Nicos erster Kurs

So schnell melden wir uns wieder zurück (s. hier) – denn es gibt einiges zu berichten!

Im März war die Verhaltensbiologin und Buchautorin Marlitt Wendt für einen Trainingstag zum Thema Clickertraining bei uns auf unserm Hof. Petra, die den Kurs organisiert hat, sowie Alex und Nico waren mit von der Partie und so erlebte Nico seine Kurspremiere.

Es gab zwei Einheiten für unseren Nico, was hier auch als Film zu sehen ist.

Erste Einheit

Vormittags arbeitete Petra mit ihm und schnell kristallisierten sich zwei Themen heraus: Stress und Signalkontrolle.

Marlitt machte gleich zu Beginn sehr deutlich, dass das Clickern ein sehr machtvolles Instrument ist, welches beim Pferd einen sehr hohen Stresslevel erzeugen kann. Reagiert ein Pferd mit Übergriffigkeiten,  so sind im Vorfeld Fehler beim Training gemacht worden. Oft werden zum Beispiel viel zu wenig Ruhepausen in einer Einheit gemacht.

Und genau das wurde uns in unserer Arbeit mit Nico auch klar: dass wir mehr Pausen einbauen müssen. Bisher war es so, dass, wenn wir etwas mit Nico gemacht haben, wir meist oder fast immer an irgendwelchen Lektionen oder Aufgaben gearbeitet haben. Dabei gab es wenig Entspannungspausen, da uns nicht so richtig bewusst war,

  • wie wichtig diese sind und
  • wie wir sie Nico anbieten können.

Pausen hießen bisher, dass wir uns aus der Halle zurückgezogen haben. Nico kam dann hinterher, rempelte, nervte und biss in die Bande etc. Daraus schlossen wir, dass eine Pause für ihn nicht notwendig ist, da er sich in der Pause nicht wohlfühlt und er einfach weiterspielen möchte.

Nun kam ein ganz neuer Gedanke von Marlitt: Pausen bedeuten nämlich, dass man einfach nur miteinander da ist. Dass man nichts „tut“, sondern einfach nur „ist“. Genau das ist für Pferde sehr wichtig, sie können Stunden damit zubringen, einfach nebeneinander zu sein. Und dieses „einfach nur sein“ hat  eine ganz besondere Qualität.

Als Ruhezone wurde mit Stangen ein Quadrat gelegt, das die Pausen räumlich ankündigt und später dann auch wie ein Ruheanker wirken kann, wenn das Pferd oft genug erfahren hat, dass in diesem Quadrat etwas sehr Schönes stattfindet.

n2Wichtig: in dem Quadrat wird nicht (!) geklickert. Wir suchten uns die Lieblingskraulstellen beim Pferd und versuchten zu entspannen und eben wirklich nichts zu wollen. Sehr deutlich merkte man bei den Pferden, die sich auf diese Art der Ruhe einließen, dass sich ihr Ausdruck veränderte und sie in sich fühlten. Und auch für uns Menschen sind die Pausen ganz wichtig, denn unbewusst setzen wir uns (und damit auch unsere Pferde) oft ganz schön unter Erwartungsdruck. Da tut es gut, einfach mal nur ein bisschen zu sein. 🙂

Uns wurde in diesem Zusammenhang auch klar, dass wir den Erregungslevel bei Nico permanent auf einem doch recht hohen Niveau gehalten haben. Und so verwundert es eigentlich nicht, dass es deshalb auch immer mal wieder zu kleinen Übergriffigkeiten kommen musste. Wir werden also ab sofort ganz gezielt Ruhepausen einlegen und schauen, wie sich das gerade auf die kleinen Problempunkte wie Schnappen und Rempeln auswirken wird.

Ein weiteres Thema war, wie wichtig es ist, in der Ausbildung immer einen klaren und kleinschrittigen Plan zu haben.

Anfänglich bekommen die Pferde sehr schnell eine Idee von dem, was gewünscht ist. Wenn es z.B. um die Seitengänge geht, versteht das Pferd meist recht schnell, was gefragt ist, und es zeigt ein mehr oder weniger gutes „Schenkelweichen“. Die Gefahr ist nun die, dass, eben weil die Anfänge so einfach sind, es bei diesem ungefähren Schenkelweichen, einem mäßigen Travers und einer schlechten Traversale bleibt, denn: kleinschrittig an der Genauigkeit zu arbeiten, ist um einiges aufwändiger! Genau das ist der Grund, warum viele Clickerpferde vieles ein bisschen, aber leider oft nur wenig korrekt zeigen. Das aber ist kein Fehler des Pferdes und auch keiner der Methode, sondern hier sind wir als Clickernde gefragt, uns selbst zu mehr Konsequenz und Genauigkeit zu erziehen.

Genau das setzten wir dann mit Nico in der Praxis um.

Es ging um die Seitengänge, die er bisher mehr oder weniger drängelnd irgendwie ausführte. Beim gelockten Travers musste Petra immer sehr schnell ihre Füße in Sicherheit bringen. Stand sie mit der Gerte vor ihm, ging er meist schon los, ohne dass sie überhaupt das Startzeichen geben konnte.

Die erste Übung bestand also darin, vor Nico zu stehen, die Gerte zu halten und das ruhige Stehen zu clickern. Erst als das gut klappte, gab Petra Nico das Signal, einen einzigen Seitwärtsschritt zu machen. Dann gab es wieder eine kleine Pause, in der das ruhige Stehen geclickert wurde. Der Effekt dabei ist der, dass das Pferd so überhaupt erst eine Chance bekommt, zu erkennen, wann genau die Lektion losgeht und auf welches Zeichen hin sie gefragt ist. Das ist mit „Signal-Kontrolle“ gemeint und sie ist wichtiger, als wir das bisher gesehen hatten.

n1

Zweite Einheit

In der zweiten Einheit am Nachmittag ging es ums korrekte Clicken beim Reiten. Alex ritt Nico und sollte verstärken, sobald er den Hals auch nur ein bisschen fallen ließ. Hieraus soll dann irgendwann ein korrektes Vorwärts-Abwärts erfolgen. Hier wurde deutlich, wie wichtig das richtige Timing ist!

Danach ging es an das Anhalten und das Losgehen auf Kommando, auch hier wurden wieder genau die richtigen Impulse von Nico geclickt, damit er verstehen konnte, was gewünscht war.

n3n4Nico hat alles einfach nur toll gemacht. Wie immer war er mit Begeisterung dabei. Die Zuschauer haben ihn nicht gestört.

Als wir Nico nach den Einheiten zurück zum Paddock brachten, hörten wir ihn noch recht lange sehr laut wiehern. Übersetzt haben wir das Wiehern so: „Ihr könnt mich ruhig nochmal holen! Ich habe  noch richtig Lust. Haaaallo, habt Ihr nicht gehört??? Ich will nochmal!!!“ 😀

Für uns war es ein wunderbarer, sehr lehrreicher Kurs, mit tollen Leuten, tollen Pferden und einer phantastischen Kursleiterin. Danke, Marlitt!

Zum nächsten Beitrag.

1. April 2014 von Babette Teschen • Kategorie: Clickertraining, Jungpferdausbildung 9 Kommentare »

 

9 Reaktionen zu “Nicos erster Kurs”

 

Von Sandra • 1. April 2014

Hallo ihr Lieben,

das ist ein schöner Kurs-Bericht.
Es war schön euch bei der Arbeit zuzuschauen und euch persönlich kennenzulernen.
Jetzt knapp zwei Wochen nach dem Kurs, kann ich berichten, dass der Fokus auf die Ruhe bei Baron richtig gut fruchtet und er bei der Kraulpause binnen kürzester Zeit den Blick nach Innen wendet und entspannt.
Ich hoffe, dass wir uns in ähnlicher Runde mal wiedersehen und die Fortschnitte bewundern können.

Grüße von Sandra mit Nicos kleinen Bruder 🙂

 

Von Maria • 2. April 2014

Hallo,
Ein richtig toller, interessanter Bericht!
Wisst ihr, ob es in der Nähe von München auch die Möglichkeit gibt, an einem Clickerkurs teilzunehmen, ich bin nämlich bisher leider nicht fündig geworden.
Liebe Grüße,
Maria 🙂
_______________________________________________
Liebe Maria,
frag´mal Heike Uthmann, ich könnte mir vorstellen, dass die was weiß. Ich leider nicht.
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Steffi • 2. April 2014

Hallo Ihr lieben,
Ein toller Bericht und er passt gerade super. Nehme seit kurzem Bodenarbeits-/Reitstunden bei einer Trainerin, die nach Honza Blaha arbeitet. Insgesamt haben wir fest gestellt, dass mein Pferd und ich dadurch dass wir nach dem Longenkurs und Euren clickertips gearbeitet haben, schon viel von dem können, was die Trainerin nach „ihrem System“ vermittelt. Jedoch auch sie hat mich zu mehr Ruhepausen und Zeit zusammen als Belohnung ermuntert.
Es ist ganz schön schwer, das meinem ungeduldigen Jungpferd zu vermitteln, wenn genau neben dem Reitplatz die Stutenherde gerade abspackt. Aber er versteht langsam was ich da will und beginnt es zu genießen.
Außerdem merke ich, dass auch ich ruhiger bei der Arbeit werde. Echt klasse 🙂

Gibt es dazu später noch einen Folgebericht, wie es bri Nico und Euch navh dem Kurs weiter ging?

 

Von Bettina • 4. April 2014

Danke für den super interessanten Bericht!
Wenn ich mir das so durchlese brauche ich auch mehr Pausen mit meinem, das Schnapp-Problem haben wir auch…
Lieben Gruß!

 

Von Danny • 4. April 2014

Dieser Bericht spricht mich sehr an!
Ich habe ein „schwieriges Pferd (mit wenig Frustrationstoleranz, Skepsis und immer mal aufkeimender Wut das jung bei jemandem gelernt hat wie stark es ist und für Missetaten mit Futter belohnt wurde… lange Geschichte….)“ zu dem ich durch das CT einen Zugang gefunden habe. Aber irgendwann merkte ich, etwas läuft falsch. Allerdings bin ich nicht richtig darauf gestossen was falsch läuft. Pausen habe ich nicht deutlich gemacht und erst später angefangen Ruhe vermehrt zu clickern, die fand er dann kaum. Er hat am Anfang so viel angeboten dass ich übers Ziel hinausgeschossen bin.Das macht mir ein richtig schlechtes Gewissen. Unbewusst habe ich ein immer höher werdendes Stresslevel belickt.

Jedenfalls durfte ich am letzten Wochenende in die Welt des “ optimalen Motivationslevel – Belohnungslernen beim Pferd ohne Stress“ eintauchen. Und endlich sprach jemand die „mögliche Kehrseite des Clickers“ an. Da viel es mir wie Schuppen von den Augen. Marlitt hat vielseitige Tipps gegeben und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Ebenso hat sie die Gabe Mensch und Pferd im Trianing dort abzuholen wo sie stehen und etwas Gutes wachsen zu lassen! DANKE

 

Von Jule • 8. April 2014

Das mit der Ruhezone klingt sehr spannend! Berichtet doch bitte weiter davon, ob es auf Dauer funktioniert, das interessiert mich brennend.
Ich habe da auch so einen Kandidaten, ich werde es ausprobieren!

Danke für den tollen Bericht!

 

Von Jenny • 8. April 2014

Der Bericht freut mich sehr – gerade vor ein paar Wochen war ich selber bei dem Kurs mit Marlitt Wendt zum Thema Stress. Auch mir fiel es wie Schuppen von den Augen, weil ich das erhöhte Stresslevel bei meinem Wallach so gar nicht realisiert hatte.
Ich würde mich freuen, wenn ihr hier weiter berichtet, in wie fern sich Nicos „kleine Übergrifflichkeiten“ durch den Einsatz von Pausen entwickeln. So könnte ich Parallelen zu meinem eigenen 4-Jährigen Tinkermann ziehen 🙂

 

Von Jenny • 11. Oktober 2014

Liebe Babett,
lieber rest der bande,

dank euch für den prima beitrag! ich finde es toll, dass ihr so freimütig auch einfach mal fehler eingesteht (wir sind ja alle nicht perfekt, aber gerade mit den lieblingen und unter dem druck von stalltratsch, ist das ja manchmal schwer zuzugeben…).

die sache mit den ruhepause finde ich sehr interessant. beim arbeiten mit positiver verstärkung ist entzug von aufmerksamkeit und klickern natürlich potentiell eine strafe (kein wunder, dass der kleine dann genervt an der bande herumstand…).

die klassischen horsemans, die mit negativer verstärkung (pressure & release) arbeiten, machen ja oft viele pausen. aber wenn ein pferd ständig unter druck gesetzt wird, ist in ruhe lassen, natürlich auch eine belohnung.

clickerer müssen wohl andere wege finden, dass pausen als angenehm wahrgenommen werden. einen ort und tätigkeiten zu schaffen, wo das pferd in ruhe erholen kann ohne clickern, klingt sehr sinnvoll.

vielleicht kann man auch ein heunetz aufhängen, ein anderes pferd zum toben reinlassen oder andere sachen die spaß machen.

spannend fand ich auch den zusammenhang von stress und übergriffigkeiten.

ich hab mal wieder ein neues pflegepony (nach dem das alte eingeschläfert werden musste ;-(…). Nun hab ich mir mal wieder den größten problemfall im stall angelacht. schnappt, tritt, steigt etc. und der ganze stall zerreist sich natürlich das maul über die antiautoritäre erziehung und sieht nicht nur konsequenz (finde ich auch gut, wenn das verlässlichkeit bedeutet) sondern dominanz als lösung. und tatsächlich zeigt das pferd auch leichte einschüchterungsversuche gegenüber menschen.

ich hab aber das gefühl, das pferd fängt immer an schnappig und dränglich zu werden, wenn es in stress gerät – schnappt z.b. auch nach der hand, wenn es nah an anderen pferden vorbei muss, ist aber super ruhig und gelassen und arbeitet extrem aufmerksam, fein und freudig mit, bei übungen, die es gut kann. nun will ich auch nicht nur noch übungen, auf die das pferd lust hat, machen, sondern auch mal was neues fordern. aber ich glaube, ihr habt recht: sanft aber konsequent, positiv verstärkend, stressarm, und mit positiven pausen ist der richtige weg.

ich werde mal nach euren tollen vorschlägen arbeiten – insbesondere die sanfte methode, abstand einzufordern und die pausen angenehm zu gestalten. vielleicht können neben übungen wie kopf tief auch einfache übungen, die das pferd gut und gerne macht, zur entspannung eingesetzt werden. mal sehen…

auf jeden fall ganz lieben dank für die immer tollen anregungen!
jenny

 

Von Isabell • 28. März 2017

Erinnert mich an Parelli dort gibt es auch die „Box“ in der das was ihr macht als fríendly game bezichnet wird….nebeneinander stehen ohne Erwartungshaltung des Pferdes…Das es jetzt was machen „muss“….Wie sich doch alles ähnelt 😉

 

 

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