Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 34: Nur ein Verband
Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.
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Es ist immer wieder spannend, wie sehr man sich doch in seinem eigenen Pferd täuschen kann, spannend und manchmal erschreckend. Ich hätte schwören können, dass mein höflicher, gut erzogener und alles in allem ziemlich cooler Monty beim Tierarzt keine Probleme machen würde.
Weit gefehlt.
Sehr weit gefehlt.
So weit gefehlt, dass ich jetzt darauf warten darf, dass die Narkose nachlässt, denn Monty musste sediert werden. Wofür? Für eine Kolik-Operation? Für eine Zahnbehandlung? Nein, nur für einen dämlichen Verband am Huf. Ich kann es immer noch nicht fassen.
„Was ist nur in dich gefahren?“, frage ich mein schlafendes Pferd. „Nie hätte ich für möglich gehalten, dass du dich so aufführen kannst.“
Als Antwort schnarcht er leise.
Ich könnte heulen. Heute hat sich mehr als deutlich gezeigt, dass Monty mir nicht vertraut. Es geht um viel mehr als um das doofe „Sie“ oder um Freundschaft, es geht darum, dass ich meinem Pferd genug Sicherheit geben möchte, damit er mir glaubt, wenn ich ihm versichere, dass nichts Schlimmes passieren wird. Und das kann ich nicht.
Ich hatte ihm doch genau erklärt, warum ich den Tierarzt rufen musste und was der machen würde, aber es hatte nichts genützt. Von dem Moment an, als der Tierarzt auftauchte, war es, als würde mein Pferd kein einziges Wort mehr verstehen, mehr noch, als wäre ich überhaupt nicht sein Mensch. Dass ich dabei war, half ihm gar nicht, letztlich war ich genauso Feind wie der Tierarzt. Und das tut richtig weh.
Ja, zugegeben, ich steigere mich da gerade ein bisschen hinein. Aber wenn man sein sonst so braves Pferd erlebt, wie es nach dem Tierarzt schlägt und das Halfter sprengt, weil es sich losreißen will, dann darf man schon schockiert sein. Aber es hatte doch sein müssen! Der Ballentritt war wirklich tief gewesen und die Wunde hatte sich tatsächlich schon leicht entzündet.
Warum konnte ich Monty so gar nicht mehr erreichen? Und warum, verdammt noch mal, nutzt es einem oft gar nichts, dass man mit seinem Pferd sprechen kann?
„Wollen wir es mit einer Nasenbremse probieren oder gleich sedieren?“, fragte mich der Arzt.
„Sedieren.“, seufzte ich. Wenigstens die Nasenbremsenfolter wollte ich ihm ersparen.
Allein die Spritze zu setzen war dann schon Herausforderung genug. Da ich Monty noch nicht so lange habe, musste ich ihn bisher auch noch nicht impfen lassen, wusste also nicht, wie er überhaupt beim Tierarzt ist. Ich hätte nie gedacht, dass es so schlimm werden würde. Mit Leckerlis ließ er sich keinen Moment lang ablenken. Ich dachte schon, er beißt mir in die Hand. Wir hielten ihn dann zu dritt fest und ich redete mit Engelszungen auf ihn ein, sodass es dem Tierarzt gelang, die Spritze zu geben.
Dann ging alles ganz schnell. Montys Hals sank tiefer, die Augenlider wurden schwer und die Gegenwehr ließ nach. Er stand nur noch leicht schwankend da. Der Tierarzt konnte die Wunde in Ruhe säubern, entfernte gleich noch etwas loses Fleisch und legte einen Hufverband an. Ich ließ ihn bei der Gelegenheit noch ins Maul schauen und er fand einen Haken hinten rechts, denn er abschliff. Wenigstens dafür war die Sedierung gut, so muss ich über den Zahnarzt erstmal nicht nachdenken. Aber trotzdem, ich fühle mich mies. Saumäßig mies. Mein Pferd vertraut mir nicht.
„Wie kann ich nur dein Vertrauen gewinnen?“, frage ich mein schlafendes Pferd und erhalte natürlich keine Antwort.
Als er eine Stunde später wieder halbwegs wach ist, schaut er sich seinen Huf mit dem Verband an. Vorsichtig testet er, ob er damit laufen kann, und sieht dabei aus wie ein Storch im Salat. Unwillkürlich muss ich grinsen.
„Na, wird’s denn gehen, Monty?“
„Muss ja.“, sagt er.
„Du hast ja eine ganz schöne Show gemacht, vorhin.“ Ich kann mir einen Kommentar nicht verkneifen.
„Ich weiß gar nicht, was Sie meinen.“, erwidert er und betrachtet weiter seinen eingepackten Huf.
„Schon klar, Monty. Aber du weißt, dass wir das jetzt üben werden, das mit den Verbänden und den Spritzen und dem Tierarzt und so?“
Monty zieht es vor, einige Schritte von mir wegzugehen und in den Sand zu pinkeln.
„Ich weiß, dass du gehört hast, was ich gesagt habe, und glaub mir, ich meine das ernst.“
Mein Pferd gibt mal wieder eines seiner verächtlichen „Pfffts“ von sich, aber das wird ihm nicht helfen.
„Na komm, ich bring dich zurück, für heute war das mehr als genug.“ Und wir gehen schweigend zusammen zur Weide.
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Wer erzählt Montys Geschichten?
Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.
Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.
12. Oktober 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges • Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 34: Nur ein Verband