelbar und praktisch dabei helfen, Pferde nicht nur besser zu verstehen, sondern auch besser mit ihnen umzugehen. Was wir damit meinen, möchten wir heute gleich an einem ganz konkreten Beispiel aufzeigen – es geht um das Thema „Sehen“. 

lubetzki_sehen1Exmoor-Pony (Stute) mit entspanntem Auge beim Ruhen im Stehen,
Foto von Marc Lubetzki

Interessante Informationen… 

Marc hat in seinem Grundlagenfilm über die Sinne der Pferde unter anderem Folgendes herausgearbeitet:

  • Pferde haben ein weiteres Blickfeld als wir und sehen mit jedem einzelnen Auge unabhängig voneinander verschiedene Dinge.
  • Pferde können erst räumlich sehen, wenn sie den Kopf zum Objekt hinwenden, so dass sie es mit beiden Augen erkennen können.
  • Sie müssen recht nah an einem Objekt sein (20m), um es wirklich scharf sehen zu können,
  • gleichzeitig können sie aber Bekanntes auf bis zu 400m Entfernung erkennen.
  • Pferde können weniger Farben sehen als wir.
  • Sie sehen im Dunkeln besser als wir, brauchen aber länger als wir, bis sich das Auge daran gewöhnt hat. 

Spannend, oder? 

… und was wir mit ihnen machen können

Richtig spannend wird es aber erst, wenn wir solche Informationen in unseren praktischen Umgang mit dem Pferd einfließen lassen, indem wir uns fragen, was all das nun konkret für unser Miteinander bedeutet.

Oft genug interpretieren wir Pferdeverhalten als Widersetzlichkeiten oder Unarten und korrigieren unsere Pferde oder bestrafen sie gar dafür, sind uns aber gar nicht darüber bewusst, wie unfair das eigentlich ist, da das Pferd in solchen Moment häufig einfach nur Pferd ist. Gerade beim Sehen wird das sehr deutlich. 

Dadurch dass Pferde anders sehen als wir,  machen sie nämlich bestimmte Dinge ANDERS als wir: Sie müssen sich beispielsweise zu einem Objekt hinwenden, also den Kopf drehen, um es räumlich erkennen zu können. Ein Pferd, das zu etwas hinschauen möchte, entzieht sich also nicht, wie so oft angenommen, einfach den Zügelhilfen und ist damit widersetzlich, sondern es tut etwas, seiner Natur entsprechend vollkommen Natürliches und Nachvollziehbares. Und ein Pferd, das auf dem Ausritt den Horizont fixiert, bleibt nicht einfach „stur“ stehen (und ist damit widersetzlich), sondern es tut etwas in seiner Welt vollkommen Natürliches und Angemessenes: Es scannt die Gegend nach Bedrohungen ab und braucht seine Zeit, all die Informationen, die es über den Sehsinn aufnimmt, zu verarbeiten.

Und mehr noch: Dadurch, dass Pferde anders als wir sehen, nehmen sie auch eine tatsächlich andere Welt wahr. Für Pferde sieht die Welt ganz real anders aus als für uns und so wissen wir tatsächlich gar nicht, was unser Pferd eigentlich wirklich sieht! Sich das einmal klar zu machen, dürfte so manche Reaktion unseres Pferdes erklären, die für uns „vollkommen unverständlich“ erschien und für die wir es vielleicht ermahnt oder gar gestraft haben.

lubetzki_sehen2

Konik (Junghengst) beim Naherkunden von Unbekanntem (in diesem Fall
der Fotograf), neben dem Sehen wird auch der Geruchssinn eingesetzt,
Foto von Marc Lubetzki

Es geht nicht um richtig oder falsch

Wir Menschen gehen leider im Normalfall ganz automatisch davon aus, dass das, was wir sehen „richtig“ ist. Aber der entscheidende Punkt ist, dass es nicht um „richtig“ und „falsch“ geht, sondern um unterschiedliche Wahrnehmungen, die einfach so sind, wie sie sind. Wir Menschen sehen die Welt mit Menschenaugen, Pferde mit Pferdeaugen und das, was wir jeweils sehen, unterscheidet sich durch anatomische Gegebenheiten. 

Ein Pferd kann schlicht und einfach nicht so sehen wie wir, es kann nur sehen, wie ein Pferd. Und wenn wir es für ein Verhalten bestrafen, dass naturgemäß aus seiner Art zu sehen stammt, handeln wir hochgradig unfair. 

Wenn sich ein Pferd z.B. „festglotzt“, dann ist das also keineswegs, wie leider oft behauptet, Unwille oder gar dominantes Verhalten, sondern es ist seine Art zu sehen. Und ein Spruch à la „Da ist doch nichts, jetzt reiß dich mal zusammen!“, wenn ein Pferd aufgeregt in eine Ecke schaut, vielleicht auch noch in der Kombination mit einem rüden Rupfen am Strick oder einem kräftigen Treiben beweist leider nur, dass dieser Mensch nicht pferdegerecht denkt und handelt. 

Pferde verstehen, heißt ihr Verhalten anders zu interpretieren

Nun geht es in diesem Artikel ja nur um das Sehen – Pferde hören aber auch anders als wir, sie riechen anders als wir, sie fühlen anders als wir, sie leben anders als wir, für sie sind andere Dinge wichtig als für uns und so weiter und so fort. Das einmal wirken zu lassen, sollte uns dafür sensibilisieren, dass unsere vorschnellen Interpretationen von Pferdeverhalten fast immer zu kurz greifen und sehr, sehr oft vollkommen falsch sein dürften. 

Wir denken, dass es unsere Aufgabe ist, wirklich zu begreifen, dass Pferde anders sind als wir und dass erst einmal ohne Wertung zu akzeptieren. Nur das öffnet überhaupt erst eine Tür, unser Mitgeschöpf respektvoll behandeln zu können.

Wenn wir einen fairen und pferdegerechten Umgang wollen, müssen wir uns von der Annahme verabschieden, dass wir als Mensch das Recht haben, entscheiden und einfordern zu können, wie sich ein Pferd zu verhalten hat. Pferde verhalten sich ihrer Natur entsprechend und wenn wir sie dafür korrigieren oder bestrafen, handeln wir immer gegen ihre Bedürfnisse, ihr Wesen und ihr Sein. Ein respektvoller Weg setzt für uns Verstehen und Annahme voraus – und nur auf dieser Basis aus sollte dann Lernen und Entwicklung stattfinden.

Und wer Marc nun gerne selbst erleben will, kann diesen kleinen Film anschauen, in dem Marc einen weiteren sehr spannenden Aspekt zu diesem Thema beleuchtet.

lubetzki_sehen3

Konik (Junghengst) bei normaler visueller Wahrnehmung
der näheren, bekannten Umgebung,
Foto von Marc Lubetzki

8. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Engagement und Pferdeschutz, Umgang, Verhalten 6 Kommentare »

Der Schlüssel lautet „Zeit“

Ich glaube inzwischen, dass es ein regelrechtes Wundermittel für die meisten Probleme gibt, die wir mit Pferden haben (oder besser gesagt: zu haben glauben, denn oft haben sie viel mehr ein Problem mit uns, aber das ist ein anderes Thema 😉 ) und das lautet: Zeit! 

Plötzlich ein Kleber?!

Ich bin ja vor kurzem mit meinen Jungs umgezogen und so reibungslos der Umzug und das Ankommen für die beiden waren, so zeigten sich dort dann einige Sachen, mit denen wir bisher keine Probleme hatten. Zum Beispiel wurde Anthony fast panisch, wenn ich mit Aramis etwas machen wollte. Die Jungs kennen das, solange sie zusammenstehen, dass ich mal mit dem einen, mal mit dem anderen losgehe. Nun hatte Anthony aber den Sommer getrennt von Aramis verbracht und ganz eindeutig fehlen ihm im Moment das Vertrauen und die gelassene Gewissheit, dass Aramis wiederkommen wird. In den ersten Tagen wieherte er schon herzzerreißend, wenn ich Aramis nur aus dem Paddock nahm, um in Sichtweite etwas mit ihm zu machen. Ihn auch nur um die Ecke vom Hof zu führen ließ dann Anthonys Stimmchen regelrecht kippen, so dass echte Verzweiflung zu hören war. 

Während ich früher ganz sicher voller Sorge davon ausgegangen wäre, dass ich nun einen Kleber habe und alles versucht hätte, das zu ändern, war ich jetzt ganz gelassen. Ich wusste, dass die Zeit für mich arbeiten würde. Erstens würde Anthony die Erfahrung machen, dass Aramis immer wieder kommt, und das Problem würde ganz sicher geringer werden, wenn die Jungs erstmal nicht mehr nur zu zweit stehen, sondern mit den anderen Pferden zusammen kommen würden. 

Also tat ich das, was ich anderen inzwischen bei ganz vielen Problemen rate: Ich gab Anthony Zeit. Ich forcierte nichts, dosierte die kleinen Abschiede ganz behutsam und ließ die beiden oft auch einfach beieinanderstehen und unternahm dann eben nichts mit Aramis, um Anthony nicht ständig zu beunruhigen.

Jetzt sind die Jungs schon einige Wochen in dem neuen Stall und seit kurzem stehen sie dauerhaft mit den anderen Wallachen zusammen. Und siehe da: Anthony kann es inzwischen immer besser ertragen, wenn ich mit Aramis mal weggehe. Zwischendurch wiehert er noch mal und wird unruhig, aber dann beruhigt ihn einer der anderen. Das Problem löst sich, genau, wie ich mir das dachte, einfach langsam von allein. Hätte ich „das Problem“ aktiv zu lösen versucht, damit es schneller geht, hätte ich unter Umständen vieles schlimmer gemacht.

Zeit kann Wunder bewirken

Ich bin fest davon überzeugt: Oft muss man einfach nur Geduld haben und etwas Zeit verstreichen lassen – und das gilt für ganz, ganz viele Themen! Aber wir Menschen neigen dazu, alles immer gleich und sofort haben zu wollen und schlagen Alarm, wenn ein Problem nicht ad hoc lösbar ist. Dabei übersehen wir, dass Pferde in einer ganz anderen Zeitwelt leben als wir. Sie wissen nichts von unseren Vorstellungen und Erwartungen darüber, wie schnell etwas zu gehen hat. Es ist uns vielleicht nicht bewusst, aber wir nehmen uns für uns selbst viel wenig Zeit und erwarten in der Folge davon auch von all unseren Mitlebewesen, dass sie sich unserem Zeittakt (der oft gleichbedeutend mit Druck und Stress ist) anpassen. Aber genau das können Pferde oft nicht. Sie tun das nicht aus Bosheit oder Dummheit, sondern für sie gibt es unsere Vorstellung von Zeit einfach nicht. 

Auch in meinen Coachings stelle ich immer wieder fest, dass Zeit ein ganz wichtiger Faktor in Hinblick auf positive Veränderungen ist: Diejenigen, die bereit sind, nicht nur ihren Pferden, sondern eben auch sich selbst Zeit zu geben – egal ob es z.B. um das Thema Angst geht, um Vertrauen, um das Erlernen von neuen Übungen, um den Umgang mit Verhaltensveränderungen oder um noch etwas anderes – erreichen oft sehr viel. Denn sie geben sich und dem Pferd Entwicklungsraum und sie tun etwas ganz Entscheidendes: In dem Moment, in dem sie bereit sind, Zeit zu investieren, lassen sie ihre Erwartungen los. Und das bewirkt ganz, ganz viel.  

anundar 

1. November 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Haltung, Umgang, Verhalten 8 Kommentare »

Wir brauchen eine Streitkultur in unseren Ställen: 3 hilfreiche Regeln

Ich kaue weiter auf dem schwierigen Thema herum, wie man mit Unrecht gegenüber Pferden umgehen soll. Die zahlreichen Reaktionen, die wir auf den letzten Artikel dazu bekommen haben, zeigen, dass sich sehr viele hilflos fühlen, wenn sie etwas sehen, unter dem Pferde leiden und dass die wenigsten wissen, wie man damit am besten umgehen kann, sowohl im eigenen Stall als auch draußen. Was ich glaube, was uns allen fehlt, ist eine konstruktive Streitkultur oder wenigstens eine Handvoll Regeln für die Kommunikation, denn Kommunikation ist der Schlüssel zum Verstehen. 

Vielleicht bin ich mal wieder hoffnungslos naiv, aber ich habe ein Bild im Kopf von einem anderen, einem besseren Umgang miteinander, von dem wir Menschen und damit auch die Pferde profitieren würden.

Für den Anfang habe ich hier mal drei Regeln zusammengestellt, die meiner Einschätzung nach sehr vieles verändern könnten: 

Regel 1: Es geht um die PFERDE!

Diese Regel scheint leider sehr schwer zu vermitteln zu sein, aber sie könnte Grundlegendes zum Guten verändern. 

Aus meiner Sicht liegt das Hauptproblem in der Kommunikation in Ställen darin, dass sich jeder sofort persönlich angegriffen fühlt. Selbst eine neutrale Nachfrage wird oft sofort als Kritik aufgefasst, die Äußerung einer anderen Idee als Affront und auch konstruktive Kritik geradezu als Kriegserklärung.

Aber muss das wirklich so sein? Es sollte doch eben gerade nicht um UNS gehen, sondern um die Pferde und genau das müsste doch im Interesse aller Pferdemenschen sein! Wenn wir die Pferde konsequent in den Fokus stellen, wird vielleicht möglich, auch in Ställen Gespräche zu führen, von denen alle profitieren.

Lassen wir uns doch für den Moment einmal auf diese Vision ein: Was würde wohl passieren, wenn wir alle davon ausgehen würden, dass für jeden im Stall das Wohl der Pferde oberste Priorität hat. Das würde bedeuten, dass wir annehmen können, dass also jeder, der etwas sagt, seinen Blick konsequent auf dem Pferd hat und dass er oder sie vielleicht tatsächlich etwas sieht und wahrnimmt, für das ich in diesem Moment vielleicht blind bin?

Wow, würde ich dann vielleicht nicht ganz anders damit umgehen, wenn mir jemand etwas sagt? Schließlich will ich doch das Beste für mein Pferd, oder etwa nicht?

Ja, diese Regel fordert von uns, unser Ego zurückzunehmen und verletzte Gefühle und Eitelkeiten, eigene Erwartungen, Schuldgefühle und dergleichen mehr, wenigstens für einen Moment hinter die Frage zu stellen: 

Ist das, was ich gerade tue oder entscheide,
wirklich gut für mein Pferd?

Es geht bei dieser Idee nur um dieses Innehalten, nicht darum, dass man seinen eigenen Weg und seine eigenen Ansichten komplett über den Haufen werfen soll, nur weil mal jemand etwas sagt. Es geht allein um die kleine Pause, die ermöglicht, einen Schritt zur Seite zu machen und das eigene Tun zu reflektieren – was uns direkt zur zweiten Regel bringt:

Regel 2: Ständige Bereitschaft zur Selbstreflexion

Pferdeställe sind leider Orte, an denen die wenigsten bereit sind, voneinander zu lernen, sondern in denen die meisten (aus welchen Gründen auch immer) davon ausgehen, genug zu wissen und alles richtig zu machen. Nun gibt es aber niemanden, wirklich niemanden, der keine Fehler macht und es gibt niemanden, der nichts mehr dazulernen kann (wenn wir ehrlich sind, wissen wir das auch ganz genau). 

Für mich gehört inzwischen die Bereitschaft und auch die Fähigkeit, das eigene Tun zu hinterfragen, nicht nur, aber gerade in Pferdeställen zu dem Wichtigsten, was vermittelt werden kann. In vielen Lernsituationen herrscht immer noch das Lehrerprinzip: Einer sagt, was richtig ist und alle müssen es übernehmen – genauso wird es traurigerweise immer noch oft im Reitunterricht praktiziert. Wir brauchen aber eine offene Lernatmosphäre, in der Fragen erlaubt sind, in der Fehler eingestanden, in der wir ausprobieren dürfen und Verhalten geändert werden kann. 

Gerade Reitlehrer müssten Vorbilder in Sachen Selbstreflexion sein, denn sie ist der einzige Garant dafür, dass wir Fehler nicht ständig wiederholen, dass wir fair bleiben und auf unser Gegenüber (also unser PFERD) eingehen können. Wer nicht bereit ist, sich selbst zu reflektieren, wird sehr schnell selbstherrlich – und diese Selbstherrlichkeit ist aus meiner Sicht eines der größten Probleme in Pferdeställen und vor allem die Aggression, die aus ihr entsteht, wenn jemand an ihr zu kratzen wagt. Denn, wenn uns jemand auf unser Verhalten anspricht und wir nicht bereit sind, kurz nachzuspüren, ob vielleicht etwas an dem Gesagten dran sein könnte, sondern uns nur angegriffen fühlen, reagieren viele von uns reflexartig und schlagen zurück – oft ohne überhaupt genau verstanden zu haben, was gesagt und gemeint wurde. Wenn wir aber versuchen würden, erst einmal zu verstehen, was die Person uns sagen will, würden wir die automatische Reaktion unterbrechen können und wir würden unser Verhalten zu reflektieren beginnen. 

Es geht, wie schon gesagt, überhaupt nicht darum, dass man all das, was man gelernt hat, weiß und tut, über den Haufen werfen muss. Aber es geht darum, offen zu bleiben für die Anregungen und Ansichten andere, für Feedback und Rückmeldungen und vor allem für Weiterentwicklung und Dazulernen. Und dafür braucht es eine viel vertrauensvollere Umgebung, als sie bisher in der Regel in Reitställen herrscht. Die vielleicht entscheidendste Ursache dafür führt mich zu Regel Nummer drei:

Regel 3: Nicht über- sondern MITeinander reden

Diese Regel ist aus meiner Sicht ebenfalls unerlässlich, weil sie überhaupt erst so etwas wie Offenheit und ja, im Idealfall sogar Vertrauen ermöglicht. Und zwar geht es darum, dass wir nicht über andere reden, sondern MIT ihnen.

Keine Frage, es ist oft viel leichter, anderen von dem „Mist“ zu erzählen, den jemand verzapft und wie „doof“ jemand ist oder wie brutal – aber, und darüber sind sich viele leider nicht wirklich bewusst: das Reden über andere vergiftet alles.

Aus meiner Sicht ist es nur dann angemessen und unter Umständen auch sinnvoll, über jemanden zu reden, wenn mehrere sich zusammen tun wollen, um aktiv (und hoffentlich konstruktiv) gegen jemanden vorzugehen, der unbelehrbar immer wieder Schlimmes tut. Eine solche Absprache hat aber nichts mit Lästern zu tun. Lästern sollte immer tabu sein, denn Lästern ist der Nährboden für Angst, Misstrauen, Missgunst und vieles mehr. Und darunter leiden alle. 

Ich habe mich immer gefragt, was dieser Spruch „Das Leben ist kein Ponyhof“ eigentlich bedeuten soll, denn er suggeriert, dass Ponyhöfe eine heile Welt sind. Jeder, der normale Reitställe von innen kennt, weiß, dass in den meisten Fällen genau das Gegenteil der Fall ist: Lästereien, Missgunst und Mobbing gehören häufig zur Tagesordnung und das ganz sicher, weil immer eher über andere und eben nicht MITEINANDER geredet wird. Wie sollen da konstruktive Gespräche zustande kommen, wie soll man da voneinander lernen und offen für Anregungen sein? Nur wenn wir mutig werden, auf andere Pferdemenschen zuzugehen und etwas von uns selbst zu zeigen, nämlich z.B., was in uns vorgeht, was wir denken und fühlen und ja, auch unsere eigenen Fehler und Unsicherheiten und Fragen, werden sich auch andere öffnen können. 

Um diese Regel umsetzen zu können, brauchen wir alle eine gute Portion Kommunikations-Knowhow, denn viele von uns wissen nicht wirklich, wie man überhaupt Gespräche konstruktiv führen kann. So etwas wird natürlich nicht im Reitunterricht gelehrt (und leider eben oft auch nicht in der Schule oder daheim). Sich hier gewisse Schwächen einzugestehen, ist der erste Schritt, sich mit der Frage zu befassen, was Kommunikation eigentlich ausmacht und wie man konstruktiv und respektvoll mit anderen Menschen reden kann. Es gibt dazu viele Modelle und Anregungen und es wird dazu auch bei „Wege zum Pferd“ noch den einen oder anderen Beitrag zu lesen geben. 

Und gerade was diesen Punkt angeht, also mehr über das zu lernen, was eine gute Kommunikation ausmacht und achtsamer im Umgang mit anderen Menschen zu werden, das ist genau das, was sich meiner Ansicht nach auch unmittelbar positiv auf unser Verhalten gegenüber Pferden auswirken wird. 

Was meint Ihr, wollen wir es versuchen? 

kommunkation

25. Oktober 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Sonstiges 5 Kommentare »

Meinem Pferd zuliebe

Wie oft habe ich in der Vergangenheit gedacht, ich tue etwas meinem Pferd zuliebe und wie oft habe ich dabei schon daneben gelegen. Ich habe meinem Pferd zuliebe trainiert und gefordert, ich habe meinem Pferd zuliebe gekauft und ausprobiert, ich war meinem Pferd zuliebe grob und streng, ja, ich habe meinem Pferd zuliebe so viel getan und so viel falsch gemacht… 

Mein Anthony hat mich in den letzten Jahren konsequent gelehrt, was es wirklich heißt, einem Pferd etwas zuliebe zu tun: 

  • Es erfordert, das Pferd in seiner Persönlichkeit und mit seinen Bedürfnissen wahrzunehmen. 
  • Es erfordert, die eigenen Erwartungen ein großes Stück und manchmal auch ganz loszulassen. 
  • Es erfordert offen zu werden für Signale und Zeichen des Pferdes und zu lernen, diese zu verstehen. 
  • Es erfordert bereit zu sein, das eigene Tun und Denken zu hinterfragen und dazu zu lernen. 
  • Und es erfordert, nicht blind Regeln oder Vorgaben zu folgen (ob selbst gemachte oder von anderen übernommene), sondern vor allem dem, was uns unser Pferd zeigt. 

Dieser Weg ist zugegebenermaßen anstrengend und schwierig. Und immer wieder all das loslassen zu müssen, was man sich nett ausgemalt hatte, kann ziemlich frustrierend sein, so dass es durchaus verlockend ist, seinen Willen einfach durchzusetzen. Und ja, es ist natürlich viel einfacher, das zu tun, was einem andere sagen oder jedes Pferd gleich zu behandeln, nach dem Motto: Was einmal klappt, klappt immer.

Aber all das heißt eben genau nicht, dass wir es unserem Pferd zuliebe tun, sondern, wenn wir ehrlich sind, uns selbst zuliebe. Danke, Anthony, dass Du mir das bewusst gemacht hast.

anthony_0416

18. Oktober 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 6 Kommentare »

Alles hinschmeißen und Rosen züchten!? Vom Umgang mit Unrecht

Es gibt Momente, in denen möchte ich manchmal meine ganze Arbeit mit Pferden hinschmeißen und lieber Rosen züchten – …nein, natürlich nicht die Arbeit mit den Pferden, aber manchmal möchte ich zu gerne uns Menschen ausblenden oder wenigstens das ganze Unrecht, das passiert. Es sind die Momente, in denen ich wieder einmal mitbekomme, wie viele leidvolle Fehlentwicklungen es in der Pferdewelt gibt und entsetzt und einfach nur schockiert oder wütend bin über das, was Menschen Pferden alles antun.

Das Schlimmste dabei ist, mit welcher Selbstherrlichkeit das alles oft geschieht, wie vehement Unrecht als „richtig“ vertreten wird und wie wenig Selbstkritik es doch leider gibt. Ich fühle mich dann so ohnmächtig, dass ich tatsächlich denke, eigentlich könnte ich auch alles hinschmeißen… 

Aber Verstummen ist natürlich keine Option, denn stumm sind schon unsere Pferde. Sie erdulden und ertragen all den Blödsinn und Unfug, den wir mit ihnen machen, all die Ungerechtigkeiten und Brutalitäten, die ihnen widerfahren und all unsere Fehlgriffe und Irrwege. 

Nur: Wie geht man am besten um mit dem Unrecht in der Pferdewelt? Bissige Bemerkungen sind genauso wenig hilfreich wie das Lästern an der Bande. Sich aufregen, auf die Leute schimpfen oder sarkastisch werden, bringt den Pferden auch nichts und sorgt nur für ein vergiftetes Miteinander. Freundlich ansprechen und konstruktiv bleiben (obwohl man am liebsten in den Tisch beißen möchte), ist nicht jedem gegeben, zumal die andere Seite in der Regel auch oft gar nichts hören möchte.

Mein persönlicher Weg ist das Schreiben. Bei „Wege zum Pferd“, in unseren Kursen, auf meiner Facebook-Seite. Dort kann ich mit dem nötigen Abstand das ausdrücken, was ich für wichtig halte und versuche, es möglichst vielen in der Pferdewelt verfügbar zu machen. Und, ja, ich erreiche damit viele Leute. Nicht immer die, die ich gerne auch erreichen würde, und ich habe nur selten die Möglichkeit herauszufinden, welche meiner Texte und Anregungen was bewirken, in der Summe aber denke ich schon, dass meine Arbeit Sinn macht.

Vor Ort, also in den konkreten Situationen selbst, hilft mir das alles aber immer noch wenig. Da gerate ich leider immer wieder in die Betroffenheitsfalle, werde zu emotional, bin wenig konstruktiv – und ziehe mich dann einfach zurück. Ich sage mir dann, dass ich gar kein Recht habe, was zu sagen, schließlich ist es nicht mein Pferd und jeder muss seinen eigenen Weg gehen und ich selbst habe ja auch schon genug Mist gemacht usw. Aber es tut mir dann immer endlos leid, dass ich dem betreffenden Pferd nicht helfe, sondern es seinem Schicksal überlasse, aus Angst vor Konflikten oder Angriffen oder noch mehr Leid ansehen zu müssen. Und in diesen Momenten kommen dann die Zweifel an meiner Arbeit und meinem Tun auf und die Fragen danach, wie glaubwürdig ich eigentlich bin. Ich verurteile mich dann für meine Schwäche und meinen fehlenden Mut und ich wünschte, ich könnte eine viel bessere Arbeit machen, am liebsten eine, die möglich macht, dass so etwas erst gar nicht passiert. Das wäre zu schön, ist aber wohl eher unrealistisch…

Ich hoffe sehr, dass ich noch lernen werde, in Situationen, in denen Pferden Unrecht getan wird, einen Weg zum Menschen zu finden, um wenigstens zum Innehalten anzuregen. Damit wäre schon sehr viel erreicht, meint Ihr nicht? 

unrecht

11. Oktober 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang 26 Kommentare »

Ein bewegter Sommer – Neues von den Jungs

Für die Jungs und mich liegt ein bewegter Sommer hinter uns. Neben großen privaten Veränderungen bei mir gab es auch für die Jungs Veränderungen und wir drei durften wieder einmal die Erfahrung machen, dass Veränderungen lange nicht immer schlimm, sondern auch sehr positiv sein können! 

Die erste Veränderung setzte schon recht schnell nach dem Anweiden im Frühjahr ein: Ich musste Anthony aufgrund einer heftigen allergischen Reaktion von der Sommerweide zum Stall holen und stand an diesem Punkt vor der schwierigen Entscheidung, entweder auch für Aramis die Weidezeit zu beenden oder die beiden erst einmal zu trennen. Ich entschied mich dafür, nur Anthony von der Weide zu nehmen und so standen die beiden nach zehn Jahren zum ersten Mal allein. Das aber erwies sich nicht nur als problemlos, sondern in gewisser Hinsicht sogar als Geschenk, weil ich beide einzeln noch einmal ganz anders erleben durfte (Stoff für weitere Blogbeiträge 🙂 ). 

Anthony nahm die ersten Tage Boxenruhe vollkommen gelassen und freute sich über seine alte Bekannte, Fanny: 

sommer1

Etwas später konnte er auf den Paddock umziehen, wo er auch einen netten Nachbarn hatte: 

sommer2

Und wieder etwas später stellten wir dann Fanny und ihn zusammen, so dass er für einige Wochen seine ganz eigene Stute hatte und das sehr genoss. 🙂 

sommer4

Aramis brachte ich hin und wieder mal runter zum Stall. Die beiden begrüßten sich herzlich, aber es war auch nicht schlimm, wenn ich Aramis dann wieder hoch zur Wiese brachte – unkomplizierter hätte es nicht sein können. 

sommer3

Im September klärten sich dann bei mir privat einige Punkte und es stand ein Umzug an, der mich ein ganzes Stück weiter entfernt von den Jungs wohnen lassen würde. Recht kurzfristig ergab sich eine Möglichkeit, auch mit den Jungs umzuziehen, um sie doch wieder näher bei mir zu haben. Und so brachte ich dann Mitte September Aramis von der Sommerweide zu Anthony, um die beiden wieder zu vereinen. Das lief genauso problemlos wie alles andere zuvor, sie waren sofort wieder einfach zusammen und erkundeten die Umgebung: 

sommer5

Es war für mich so schön zu sehen, dass beide Pferde diese dicke Freundschaft verbindet, sie aber durchaus auch allein klar kommen. Das ist sehr beruhigend zu wissen. 

sommer6

Nur wenige Tage später ging es dann auch schon auf den Hänger und zum neuen Stall. Auch das hätte nicht besser laufen können. 

sommer7

In ihrem neuen Zuhause stehen die Jungs nun noch für ein Weilchen zu  zweit neben den anderen, werden aber bald in ihre neue, kleine Herde kommen. 

Wenn ich etwas aus diesem Sommer mitnehme, dann das: Selbst Sachen, die einem zunächst furchtbar erscheinen und große Sorgen bereiten, stellen sich oft als genau richtig und gut heraus. Gerade für mich als Sorgenmensch ist das eine heilsame und wohltuende Erfahrung. Dieser bewegte Sommer war ein sehr intensiver, in dem ich meine Pferde noch einmal ganz neu kennen lernen und erleben konnte und auch wieder viel über mich selbst gelernt habe. 

An dieser Stelle ein großes Dankeschön an allen, die uns durch diese nicht ganz einfache Zeit mit Betreuung, Hilfe, Zuspruch und Freundschaft begleitet haben, wie z.B. Jan von Klinges Landwiesenhof, Tierarzt Torsten Hohmann, Silke, Babette, Klaus, Petra, Maja und ihre Familie und andere. Ich schaue zusammen mit den Jungs fröhlich und gespannt nach vorne und freue mich auf das, was kommt. 

3. Oktober 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Sonstiges 14 Kommentare »

Buch-Tipp: „Gut gemacht!“ von Marlitt Wendt

„Gut gemacht!“ von Marlitt Wendt
Burgwedel: evipo, 2014. – 72 S.
ISBN:9783945417010
ca. 11,– EUR (broschiert, durchgehend farbige Fotos)

„Gut gemacht!“ ist in derselben Reihe erschienen wie auch das schon von uns besprochene Buch „Stress lass nach“ und bietet genau wie dieses geballtes Pferdewissen in einem handlichen Format.  

Wie eigentlich immer bei Marlitt Wendt geht es auch in diesem Buch um Motivation, hier allerdings wird sie zum Schwerpunktthema. Es geht um die Frage, wie man Pferde begeistern kann, denn das sollte doch das Ziel sein: dass wir Freude beim Pferd erreichen und zwar unabhängig davon, was wir konkret mit unseren Pferden vorhaben. Damit eignet sich das Buch für alle Reitsportarten, denn ob es nun um Dressurlektionen, ums Springen, um die Arbeit an der Hand, um Geländeritte oder was auch immer geht – freudige Mitarbeit ist für alle schöner!

Marlitt Wendt geht mit gewohnt konsequentem Praxisbezug auf verschiedene Motivationstypen und -faktoren ein und auch darauf, was Motivation erschwert oder gar unmöglich macht. Immer wieder wird die Rolle des Menschen beleuchtet, also unsere Einstellung und unsere Ausstrahlung und worauf wir alles bei uns selbst achten müssen, damit wir auf eine gute Weise mit unseren Pferden arbeiten können.

Wichtig zu wissen ist, dass genau wie Menschen auch bei Pferden das, was sie motiviert individuell sehr unterschiedlich sein kann. Es ist deshalb unsere Aufgabe herauszufinden, was unser Pferd begeistert und wie wir es am effektivsten Loben können und dafür gibt es viele Anregungen in dem Büchlein. 

Das Clickern, das ja eines von Marlitt Wendts Steckenpferden ist, spielt hier übrigens nur eine kleine Rolle, so dass das Buch auch für alle, die (noch) nicht clickern möchten, geeignet ist. 

Erwähnenswert ist auch die vorbildliche Fotoauswahl – hier sieht man keine zugeschnürten Mäuler, Hilfszügel oder abgestumpfte Blicke, sondern durchweg Menschen und Pferde in fröhlicher und konzentrierter Zusammenarbeit. 

Fazit: Ein wichtiges, leicht zu lesendes und sehr anregendes Buch für alle, die sich eine harmonische und freudvolle Beziehung zu ihrem Pferd wünschen. 

gutgemacht

 

 

13. September 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps, Clickertraining, Umgang, Verhalten 3 Kommentare »

Nimm’s doch mit Humor!

Eine Sache vermisse ich sehr in der Pferdewelt und das ist der Humor. Wie verbissen wird da erzogen und trainiert, wie hart gearbeitet, wie ernst gesorgt und wie wütend und böse werden viele, wenn die gesetzten Ziele nicht erreicht oder das gewünschte Verhalten nicht gezeigt wird.

Himmel, möchte ich dann oft rufen, das Ganze soll doch Spaß machen! 

Warum sind wir nur so verbissen?

Wie kommt es nur, dass wir in dem, was doch unser Hobby ist, oft so schrecklich verbiestert sind? Warum können wir so selten darüber lachen, wenn unser Pferd seine eigenen Ideen zeigt oder über uns selbst, wenn wir zum hundertfünfzigsten Mal denselben Fehler machen? Warum reagieren wir bloß so streng, wenn unser Pferd herumkaspert oder eine Lektion nicht so zeigt, wie wir glauben, dass es das können muss? Warum sind Reitlehrer/innen oft so streng und kritteln an wirklich allem herum, obwohl es ganz viel zu loben gäbe? Warum neiden wir anderen ihren Spaß, indem wir fiese Blicke werfen oder gar gehässige Bemerkungen machen? 

Und ist Euch mal aufgefallen, dass wir oft vor allem mit uns selbst und mit unseren eigenem Pferd besonders humorlos sind? Bei anderen Pferden haben wir meist einen viel milderen Blick, finden deren Scherze witzig und sehen es auch gar nicht so eng, wenn das Angaloppieren oder das Anhalten mal nicht punktgenau funktioniert. Bei unserem eigenen Pferd und uns selbst hingegen kommt all das eher einem schweren Vergehen gleich… 

Wieder lachen lernen!

Ich wünsche mir ganz doll, dass im Pferdetraining nicht nur der Sitz geschult und die Hilfen vermittelt werden, sondern dass Pferdemenschen auch lernen, über sich selbst und ihr Pferd zu lachen. Denn im Reitunterricht wird leider meist das genaue Gegenteil vermittelt.

Statt Angst zu haben vor Fehlern und ständig unsere kritische Brille aufzuhaben, sollten wir alle erkennen, wie viel Humor Pferde haben. Ganz viele von ihnen sind echte Spaßvögel, aber den meisten ist das leider aberzogen worden.

Aber: Was ist die Welt ohne Lachen? 

Achtet doch mal darauf, wie oft in Eurem Umfeld beim Reiten oder der Arbeit mit dem Pferd gelacht wird. Wie viele strahlende Gesichter seht Ihr? Wie viel Spaß scheinen Mensch und Pferd zu haben? Oft nicht viel, oder?

Einfach anfangen!

Zugegeben, auch mir fiel es nicht gerade leicht, lockerer zu werden, wenn es um meine Pferde und mich ging. Irgendwann begann ich aber damit, ganz bewusst mehr zu lächeln und auch zu lachen. Und wenn ich ehrlich bin, dann kam das zu Beginn nicht immer von Herzen, aber das veränderte sich stetig.

Heute lache ich sehr viel mit und über meine Pferde, und zwar wirklich aus dem Bauch und Herzen heraus – über die kleinen und größeren Missgeschicke und Missverständnisse, die uns immer wieder passieren, und über ihre Scherze, die sie immer öfter machen, über die Ideen, die sie so haben und vieles andere mehr.

Ich bin fest davon überzeugt, dass hier viel Potential für einen anderen, schöneren Umgang mit Pferden ist. Schaut doch gleich heute mal selbst, worüber Ihr lachen oder wenigstens lächeln könnt!

humor

6. September 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Umgang 14 Kommentare »

  • Reitkurs

  • Herzlich Willkommen im Archiv-Blog von „Wege zum Pferd“

    "Wege zum Pferd" wurde 2008 von Tania Konnerth und Babette Teschen gegründet und wird seit 2021 von Tania allein auf der neuen Seite weitergeführt.

    Dies hier ist das Archiv, in dem sich die vielen, vielen Blogbeiträge, die über die Jahre entstanden sind, finden. Neue Artikel gibt es im neuen Blog von "Wege zum Pferd".

    "Wege zum Pferd" und mich findet Ihr auch hier und hier bei Facebook und Instagram.

    Abonniert am besten gleich den kostenlosen Newsletter damit Euch nichts entgeht

    Mein neues Buch "Weil Du mich trägst" ist erschienen

    Entdecke "Tanias Freiraum-Training" – denn auch Freiarbeit geht anders!

    Und "Versteh Dein Pferd"

    Hier gibt es weitere Kurse und Webinare von "Wege zum Pferd" – alles für mehr Pferdefreundlichkeit:

    Und hier geht es zum "Praxiskurs Bodenarbeit", erschienen bei Kosmos:

  • Kategorien

  • Archive