Gutes Pferd, böses Pferd?

Wir versuchen hier bei „Wege zum Pferd“ immer wieder die Seite der Pferde zu beleuchten, weil wir glauben, dass so gut wie alle Probleme mit Pferden ihre Ursache bei uns Menschen haben. Nun sagte jemand mal zu mir, dass anzunehmen, dass Pferde nur gut sein, kontraproduktiv ist. Dass man Pferde damit verklärt und nicht mehr realistisch einschätzt. Dass Pferde oft alles andere als „gut“ sind, sondern z.B. untereinander fies sein können und eben auch zu Menschen, um damit dann sämtliche Maßnahmen im Beherrschen von Pferden (von Dominanzgetue bis hin zu handfester Gewalt) zu rechtfertigen…

Ehrlich gesagt halte ich schon allein die Frage, ob Pferde eigentlich eher „gut“ oder doch eher „böse“ ist, für den falschen Ansatz.

Pferde sind einfach. Sie sind nicht „gut“ oder „schlecht“, sondern sie sind Pferd. Und ich glaube, dass die meisten Probleme entstehen, wenn man genau das nicht akzeptiert, sondern wenn man als Mensch von einem Pferd fordert, mehr zu sein oder auch anders zu sein als ein Pferd (nämlich z.B. ein Sportgerät, ein Partner- oder Kindersatz, der beste Freund usw.).

Unsere Erwartungen bestimmen unsere Bewertung

Wir Menschen erwarten so viel von Pferden und übersehen dabei leider, dass fast alles, was wir mit ihnen machen oder von ihnen wollen, für sie NICHT natürlich ist.

Pferde in freier Wildbahn werden nicht angebunden, nicht gesattelt, nicht geritten. Keiner fasst sie überall an, reitet sie eine Stunde im Kreis oder fordert sie auf, über Oxer und Kombinationen zu springen. Pferde in der Natur ziehen keine Kutschen, machen keine Zirkuslektionen und müssen nicht im Straßenverkehr oder auf Umzügen laufen. All das und vieles mehr erwarten wir aber – oft ganz selbstverständlich – von unseren Pferden. Und dann bewerten wir Pferde, die sich unseren Erwartungen entziehen als „schlecht“ und nur die, die brav alles machen, was wir wollen, sind „gut“.

Fair ist das nicht, oder?

Anerkennen heißt wertschätzen

Ich denke, wir sollten uns viel öfter einmal klarmachen, in wie vielen Bereichen uns Pferde entgegenkommen:

  • Wie oft sie z.B. Dinge für uns tun, die vollkommen gegen ihre Natur gehen,
  • wie oft sie ihre Ängste für uns überwinden,
  • wie oft sie uns unsere Ungeduld, Launen und Ungerechtigkeiten verzeihen,
  • wie brav sie sich oft auch mit schlechten Haltungsbedingungen, zu wenig Futter und Trennungen von Artgenossen arrangieren,
  • wie oft sie sich von uns vom Futter wegführen oder aus einer Schlummerstunde holen lassen,
  • wie viel sie bereit sind zu lernen,
  • wie schwer es ihnen oft fällt zu verstehen, was wir von ihnen wollen und wie sehr sie sich aber dennoch bemühen,
  • welche großen Leistungen sie oft für uns bringen,
  • wie oft sie Unangenehmes (drückende Sättel, zu viel Reitergewicht, einengende Hilfszügel, Reiterfehler usw.) ertragen und wie oft sogar Schmerzen und
  • wie oft sie sich von uns schubsen, treten, buffen und sogar schlagen lassen, ohne sich zu wehren.

Ich glaube, dass die Bewertung unserer Pferde direkt aus unseren Erwartungen an sie entsteht – erfüllen sie diese, sind sie gut, erfüllen sie diese nicht, sind sie schlecht. Und das ist deshalb unfair, weil unsere Erwartungen sehr oft weit über das gehen, was Pferden eigen ist. Wenn wir einmal ganz bewusst anerkennen, was sie alles für uns tun, lernen wir diese Wesen noch mal auf eine ganz andere Art wertzuschätzen. 

Ein Pferd ist ein Pferd ist ein Pferd

Obwohl es eigentlich nicht nötig sein sollte, das überhaupt zu erwähnen, aber Pferde sind keine Maschinen oder Spielzeuge, die für uns Menschen entwickelt wurden, sondern Pferde sind lebendige Wesen, deren Daseinsberechtigung zunächst einfach nur ihr Sein ist. Der Mensch schafft sie sich zwar an, um bestimmte Dinge mit ihnen zu tun, aber er hat deshalb nicht auch gleichzeitig das Recht auf die Erfüllung dieser Dinge. Und ich glaube, davon gehen leider noch viele von uns aus.

Wenn ich Pferde Pferde sein lasse, bin ich diejenige, die sich auf sie einstellen muss und die von ihnen und über sie lernen muss. Ich akzeptiere sie dann in ihrem Tier-Sein und erwarte von ihnen nicht, was ich vielleicht auch von anderen Menschen oder mir selbst erwarte (denn genau das tun viele von uns!).

Wenn ich akzeptiere, dass Pferde Pferde sind, kann ich ihnen in ihrer Welt begegnen und sie von dort einladen und verlocken, gemeinsam mit mir etwas zu unternehmen. Es ist dann mein Job, dem Pferd zu zeigen, dass meine Ideen toll sind und Spaß machen und wenn ich sie nicht überzeugen kann, ist es nicht ihr Fehler, sondern meiner.

Gut, dass es Pferde gibt!

Um noch einmal zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Nach rund 35 Jahren, die ich nun mit Pferden zu tun habe, kann ich aus der Tiefe meines Herzens sagen, dass Pferde für mich ganz wundervolle Wesen mit großen Seelen sind und ja, ich glaube, Pferde sind von Natur aus „gut“.

Gut, dass es sie gibt!

13. Mai 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 16 Kommentare »

Hilfe, mein Pferd ist alt?

Mein Aramis ist in diesem Jahr 21 geworden. Schon immer hatte er eine stark ausgeprägte Fehlstellung in beiden Vorderhufen und mir war klar, dass das irgendwann Probleme in Sachen Arthrose bringen könnte. Tatsächlich fing er dann im Sommer 2011 an, mal mehr, mal weniger zu lahmen. Wochen- und monatelang war alles wieder gut, aber im letzten Jahr lahmte er dann irgendwann kontinuierlich, erst im Trab, dann auch im Schritt. Auf dem Röntgenbild waren klare Veränderungen zu erkennen, die laut Tierarzt eindeutig zu den Schmerzen führten, die er erst nur im Trab, dann aber auch im Schritt immer deutlicher zeigte.

Da war also es gekommen: Mein Großer wird alt, mein Großer ist nicht mehr gesund.

Und nun?

Ich war wie gelähmt und wusste damit erst gar nicht umzugehen. Natürlich konnte ich ihn nun nicht mehr arbeiten! Wer würde sich auf ein lahmendes Pferd setzen, wer etwas von einem Pferd, das so viel in seinem Leben geleistet hat, verlangen, wenn es nicht fit ist. Er sollte seine Rente bekommen, keine Frage. Also holte ich ihn zwar noch immer täglich raus, clickerte mal ein bisschen mit ihm oder ging ein Stück spazieren. Aber  auch etwas mit ihm tun? Nein, das war gestrichen.

Eine Zeitlang war er zufrieden und ich war rund damit, nun eben einen Senior zu haben. Aber dann gefiel mir zunehmend sein Blick nicht mehr, er baute ab und irgendwie fühlte sich alles immer weniger rund an. Litt der Große? Hatte er dolle Schmerzen? Musste ich doch über Schmerzmittel nachdenken?

Ich holte mir Rat bei Pat, die gerade selbst in letzter Zeit viel mit älteren Pferden arbeitet. Ich wünschte mir, dass sie Aramis einmal gründlich durchchecken und mir sagen würde, was ich tun soll, denn ich war inzwischen einfach traurig und hilflos.

Ein anderer Blick

Pat tat dann etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Sie forderte mich auf, mit Aramis ein bisschen etwas zu tun: Arbeit an der Hand – Antreten, Seitengänge, Rückwärtsrichten. Sie gab mir einige Tipps für seine Haltung, für das Tempo und was ihm an Übungen gut tun würde. Am Ende gab es ein bisschen Massage für den Großen und es wurden noch einige Akupunkturpunkte behandelt, aber es war deutlich: Nicht die Behandlung war das Wesentliche, sondern einmal mal mehr ging es mein Verhalten beziehungsweise um meine Einstellung.

Es ging darum, zu erkennen, WIE ich immer öfter auf mein Pferd geschaut hatte:

  • wie ich seinen Blick als niedergeschlagen deutete, obwohl sich ein Pferdeblick im Alter einfach verändert und das gar nicht schlimm sein muss,
  • wie ich seine verschwundene Muskulatur als Zeichen für seinen schlechten Zustand deutet, obwohl sich bei jedem Pferd, das nicht arbeitet, die Muskulatur zurückbildet,
  • wie ich jede kleine Gegenreaktion von ihm als Signal interpretierte, dass er nicht kann,
  • wie ich mein Pferd mit jedem Tag um Jahre älter guckte …

Ich war dabei gewesen, mein zwar nicht mehr junges und auch nicht mehr ganz gesundes Pferd zu einem alten und kranken Pferd zu machen. Vor lauter Angst hatte ich mich mehr und mehr in die kleinen Dinge gesteigert, die sich verändert hatten – die aber nichts weiter sind als der ganz normale Lauf der Dinge. Ältere Pferde sehen anders aus als junge, sie laufen anders, sie lahmen öfter mal, sie gucken anders, bauen auch mal ab – aber: Sie sind deshalb nicht todkrank!

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2. Juli 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Gesundheit, Umgang, Verhalten 22 Kommentare »

Ja- und Nein-Sager

Vor einer Weile schrieb ich hier im Blog über Forschungsergebnisse, nach denen auch Tiere in Optimisten und Pessimisten aufteilbar sind. Schon damals konnte ich meine beiden ziemlich gut zuordnen 🙂 Gerade in der letzten Zeit habe ich den Unterschied wieder sehr deutlich gespürt und möchte heute das Thema noch einmal aufgreifen.

Ich unterscheide Pferde für mich inzwischen in Ja-Sager und in Nein-Sager:

  • Ja-Sager zeichnen sich durch ein offenes Wesen aus. Sie sind grundsätzlich bereit, sich einzulassen und mitzumachen und das selbst dann, wenn sie schon schlechte Erfahrungen gemacht oder wenn sie z.B. Angst haben. In diesen Fällen ist ihr Ja vielleicht zögerlicher, aber sie lassen sich dennoch mit Liebe und Geduld zum Mitmachen verlocken.
  • Nein-Sager hingegen sind grundsätzlich erstmal gegen alles, was man an sie heranträgt. „Bestimmt ist das blöd!“, scheint der typische Nein-Sager-Gedanke zu sein, wenn man etwas mit diesen Pferden machen will, und es ist nicht so leicht und manchmal sogar unmöglich, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Es sei denn, sie kommen selbst auf eine Idee, DANN sind auch diese Pferde mit Feuer und Flamme dabei.

Natürlich gibt es in dieser Aufteilung extreme genauso wie abgeschwächte Typen, aber ich denke, jedes Pferd bringt von seiner Persönlichkeit her eine klare Tendenz mit. Und wie der Zufall es will, habe ich ja je ein solches, ziemlich deutlich ausgeprägtes Exemplar 😀

Deshalb kann ich auch zum Umgang mit beiden Typen einige Erfahrungen schildern und ich denke, sie können für viele von Euch nützlich sein.

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14. Mai 2013 von Tania Konnerth • Kategorie: Verhalten 12 Kommentare »

Umgang mit Beißern

Ich bekomme ziemlich regelmäßig Mails, in denen ich gefragt werde, wie man am besten mit Beißern umgehen kann. Der normale Rat ist meist der, das Pferd für das Beißen zu strafen. Ich sehe das, wie so oft, ein bisschen anders. 🙂

Ganz klar: Ein Pferd, das beißt, ist nicht wirklich lustig. In leichteren Fälle tut es weh, vom Pferd gekniffen zu werden, in ernsteren Fällen wird es aber sogar sehr gefährlich. Und gerade weil das so ist, halte ich wenig davon, ein beißendes Pferd zu schlagen. Denn bei manchen Pferden kann ein solches Abstrafen die Gefahr noch deutlich vergrößern, nämlich dann, wenn es daraufhin erst recht zurückbeißt. Aber auch bei weniger aggressiven Pferden führt meiner Erfahrung nach Strafe selten dazu, dass ein Pferd nicht mehr beißt. Im Gegenteil: Oft kommt es leider zu einer endlosen Schleife von Beißen – Strafe – Beißen – Strafe usw.

Schritt 1: Ursachenforschung

Für mich steht zunächst immer die Frage an: Warum beißt das Pferd?

Pferde können nicht mit Worten reden, aber sie können sehr wohl ihren Unmut, ihre Angst oder auch Schmerzen u.Ä. zeigen. Wir müssen nur bereit sein, ihr Verhalten als Kommunikationsversuch zu deuten, um in einem Beißen z.B. nicht nur die „unschöne Tat“ zu sehen, sondern vielleicht den verzweifelten Versuch, uns etwas mitzuteilen.

Bei einem beißenden Pferd frage ich mich also:

  • Was könnte der Grund für das Verhalten sein?
  • Hat das Pferd Angst? Wovor?
  • Hat es schon schlechte Erfahrungen gemacht? Welche?
  • Erwartet das Pferd vielleicht etwas Schlechtes und will sich durch die Attacke davor schützen? Was könnte das sein? Erwartet es z.B. Schmerzen o.Ä.?
  • Wie lebt das Pferd? Wird es artgerecht gehalten und ernährt? Hat es ausreichend Freilauf, Kontakt zu Artgenossen und bekommt es genug Raufutter?
  • Hat das Pferd vielleicht Schmerzen, z.B. an den Zähnen? Oder andere Beschwerden?
  • Was könnte sonst noch zu dem Verhalten führen? Ist es genervt? Wodurch?
  • Tritt das Verhalten vielleicht zu bestimmten Zeiten vermehrt auf (bei Stuten z.B. in der Rosse)?
  • Usw.

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26. Februar 2013 von Babette Teschen • Kategorie: Umgang, Verhalten 63 Kommentare »

Knutschereien

Aramis und Anthony spielen immer mal wieder gerne das Knutschspiel – und ich war dabei 😀

Noch intensiver betreiben dieses Spiel aber Ronaldo und Nico 🙂 Und weil ich die Fotos von beiden sooo nett finde, zeige ich sie einfach auch noch hier!

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2. Oktober 2012 von Tania Konnerth • Kategorie: Verhalten 8 Kommentare »

Spielen sie noch?

Ich bin immer mal wieder nach neuen Fotos von den Jungs gefragt worden – vor allem wurden Spiel-Fotos vermisst. Tatsächlich hatten wir eine lange Phase von Kränkeleien, durch die die Jungs dann leider wechselweise oder auch zusammen nicht fit waren. Aber im Moment, toitoitoi, geht es beiden gut.

Also, Jungs, wie sieht es aus, habt Ihr Lust, ein bisschen zu toben?

Sieht so aus! 😀

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24. September 2012 von Tania Konnerth • Kategorie: Verhalten 5 Kommentare »

Gruseltage

Ich finde, es ist immer wieder spannend, zu erleben, wie unterschiedlich ein Pferd drauf sein kann. Anthony ist von seinem Grundcharakter her eher ein Energiesparmodell. Bevor er sich zu viel bewegt, wird lieber erstmal gründlich überlegt, ob das alles nötig ist und im Zweifelsfall bleibt er lieber stehen, als dass er einen Sprint einlegt. Aber es gibt diese Tage, an denen alles ein bisschen anders ist und ich denke, das kennen viele von Euch auch von ihren Pferden.

Solche Tage nenne ich Gruseltage, denn an diesen Tagen ist einfach alles dazu angetan, sich zu erschrecken:

  • „Wuah, der Traktor da, der frisst Haflinger, ganz sicher.“ – „Nein, Anthony, der Traktor frisst keine Haflinger, das ist der Traktor, der täglich an dir vorbeifährt und der dir noch nie was getan hat.“
  • „Auweia, schau mal da ein Baum und huch, noch einer.“ – „Ja, Anthony im Wald gibt es häufig mal Bäume, die gehören da hin.“
  • „Ojemine, der Findling da lauert mir auf, gleich springt er mich an!“ – „Nein, Anthony, der Findling wird einfach da liegen bleiben, wie er schon seit Jahren an genau dieser Stelle liegt.“

Ihr wisst, was ich meine.

An diesen Tagen reite ich eher einen Flitzebogen als ein Pferd. Früher fand ich das einfach nur schrecklich. Nicht nur, weil ich Angst hatte, sondern weil ich immer dachte, ich müsse etwas dagegen tun. Schließlich sollte er sich das Scheuen nicht angewöhnen. Veräppelt er mich vielleicht gar und ich muss mich durchsetzen? Gerade einem jungen Pferd darf man ja keine Flausen durchgehen lassen, nicht wahr? Oder vertraut er mir einfach nicht? Bin ich kein guter Führungsmensch? Habe ich doch alles falsch gemacht in seiner Ausbildung?

Mit all diesen Gedanken habe ich die Situation natürlich eher schlimmer als besser gemacht. Meine Sorgen führten zu Anspannung auf meiner Seite, was Anthony wiederum als Echo auf seine Anspannung aufnahm und sich bestätigt fühlte, nach dem Motto: „Ha! Ich habe recht, auch sie macht sich Sorgen.“ Und so können sich Mensch und Pferd wunderbar in eine Hysterie-Spirale hineinsteigern.

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20. März 2012 von Tania Konnerth • Kategorie: Verhalten 29 Kommentare »

Wenn Pferde kauen und lecken – ist das gut oder schlecht?

Vor kurzem wurde mir folgende Frage gestellt:

Wenn ich mein Pferd longiere (was ich sehr selten tue), fängt sie (eine Stute) schon nach zwei Runden an zu kauen, nimmt den Kopf runter und leckt. Sie empfindet also das Longieren als eine Art Join up „Maßregelung“ meinerseits. Haben Sie einen Tip für mich, wie ich das ändern kann? Das Longieren soll ja für sie keine Strafe sein.

Auf diese Frage möchte ich an dieser Stelle eingehen.

Ein Verhalten – viele Interpretationsmöglichkeiten

Das Kauen und Lecken des Pferdes als reine Unterwerfungsgeste zu interpretieren, halte ich für falsch. Für mich bedeutet es viel mehr und ich interpretiere das Kauen und Lecken je nach Situation sehr unterschiedlich.

Schauen Sie sich zum Vergleich einen Hund an, der mit dem Schwanz wedelt. Die meisten Menschen interpretieren ein Schwanzwedeln beim Hund automatisch als Ausdruck von Freude. Das stimmt auch oft, aber manchmal ist es das aber nicht. Es kann nämlich z.B. auch ein Ausdruck von Unsicherheit oder Erregung sein und so kann es durchaus vorkommen, dass ein Hund mit dem Schwanz wedelt und in die nach ihm greifende Hand beißt … In diesem Fall hat der Mensch den Fehler gemacht, nicht auch die Körperhaltung und den Augenausdruck zu beachten, der ihn hätte das Schwanzwedeln anders interpretieren lassen. Es gilt also immer, den Gesamteindruck des Tieres zu sehen und zu deuten, egal ob beim Hund oder Pferd.

Situationsbeispiele

Ich sehe das Lecken und Kauen beim Pferd in den meisten Fällen als sehr positives Zeichen und übersetze es je nach Situation so:

Beim Reiten im Gelände

Fast jeden Morgen gehe ich mit meinem Pepe und meinen Hunden in den Wald. Zu 90% sind wir dabei gebisslos unterwegs. Wir haben ein paar Lieblingsstecken, auf denen ich Pepe gerne mal „gehen“ lasse. Er darf also so richtig Gas geben und das macht er sehr, sehr gerne :-). Am Ende der Strecke angekommen, pariert er in der Regel von allein durch. Ich muss ihn also nicht über Zügeleinwirkung bremsen und da, kein Gebiss im Maul liegt, schließe ich eine Mobilisierung des Kiefers durch Gebisseinwirkung als Auslöser des Kauens aus. Doch kaum ist Pepe im Schritt, schleckt und kaut er wie ein Weltmeister und das ohne Leckerligabe meinerseits. Sein Blick nach so einem Galopp ist einfach toll. Nie im Leben würde ich auf die Idee kommen, dieses Lecken und Kauen negativ zu interpretieren. Für mich heißt es in diesem Fall: „Das war ein Mordsgaudi„!

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4. Oktober 2011 von Babette Teschen • Kategorie: Longieren, Sonstiges, Verhalten 11 Kommentare »

Nie zufrieden?

Seit einer Weile schreibe ich immer mal wieder was zu dem Thema „Was Pferde nervt„, so z.B. über unseren Einsatz der Stimme, über unser Bedürfnis, Pferde ständig anfassen zu wollen oder auch über das Thema „Klarheit„. Heute nehme ich mir einen weiteren, wie ich denke, sehr wichtigen Aspekt vor: und zwar unsere Tendenz, nie zufrieden zu sein.

Es scheint ein sehr menschlicher Zug zu sein, irgendwie immer mehr oder immer etwas anderes zu wollen, als wir gerade haben. Diese Eigenschaft findet sich zunächst vor allem bei eher ehrgeizigen Menschen, aber bei Weitem nicht nur bei ihnen.

Vielleicht findet Ihr Euch ja hier wieder?

  • Kaum kann unser Pferd einigermaßen gebogen und locker im Trab auf einer Volte laufen, wollen wir das im Galopp.
  • Kaum geht unser Pferd zwei, drei Schritte losgelassen rückwärts, arbeiten wir schon an der Schaukel.
  • Kaum hat unser Pferd einige Schritte Schulterherein gezeigt, wollen wir das Schulterherein in Trab und im Galopp.
  • Kaum zeigt ein Pferd den spanischen Gruß, soll es am liebsten schon im spanischen Trab herumtanzen.
  • Kaum hat unser Pferd gelernt, sich über den Cavalettis in schöner Selbsthaltung zu zeigen, soll es springen.
  • Usw. usw.

Oder vielleicht hier:

  • Kaum hat ein Pferd seine Angst vor dem Gymnastikball halbwegs überwunden, wollen wir es schon in eine Plastikplane einwickeln.
  • Kaum vertraut uns unser Pferd so, dass wir entspannt spazieren gehen können, wollen wir nun endlich ausreiten.
  • Kaum ist das Pferd in seinem neuen Stall angekommen, soll es gleich in der nächsten Woche konzentriert im Unterricht mitgehen.
  • Kaum hat sich unser Pferd von seinem Hufgeschwür erholt, haben wir schon wieder einen strammen Trainingsplan ausgearbeitet.
  • Usw. usw.

Kurz und gut: Es reicht nie. Es ist nie genug. Wir sind nie wirklich zufrieden.

Und leider übersehen wir dabei, dass genau das Pferde enorm frustrieren kann.

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25. August 2011 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang, Verhalten 8 Kommentare »

So ein Rüpel!

Rüpelige Pferde gehören für viele Leute zu den echten Ärgernissen. Ich hingegen finde diese Pferde zunehmend spannender.

Mit meinem Anthony habe ich ja einen echten Oberrüpel bekommen. Dieses Pferd scheute vor nichts zurück, wenn ihm etwas nicht passte – nicht davor mich bzw. andere über den Haufen zu büffeln und nicht davor, sich ggf. sogar selbst zu verletzen. Er war ein Pferd, das wortwörtlich mit dem Kopf durch die Wand wollte, wenn ihm etwas nicht passte: Ich werde nie mein Gefühl vollkommener Ungläubigkeit vergessen, als sich mein Pferd in einer recht frühen Phase des Anreitens weder abwenden noch anhalten ließ und einfach mit dem Kopf gegen die Bande der Reithalle lief. Gleiches galt für die Boxentür…

Wie oft ich bei Anthony schon dachte, dass es auch nicht viel schwieriger sein kann, einen Bison longieren und reiten zu wollen, kann ich gar nicht zählen! 😉

Aber – und das ist für mich inzwischen immer wieder ein kleines Wunder – inzwischen habe ich mit Anthony ein zum immer größer werdenden Teil kooperatives und motiviertes Pferdchen, der sich sichtlich Mühe gibt.

Anthony hat mich auf eine Theorie gebracht, von der ich immer sicherer bin, dass sie zutrifft: Ich glaube inzwischen, dass gerade die rüpeligsten aller Dickköpfe mit die sensibelsten Pferde überhaupt sind. Sie halten Aufregung, Angst oder Unwohlsein in sich und lassen es sich nicht anmerken. Sie schützen sich durch eine ordentliche Schicht Dickfelligkeit, die dann nach außen stur und rüpelig wirkt. Aber innen brodelt es.

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30. Juni 2011 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang, Verhalten 28 Kommentare »

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