Wahrscheinlich ist eines der schwierigsten Themen für alle, die in Pferdeställen unterwegs sind, die Frage, wie man sich verhalten soll, wenn etwas mit Pferden geschieht, das man selbst für falsch hält. Ob ein Pferd nun geschlagen wird, ob es auf eine schädigende Weise gearbeitet wird oder ob einem Tier ein anderes Unrecht widerfährt, es ist immer heikel, in solchen Fällen aktiv zu werden. Heikel, weil man sich in etwas einmischt, heikel, weil man unsicher ist, ob einem das zusteht und heikel, weil keiner Stress im Stall will. Aber, … soll man deshalb den Mund halten?
Ich habe neulich den Mund aufgemacht, aber habe es leider wieder einmal nicht geschafft, meine Botschaft so zu formulieren, dass mein Gegenüber sie annehmen konnte. Ich war zu emotional, mein Ton war zu scharf und meine Wortwahl nicht optimal. Aber …, ich habe etwas gesagt und das ist gut. Denn viel zu oft habe ich die Klappe gehalten. Viel zu oft habe ich geschluckt und nichts gesagt, weil ich keinen Ärger wollte, weil ich den Konflikt scheute und weil ich fürchtete, man könne mich blöd finden und nicht mehr mögen.
Wenn ich auf meinen eigenen Weg zurückschaue, wünschte ich, ich wäre öfter angesprochen worden, als ich Mist mit Pferden baute. Ich wünschte, mir hätte öfter jemand deutlich gesagt, dass es nicht okay war, was ich da machte und dass mein Pferd unglücklich war. Ich wünschte, mich hätte viel öfter jemand zum Nachdenken gebracht. Zugegeben, ich bin mir nicht sicher, ob ich das immer hätte annehmen können, aber es hätte auf jeden Fall Spuren hinterlassen und vielleicht hätte ich manchen Fehler weniger oft machen müssen.
Für mich gehört zum Umgang mit Tieren heute vor allem eines dazu: die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Und die fällt für die wenigsten Menschen vom Himmel. Wir brauchen dafür Anregungen, Denkanstöße und Maßstäbe von außen. Im schlechtesten Fall bleiben wir bei dem hängen, das wir mal gelernt haben, und wiederholen Fehler immer wieder, weil wir unser Tun nicht in Frage stellen. Wir kommen dann nicht mal auf die Idee, dass es falsch sein könnte, weil wir es nicht besser wissen und uns keiner einen anderen Weg zeigt. Im besten Fall aber bleiben wir offen für Anregungen, sind bereit, immer wieder dazuzulernen und uns weiterzuentwickeln. Dann wird unser Bewusstsein für unser Tun immer größer und wir registrieren Fehler schon beim Tun und können sie korrigieren.
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