Es gibt Themen, über die wir hier noch nicht geschrieben haben. Unschöne, unbequeme Themen, mit denen sich keiner gern befasst. Ich denke an Texte darüber, wie viel Gewalt Pferden im täglichen, „ganz normalen“ Umgang angetan wird und wie viel, wenn es um das Gewinnen von Preisen oder das Geldverdienen geht. Oder darüber, wie wenig artgerecht viele Pferde gehalten werden, wie schlecht die Ernährung oft ist und wie viel Leid durch Unwissenheit oder Ignoranz verursacht wird. Wir haben auch bisher kaum beleuchtet, wie unpassend oder schlicht und einfach fies die Ausrüstung oft ist, so dass viele Pferde unter Schmerzen gearbeitet werden. Und wir haben bisher auch so gut wie nicht über ganz offensichtliche Fälle von Tierquälerei geschrieben, die klangvolle Namen wie „Rollkur“ oder „Barren“ oder „Blistern“ haben.
Über all das haben wir bisher nicht geschrieben, weil wir uns mit der Gründung von „Wege zum Pferd“ das Ziel gesetzt haben, etwas Positives in die Welt zu bringen, um das Gute zu stärken. Wir wollten nie mit den Fingern auf andere zeigen, sondern wir wollen hier das weitergeben, was wir aus unseren eigenen Fehlern gelernt haben. Wir wollen Mut machen und Kraft geben.
Eine moralische Frage?!
Aber immer wieder kommt in uns die Frage auf, ob man wirklich einfach all die unbequemen Themen meiden darf? Darf man die Rollkur auf einer Seite wie „Wege zum Pferd“ einfach ignorieren? Ist es angemessen, die vollkommen normale Gewalt in Reitställen einfach nicht zu benennen? Wird das Pferde-Elend besser, wenn man nicht darüber schreibt? Wenn man in seiner Ohnmacht bleibt, weil man das Gefühl hat, doch nichts ausrichten zu können?
Die ehrliche Antwort muss wohl lauten: nein, damit wird nichts besser. Aber einfach nur loszupöbeln und anzuklagen, mit Horrorgeschichten und -bildern zu schocken oder Predigten zu halten, um andere zu bekehren, all das geht auch nach hinten los.
Was also tun?
Erstmal über mich schreiben
Der erste Schritt für mich ist das zu tun, was ich am besten kann: über ich selbst schreiben. Mein Tun reflektieren, in der Hoffnung, damit zum Nachdenken anzuregen.
Ich habe das Reiten in einem Stall gelernt, in dem es alles andere als pferdefreundlich zuging. Ich habe gelernt, Pferde zu treten (man nannte es treiben), zu schlagen (ja, auch ausdrücklich im Unterricht), am Zügel zu reißen (als eine „Hilfe“) und dergleichen mehr. Zu gerne würde ich annehmen, dass ich einfach nur Pech hatte, dass ich in einen solchen Stall geraten bin, aber leider ist das nicht der Fall. Leider sind meine frühen Erlebnisse, obwohl schon solange her, auch heute noch überall im Land anzutreffen.
Während man früher dem faulen Bock zeigen sollte, wo es langgeht, werden Pferde heute als „dominant“ bezeichnet und dafür verdroschen. Während man sich früher von der irren Ziege nichts gefallen lassen sollte, muss man heute „Chef“ spielen, damit die Pferde wissen, mit wem sie es zu tun haben. In der Summe kommt es auf dasselbe heraus: auf Gewalt.
Ich bin also nicht besser als die, denen ich heute falsches Verhalten vorwerfe. Habe ich nun deshalb kein Recht, etwas zu sagen oder steht es mir vielleicht gerade erst recht zu, Missstände zu benennen? Vielleicht weil ich mein Verhalten hinterfragt und geändert habe. Weil ich bereit war, dazuzulernen. Weil ich verstehe, wie es zu Gewalt gegenüber Pferden kommt und weil ich in vielen Fällen mit Rat und Ideen helfen könnte, dass das nicht passieren muss.
Sollte ich da tatsächlich meinen Mund halten, weil mich das alles nichts angeht und ich mich gefälligst um meine eigenen Sachen kümmern soll?
Was ich bedauere
Ich bedauere es aus tiefstem Herzen, dass früher niemand zu mir gekommen ist und mir gesagt hat, dass falsch ist, was ich tue. Dass ich die Tiere, die ich so liebe, ungerecht und schlecht behandelt habe. Dass ich meinen Ehrgeiz und Frust an ihnen ausgelebt habe. Dass ich Reiterfehler und Unwissenheit durch Herrschsucht und Gewalt kaschiert habe.
Tatsächlich hat mich nie jemand gebremst, um mir andere Wege zu zeigen. Niemand außer mein schlechtes Gewissen, denn natürlich wusste ich, dass nicht richtig sein kann, was ich tat. Im Gegenteil, wie oft wurde ich um Rat oder Unterricht gefragt, weil ich so gut mit Pferden klar kam…
Eine noch offene Frage
Es ist noch eine offene Frage für mich, wie unser Engagement hier auf unserer Seite zu diesen Themen konkret aussehen kann, ohne dass wir uns zu Moralaposteln aufspielen und damit genau die Menschen in die Defensive bringen, die wir gerne erreichen würden. Denn genau das passiert fast immer bei Kritik: Sie wird als Angriff gesehen und darauf folgen Gegenangriffe. Das hilft niemanden, am wenigsten den Pferden.
Mit „Wege zum Pferd“ haben wir eine Plattform aufgebaut, auf der wir zu allen möglichen Themen Alternativen und Lösungen aufzuzeigen versuchen. Das hat schon bei vielen ein Umdenken und Handlungsänderungen auslösen können, worüber wir uns riesig freuen. Und ich denke, genau das nun noch konsequenter weiterzuführen, könnte der richtige Weg sein.
Mit diesem Beitrag nehme ich einen Anlauf für weitere Texte. Ich habe dazu eine neue Blog-Kategorie „Engagement und Pferdeschutz“ eröffnet, denn ich denke, es wird einiges folgen. Ich hoffe, dass wir inzwischen fit genug im konstruktiven Denken sind, dass wir Wege finden, über Missstände zu schreiben, die es gerade denen ermöglichen, sich auf die Themen einzulassen, die diese Missstände mittragen. So denke ich darüber nach, zu verschiedenen Problemfeldern praktische Handreichungen zum Umdenken und vor allem alternativen Handeln bereitzustellen, die man ausdrucken und aufhängen oder verteilen kann.
So etwas hätte ich jedenfalls gelesen und es hätte den Pferden vielleicht manches ersparen können, was meint Ihr? Ich bin für Ideen, Anregungen und Themenwünsche sehr offen!
