Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 35: Der Verbandwechsel
Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
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Ich gebe es zu, mir graut davor, dass ich heute Montys Verband wechseln muss. Am liebsten hätte ich ja einfach den Tierarzt dafür gerufen, aber Montys Reaktion war erst ein „Das ist nicht nötig.“ und als ich betonte, dass das aber sehr wichtig sei und auf jeden Fall gemacht werden müsste und ich es mir eigentlich nicht zutraue, kam ein klares „Auf keinen Fall der Tierarzt!“ von ihm. Bei dem Theater, das er vor zwei Tagen gemacht hat, nehme ich das sehr ernst. Also werde ich es nun erst einmal selbst versuchen. Er musste mir allerdings versprechen, dass er mitarbeitet, sonst würde ich sofort den Tierarzt rufen, ohne Wenn und Aber, schauen wir mal, ob er sich daran hält.
„Na, Monty.“, begrüße ich mein Pferd. „Was macht dein Fuß?“
„Alles bestens, danke.“, antwortet Monty und er läuft tatsächlich etwas besser.
„Du weißt, was heute ansteht?“, frage ich vorsichtig.
„Natürlich.“, sagt er.
„Und du erinnerst dich noch an unsere Abmachung, ja?“
„Selbstverständlich.“
„Gut, dann wollen wir mal.“, sage ich zuversichtlicher, als ich mich fühle und führe ihn zum Anbinder.
„Monty, gibt es irgendwas, womit ich uns die ganze Sache leichter machen kann? Brauchst du etwas? Soll ich erklären, was ich tue? Sonst irgendwas?“
„Na, nun machen Sie sich mal keine Sorgen.“
„Leicht gesagt, Monty. So wie du dich beim Tierarzt aufgeführt hast, traue ich mich ja kaum, an dein Bein zu fassen.“
„Sie übertreiben mal wieder maßlos.“, sagt Monty ziemlich von oben herab.
Ich hole Luft, aber entscheide mich dann, nicht in diese Diskussion zu gehen, sondern mich einfach auf das zu konzentrieren, was ich nun zu tun habe, nämlich den Verband abzumachen.
„Also, ich löse jetzt erstmal den äußeren Verband. Dafür schneide ich eine Schicht davon mit der Schere ab, ja? Das dürftest du kaum merken, in Ordnung?“
„In Ordnung.“, sagt Monty.
Als ich sein Bein berühre, springt er zur Seite und ich erschrecke mich furchtbar. „Mensch, Monty!“, rufe ich laut und hüpfe selbst ein Stück zurück. „Das kann doch nicht wahr sein, dass du schon zickst, bevor ich anfange.“, schimpfe ich und schaue ihn böse an.
Mein Pferd steht da und grinst. „Kleiner Scherz.“, sagt er und kichert ein bisschen. Mein Pferd kann kichern.
„Sehr witzig, wirklich witzig.“, fauche ich und finde es kein bisschen witzig. Jetzt bin ich nicht nur nervös, sondern habe auch noch weiche Knie. Nichts anmerken lassen, sage ich zu mir, nichts anmerken lassen.
Beim nächsten Versuch, sein Bein zu berühren, ruft er ein kurzes „Buh!“ direkt in mein Ohr und wieder erschrecke ich heftig. „Monty, hör auf damit. Heb dir deinen blöden Humor für später auf, ja? Ich will die Sache jetzt hinter uns bringen.“ Mein Ton ist scharf.
„Na, na, Sie sind wohl etwas angespannt, was?“, schmunzelt er und scheint sich prächtig zu amüsieren.
„Ja, Monty, ich bin angespannt, verdammt angespannt sogar. Und es wäre wirklich toll, wenn du jetzt einfach nur still hältst, damit ich den Verband abmachen kann. Geht das? Bitte?“, zische ich mit zusammengebissenen Zähnen.
„Selbstverständlich.“, sagt Monty.
Ein paar Minuten später habe ich es tatsächlich geschafft, den Verband abzumachen. Ich bin schweißgebadet. Aber wenigstens sieht die Wunde gut aus.
„Sehr schön, das ist doch schon prima geheilt, Monty. Da brauchen wir nicht mal einen kompletten Hufverband zu machen. Es reicht, nochmal die Salbe draufzumachen und das leicht zu verbinden. Ist ja auch nicht matschig im Moment.“ Ich schaue mein Pferd an. „Schaffen wir das?“
„Selbstverständlich.“
Ich lege mir alles zurecht, was ich brauche, und bitte Monty um seinen Huf. Den gibt er mir und ich lege los. Eine Miteinstellerin kommt vorbei und sagt: „Wow, hast du ein braves Pferd! Meiner spielt immer komplett verrückt, wenn er behandelt werden muss. Ich wünschte, meiner wäre auch so cool.“
„Tja.“, höre ich mein Pferd sagen und ich schaffe es tatsächlich, den Verband anzulegen.
„Na, das ging ja doch einfacher als gedacht, Monty.“
„Haben Sie etwa an mir gezweifelt?“
„Na ja, … ich denke nur an vor drei Tagen … “
„Sie sind aber nachtragend. Wollen Sie mir das jetzt für den Rest meines Lebens vorwerfen? Sie haben doch gehört, andere wünschten, ihr Pferd wäre so wie ich. So cool.“ Er lässt das Wort auf seiner Zunge schmelzen wie ein Stück Schokolade. „Sie dürfen es ruhig zugeben: Ich bin ein cooles Pferd. Cool, cool, cool.“, singt er vor sich her.
Und da muss ich dann selbst grinsen. „Ja, Mr. Cool, dann können wir ja demnächst den Tierarzt zum Impfen holen, nicht wahr?“
Monty tut, als hätte er das nicht gehört.
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Wer erzählt Montys Geschichten?
Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.
Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.
9. November 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges • Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 35: Der Verbandwechsel