Bitte nicht das Beste wollen…

Die meisten von uns wollen natürlich immer das Beste für unser Pferd, nicht wahr? Unser Ziel ist, das Pferd optimal zu ernähren und zu pflegen, wir wollen es optimal trainieren und arbeiten, um es optimal gesund zu erhalten.

So verständlich und löblich das ist, so geht das leider an vielen Stellen in die falsche Richtung.

Ein hoher (Perfektions-)Anspruch führt nämlich fast immer unweigerlich zu einigen, ziemlich negativen Begleiterscheinungen:

  • Wir sind zu fixiert auf einzelne Ziele oder Details und sehen nicht mehr das Gesamtbild – z.B. achten wir nur noch darauf, ob die Muskeln, die wir fördern wollen, stärker werden, aber merken gar nicht, wie unglücklich unser Pferd durch das plötzlich verschärfte Training geworden ist.
  • Wir werden zu streng und zu verbissen, weil wir eine ganz genaue Vorstellung davon haben, wie sich das Pferd z.B. bewegen muss und wenn es das nicht tut, versuchen wir es um jeden Preis zu  erreichen, notfalls mit Hilfsmitteln, die mehr schaden als nützen („… weil es sein muss…“).
  • Wir versuchen alles über unseren Verstand zu lösen (über das, was wir wissen, was wir gelernt haben und was uns jemand geraten hat) und hören nicht mehr auf unser Bauchgefühl.
  • Wir geraten in die Angst und suchen überall nach Anzeichen für Fehlentwicklungen, Krankheiten usw.
  • Wir haben ein ständiges schlechtes Gewissen, weil wir eigentlich genau wissen, dass wir keine Chance haben, alles richtig zu machen oder erkennen, dass vieles ungut läuft, aber nicht wissen, wie wir es ändern können.
  • Wir sind zu hart zu uns selbst, weil wir unsere Fehler genau merken, sie aber nicht abstellen können und leben diese Härte unbewusst auch dem Pferd gegenüber aus.
  • Und anderes mehr… 

Die andere Seite der Medaille sind Menschen, die das Ganze etwas zu lax angehen, sich zu wenig informieren, zu wenig an sich arbeiten und sich zu wenig Gedanken machen – natürlich wollen wir nicht dorthin zielen.

Aber, und das weiß ich aus eigener Erfahrung: jeder Perfektionsanspruch führt schnell zu viel Druck und manchmal auch Leid bei einem selbst und auch beim Pferd.

Deshalb gilt für mich heute: Lieber nicht das Beste wollen, Gutes reicht vollkommen aus 😉 

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9. August 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 9 Kommentare »

Buchtipp: „Selbstreflexion und Entspannung mit Pferden“ von Daniela Friedl

„Selbstreflexion & Entspannung mit Pferden“ von Daniela Friedl
Books on Demand; Auflage: 1 (6. Mai 2016) – 2oo S. 
ISBN:3844810374
ca. 24,99,– EUR (broschiert, durchgehend farbige und schwarz-weiße Fotos)

 

„Selbstreflexion und Entspannung mit Pferden“ ist ein sehr ansprechendes Buch für Menschen, die Pferde als Partner sehen. Die Autorin Daniela Friedl ist ausgebildete Wildnispädagogin, Entspannungstrainerin, Yogatrainerin und anderes mehr. Im ersten Teil des Buches beschreibt sie ihre Einstellung zum Umgang mit Pferden, zum Reiten, zum Thema Freiwilligkeit und ihren eigenen Weg mit ihren Pferden. Ich habe diesen Teil mit großer Freude gelesen und mich sehr in Daniela Friedls Zeilen wiedergefunden.

Der zweite Teil ist der praktische Teil. Hier findet der Leser eine Vielzahl an Übungen, Meditationen und Phantasiereisen, die zum Teil mit Pferd, aber viele auch ohne Pferd durchgeführt werden.

Abgerundet wird das Buch durch sehr schöne Bilder, Zitate und Praxisbeispiele.

Für mich ist „Selbstreflexion & Entspannung mit Pferden“ ein wunderschönes und tiefgründiges Buch für alle Pferdemenschen, die Sinn für Yoga und Spiritualität haben und die einen Weg zu sich und ihren Pferden suchen, weg von Dominanz und Alltagsstress. 

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1. August 2016 von Babette Teschen • Kategorie: Buchtipps, Erkenntnisse, Umgang 2 Kommentare »

Was zählt, ist JETZT!

In meinen Coachings stoße ich immer wieder auf ein Phänomen, das für große Probleme zwischen Mensch und Pferd sorgt: Während das Pferd im Hier und Jetzt lebt, zieht der Mensch fast ständig Bezüge zu dem, was mal war. Und das hat Folgen. 

Mein Pferd ist so und so… 

Hier einige typische Äußerungen, die ich oft höre: 

  • Mein Pferd will immer Boss sein und ist dabei oft respektlos. Erst letzte Woche hat er …
  • Die Stute ist normalerweise sehr nervös, die können schon die kleinsten Sachen kirre machen. Neulich am Anbinder … 
  • Mein Pony ist vollkommen verfressen, da kann ich nicht mit Futterlob arbeiten. Erst gestern hing er mir wieder in der Tasche … 
  • Mein Wallach ist vollkommen cool, den bringt gar nichts aus der Ruhe …

Und hier die Situationen dazu, in denen die Besitzer/innen das jeweils sagten: 

  • Das Pferd wartete respektvoll in einem guten Abstand. 
  • Die Stute stand seelenruhig und fast gelangweilt am Anbinder. 
  • Das Pony schaute keck, aber machte keinerlei Anstalten näher zu kommen, obwohl ich meine Hand in meiner Jackentasche hatte. 
  • Der Wallach stand wie eine Statue, fast jeder Muskel war angespannt. 

Wir interpretieren die Welt aus dem heraus, was wir erleben

Ich will noch deutlicher machen, worum es mir geht: Für die meisten von uns ist es ganz normal, Erlebtes zu erinnern, und solche Erinnerungen sind für uns oft lange Zeit noch sehr präsent. Wir reden mit anderen über das, was uns passiert ist, erzählen subjektiv interpretierte Geschichten und wir ordnen aus unseren Erlebnissen heraus anderen Lebewesen (ob Menschen oder Tieren) Eigenschaften zu – und, und das ist das Entscheidende, gehen davon aus, dass unsere Schlüsse richtig sind. Denn natürlich kann jeder Besitzer aufgrund der vielen Erlebnisse sein eigenes Pferd doch am besten einschätzen, oder etwa nicht?

Tja, genau um dieses Fragezeichen geht es mir hier. 

Wenn ich zu einem Coaching komme, habe ich in der Regel kaum Vorwissen. Ich kenne Pferd und Mensch meist nicht und habe deshalb keine Vorgeschichte mit ihnen. So kann ich mich vollkommen unbelastet auf das einlassen, was gerade ist. Und interessanterweise weicht das IST, das ich wahrnehme, häufig von dem ab, was mir als IST erzählt wird. Denn die Besitzer/innen berichten von Erlebnissen, die sie mit ihrem Pferd hatten und, und auch das ist entscheidend: Sie erzählen von denen, an die sie sich erinnern! 

Unsere Erinnerung ist selektiv

Tatsächlich nämlich erinnern wir ja nie alles, sondern nur einen Teil. Denn so arbeitet das menschliche Gehirn: Es registriert vor allem das, was besonders ist, nicht das Gewohnte. Für den Umgang mit Pferden ist das leider nur bedingt nützlich, weil wir uns vor allem an die Sachen erinnern, die unschön waren.

Mal ganz ehrlich: Wir erinnern meist nicht die 95 Prozent, in denen unser Pferd brav alle vier Hufe gegeben hat, sondern wir erinnern die wenigen Momente, in denen es ein Bein weggezogen hat. Wir erinnern nicht die unzähligen Male, in denen unser Pferd in der Halle brav angetrabt ist, sondern wir erinnern die seltenen Momente, in denen es scheinbar aus dem Nichts losschoss. Und wir erinnern uns nicht an all die ungezählten Male, in denen sich unser Pferd auf der Weide problemlos aufhalftern ließ, sondern denken immer wieder an den einen Tag, an dem es weglief und sich nicht einfangen ließ.

Und weil das so ist, sind wir oft ziemlich nachtragend… 

Pferde ticken etwas anders

Pferde leben hingegen im Hier und Jetzt. Sie können sich zwar durchaus auch an Vergangenes erinnern, aber in der Regel zählt für sie der Moment, in dem wir zu ihnen kommen. Sie sind in der Lage, immer wieder gleichsam „neu zu starten“. Manchmal spüren wir das, wenn das Pferd plötzlich nichts mehr von dem zu wissen scheint, was es gestern noch prima konnte oder, wenn wir dachten, bei einer Sache endlich einen Durchbruch erreicht zu haben, am nächsten Tag aber doch wieder alles ist wie zuvor. Und wir erleben es immer wieder dann, wenn ein Pferd uns unsere Ungeduld  oder Ungerechtigkeiten vom Vortag komplett verziehen hat, denn Pferde können wie kaum ein anderes Lebewesen immer und immer wieder verzeihen. 

Hinweis: Natürlich gibt es auch Einzelfälle, in denen die Erlebnisse für das Pferd so schlimm waren, dass es z.B. menschenscheu geworden ist oder aggressiv usw., aber ich gehe hier jetzt mal von einem ganz normalen Pferd aus, nicht von den Extremfällen.

Die Fähigkeit zum Neustart

Diese in Pferden eingebaute Bereitschaft zum Neustart ist eine Herausforderung für uns Menschen und gleichzeitig eine ganz wundervolle Chance, viel zu lernen. Sie stellt uns vor die Aufgabe zu akzeptieren, dass wir, die wir doch so gerne alles sicher im Griff haben, uns auf nicht allzu viel verlassen können, weil sich unser Pferd jeden Tag ein bisschen oder manchmal auch vollkommen anders präsentieren kann. Wer z.B. die Idee hat, einem Pferd nur einmal zeigen zu müssen „wer der Boss“ ist und dann wird es ihm für immer folgen, hat einen ganz wichtigen Aspekt des Pferd-Seins nicht verstanden: neues Spiel, neues Glück. 

Pferde werden nie müde, Dinge zu hinterfragen. Für sie gibt es keine in Stein gemeißelten Regeln, sondern alles ist beweglich – so wie auch in einer Herde alles beweglich ist. Auch Leitstute und Leithengst werden in ihrer Position immer mal wieder in Frage gestellt und in der gesamten Rangfolge gibt es untereinander ständig kleinere und größere Verschiebungen. Genauso wie ein Zaun zwar grundsätzlich akzeptiert wird, was aber noch lange nicht bedeutet, dass nicht hin und wieder getestet wird, ob das Tor nicht vielleicht doch offen ist oder ob wirklich Strom drauf ist. 

Im Umgang heißt das, dass wir zwar natürlich die Persönlichkeit unseres Pferdes erkennen und einschätzen können, dass aber eben manchmal alles ganz anders sein kann – momenteweise, aber vielleicht auch grundsätzlich, dann nämlich, wenn wir zu sehr aus selektiven Erinnerungen heraus das Verhalten unseres Pferdes interpretieren und deshalb zu Fehleinschätzungen kommen. 

Ein offener Blick

Wenn ich zu einem Coaching komme, schaue ich mit offenen Blick hin und fühle mich in das ein, was ist. Deshalb gelingt es mir oft, das Pferd zumindest in diesem Moment etwas klarer zu erkennen als es sein Besitzer vermag, ganz einfach deshalb, weil ich nicht durch den Filter der vergangenen Erlebnisse schaue.  

Nun ist es sicher eine Illusion, sich als Mensch im Umgang mit Pferden vollkommen von vergangenen Erlebnissen lösen zu können, denn so funktioniert unser Gehirn einfach nicht. Aber wir können uns bemühen, es ein Stück weit zu üben. Eine Leitfrage, die ich deshalb jedem Pferdemenschen schenken möchte, ist diese: 

Was ist jetzt gerade in diesem Moment?

Es ist eine menschliche Schwäche, uns gegenseitig Sachen vorzuhalten und Vergangenes immer wieder hervorzuholen. Von anderen Menschen erwarten wir Entschuldigungen und Verhaltensveränderungen aufgrund von Einsicht. Und genau das übertragen wir dann leider oft auch auf unsere Pferde. Wir nehmen ihnen (manchmal ganz unbewusst) übel, was sie falsch gemacht haben, und setzen deshalb oft an diesen Erfahrungen an, obwohl sie mit der augenblicklichen Situation gar nichts mehr zu tun haben!

Ich glaube, es ist sehr wichtig, sich klar zu machen, dass wir ein Pferd nicht rückwirkend erziehen können. Ein Pferd wird nicht „einsehen“, dass es doof war, dass es sich gestern losgerissen hat oder dass es nicht hätte scheuen dürfen. Wir können einem Pferd nur immer wieder aufs Neue einen Rahmen bieten, in dem es sich wohl und sicher bei uns fühlt – das ist Aufgabe und Chance zugleich!

Es geht darum, ein Pferd als lebendiges und vielschichtiges Wesen mit seinen Eigenarten anzunehmen. Es geht darum, sich auf das einzulassen, was gerade ist, und nicht z.B. aus der Wut vom vergangenen Tag heraus zu handeln oder mit dem Stolz von gestern heute noch mehr zu erwarten. Pferdegerecht zu handeln heißt, jeden Tag aufs Neue zu schauen, worum es gerade in diesem Moment geht, um dann darauf angemessen zu reagieren.

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21. Juni 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Das Thema „Sorgen“ mitten aus dem Leben…

In meinem letzten Beitrag schrieb ich darüber, wie destruktiv Sorgen um unsere Pferde manchmal sein können. Die Resonanz darauf war riesig: Sowohl als Kommentar auf den Beitrag als auch in Mails schrieben uns viele, denen es ganz ähnlich geht. Eigentlich wollte ich nun einen hilfreichen Text mit verschiedenen Tipps und Strategien zum Umgang mit Sorgen schreiben, aber da für mich das Thema selbst gerade wieder mehr als aktuell ist, habe ich gerade nicht genug Distanz für einen solchen „Ratgebertext“. Also tue ich, was ich in diesen Fällen am besten kann und schreibe einen weiteren Erfahrungsbericht. Und manchmal helfen einem solche Texte ja viel mehr als alle noch so praktischen Tipps zusammen… 

Nicht verzweifelt jeden um Rat fragen!

Ich habe leider konkret einen ordentlichen Anlass für Sorgen, mal wieder ist es mein Anthony. Ich schreibe aber ganz bewusst nicht, was er hat, und mache damit etwas anders als sonst.

Normalerweise neige ich dazu, jeden greifbaren Menschen um Rat zu fragen, wenn eines meiner Pferde krank ist. In der Folge davon bekam ich immer unzählige gute Ratschläge und Tipps und Ideen, von denen ich aber natürlich nie alle umsetzen konnte und von denen auch fast nie einer für uns so gut war, wie behauptet. Die Crux mit den guten Ratschlägen ist nämlich die: Sie setzen uns enorm unter Druck, da wir jedes Mal denken, dass wir nur genau DAS tun müssten oder DAS oder dass DAS helfen würde oder DAS… – und so nie zur Ruhe kommen, denn es gibt immer mindestens noch zwanzig Sachen, die wir noch nicht ausprobiert haben (die aber meist genauso wenig helfen würden…).

Ich habe mich mal gefragt, was eigentlich hinter meiner Suche nach Rat steht und habe erkannt, dass ich mich eigentlich danach sehne, einmal zu hören, dass ich GENUG mache, dass gut ist, was ich tue und dass es ausreicht…, aber das habe ich tatsächlich noch nie gehört, denn jeder, der um Rat gefragt wird, will natürlich auch etwas Hilfreiches dazu geben…

Die Antwort aus diesem Dilemma ist, dass ich BEI MIR selbst bleiben muss und mir zutraue, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich habe mir gut überlegt, wen ich in meine Entscheidungen einbinde und ich möchte es genau dabei belassen, um nicht wieder wie ein panisches Huhn hundert verschiedene Dinge gleichzeitig auszuprobieren. Mir selbst in meinen Entscheidungen zu vertrauen, ist ein Schritt, der mich zur Zeit enorm entlastet, weil ich mir nicht vorwerfen muss, nicht alles auszuprobieren, was möglich ist. 

Nicht andere fragen, sondern mein Pferd

Ein weiterer Punkt ist, dass ich im Moment möglichst darauf verzichte, andere um eine Einschätzung dazu zu bitten, wie es meinem Pferd geht. Der Wunsch dahinter ist natürlich die Bestätigung zu bekommen, dass es ihm doch gar nicht so schlecht geht und vor allem, dass alles wieder gut wird. Aber das kann mir keiner geben! Und mehr noch: andere reagieren oft in einer Weise, die mir selbst und auch meinem Pferd gar nicht guttut. Hier lerne ich langsam zu unterscheiden, mit wem ich darüber reden möchte und mit wem besser nicht. 

Stattdessen frage ich jetzt direkt mein Pferd, wie es ihm geht, und versuche dabei, nicht nur das Symptom, sondern sehr gezielt ihn als Ganzes wahrzunehmen. Anthony ist jeder Zeit ansprechbar und munter, er frisst, hat kein Fieber und reagiert auf die nötigen Behandlungsmaßnahmen ruhig und gelassen. Obwohl er „krank“ ist, geht es ihm also den Umständen entsprechend gut und genau darauf lege ich meinen Fokus. Damit lasse ich IHN mitentscheiden und nicht andere, die ihn weniger gut kennen und ich glaube, das tut uns beiden gut.  

Die Grenzen meiner Möglichkeiten akzeptieren

Im Moment gelingt es mir ganz gut, zu erkennen, dass es schlicht und einfach nicht möglich ist, mein Pferd vor allem zu bewahren. Pferde werden krank, anfällige Pferde werden häufiger krank und Anthony ist ein anfälliges Pferd. Das ist einfach so und Punkt.

Es liegt nicht in meiner Macht, Anthony vor seinem eigenen Leben zu bewahren. Ich tue, was ich kann, aber ich kann eben nicht alles – damit muss ich mich aussöhnen und letztlich auch LOSLASSEN, um weitermachen zu können. Die Portion Erleichterung, die mir dieser Gedanke schenkt, wird auch von Anthony wohlwollend quittiert, denn er reagiert zur Zeit sehr offen und zugewandt auf mich. 

Ich gehe im Moment sogar noch einen Schritt weiter und denke, dass ich letztlich nicht wissen kann, ob die ganze Sache nicht auch etwas Gutes haben kann. Vielleicht gehört das jetzt einfach zu seiner ganz eigenen Krank- und Gesundheitsgeschichte und hat seinen Sinn.

Und das Wichtigste: Ich nehme es an!

Und das bringt mich zum vielleicht Allerwichtigsten, das im Moment den Unterschied zu vielen anderen Situationen macht: Ich sage ja zu Anthony MIT dem, was er gerade hat.

In der Vergangenheit habe ich bei Erkrankungen ganz oft einfach nur weghaben wollen, was ist. Ich wollte ein gesundes Pferd, kein krankes und habe damit, ohne es zu merken, „nein“ zu ihm gesagt, weil ich gegen die Wirklichkeit kämpfte. Im Moment ist es mir möglich, ja zu ihm zu sagen MIT dem, was er hat. Und ich glaube, genau das kommt auch bei ihm an und ermöglicht ihm seinerseits anzunehmen, was ist.

So setze ich mir ein klares gedankliches Stopp-Schild, wann immer ich merke, dass ich ins Hadern komme und mir selbst mal wieder furchtbar leidtue (und versuche, das freundlich, aber bestimmt auch bei anderen zu stoppen, die uns mitleidig angucken).  Statt dessen mache ich ganz bewusst schöne und lockere Sachen mit Anthony, also z.B. unsere geliebte Freiarbeit, bei der ich ihn dann anfeuern und bewundern kann, oder wie hier auf dem Foto zu sehen, ein Spiel mit dem Wasserstrahl. 

Anthony

Noch weiß ich natürlich nicht, wie lange ich diesen neuen Umgang mit meinen Sorgen um Anthony durchhalten werde, aber ich bin fest entschlossen, auch hier alte Muster zu durchbrechen, da sie in der Vergangenheit für viel Leid sorgten und es für niemanden besser machten. Ich denke, ich bin nun auf einem besseren Weg. Wir bekommen das hin, mein Kleiner!

 

15. Juni 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Gesundheit, Umgang 35 Kommentare »

Buch-Tipp: „Stress lass nach!“ von Marlitt Wendt

„Stress lass nach!“ von Marlitt Wendt
Burgwedel: evipo, 2015. – 64 S.
ISBN:9783945417065
ca. 11,– EUR (broschiert, durchgehend farbige Fotos)

 

Bei „Stress lass nach!“ handelt es sich zwar nur um ein kleinformatiges Büchlein mit knapp über 60 Seiten, diese aber haben es in sich. Verfasst hat es die bekannte Verhaltensbiologin Marlitt Wendt, von der wir bereits zwei Bücher rezensiert haben (hier und hier) und deren Blog wir sehr schätzen.

Die vielleicht wichtigste Botschaft dieses Buches lautet: Stress wird unterschätzt! Folgerichtig führt Marlitt Wendt zunächst die negativen Folgen von Stress auf, bevor sie dann aufzeigt, in welchen Bereichen des Pferdes Stress durch welche Faktoren ausgelöst werden kann. Dabei geht sie sowohl auf die Haltung als auch den Umgang und das Training ein.

Zu allen Kapiteln gibt es nicht nur aufklärende Infos, sondern durchgehend auch praktische Anregungen und Tipps, wodurch das Buch einen großen Praxisnutzen hat. Sehr schön dabei ist, dass die Autorin nichts Unmögliches von ihren Lesern verlangt, sondern betont, dass wir bereits mit vielen kleinen Verbesserungen und der Bereitschaft, immer wieder dazuzulernen, sehr viel dafür tun können, dass unser Pferd ein möglichst stressfreies Leben führen kann.  

Selbst bei dem geringen Umfang des Buches gelingt es der Autorin das Thema differenziert zu behandeln und deutlich zu machen, dass jedes Pferd anders auf bestimmte Situationen und Umstände reagieren kann und dass es unsere Aufgabe ist, Stress nicht nur zu erkennen, sondern ihm möglichst auch vorzubeugen. 

Aus unserer Sicht wäre es mehr als wünschenswert, dass jeder, der sich ein Pferd anschafft oder eine Reitbeteiligung übernimmt, dieses Büchlein automatisch mit dazu bekommt, denn das Wissen, das Marlitt Wendt hier so kompakt aufbereitet hat, verhilft zu sehr viel mehr Verständnis für das Mitgeschöpf Pferd, das leider noch immer viel zu oft vor allem als Sportgerät angesehen und als solches leider auch missbraucht wird. 

stresslassnach

 

 

14. Juni 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Buchtipps, Umgang, Verhalten 2 Kommentare »

Raus aus der Sorgenfalle

Weiterleitung zum neuen Artikel: „Raus aus der Sorgenfalle“ 

7. Juni 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Gesundheit, Umgang 27 Kommentare »

Das Abspulen erkennen, verstehen und auflösen

Mein letzter Beitrag über das Abspulen bei der Freiarbeit brachte viele Reaktionen und warf die Frage auf, wie man damit umgehen kann, wenn man ein solches Abspulen bei seinem Pferd bemerkt. Deshalb kommt hier nun ein weiterer Artikel, in dem ich das Thema vertiefen möchte. 

Das Abspulen erkennen

Zunächst müssen wir ein Abspulen überhaupt erst einmal erkennen. Für mich spult ein Pferd ab, wenn das Training kein Miteinander mehr ist, sondern eine mehr oder weniger einseitige Angelegenheit. Das Pferd tut Sachen, von denen es annimmt, dass es diese tun soll, ob der Mensch das nun angeregt hat oder nicht. Das kann sich in kleinen Dingen zeigen oder auch zu einem maschinenartigen Funktionieren führen, es kann momentweise auftreten oder auch ganze Einheiten bestimmen.

Mein Aramis hatte schon immer eine Tendenz zum Abspulen: Er zeigt oft Sachen, von denen er glaubt, dass ich diese gerade möchte. Das können Seitengänge sein oder ein Angaloppieren oder ein spanischer Gruß und anderes mehr. Zu Beginn fand ich das natürlich oft toll, dass er plötzlich Travers geht, scheinbar „ganz leicht“ – … nur hatte ich gar keine Hilfe dazu gegeben. Oder er galoppierte an der Longe an, obwohl ich eigentlich nur den Trab verstärken wollte – hübsch, aber nicht das, worauf es mir in diesem Moment ankam und es war auch kein übermütiges Angaloppieren aus Freude, das ich gerne angenommen hätte, sondern es fühlte sich anders an. Und auch beim Clickern zeigte er dieses Verhalten und bot mir oft alles Mögliche an, ohne überhaupt noch auf mich zu achten. 

Seine Motivation dabei war unterschiedlich: Als ein Pferd, das möglichst alles richtig machen will (vor allem mir gegenüber), tat er vieles aus Nervosität und Stress heraus. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich das eigentlich immer selbst mit meinen hohen Erwartungen an ihn ausgelöst habe. Manchmal aber spulte er auch Sachen ab, weil das eigentlich Gewünschte zu anstrengend oder schwierig war. Auch das musste ich erst lernen zu erkennen und zu akzeptieren (mir selbst erschien ja vieles gar nicht als sooo schwierig, aber genau darauf kommt es eben nicht an…) und dabei wieder an meinen Erwartungen und Ansprüchen arbeiten.

Sehr dabei geholfen hat mir die Freiarbeit, denn da wurde deutlich, dass ich jeden echten Kontakt zu Aramis verlor, wenn er abzuspulen begann. Zu Beginn lief er oft einfach um mich herum, und lief und lief und lief. Er ließ sich nicht verkleinern, nicht anhalten, reagierte auf nichts – ich konnte machen, was ich wollte. Sein Laufen hatte dabei wenig Freudvolles und ich fühlte mich hilflos und wurde traurig. Es tat mir leid, ihn so zu erleben, aber es machte mir klar, dass er auch in anderen Bereichen manchmal genauso reagierte, ohne dass ich verstanden hatte, was da geschah. Erst seitdem ich sein Abspulen als Ausdruck von Überforderung erkenne (durch Ansprüche, die Stimmung oder auch konkrete Aufgaben), kann ich es auf eine gute Art für uns auflösen. 

Verstehen, warum ein Pferd abspult

Pferde sind Gewohnheitstiere, insofern kann das Abspulen schlicht und einfach übernommenes Verhalten sein, denn auch wir Menschen sind oft Gewohnheitstiere und machen unbewusst manches immer sehr gleich. Die meisten von uns dürften das kennen, dass das Pferd z.B. immer am selben Punkt angaloppiert, nach dem Anhalten an der langen Seite gleich rückwärts geht oder genau weiß, dass nach den anstrengenden Traversalen Schluss mit der Einheit ist. So zeigen sich schnell die Trainingspunkte, die wir besonders oft gemacht haben, und das lässt sich durch etwas mehr bewusster Abwechslung meist leicht auflösen. 

Das Abspulen ist aber eben häufig auch eine Vermeidungsstrategie des Pferdes, von der es sich erhofft, weniger Ärger zu bekommen. Und das kann, wie ich anhand von Aramis weiter oben aufgezeigt habe, ganz unterschiedliche Ursachen haben: Manche Pferde tun das aus Angst und Unsicherheit. Sie wollen auf keinen Fall Fehler machen, weil sie Strafen fürchten. Manche Pferde machen das auch aus Bequemlichkeit, weil es ihnen leichter erscheint, das anzubieten, was sie schon können, als etwas Neues zu erlernen. Und manche spulen das ab, was sie schon kennen, weil sie nicht verstehen, was der Mensch möchte. Es ist wichtig, die Motivation des Pferdes zum Abspulen zu erkennen, um auf eine hilfreiche Weise reagieren zu können. 

Achtung: Ein Abspulen hat eine ganz andere Energie als wenn das Pferd von sich aus eigene Vorschläge macht oder Ideen einbringt – das gilt es, gut zu unterscheiden!

Und so können wir auf das Abspulen reagieren

Das Allerwichtigste beim Abspulen ist  zu verstehen, dass es sich dabei nicht um eine Widersetzlichkeit handelt. Das Pferd ist nicht stur und nicht bockig. Sein Ziel ist eigentlich, es uns recht zu machen, nur wählt es dafür eben manchmal einen Weg, der wie das genaue Gegenteil wirkt.

Ein Pferd, das an der Longe nicht mehr zu traben aufhört, gilt bei vielen als „unerzogen“, „wild“ oder „widersetzlich“, dabei kann es schlicht und einfach unsicher sein und Angst haben, dass es Ärger gibt, wenn es langsamer wird. Gleiches gilt für Pferde, die z.B. nur noch Travers laufen oder bei der Bodenarbeit ständig spanischen Schritt anbieten. Sie sind so sehr davon überzeugt, das Richtige zu tun, dass sie gar nicht mehr zuhören. Zuhören ist aber wichtig, damit das Training wieder eine gemeinsame Angelegenheit werden kann. 

Schritt 1 lautet also: erkennen und vor allem würdigen, dass das Pferd mit seinem Abspulen etwas „Gutes“ tun will. Ich sage in solchen Momenten zu meinem Pferd: „Das ist lieb, dass Du das jetzt machst, dankeschön, aber eigentlich möchte ich etwas anderes.“

Damit wir das Pferd aus seinem inneren Film heraushohlen können, damit es wieder auf uns achtet und uns zuhört, ist es unerlässlich, die Situation zu entstressen. Selbst Pferde, die vollkommen cool wirken, können innerlich stark gestresst sein und deshalb ins Abspulen kommen. Das sind z.B. Pferde, die einem im Schritt durchgehen. Sie laufen einfach weiter und lassen sich nicht mehr anhalten. Die meisten dieser Pferde sind meiner Erfahrung nach nicht „stur“, sondern vor allem verunsichert und versuchen, etwas Richtiges zu tun.

Schritt 2  besteht deshalb darin, für Ruhe und Entspannung zu sorgen. Dafür gilt es, die eigenen Erwartungen und Ansprüche loszulassen und erst einmal nur dafür zu sorgen, dem Pferd zu vermitteln, dass alles ok ist. Hier lautet meine Botschaft an mein Pferd: „Wenn Du mir gerade nicht zuhören kannst, dann lass uns eine Pause machen.“

Achtung: Bei sehr nervösen und unsicheren Pferden ist allein das schon eine schwierige Aufgabe! Doch ohne ein Grundmaß an innerer Ruhe ist jedes Training Stress. Wer clickert, kann hier gezielt Ruhe und Entspannung clickern.

Habe ich das Abspulen auf diese Weise ruhig und liebevoll stoppen können, überlege ich, wie ich sinnvoll weitermachen kann:

  • Vielleicht ist es nötig, das Training ganz anders aufzubauen?
  • Brauchen wir mehr Freude und Spaßmomente?
  • Mehr Pausen?
  • Vielleicht überfordere ich mein Pferd mit dem, was ich will?
  • Arbeite ich mit zu viel Druck und zu wenig Lob?
  • Reagiere ich unbewusst unwirsch und streng auf Fehler?
  • Vielleicht habe ich ihm noch nicht verständlich machen können, worum es mir eigentlich geht?
  • Vielleicht kann es mir einfach auch nicht geben, was ich möchte und bietet mir deshalb etwas anderes an? 

Mit all diesen Fragen setze ich bei mir an, denn das Abspulen sehe ich als menschengemachtes Problem, das auch nur von der Menschenseite her gelöst werden kann. 

Schritt 3 beginnt mit Überlegungen, wie ich es meinem Pferd ganz praktisch leichter machen kann und wie ich es schaffe, das Training so zu gestalten, dass es nicht mehr in sein Abspulmuster fallen muss. Dazu gehören für mich diese Punkte: 

  • Fehler zu machen ist erlaubt! Sie werden nicht bestraft und nur wenn nötig, sanft korrigiert. 
  • Pausen sind mindestens so wichtig wie die Arbeit selbst, ich belohne also auch das gemeinsame Nichtstun. 
  • Ich freue mich über jede eigene Idee vom Pferd und sei sie noch so zaghaft. 
  • Ich versuche nichts zu erwarten und nichts vorauszusetzen, sondern schaue jeden Tag neu, wie die Stimmung ist.
  • Mein Ziel ist eine liebe- und freudvolle, humorvolle Grundstimmung, in der auch gelacht werden darf und das Pferd Faxen machen kann. 

Ich bin fest davon überzeugt: kein Pferd spult freiwillig ab. Das Abspulen ist für mich im besten Fall eine Verlegenheitslösung, in den meisten Fällen aber ein Ausdruck von innerer Unsicherheit und oft sogar Not. Und ich sehe es so, dass es in meiner Verantwortung liegt, dafür zu sorgen, kein Pferd überhaupt erst in eine Situation zu bringen, in der es glaubt, abspulen zu müssen.

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24. Mai 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Clickertraining, Freiarbeit, Longieren, Reiten, Umgang, Verhalten 2 Kommentare »

Ronni erteilt Tania eine kleine Lektion

Wenn Babette für ihre Kurse unterwegs bin, füttere ich hin und wieder ihren Ronni. Neulich hat er mir eine nette, kleine Lektion erteilt, über die ich hier berichten möchte.

Ronni ist kein einfaches Pferd und als ich ihn zum ersten Mal zum Füttern vom Paddock holte, war ich ganz überrascht, wie offen, freundlich und zugewandt er auf mich reagierte. Schnell stand er schon am Tor, wenn ich kam, ja, wieherte mir sogar leise zu. Immer nimmt er den Kopf ganz tief runter für mich, damit ich es mit dem Halftern leichter habe (bei diesem Riesenross ist das mit meinem 1,55m eine sehr willkommene Serviceleistung 😉 ). 

Es reizte mich, mal zu schauen, ob Ronni nicht auch Lust auf ein bisschen Freiarbeit mit mir hätte, und mit Babettes Einwilligung beschloss ich dann neulich, mit ihm in die Halle zu gehen. Ich lief fröhlich voraus, Ronni am lockeren Strick hinter mir. Kurz vor der Halle rammte er dann die Vorderbeine in die Erde und riss den Kopf hoch, so dass mir der Strick recht schmerzhaft durch die Finger gezogen wurde. 

Ich drehte mich um und da stand Ronni mit hoch erhobenem Kopf, aufgerissenen Augen und einem klaren Nein! vor mir – und mir wurde sofort bewusst, wie unachtsam und respektlos  ich gewesen war!

Ganz klar MEIN Fehler!

Von außen betrachtet hätten viele vielleicht gesagt: „Boah, ist der bockig!“ oder „Na, dem würde ich schon zeigen, was mitkommen heißt.“ – tatsächlich aber lag der Fehler nicht bei Ronni, sondern ganz klar BEI MIR.

Ich hatte genau den Fehler gemacht, über den ich so oft schreibe: Ich hatte etwas als selbstverständlich genommen, was nicht selbstverständlich ist. Die Tatsache, dass Ronni mir vertraut, zum Futterplatz und wieder zurück zum Paddock zu gehen, ist eine Sache, deshalb habe ich mir aber noch lange nicht „verdient“, dass er auch in die Halle mit mir geht! Natürlich hätte ich ihn erst fragen und einladen sollen und ihm ausreichend Zeit geben müssen, damit er die Chance hat, sich zu entscheiden, mit mir zu gehen. Stattdessen lief ich einfach drauflos, ohne auf das Pferd zu achten. Ich entschuldigte mich sofort bei ihm und erklärte ihm, dass nichts Schlimmes passieren würde. Es dauerte nur wenige Momente und er senkte den Kopf, um mir in die Halle zu folgen. 

Ja, solche Fehler können leicht passieren, mir wie jedem anderen auch. Und sie sind auch nicht schlimm, solange wir sie als UNSERE Fehler erkennen.

Vertrauen ist leider schnell verspielt … 

In vielen Fällen würde ein Pferd für seine Weigerung in die Halle zu gehen, ausgeschimpft oder sogar bestraft werden, sein Verhalten würde als Widersetzlichkeit interpretiert werden, die schmerzende Hand würde oft zu einer wütenden Gegenreaktion führen, wie z.B. ein Rucken am Strick. Doch hätte ich so reagiert und hätte ich mich „durchsetzen“ wollen, hätte ich damit Ronni über alle Maßen enttäuscht bzw. ihn voll und ganz in seinen Ängsten bestätigt. Damit hätte ich sehr wahrscheinlich die kleine, schon vorhandene Portion Vertrauen verspielt und ich hätte wahrscheinlich sogar riskiert, dass er sich mit einer weiteren Kopfbewegung losgerissen hätte.

Indem ich mich aber sofort bei ihm entschuldigte, selbst erst einmal durchatmete und ihn dann respektvoll, höflich und achtsam fragte, ob er mitkommen würde, fühlte er sich in seinen Bedenken angenommen und schenkte mir das Vertrauen, mit mir in die Halle zu gehen. 

Danke, Ronni, dass Du mir gezeigt hast, dass ich nicht nur schlaue Dinge schreiben, sondern auch selbst befolgen sollte!

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26. April 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 13 Kommentare »

„Einfach nur spazieren gehen …“ – warum dieser Gedanke oft kontraproduktiv ist

Immer wieder erreichen mich Anfragen per Mail, die verschiedene Probleme bei Spaziergängen oder Ritten im Gelände beschreiben: Die Pferde wollen nicht vorwärtsgehen, sind schreckhaft, scheuen und reißen sich manchmal auch los bzw. gehen mit ihrem Reiter auf dem Rücken durch.

Nicht so selbstverständlich, wie vielleicht gedacht

Beim Lesen der vielen Mails wird mir immer wieder klar: Die wenigsten Pferdemenschen machen sich bewusst, dass es für viele Pferde ganz und gar nicht selbstverständlich ist, mit einem Menschen ins Gelände zu gehen. Tatsächlich aber ist das eine große und wirklich schwierige Aufgabe, ganz besonders dann, wenn keine anderen Pferde dabei sind. 

So nett die Vorstellung für uns Menschen sein mag, fröhlich und entspannt mit unserem Pferd spazieren zu gehen oder auszureiten, so übersehen wir dabei oft ein ganz wesentliches Element: Pferde sind Herdentiere und in der freien Natur wäre ein Pferd allein leichte Beute. Die Angst eines einzelnen Pferdes im Gelände ist also keine „Spinnerei“ und auch kein „Ungehorsam“, sondern ein von der Natur eingebautes Überlebensprogramm. 

Natürlich gibt es viele Pferde, für die es kein Problem ist, alleine ins Gelände mit dem Menschen zu gehen, aber für junge Pferde, für eher unsichere Tiere oder für Pferde mit Trennungsangst (so genannte Kleber) oder schlechten Vorerfahrungen ist es wirklich eine riesige Herausforderung, alleine mit dem Menschen ins Gelände zu gehen. Und je unwirscher der Mensch wird, wenn das Pferd Angst oder Unwillen zeigt, desto mehr wird es sich darin bestätigt sehen, dass das Gelände keine gute Idee ist …

Ein Beispiel zur Veranschaulichung

Nun denken viele Pferdemenschen, dass ihre gute Beziehung zu ihrem Pferd doch ausreichen muss, um dem Pferd die Angst zu nehmen, und sie ihm allein durch ihre Anwesenheit Sicherheit geben können. Dazu einfach mal ein Gedanke von mir aus meiner eigenen Gefühlswelt:

Ich leide unter Flugangst. Wenn eine Person mit mir fliegt, der ich vertraue, wie z.B. meine ältere Schwester, sie meine Hand hält und mir sagt, dass alles gut ist, dann geht es mir auf jeden Fall besser. Es ist tröstlich und schön, wenn sie dabei ist. Aber: Angst habe ich trotzdem, sehr große sogar. Am liebsten würde ich einfach aussteigen oder im übertragenen Sinn: Wäre ich ein Pferd, würde ich mich bei jedem Luftloch loszureißen versuchen, um wegzulaufen – und dass, obwohl ich meiner Schwester vertraue …

An dieser Stelle ist übrigens auch sehr spannend, dass meine Schwester, die sonst keine Probleme im Flugzeug hat, auf dem Flug, bei dem ich mit feuchten Händen und klopfendem Herzen neben ihr saß, selbst auch Angst hatte. Meine Angst hatte sie angesteckt! Und so geht es uns Pferdemenschen doch in der Regel auch, wenn wir mit einem ängstlichen Pferd spazieren gehen, oder nicht? Diese Unsicherheit wiederum spürt unser Pferd ganz genau, was ihm die Sache natürlich noch schwerer macht. 

Angst verstehen und akzeptieren

Ich denke, wir müssen verstehen und akzeptieren, dass unser so vermeintlich „kleiner“ Wunsch, mit einem Pferd entspannt ins Gelände zu gehen, nicht mit jedem Pferd einfach so zu realisieren ist, sondern dass die Angst einfach manchmal stärker ist. Ein Stück weit kann man auch solche Pferde ans Gelände gewöhnen, aber man muss jederzeit damit rechnen, dass selbst kleine Auslöser (die manchmal für uns vielleicht nicht einmal zu erkennen sind), die Angst wieder aufkommen lassen.

Auch dazu noch einmal das Beispiel meiner Flugangst: Eine Weile bin ich oft geflogen, weil ich meine Flugangst überwinden wollte. Ich habe in dieser Zeit alle möglichen Übungen gemacht, Klopftechniken und Atemtechniken angewendet und Hörbücher zum Thema Flugangst gehört. All diese Maßnahmen haben erreicht, dass ich die Flüge besser überstanden habe. Es war nicht mehr der blanke Horror und zeitweise konnte ich auf den Flugstrecken sogar gut entspannen. War der Flug aber unruhiger, kam ein größeres Luftloch, veränderten sich die Motorengeräusche deutlich, war die Angst auch ganz schnell wieder da. Ich konnte zwar besser mit ihr umgehen, aber sie war trotzdem da.  

Spazieren gehen als Trainingsaufgabe

Es gilt, sich Spaziergänge im Gelände ganz kleinschrittig zu erarbeiten – unter Umständen deutlich kleinschrittiger als die meisten es vielleicht zunächst für nötig halten. Ich sehe es inzwischen so, dass die Übung alleine ins Gelände zu gehen, egal ob an der Hand oder unter dem Reiter, für unsichere Pferde in gewisser Hinsicht noch schwieriger ist als zum Beispiel das Erlernen der Piaffe oder fliegende Galoppwechsel. Bitte setzen Sie also Ihre Erwartungen extrem niedrig an und nehmen Sie dieses Training ernst. Geben Sie Ihrem Pferd die Zeit, die es braucht, um Sicherheit im Gelände erlangen zu können – und das kann bedeuten, dass Sie für den Anfang vielleicht wochenlang nur einmal kurz vor die Tür oder ein paar Meter gehen können!

Merke: „Mal eben eine entspannte Runde ins Gelände zu gehen“, kann bei unsicheren Pferden allenfalls das Endziel, nie aber der Anfangspunkt sein! 

Hier noch ein Wort zum Spazierengehen mit Fohlen: Oftmals möchten Pferdebesitzer auch schon mit ihren sehr jungen Pferden spazieren gehen, mit Pferden, die noch unter einem Jahr alt sind. Ich bin grundsätzlich dafür, dass junge Pferde, gerade in der Zeit, in der sie sich in der Sozialisierungsphase befinden, viel von der Welt zu sehen bekommen, aber bitte immer in Begleitung von einer ruhigen, sicherheitsgebenden Begleitung durch andere Pferde, denen das Jungtier vertraut und durch die es Sicherheit bekommen kann. Es ist nicht artgerecht, schon Fohlen an Spaziergänge allein gewöhnen zu wollen, und es kann zu heftigen Gegenreaktionen kommen, oft auch dann, wenn das Fohlen erst ganz ruhig erscheint. 

Denken Sie daran: Es geht hier sowohl um die Sicherheit Ihres Pferdes als auch um Ihre eigene. Pferde, die sich im Gelände losreißen bzw. durchgehen, sind eine große Gefahr. Wenn Sie die Angst Ihres Pferdes nicht ernst nehmen und Ihr Pferd überfordern, laufen Sie Gefahr, dass diese Angst immer größer und damit unter Umständen auch unkontrollierbarer wird.

Und so können Sie praktisch vorgehen

Am besten nutzen Sie für das Spaziertraining  einen weichen, gut gepolsterten und gut passenden Kappzaum. Dieser ermöglicht Ihnen, den Kopf des Pferdes gut zu kontrollieren, was wiederum mehr Sicherheit bedeutet.

Üben Sie zunächst auf einem sicher eingezäunten Platz das Führen des Pferdes, so dass Ihr Pferd die Grundkommandos zum Antreten und Anhalten sicher verstanden hat und sich brav, ohne zu drängeln oder zu überholen von Ihnen führen lässt.

Tipp: Üben Sie parallel kleine Lieblingsspiele mit Ihrem Pferd. Das könnte zum Beispiel die Übung Kopf tief,  das Tanzen oder Bein hoch sein.

Gehen Sie mit Ihrem Pferd dann einige Male einfach nur „vor die Tür“, also durch das Stalltor hindurch und lassen Sie es sich umgucken. Verwöhnen Sie es mit etwas Leckerem und achten Sie gut darauf, dass Ihr Pferd entspannt bleibt. Sollte es sich hier bereits gestresst und aufgeregt zeigen, gilt es, erst das so lange zu üben, bis das Pferd in dieser Situation gelassen sein kann. Hier kann die Anwesenheit eines ruhigen Pferdes, für das das Rausgehen bereits Routine ist, sehr helfen. 

Erst wenn das „Vor die Tür gehen“ eine lockere Angelegenheit ist, beginnen Sie mit den ersten „kleinen Spaziergängen“, die nur wenige Minuten dauern sollten! Je nach Unsicherheit des Pferdes können sogar schon einige Schritte vollkommen ausreichen. Schätzen Sie Ihr Pferd bitte gut ein, damit es möglichst erst gar nicht zu Stress und Angst kommt. Ein ruhiges Pferd als Begleitung kann bei diesen ersten kleinen Ausflügen für viel Ruhe und Sicherheit sorgen.

Gehen Sie also mit Ihrem Pferd ein kleines Stück vom Hof weg und machen Sie kurz ein paar Übungen, die Ihr Pferd gerne und zuverlässig ausführt. Loben Sie diese Übungen sehr, drehen Sie wieder um und gehen Sie gleich wieder nach Hause. Hat das gut geklappt, können Sie die Spaziergänge in kleinen (!) Schritten etwas verlängern. Wenn Ihr Pferd diese kleinen Spaziergänge als Routine empfindet und dabei wirklich gelassen ist, probieren Sie, auch mal ohne Begleitpferd ein kleines Stückchen zu gehen.

Wird Ihr Pferd zu unsicher und zeigt es Stress oder Angst, ist es noch nicht reif für Spaziergänge alleine ins Gelände. Dann probieren Sie es weiter erst einmal nur mit Begleitung. 

Wichtig: Gerade in der Pubertät oder auch im Frühling oder an stürmischen Tagen kann es leicht dazu kommen, dass Pferde, die eigentlich schon recht gelassen im Gelände waren, wieder in alte (Angst- und Stress-)Muster zurückfallen. Erspüren Sie deshalb möglichst vorher, ob der jeweilige Tag tatsächlich ein guter Tag fürs Gelände ist und verzichten Sie ggf. lieber einmal mehr auf den Spaziergang bzw. halten Sie ihn kurz, als dass es wieder zu heftigen Angst-Reaktionen kommt, die Sie im Training dann erst einmal wieder deutlich zurückwerfen. 

Tipp: In unserem Anti-Angst-Kurs erfahren Sie, wie Sie mit den Ängsten Ihres Pferdes besser umgehen können. Auf der Basis, die Sie sich im Anti-Angst-Kurs mit Ihrem Pferd erarbeiten, haben Sie sehr gute Chancen, ein gelassenes Gelände-Pferd zu bekommen.

Fazit

Ich glaube, dass wir die oft so angstbesetzte Aufgabe „Spaziergang“ auf eine Weise erarbeiten und trainieren können, durch die die meisten von unseren Pferden die Erfahrung machen können, dass ein Spaziergang im Gelände eigentlich eine tolle Sache ist. Die Pferde werden durch ein positives, kleinschrittiges Training sicherer und gelassener und damit auch selbstbewusster. Bei dem einen Pferd geht das schneller, bei vielen dauert es aber länger und letztlich gibt es immer auch Pferde, die leider nie wirklich ganz gelassen und angstfrei allein im Gelände sein werden. 

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12. April 2016 von Babette Teschen • Kategorie: Erkenntnisse, Jungpferdausbildung, Umgang, Verhalten 37 Kommentare »

Probleme bei der Freiarbeit und Lösungen dazu

Es gibt einige Probleme, die immer wieder bei der Freiarbeit auftauchen. Konkrete Anleitungen sind leider schwer zu geben, da die Freiarbeit sehr individuell ist und es oft auf Feinheiten und Kleinigkeiten ankommt, die gar nicht alle beschrieben werden können. Dennoch möchte ich in diesem Blogbeitrag versuchen, einige Gedanken zu den Ursachen von Problemen aufzuzeigen und mögliche Lösungsansätze geben. 

Fehler sind menschlich!

Gleich vorweg das Wichtigste: Wie bei jeder Arbeit mit Pferden gilt auch für die Freiarbeit der Grundsatz: nicht das Pferd macht etwas falsch, sondern der Mensch. Das zu verinnerlichen ist bei der Freiarbeit besonders wichtig, weil hier die Fehler des Menschen noch deutlich sichtbarer werden (sie können ja nicht durch Hilfsmittel kaschiert werden). 

Nun aber auch gleich die erleichternde Botschaft: Fehler bei der Freiarbeit sind vollkommen normal und ja, im doppelten Wortsinn menschlich. Es ist immer wieder eine große Herausforderung, sich einem Pferd verständlich zu machen. Während wir bei allen anderen Arbeitsformen Stricke, Zügel oder andere Möglichkeiten haben, uns (auf eine mehr oder weniger nette Art) durch direkten Kontakt mitzuteilen oder auch „durchzusetzen“, fällt das bei der Freiarbeit weg. Hier haben wir nur unsere Körpersprache, unsere Stimme und unsere Energie/Ausstrahlung und als Hilfsmittel vielleicht eine Peitsche (aber selbst der kann sich das Pferd im Normalfall durch Weglaufen entziehen – und ein aggressives Scheuchen oder gar ein Schlagen mit einer Peitsche ist in der Freiarbeit ein absolutes Tabu, da es jegliches Vertrauen zerstören kann und damit der Freiarbeit jede Grundlage entzieht). 

Für mich ist die Freiarbeit die ehrlichste Arbeit mit dem Pferd, da sie auf der Bereitschaft gegenseitigen Zuhörens und Respekts basiert. Und das muss sich jeder erst erarbeiten und ein Stück verdienen – also keine Angst vor Fehlern, aber dafür bitte viel Bereitschaft, sich selbst und das eigene Tun zu hinterfragen!  

Schauen wir uns einmal an, was alles passieren kann: 

Das Pferd hört nicht zu

Unter dieser Überschrift lassen sich eine ganze Reihe von Problemen fassen, wie z.B.: 

  • das Pferd rast und buckelt los und reagiert nicht auf den Menschen, 
  • das Pferd entscheidet über Richtung und Tempo,
  • das Pferd läuft Runde um Runde und lässt sich weder verkleinern noch irgendwie sonst erreichen, 
  • das Pferd steht am Tor und will nicht mitarbeiten
  • und ähnliches mehr.

Wie bei jedem anderen Problem auch, müssen wir zunächst die Ursache herausfinden, um zu überlegen, wie wir sinnvollerweise vorgehen können. 

Wenn das Pferd immer dann, wenn es frei gelassen wird, rast und buckelt, lässt sich vermuten, dass es nicht genug Bewegung oder alternativ Angst hat.

Zu wenig Bewegung ist in der Regel ein Problem der Haltung, manchmal nur punktuell, wenn  z.B. Dauerfrost oder Glatteis die Bewegungen der Pferde einschränken, meist aber ist es eine nicht artgerechte Haltung, wie Boxen, Einzelhaft und Mini-Paddocks. Hier kann nur eine Änderung der Haltung wirklich dafür sorgen, dass das Pferd sich nicht mehr sofort austoben muss, wenn es denn mal frei gelassen wird.

Rennt und tobt das Pferd aus Angst, ist herauszufinden, was seine Angst auslöst. Hat es Angst vor der Peitsche? Vor dem Menschen, der vielleicht unbewusst zu viel Druck macht? Hat es schlechte Erfahrungen beim Freilaufen gemacht, die immer noch nachwirken? Nur wenn wir erkennen, was dem Pferd Angst macht, können wir die Ursachen dafür beseitigen. 

Wenn das Pferd selbstständig über Tempo und Richtung entscheidet, hat der Mensch es noch nicht geschafft, auf eine gute Weise wichtig genug für das Pferd zu sein. Hier gilt es, beim kleinen Einmaleins der Kommunikation anzufangen und als Mensch z.B. erst einmal damit zu beginnen, auf eine friedliche, aber klare Weise Raum in der Halle bzw. auf dem Platz einzunehmen und so dem Pferd zu vermitteln, dass es auf ihn zu achten hat. Erst darauf lässt sich dann aufbauen.

Läuft ein Pferd einfach los und rennt Runde um Runde, ohne auf den Menschen zu achten (meist übrigens in Außenstellung), dann spult es das ab, von dem es glaubt, dass es von ihm erwartet wird. Man kann das oft bei Pferden sehen, die auf eine schlechte Weise longiert oder per Join up gearbeitet wurden. Solchen Pferden gilt es ganz behutsam und sanft zu zeigen, wie Freiarbeit aussehen kann und dass es auch eigene Ideen einbringen darf. Manchmal ist dafür viel Einfühlungsvermögen und Geduld nötig, denn solche Pferde haben große Angst, Fehler zu machen und dafür bestraft zu werden. 

Rennt oder geht das Pferd immer wieder zum Ausgang, um dort stehen zu bleiben, zeigt es deutlich, dass es kein Interesse an der Freiarbeit hat. Hier gilt es herauszufinden, ob es die eigene Ausstrahlung und Erwartungshaltung ist, die es dem Pferd schwer macht, oder fehlende Motivation oder Freude, oder ob es vielleicht einfach noch überhaupt nicht verstanden hat, worum es geht. 

Das Pferd will nicht laufen

Häufig wird auch beschrieben, dass ein Pferd gar nicht weg vom Menschen und sich auch nicht wirklich bewegen will. Das wird dann fast immer als „Faulheit“ oder „Respektlosigkeit“ gedeutet. Leider sind diese Interpretationen oft vollkommen falsch!

Die meiner Erfahrung nach häufigste Ursache für ein Kleben am Menschen bei der Freiarbeit ist die, dass das Pferd nicht versteht, was der Mensch von ihm will. Es ist verunsichert, weil der Mensch sich nicht klar ausdrücken kann. Manche Pferde reagieren darauf, indem sie losrennen, sehr viele Pferde aber bleiben einfach in der Nähe des Menschen. Und das unterstützt der Mensch dann oft noch durch unbedachtes Lob, in dem er sich freut, dass das Pferd „so kuschelig“ ist und es dann streichelt oder gar ein Leckerli gibt, weil es doch so süß ist. Wenn danach dann rüde versucht wird, das Pferd nun aber endlich wegzuschicken und zum Laufen zu bringen, kann das Tier überhaupt nicht mehr verstehen, was der Mensch eigentlich von ihm will …  

Wenn ein Pferd nicht laufen möchte, liegt das in den meisten Fällen an der Körpersprache oder Ausstrahlung des Menschen. Sehr viele bremsen die Lauflust ihrer Pferde ganz konkret durch falsche Signale oder durch die eigene (fehlende) Energie. Hier gilt es, sich der Körpersprache und -haltung, der eigenen Energie und Ausstrahlung und der Signale, die man selbst – oft unbewusst – sendet (vielleicht auch aus Angst, dass das Pferd fallen könnte, wenn es schneller wird, oder einen umrennt), bewusst zu werden. Videoaufnahmen von sich selbst leisten da eine gute Hilfe und natürlich auch das Feedback anderer, wenn sie denn den nötigen Blick dafür mitbringen.

Eine generelle Bewegungsunlust kann Ursachen haben, die außerhalb der Freiarbeit liegen: vielleicht hat das Pferd Schmerzen oder zu wenig Energie, vielleicht ist es traurig oder müde. 

Das Pferd hat keine Freude an der Freiarbeit

Hin und wieder beschreiben Leute, dass ihr Pferd bei der Freiarbeit irgendwie grimmig aussieht. Es tut zwar vielleicht alles, was gewünscht wird, hat aber angelegte Ohren, der Blick ist in sich gekehrt und es zeigt keinerlei Freude an dem Tun. In seltenen Fällen wird das Pferd sogar aggressiv, droht also zu treten oder zu beißen oder es steigt. 

Hier muss zunächst überprüft werden, ob unsere Interpretation tatsächlich richtig ist, denn wenn sich ein Pferd konzentriert, kann es durchaus ernst aussehen oder wenn es vor Freude einen Sprung macht, heißt das noch lange nicht, dass es tatsächlich nach uns schlagen wollte. Auch kann es sein, dass dem Pferd z.B. das Steigen beigebracht wurde und es denkt, dass es das tun soll. Hier ist es sehr wichtig, die Motivation des Pferdes zu erkennen, damit wir sein Verhalten nicht falsch deuten. 

Wenn wir uns aber sicher sind, dass das Pferd wirklich sauer ist, müssen wir auch hier versuchen, die Ursachen zu finden:

  • Ist es so nur bei der Freiarbeit oder auch in anderen Bereichen?
  • Hat es vielleicht körperliche Probleme, die die Arbeit schmerzhaft machen? 
  • Verbindet es Freiarbeit vielleicht mit etwas Unangenehmen (schlechten Erfahrungen o.ä.)?
  • Wissen wir, was unserem Pferd Freude macht?
  • Loben wir genug und vor allem auf eine Art, die für das Pferd auch wirklich eine Belohnung ist?
  • Fordern wir vielleicht zu viel?
  • Sind wir zu streng?
  • Darf das Pferd sich selbst einbringen oder muss es nur funktionieren?
  • Welche Ausstrahlung haben wir selbst bei dieser Arbeit?

Da wir bei der Freiarbeit ein Pferd nicht wirklich zwingen können, zeigen sich hier grundlegende Motivationsprobleme oder auch eine eventuelle Abneigung gegen Menschen oft deutlicher als bei anderen Arbeiten. Das macht es für uns Menschen nicht immer leicht, schenkt uns aber gleichzeitig die große Chance, solch verärgerte Pferde wirklich kennen und verstehen zu lernen und uns eine im Idealfall freudige Mitarbeit ehrlich zu verdienen. Ein verärgertes oder trauriges Pferd, das bereit ist, sich neu zu öffnen und einzulassen, ist eines der schönsten Geschenke überhaupt. 

Mehr Mut zum Miteinander

In der Summe glaube ich, dass die meisten Probleme in der Freiarbeit entstehen, weil wir nicht bereit sind, ein Pferd in seinem Pferdsein anzunehmen, sondern auch hier alles kontrollieren und bestimmen wollen. Aber genau das ist eben nicht Sinn der Freiarbeit.

Wer gerne mit seinem Pferd frei arbeiten möchte, sollte weniger auf das schauen, was oft so spektakulär in Videos gezeigt wird, als vielmehr bereit sein, seinem Pferd zuzuhören und mit ihm zusammen einen ganz eigenen Weg zu finden.

Wenn wir aufhören, etwas zu wollen und unsere Erwartungen und Vorstellungen darüber, wie das jetzt alles zu sein hat, loslassen, zeigen uns Pferde oft selbst, wozu sie Lust haben und wie die Arbeit aussehen kann. Das Wörtchen „frei“ deutet an, dass wir für die Freiarbeit eben auch eine Portion Bereitschaft mitbringen müssen, sich ein Stück weit vom Pferd leiten und vor allem überraschen zu lassen.

Lesetipp: Tanias Freiraum-Training


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 (Foto von Horst Streitferdt)

2. Februar 2016 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Freiarbeit, Jungpferdausbildung, Umgang 13 Kommentare »

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