Fühl doch mal!

Da wir mit „Wege zum Pferd“ auch bei Facebook aktiv sind, bekommen wir dort entsprechend viel mit, vor allem auch die Diskussionen über eingestellte Videos von Trainern und Reitern. Und immer wieder erstaunt und bewegt es mich sehr, diese Diskussionen zu verfolgen.

In vielen Fällen sehe ich persönlich gestresste Pferde und hektische Menschen, ich sehe ruckende Stricke und Zügel, bohrende Sporen, „touchierende“ Gerten und schlagende Schweife, weggedrückte Rücken, zugeschnürte Mäuler und viel zu tiefe Köpfe und ich sehe so viele leere Blicke und Pferde, die wie Marionetten funktionieren … und ich frage mich: Warum wird so vieles davon toll gefunden? Warum werden Videos bejubelt? Warum schauen so wenige mal wirklich hin?

Und vor allem: FÜHLT denn kaum jemand mal beim Anschauen von Filmen? 

Ein Experiment

Ich möchte Euch mal ein Experiment vorschlagen: 

Schaut Euch Pferde-Videos immer erst einmal OHNE Ton an, also ohne Musik und ohne Kommentar. Lasst ganz bewusst nur die Bilder wirken. Achtet nicht nur auf das vordergründig Spektakuläre, wie zum Beispiel schwierige Lektionen, dramatisches Steigen, hohe Sprünge oder viel Beinaktion, sondern achtet auf die Mimik, die Körpersprache und die Stimmung des Pferdes und auf die Ausstrahlung des Menschen. Versucht erst einmal nur so viel wie möglich wahrzunehmen und lasst vor allem Eure Gefühle zu. Spürt nach, wie Ihr Euch beim Anschauen der Filme fühlt, und notiert Eure ganz persönlichen Wahrnehmungen in Stichworten.

Schaut Euch erst dann die Videos noch einmal mit Musik bzw. Sprechertext an und lest erst dann die Kommentare anderer. Spürt genau hinein, ob sich Eure Wahrnehmung durch den Ton ändert, ob Ihr die Meinung der anderen teilt oder nicht und was sich für Euch am wahrhaftigsten anfühlt.

Tipp: Diese Übung könnt Ihr auch sehr gut zusammen mit jemanden durchführen, dem Ihr vertraut. Redet aber erst am Ende der Übung über Eure jeweiligen Wahrnehmungen, und zwar nicht mit dem Fokus, wer nun Recht hat, sondern mit der Neugier darauf, was der andere wahrgenommen hat.

Fühlen kann (und muss) man üben

Tatsächlich gilt es das Fühlen ein Stück weit zu üben, damit wir mehr Mitgefühl für Pferde entwickeln können (denn daran fehlt es leider meinem Eindruck nach doch sehr in der Pferdewelt).

Wenn wir etwas sehen, lassen sich viele von uns schnell von anderen in unserer Wahrnehmung beeinflussen. Ein, zwei Sätze können unsere ganze Wahrnehmung in eine bestimmte Richtung lenken und wir nehmen ein Geschehen komplett anders wahr, als wenn wir diese Sätze nicht gehört hätten! Deshalb ist es so wichtig, wirklich erst einmal bei sich selbst zu bleiben und nicht nur zu schauen, sondern dem, was wir da sehen, auch nachzufühlen. Und das gilt nicht nur für Videos, sondern auch für alles was wir im realen Leben mit Pferden erleben…

Inzwischen vertraue ich meinem Bauch mehr als meinem Verstand, denn es ist mein Bauch, der sich mit den Pferden verbindet und mit ihnen fühlt. So beeindrucken mich heute immer weniger Videos, die als „fantastisch“ oder „super“ angepriesen werden, als dass mich viele von ihnen vor allem traurig machen. Nur weil jemand an der Bande neben mir die „Wahnsinnsgänge“ eines Pferdes preist, entgehen mir nicht das Geriegel und Sporengepiekse und die Schmerzreaktionen des Pferdes darauf.

Ich denke, je mehr von uns beginnen, hinter die schillernden Kulissen zu schauen, die so gerne gezeigt werden, und Pferde wirklich fühlen lernen, desto mehr von uns werden ganz andere Wahrnehmungen schildern und manches Fragezeichen an eine umjubelte Vorführung setzen – und zwar nicht aus Neid oder Missgunst, sondern für die Pferde!

1. August 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse 14 Kommentare »

Sei doch glücklich!

Vor einer ganzen Weile habe ich einen Blogbeitrag mit dem Titel Mach mich glücklich verfasst, in dem es mir darum ging aufzuzeigen, dass wir oft viel zu hohe Erwartungen an unsere Pferde haben. Heute möchte ich eine weitere Erwartungshaltung ansprechen, derer wir uns, denke ich, auch bewusst werden sollten. Und zwar geht es darum, dass wir von unserem Pferd erwarten, dass es glücklich und zufrieden ist. 

Ganz klar: Wer sein Pferd liebt, möchte, dass es ihm gut geht. Ich wünsche mir für meinen Anthony nichts mehr, als dass er einfach happy ist – … aber genau damit möchte ich etwas, das offenbar eben nicht so einfach erreichbar ist.

Was auch immer die Ursache ist, Anthony ist eher kein fröhliches Pferd. War er nie und wird er vielleicht nie sein. Ich glaube behaupten zu können, dass ich mir über all die Jahre, die Anthony bei mir ist, wirklich viele und auch sehr vielfältige Gedanken darüber gemacht habe, wie ich ihm gerecht werden oder wie ich wenigstens Lebensumstände für ihn schaffen kann, in denen er zufrieden und glücklich ist. Ich habe dafür auch immer wieder umfassenden Rat bei verschiedenen Fachmenschen gesucht. Immer wieder habe ich mich gefragt, was aus seiner Sicht gut wäre, ich habe viele meiner eigenen Erwartungen und Wünsche losgelassen, war immer wieder bereit, alles neu zu durchdenken und mich in meinem Tun zu hinterfragen. Ich tue also aus meiner Sicht so ziemlich alles, was möglich ist, auf seine gesundheitlichen Herausforderungen zu reagieren und seine Beschwerden so gering wie möglich zu halten (nach den Ursachen dafür habe ich natürlich auch geforscht bzw. forschen lassen). Kurz und gut: Mir fällt nichts mehr ein, was ich diesem Pferd noch bieten kann, um sein Leben schöner zu gestalten, und so ist es manchmal verdammt schwer auszuhalten, dass er eben trotz allem nicht so glücklich ist, wie ich es gerne hätte.

Und DA ist der entscheidende Punkt für mich: Ich bin dabei zu akzeptieren, dass es hier wieder einmal um meine Erwartungshaltung geht. Meine Vorstellung davon, wie er sein müsste, um von mir als glücklich und zufrieden gesehen zu werden, ist eben genau das: MEINE Vorstellung. Ich kann nicht wissen, ob das für ihn auch so ist. Vielleicht ist er auf seine Weise zufrieden? Vielleicht kann er nicht zufriedener sein? Ich weiß es nicht, aber wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich es halt schaffen, ihn glücklicher zu machen – und, wenn ich weiter ehrlich bin, hat das vor allem mit mir selbst zu tun…

Wenn ich einmal mit etwas Abstand auf die Sache schaue, erkenne ich, dass indem ich ihn glücklicher sehen will, ich auf eine gewisse Art nein zu ihm sage, denn ich will ihn ja anders haben, als er ist. Das klingt vielleicht etwas seltsam, für mich aber wird diese Erkenntnis immer klarer und stimmiger: indem ich festlege, wie ein glücklicher Anthony auszusehen hätte, vermittele ich ihm in gewisser Hinsicht immer wieder das Gefühl, falsch zu sein. Und das will ich nicht.

Die Lösung? Wieder einmal akzeptieren zu lernen, was ist. Dass Anthony eben ein Pferd ist, der seine eigenen Stimmungen und Launen hat und diese auslebt. Dass er oft in sich gekehrt ist, sich selten über etwas freut und es kaum möglich erscheint, ihn dauerhaft für etwas zu begeistern. So ist er und indem ich ihm zugestehe, so zu sein, sage ich wirklich ja zu ihm. Vielleicht ist das in der Summe das Wichtigste, was ich für ihn tun kann!?

gluecklich

17. Juli 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 19 Kommentare »

Wie sieht uns wohl unser Pferd?

In der letzten Woche schrieb ich darüber, wie wir unsere Pferde anderen Menschen gegenüber beschreiben (hier nachzulesen). Am Ende des Artikels dachte ich dann, dass es doch sehr interessant wäre, einmal zu erfahren, wie ein Pferd uns als seinen Menschen sieht.

Auf den ersten Blick vielleicht ein witziger Gedanke, sich das einmal zu fragen, aber hui, ich merke für mich, dass darin eine ganze Menge Potential zur Selbstreflexion steckt, zumindest, wenn ich mich wirklich darauf einlasse. Nun können unsere Pferde uns das ja leider nicht direkt sagen, aber fühlt doch mal in diese Fragen hinein:

  • Wie würde mein Pferd mich wohl seinen Kumpels vorstellen?
  • Was würde es über mich erzählen?
  • Wie würde mein Pferd mich wohl beschreiben?
  • Was wären Eigenschaften oder Verhaltensweisen von mir, die mein Pferd als Erstes nennen würde? 
  • Und, wenn ich mehr als ein Pferd habe, wie unterschiedlich sehen diese mich wohl und wie würden die jeweiligen Beschreibungen jedes einzelnen Pferdes aussehen?

 Und ich frage mich weiter: 

  • Gefallen mir meine Gedanken zu den oberen Fragen oder machen sie mir eher ein ungutes Gefühl? Was genau fühlt sich gut an und was nicht?
  • Wie möchte ich am liebsten von meinem Pferd gesehen werden?
  • Was möchte ich für mein Pferd sein? 
  • Was soll es vor allem von mir wahrnehmen und mit mir verbinden? 
  • Was kann ich verändern, damit ich mehr so von ihm erlebt werde? 

Viel Denk- und Fühlstoff, findet Ihr nicht auch?

Selbstreflexion

20. Juni 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang 2 Kommentare »

Guten Tag, mein Pferd ist ein Problem

Zugegeben, die Überschrift „Guten Tag, mein Pferd ist ein Problem“ klingt vielleicht etwas seltsam. Tatsächlich aber bringt sie genau auf den Punkt, worum es hier gehen soll. 

Wenn jemand zu unserem Pferd kommt oder wenn wir anderen von unserem Pferd erzählen, passiert oft etwas Bemerkenswertes, das aber den wenigsten von uns bewusst ist: Das komplexe Wesen und Sein unseres Pferdes wird schlagartig reduziert auf ein oder zwei – fast immer negative – Aussagen.

Am deutlichsten wird das bei Pferden, die eine chronische Krankheit haben, wie z.B. Sommerekzem oder Husten. Da wird oft noch vor dem Namen die Krankheit genannt: „Ja, und das ist meine Stute, Ekzemerin“ oder „Ich habe einen  Huster“. Aber auch bei Problemfällen erfolgen oft solche Vorstellungen oder Beschreibungen: „Da steht er, leider ein Beißer“ oder „Meine Stute kann ich nicht im Gelände reiten, sie ist ein Durchgänger“. 

Was an den Sätzen falsch sei? An den Sätzen selbst nichts, aber ein Stück weit am Fokus. In ihm drückt sich aus, wie wir auf unser Pferd schauen und was an ihm wir vor allem wahrnehmen. Es ist natürlich verständlich, dass jemand, der immer wieder Sorgen oder Schwierigkeiten mit seinem Pferd hat, auch darüber redet, aber ich denke, dass es sich wirklich lohnt, einmal darauf zu achten, wie wir unser Pferd vor anderen Menschen darstellen und was das mit uns und vor allem mit unserem Pferd macht. Denn es geht hier nicht nur um Worte, sondern um viel mehr… 

Ich selbst habe meinen Anthony oft mit „Ein Neinsager“ oder „Kein leichtes Pferd“ vorgestellt oder bezogen auf seine vielen gesundheitlichen Probleme: „Mein Montagspferdchen“. Das möchte ich ändern, denn Anthony ist so viel mehr und diese Reduzierung wird ihm einfach nicht gerecht. Auch wenn er mich manchmal wirklich fordert, so klappen unzählig viele Sachen wunderbar. Er schenkt mir sehr viel, er ist in ganz vielen Bereichen super erzogen und brav. Und er ist auch mehr als sein Husten oder seine Hufgeschwüre. 

Der entscheidende Punkt an dieser Art über unsere Pferde zu reden, ist der: Kein Pferd ist nur seine Krankheit und kein Pferd ist nur ein Problem. Oft aber reden wir über unsere Pferde als seien ihre Krankheiten oder Auffälligkeiten so etwas wie ihr Name: … ist Kolikerin … ist ein Steiger … ist Freikopper … ist schwierig … ist stur … usw. Damit bestätigen und manifestieren wir in gewisser Hinsicht genau das, was wir eigentlich nicht wollen, denn wir schenken der Sache sehr viel Aufmerksamkeit und Energie. 

Es heißt ja, dass wir die Wirklichkeit durch unsere Gedanken und unsere Aufmerksamkeit gestalten. Ob das so stimmt, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass die Beziehung zu meinem Pferd in einem großen Maße von meinem eigenen Fokus abhängt. Sehe ich vor allem das Problem, dann wird es größer und bekommt mehr Macht und Einfluss. Richte ich meine Aufmerksamkeit hingegen auf das, was toll ist, verschwindet es natürlich nicht, aber es bekommt eine andere Gewichtung im Gesamtbild. Und das Wichtigste ist für mich: Unsere Pferde spüren sehr genau, wo unser Fokus liegt, und reagieren darauf. 

Achtet doch einmal selbst darauf, wie Ihr Eure Pferde anderen vorstellt, womit Ihr sie beschreibt und was Ihr selbst bei ihnen in der Hauptsache wahrnehmt. Vielleicht reduziert Ihr ja unbewusst Eure Pferde auch in einer Weise, die nicht gerade förderlich und vielleicht auch nicht fair ist? Dann denkt daran: Selbst kleine Fokusverschiebungen können Türen öffnen und damit sehr viel in Bewegung bringen.

Mein Pferd ist ein Problem

13. Juni 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Umgang 17 Kommentare »

Dominanz ist nicht pferdegerecht

Was wir hier schon lange immer wieder aufs Neue schreiben, ist nun endlich auch wissenschaftlich bestätigt: Die Dominanztheorie ist menschliches Denken und NICHT pferdegerecht. 

Wissenschaftliche Studien widerlegen die Dominanztheorie

In diesem mehr als wichtigen Artikel wird ein Positionspapier der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften ISES (International Society for Equitation Science) zusammengefasst – den Originaltext gibt es hier als PDF

In diesem Papier wird

  • einerseits darauf hingewiesen, dass zahlreiche Studien des Sozialverhaltens von wild lebenden Pferden sowie von Hauspferden gezeigt haben, dass es in den Herden keine Dominanz-Hierarchien oder Alpha-Positionen gibt
  • und andererseits wird deutlich betont, dass Ausbildungskonzepte und Beziehungen, die auf der Dominanz-Theorie aufbauen, gegen das Pferdewohl gehen können. 

Mehr noch: Das immer wieder als „natürliches Pferdeverhalten“ erklärte Dominanz-Gebahren ist Pferden fremd. Pferde sind auf ein soziales Miteinander angewiesen. Kommt es zu einem Streit um Ressourcen, findet dieser punktuell statt, aber es konnte nicht beobachtet werden, dass es Pferden darum geht, ein anderes Pferd grundsätzlich zu beherrschen. 

… und beschreiben den oft daraus resultierenden Missbrauch

Weiterhin wird ganz klar benannt, dass die Dominanz-Theorie häufig dazu dient, nicht pferdegerechtes Verhalten zu rechtfertigen, z.B.:

  • Bestrafung,
  • aggressives Verhalten dem Pferd gegenüber,
  • Einschüchterung,
  • Missbrauch,
  • Gewalt.

Aggressivität löst bei Pferden Angst aus und natürlicherweise versuchen Pferde einem aggressiven Gegenüber auszuweichen und Begegnungen mit ihm zu vermeiden. Das heißt, dass nicht nur die Pferde unter der falschen Behandlung leiden, sondern auch die Beziehung von Mensch und Pferd.  

Wie Mensch-Pferd-Beziehungen aussehen sollen

Die Dominanztheorie ist als Basis für eine harmonische Beziehung von Mensch und Pferd nach Ansicht der Forscher ungeeignet. Mensch-Pferd-Beziehungen sollten immer auf einem Verständnis der natürlichen Verhaltensweisen von Pferden basieren und nicht auf menschlichen Interpretationen aus der eigenen Erfahrenswelt. 

Wichtig für ein harmonisches Verhältnis sind also echtes Verständnis für Pferde und ein ruhiger, klarer und beständiger Umgang. 

Lesetipp: Versteh Dein Pferd

dominanz_ist_nicht_pferdegerecht

 

30. Mai 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 19 Kommentare »

Zurück auf Los… – und doch auch nicht

Wie oft hatte ich in all meinen Jahren mit meinem Anthony schon das Gefühl, wieder von vorne anfangen zu müssen: „Bitte begeben Sie sich direkt auf Los…“ Dieser Eindruck aber ist, wie mir langsam immer klarer wird, nicht ganz richtig, denn es sind nur gefühlte Rückschläge, nicht aber reale. 

Anthony ist ein Pferd bei dem vieles, was man herkömmlicherweise so mit Pferden macht, nicht funktioniert. Er will ganz vieles nicht und selbst wenn er für eine Weile zu einer Sache Ja sagt, kann das auch wieder in ein Nein umschwenken und dann ist das, was man eigentlich dachte zusammen tun zu können, erstmal vom Tisch. 

Es ist für mich inzwischen sehr spannend, mich selbst zu erleben, wenn mein Pferd mal wieder mit einem deutlichen „Ich bin dagegen“-Schild vor mir steht, denn, obwohl ich es inzwischen gewohnt bin und eigentlich weiß, dass es keinen Sinn macht, reagiere ich immer noch oft zunächst mit alten Mustern. Ich probiere dann auf unterschiedliche Weisen, doch das zu machen, was ich vorhatte: Ich versuche sein Nein zu ignorieren, ihn zu bezirzen, vielleicht doch ja zu sagen, ich frage ein paar Tage später noch mal nach, ich versuche es mit mehr Nachdruck… – immer mit demselben Ergebnis, dass ich über kurz oder lang akzeptieren muss, dass dieser Weg für unbestimmte Zeit dicht ist. 

Dann bin ich meist erstmal etwas frustriert; lange nicht mehr so wie früher, aber eben doch ein bisschen. Bei einem Pferd, bei dem man befürchtet, dass es irgendwann ganz dicht macht, sind Sachen, zu denen es Ja sagt, so kostbar, dass man sie auf keinen Fall verlieren will. Tja, aber der entscheidende Punkt an einem „Ja“ ist, dass es nur freiwillig gegeben werden kann. Ein Ja ist ein Geschenk und man kann bzw. darf es nicht erwarten. Wird einem die Sache nicht mehr geschenkt, hat man letztlich kein Recht, sie einzufordern. 

Wenn ich mir das klar mache, stehe ich meist erstmal etwas ratlos da. Und diese Ratlosigkeit ist, wie ich langsam begreife, etwas Gutes, denn sie öffnet einen Begegnungsraum. Nicht einfach mit den Sachen oder auf die Weise weitermachen zu können, die bis jetzt gingen, lässt mich innehalten. Ich wende mich meinem Pferd zu. Ich frage:

  • Was wünschst Du Dir von mir?
  • Was kann ich für Dich tun?
  • Was brauchst Du? 

„Zurück auf Los“ bedeutet für mich inzwischen viel mehr „Zurück zu Deinem Pferd“, also die Bereitschaft, mich wieder neu auf mein Pferd einzulassen und es wahrzunehmen. Eigentlich ist es auch kein Zurück, sondern viel mehr ein Hin, denn es geht darum, mich darauf einzulassen, wieder einmal einen neuen Weg im Miteinander einzuschlagen und das auf einer Basis von ganz viel Gewachsenem. Denn das ist das Wundervolle an der Sache: Ich verliere gar nicht wirklich, sondern im Gegenteil: Ich gewinne. Ich lerne immer mehr, bereit und auch flexibel genug zu sein, mich auf Neues, auf Veränderungen, auf Entwicklungen und damit auf den Fluss des Lebens einzulassen. Und das ist ganz klar der Verdienst von Anthony. Er coacht mich mit seinem Sein genau dort hin.

„Zurück auf Los“ heißt also eigentlich „Öffne Dich für etwas Neues“ – eine Fähigkeit, die nicht nur im Umgang mit Pferden sehr kostbar ist. 

los

23. Mai 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 5 Kommentare »

Aktion: Mein Weg zum Pferd

Anlässlich der 400. Ausgabe unseres Newsletters (Himmel, wie die Zeit vergeht!) hatten wir unsere Leserinnen und Leser aufgerufen, diesen Satzanfang zu vervollständigen: 

„Mein Weg zum Pferd…“

Wir wollten mehr über all die ganz persönlichen Wege zum Pferd erfahren, die oft so unterschiedlich sind und gleichzeitig vieles gemein haben. Und wir haben wundervolle Einsendungen erhalten – manche kurz und knackig, andere lang und tief berührend. Uns wurden Geschichten geschickt und Fotos und wir haben ganz viel richtig schönes Feedback erhalten. Oft hatten wir beim Lesen eine Gänsehaut und vieles hat uns sehr nachdenklich gemacht.

Stellvertretend für alle tollen Einsendungen haben wir diesen zauberhaften Text von Jasmin für diesen Beitrag ausgesucht: 

Mein Weg zum Pferd wird in all seinen Eigenheiten vom Pferd selbst definiert und geebnet. Mein Weg führt in den persönlichsten Bereich des Pferdes und ich gehe keinen Schritt ohne um Einlass zu bitten und auf eine positive Antwort zu warten. Meistens ist der Weg keine Gerade. Häufig ist er verschlungen, geprägt von Bergen und Tälern, Durststrecken und wundervollen Wiesen. An einem gewissen Punkt hoffe ich das Pferd auf Augenhöhe zu treffen. Und von diesem Punkt an gehen wir diesen niemals endenden Weg gemeinsam.

Jasmin

Und wie immer bei unseren Aktionen haben wir aus einigen Einsendungen ein kleines Video erstellt: 

aktion_meinwegzumpferd

Viele weitere Beiträge werden wir immer mal wieder im Newsletter veröffentlichen. Ein herzliches Dankeschön an alle fürs Mitmachen und überhaupt an alle, dafür dass Ihr uns lest! 

15. Mai 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Sonstiges 1 Kommentar »

Was erwarten wir eigentlich?

Wir haben viele Erwartungen an unsere Pferde. Im Gegensatz zu anderen Haustieren, wie z.B. Hamster oder Katzen reicht es uns nicht, dass wir sie einfach nur haben und wir uns an ihrer Gegenwart erfreuen, sondern wir stellen oft sehr klare Anforderungen an sie:

Wir wollen sie reiten und dabei sollen sie vielfältige Lektionen zeigen, egal wie gut oder schlecht wir reiten. Sie sollen springen, möglichst spektakulär hoch und weit. Sie sollen Kutschen in allen Formen ziehen. Wir wollen mit ihnen besser als andere sein und Schleifen gewinnen oder Pokale. Sie sollen uns so lange wir wollen sicher durch jedes Gelände tragen, sollen vor nichts Angst haben, dabei aber eben auch nicht langweilig, sondern, dann wenn wir wollen, auch spritzig und flott sein. Sie sollen Zirkuslektionen können, unter und auf Planen herumlaufen, Bälle kicken, Dinge apportieren, sich Hula-Hoop-Reifen über den Kopf werfen und vieles, vieles mehr. Auch frei sollen sie genau das tun, was wir wollen, am besten auf kleinsten Fingerzeig hin.

Bei all dem sollen sie natürlich immer freundlich und gut gelaunt sein. Sie sollen jederzeit sicher im Umgang sein und verlässliche Nutztiere für uns und unsere Kinder. Sie sollen für uns da sein, wann immer wir sie von ihren Artgenossen oder vom Futter wegholen. Sie sollen ihre natürlichen Instinkte unterdrücken und sollen sich anbinden lassen, die Hufe geben und beim Putzen stillstehen, auch wenn wir sie vielleicht kitzeln oder ihnen die Berührungen unangenehm sind oder wir sie warten lassen, weil wir noch telefonieren müssen. Sie sollen mit der Haltung zufrieden sein, die wir ihnen zur Verfügung stellen, egal wie wenig artgerecht sie auch immer ist. Sie sollen auch mit unpassendem Zubehör und mit Schmerzen alles tun, was wir wollen und sie sollen ein Leben lang gesund, fit und einsatzfähig sein.

Darüber hinaus sollen sie unsere Launen wegstecken, uns Spaß machen und sie sollen unser Freund sein und uns zuhören, uns 100%ig vertrauen und mit uns durch dick und dünn gehen und… und… und…

Tja, am besten sollen Pferde schlicht und einfach perfekt funktionieren

Vielleicht wollen wir einfach ein bisschen zu viel?!

Möglicherweise erscheint manch einem diese Darstellung als etwas überspitzt, aber wer die Pferdewelt (und sich selbst) auch nur mit ein klein wenig Abstand betrachtet und vor allem einmal etwas genauer auf all die „Probleme“ hört, die wir Menschen mit unseren Pferden haben, könnte zu einem ähnlichen Bild kommen. Endlos viele Probleme haben damit zu tun, dass ein Pferd nicht die – zum Teil eben tatsächlich sehr, sehr hohen, wenn nicht gar unerreichbaren – Erwartungen seines Menschen erfüllt.

Wenn man das Ganze mal auf den Punkt bringt, dann sind Pferde nicht unsere Haustiere (so wie z.B. Katzen oder Meerschweinchen) sondern Arbeitstiere, also Tiere mit einem Job – und das gilt nicht nur für Berufsreiter, sondern auch für Pferde von Freizeitreitern. Wir investieren schließlich viel Geld in unsere Pferde und sind davon überzeugt, einen Anspruch auf all die erwarteten Leistungen zu haben. 

Aber, und diese Frage ist ganz entscheidend: Haben wir den wirklich? 

  • Haben wir tatsächlich das Recht, all das von unseren Pferden einzufordern, was wir wollen?
  • Was genau gibt uns das Recht, in dieser Form über ein anderes Lebewesen zu verfügen und unsere Erwartungen ggf. auch mit Gewalt durchzusetzen?
  • Und wie weit geht dieses Recht, das wir zu haben glauben? 
  • Wozu führt unsere Überzeugung, in unseren Forderungen im Recht zu sein? 
  • Und was wäre, wenn wir dieses Recht in dieser Form eigentlich gar nicht haben? 

Das sind provokante Fragen, mit denen ich mich seit Längerem immer intensiver befasse und von denen ich glaube, dass sie sich jeder Pferdemensch immer wieder stellen muss. Ich sehe in ihnen den Schlüssel zu einem pferdegerechteren Umgang, denn nur wenn die Bereitschaft da ist, die eigene Anspruchshaltung wenigstens ein bisschen in Frage zu stellen, können überhaupt erst andere als die oft so gewaltvollen, respektlosen herkömmlichen Wege wahrgenommen werden.

Es geht weder darum, jede Aktivität mit Pferden einzustellen, noch darum alles in Frage zu stellen, aber es geht darum, hin und wieder die eigenen Ansprüche zu überprüfen, vor allem dann, wenn das Pferd mal anders reagiert als gewünscht. Wer sich im Recht glaubt, kämpft gegen alles und jeden, das oder der sein Weltbild ankratzt und verteidigt selbst Fehlgriffe und Irrtümer. Das geht immer zu Lasten der Pferde. Respekt beginnt für mich damit, auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ich etwas falsch sehen könnte… – nur das hält mich offen dafür, mein Gegenüber wahrnehmen und verstehen zu können und, wenn nötig, mein eigenes Verhalten und meine Erwartungen zu korrigieren. 

erwartungshaltung

25. April 2017 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 14 Kommentare »

Abschied heißt Ja sagen

Alle, die wir Tiere haben, wissen, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem wir Abschied nehmen müssen. Und jede/r geht anders damit um. 

Ich kämpfte viele Jahre lang verzweifelt innerlich und äußerlich gegen die Tatsache, dass auch bei meinen Pferden dieser Tag kommen würde, und schob das „irgendwann“ unendlich weit weg, … wohl wissend, dass ich mich damit selbst betrog. Ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass auch sie sterben würden und ich war oft krank vor Sorge. Allein der Gedanke daran, nahm mir den Atem, ließ mich abwehrend sein und jede Krankheit stürzte mich in geradezu panische Angst. Ich ahnte, wie destruktiv mein Verhalten war, aber erst durch einige sehr schmerzliche und unschöne Situationen erkannte ich, dass meine Sorgen und meine Überreaktionen regelrechtes Gift waren – für meine Pferde, für das ganze Umfeld und auch für mich selbst.

Veränderungen und Abschiede sind Teil des Lebens

Vielleicht bringt es ein Stück weit das Älterwerden mit sich und die vielen Erfahrungen und Verluste, die man im Laufe des Lebens macht und auszuhalten lernt, aber es war auch ganz viel Arbeit an mir selbst, die es mir ermöglichte, immer mehr zu lernen, Veränderungen und damit auch Abschiede als Teil des Lebens anzunehmen. Ganz sicher schulten mich aber vor allem meine beiden Pferde darin, Krankheiten immer besser annehmen zu können und ja, auch den Gedanken an ihren Tod auszuhalten – jeder auf seine ganz eigene Art: Aramis mit seinem großen Ja zu allem und Anthony mit seinem Nein zu so vielen. Ich lernte, beide in ihrem Sein anzunehmen, mit ihren Krankheiten und letztlich auch ihre Sterblichkeit.

Seit einiger Zeit habe ich damit begonnen, mit anderen über Tod und Sterben zu sprechen – über meine Ängste, über den Schmerz, über konkrete Erlebnisse und all die vielen Gedanken und Gefühle, die mit diesem Thema verbunden sind. Ich habe mir dafür gezielt Menschen gesucht und auch gefunden, die mehr im Ja zu diesen Themen als ich waren, die viel weniger Angst davor hatten als ich und die mir unendlich viele, wertvolle Impulse gaben. Ja, ich habe sogar mit meinen Pferden darüber gesprochen, weil ich spürte, dass ich nicht länger verdrängen durfte, sondern dass ich zu akzeptieren lernen musste.

Auch diesen Weg gemeinsam gehen

Ich gebe zu, dass ich mir heimlich so manches Mal gewünscht hatte, dass ich nicht da sein müsste, wenn eines meiner Pferde sterben würde, weil ich solch große Angst hatte, es nicht aushalten zu können. Ich fürchtete, zu verzweifelt zu sein, um dem Tier wirklich eine Begleitung sein zu können. Ich hatte Angst vor meinem eigenen Nein. 

Nun musste ich meinen Aramis gehen lassen und ich bin endlos dankbar dafür, dass ich dabei war. Denn ich konnte ihn begleiten, ich konnte Ja sagen, ich konnte loslassen. Der Abschied, der mir dadurch möglich wurde, ist mir in dieser Zeit der größte Trost. 

Ein Ja zum Leben erfordert auch ein Ja zum Tod

Ich weiß, dass viele von Euch in die Angst gehen, wenn sie an den Tod eines geliebten Wesens denken, und am liebsten einfach nur dicht machen wollen – das ist mir sehr vertraut. Aber leider kann unsere Angst nichts verhindern und führt statt dessen nur zu unglaublich viel Leid. 

Deshalb möchte ich Euch mit diesen Zeilen so gerne etwas von dem Ja abgeben, das mich nun durch den Schmerz trägt. Vielleicht liegt die größte Herausforderung im Leben für uns alle darin, auch den Tod anzunehmen? Für mich persönlich ist es so. Und ich darf gerade erfahren, dass wir ungeahnte Geschenke erhalten, wenn wir den Mut haben, uns unserer Angst zu stellen und uns im größten Schmerz nicht verschließen, sondern unser Herz ganz, ganz weit öffnen, um mit Liebe antworten zu können. Denn durch ein solches Ja geht sehr viel weniger, als uns bleibt, und erst ein solches Ja macht Abschied möglich.

Mit meinem Ja lasse ich los und gebe frei – und bekomme unendlich viel zurück. Ich bin erfüllt von Dankbarkeit und Trost und werde gehalten. So werden Schmerz und Trauer zu purer Liebe zu all dem, was war – und das kann mir niemand nehmen.

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(Foto von Lisa Wolpers)

Weitere Artikel zum Thema: 

11. April 2017 von Tania Konnerth • Tags: , • Kategorie: Erkenntnisse 12 Kommentare »

Gesprächsrunden auf der Equitana 2017 mit Babette

Dieses Jahr haben mich der Kosmos Verlag und Standpunkt. Pferd eingeladen, zur Equitana zu kommen und so war ich zwei Tage auf der Messe vertreten. Dabei habe ich bei drei Gesprächsrunden mitgemischt, was mir viel Freude bereitet hat!GespraechsrundeFür alle, die nicht selbst auf der Equitana dabei sein konnten, habe ich zwei kleine Zusammenschnitte der Fragerunden erstellt.


Gesprächsrunde 1: Angst verdirbt den ganzen Spaß 

Wir haben ja den Selbstlernkurs: Vertrauen statt Angst – für Mensch und Pferd verfasst und da lag es nahe, an der Gesprächsrunde mit dem Thema „Angst verdirbt den ganzen Spaß“ teilzunehmen. Es ist ein so wichtiges Thema!

Hier geht es zum Video.

equitana_gespraech_angst

Gesprächsrunde 2: Denken Pferde?

Und hier noch einige meiner Beiträge zu verschiedenen Fragen rund um das Thema „Denken Pferde?“, das sicher noch viel Diskussionsstoff liefern kann.

Hier geht es zum Video.

equitana_gespraech_denkenpferde

28. März 2017 von Babette Teschen • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang, Verhalten 1 Kommentar »

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