Coaching auf Gran Canaria – ein Erfahrungsbericht
Ende Mai erreichte uns ein Hilferuf per Mail. Rieke lebt auf Gran Canaria und ist seit Februar stolze Besitzerin eines fünfjährigen Spanier-Angloaraber-Mixes. Nachdem sie uns im Netz gefunden und sich den Longenkurs bestellt hatte, kam sie bei der praktischen Umsetzung ein bisschen an ihre Grenzen. Und da sie auf der Insel keine Unterstützung in ihrem Sinne finden konnte, fragte sie bei uns an. Bei mir gab es freie Kapazitäten und so antwortete ich Rieke. Die Aussicht, ein Pferdecoaching mit einem Urlaub auf der tollen Insel zu verbringen, war verlockend! Wir wurden uns schnell einig und so flog ich schon Ende Juni zu ihr nach Gran Canaria.
Auf nach Spanien!
Wir hatten zwar in den Mails schon einiges vorab besprochen, aber so ganz wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Und so war ich doch ziemlich aufgeregt, als ich am Tag nach meiner Ankunft Rieke und Zeus kennen lernte.
Rieke begrüßte mich herzlich und ich war sehr angetan von dem kleinen Offenstall, in dem Zeus zusammen mit einer Stute lebt. Zeus selbst rempelte mich zur Begrüßung kräftig an und die Stute drehte mir den Hintern zu… Nun gut, dachte ich, hier bin ich richtig. 🙂
Rieke und Zeus leben in den Bergen, sehr idyllisch mitten in einer Palmen-Oase gelegen. Ich muss sagen: die Arbeit mit Pferden vor der eindrucksvollen Kulisse der kanarischen Bergwelt hat schon was! Praktischerweise lag die Ferienwohnung, die ich für die Zeit bezog, gleich da, wo auch Zeus lebt, so hatte ich keinen Anfahrtsweg. Wegen der Hitze fand die erste Einheit immer morgens statt und bei Bedarf legten wir noch eine Abendeinheit ein.
Kumpel zu sein, kann unangenehm werden
Gleich bei der ersten Einheit stellte sich heraus, dass Riekes Probleme mit Zeus weniger im Umsetzen von Longiertechniken lagen, sondern grundsätzlicher waren: Rieke ist eine gestandene Pferdefrau und kann auf über 20 Jahre Erfahrung mit Pferden zurückblicken. Sie weiß also durchaus, was sie tut, aber sie war, wie es ganz vielen passiert, in die „Mein-erstes-Pferd“-Falle getappt.
Vor Zeus hatte Rieke Reitbeteiligungen und mit ihm wollte sie nun unbedingt alles von Beginn an richtig machen. Er sollte auf keinen Fall schlechte Erfahrungen machen, ein verständlicher Wunsch, der aber auch sehr verunsichern kann. Ihr daraus resultierendes etwas zu zaghaftes Verhalten wurde von dem nicht wirklich ausgelasteten Youngster dann so ausgelegt, dass er in ihr einen prima Kumpel sah, den er mehr oder weniger nach Belieben bespielen konnte – etwas das bei dem unterschiedlichen Größen- und Kräfteverhältnis leider schnell unangenehm und eben auch gefährlich wird.
Respekt, Abstand und Vorwärts
Ich sah meine Aufgabe also zunächst vor allem darin, Rieke einen Weg zu zeigen, wie sie ohne Gewalt für ein respektvolles Miteinander sorgen kann, damit ein Arbeiten überhaupt erst möglich wird. Intelligente Pferde wie Zeus entwickeln oft schnell Überzeugungen, was richtig ist und setzen das dann manchmal auch gegen den Menschen ein. Rieke hatte ein ganzes Repertoire an Übungen im Stand mit ihm erarbeitet. Da hatten die beiden wirklich viel erreicht, nur war Zeus nun der Überzeugung, dass gemeinsames Arbeit eben in genau diesen Übungen bestand und fertig. So war es Rieke kaum möglich, ihn auch nur einen Schritt vorwärts oder gar von sich wegzubekommen. Wir brauchten also a) Respekt und b) Abstand, um überhaupt ans Longieren denken zu können.
Das Mittel meiner Wahl war die Freiarbeit. Um eine Basis zu schaffen und Rieke diese Arbeit nahezubringen, arbeitete zuerst ich mit Zeus, aber schnell konnte ich an Rieke übergeben. Sie erfasste die Grundprinzipien sofort und es war einfach toll zu sehen, wie schnell Zeus auf Rieke zu achten begann. Endlich kam der Youngster in Schwung und genoss es, sich mal richtig austoben zu können. Da Rieke ausreichend Abstand hielt, musste sie sich selbst von seinen wildesten Sprüngen und fliegenden Hufen nicht bedroht fühlen, sondern konnte ihn locker weiter begleiten und immer wieder einladen, auf ihre Signale zu achten. Und das tat er dann auch. Damit hatten wir das geschafft, was ich gehofft hatte: Zeus zu verblüffen. Schnell fand er die „neue“ Arbeit spannend und ließ sich ein.
Mit diesem neu erarbeiteten Ja von Zeus konnten wir uns auch an das Longieren machen, ohne das Rieke fürchten musste, überrannt zu werden. Schon am dritten Tag trabte Zeus vorbildlich an der Longe in kleineren und größeren Runden und Rieke strahlte.
Auch „lustigen“ Pferdeideen souverän begegnen
Es war von großem Vorteil, dass ich nicht nur einige Tage, sondern zwei Wochen lang mit den beiden arbeiten konnte, denn, und genau das hatte ich erwartet, nachdem Zeus schon am dritten Tag wundervoll an der Longe lief, dachte er sich nach rund einer Woche ein paar Sachen aus, um Rieke aus der Reserve zu locken. Durch die Freiarbeit konnte sie ihm ohne Druck und Gewalt deutlich machen, dass sie lieber wieder Kooperation hätte.
Mit jeder Einheit gewann Rieke an Selbstvertrauen. Ihre Körperausstrahlung wurde immer gelassener und sicherer, was sich unmittelbar auf Zeus auswirkte. In der zweiten Woche konnte ich mich mehr und mehr zurückziehen, während Rieke immer selbstständiger mit ihrem Pferd arbeitete.
Eine ganz anders geartete Herausforderung
Parallel dazu machten wir auch noch einige Einheiten mit Princesa, der Stute, mit der Zeus zusammensteht. Princesa ist als Reitpony für die Tochter der Eigentümerin des Stalls und zur Gesellschaft von Zeus erst vor kurzem angeschafft worden. Beim ersten Versuch, sie zu longieren, zeigte sich eine komplett andere Problemlage als bei Zeus: Princesa stürmte in Panik los, fiel auf die innere Schulter und war nicht mehr ansprechbar.
Ganz offenbar hatte sie bereits Longiererfahrungen, aber keine, auf denen wir aufbauen konnten. Hier galt es, dem Pferd zunächst zu vermitteln, dass ihr nichts Schlimmes passieren würde und ihr zu zeigen, dass sie langsam und Schritt für Schritt laufen und zuhören soll.
Es war sehr rührend zu erleben, mit welchem Feingefühl Rieke am vorletzten Tag mit Princesa arbeitete. Man sah der Stute an, wie konzentriert sie mitarbeitete und sich auf Riekes Signale einließ und es war ganz deutlich zu erkennen, wie aktiv sich Princesa das Führen in Stellung erarbeitete und merkte, dass es ihr damit leichter fiel, im Kreis zu laufen.
Und so fuhr ich mit dem rundum guten Gefühl heim, nicht mehr gebraucht zu werden.
Danke!
Ein Dankeschön an Dich, Rieke, dass ich zu Euch kommen durfte. Es war eine tolle Zeit, die mir viel Freude gemacht hat! Ich danke Dir für Dein Vertrauen und für Deine Offenheit, ohne die wir lange nicht so weit gekommen wären. Ich wünsche Dir, Zeus und Princesa von Herzen alles Liebe und Gute.
28. Juli 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching, Erfahrungsberichte, Freiarbeit, Jungpferdausbildung, Umgang • 9 Kommentare »