Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 32: Eine Zumutung namens Waage

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

Das Thema „Gewicht“ ist mir noch weiter durch den Kopf gegangen. Irgendwie ist es ja schon gemein, dass wir Menschen so einfach für unsere Pferde entscheiden können, was, wann und wie viel sie zu fressen bekommen, und die Menge eben auch empfindlich einschränken, auch wenn wir das aus guten Gründen tun. Es ist schon eine große Verantwortung, die man so als Pferdebesitzer hat, und es gibt viel zu bedenken. Oft bin ich selbst unsicher und halte mich für zu streng, aber dann habe ich auch wieder Sorgen, dass er mir doch krank wird, wenn ich zu großzügig füttere. Vielleicht, so denke ich, wird es für mich leichter zu entscheiden und für ihn etwas leichter einzusehen, wenn wir eine neutrale Einschätzung über sein Gewicht bekommen.

Deshalb sage ich am nächsten Tag zu ihm: „Du, Monty, ich habe mir etwas überlegt.“

Er schaut mich mit seinem typischen Und-was-kommt-jetzt-wieder-Blick an, sagt aber höflich: „Ich höre.“

„Wir hatten doch gestern über dein Gewicht gesprochen.“

„Pffffft.“, macht mein Pferd und dreht den Kopf weg. „SIE hatten darüber gesprochen, mir würde nicht im Traum einfallen, das Thema einfach so zu wählen. Ich spreche ja auch nicht IHR Gewicht an.“

Die kleine Spitze ignoriere ich.

„Ja, stimmt, ich hatte darüber gesprochen, weil DU es bist, der gerne mehr zu fressen hätte. Und da du meine Einschätzung anzweifelst, habe ich gedacht, dass wir dich doch einfach mal wiegen können, dann werden wir sehen, wer recht hat.“

Sein Kopf schießt zu mir, die Augen sind weit aufgerissen und für einen Moment verschwindet seine Reserviertheit und wird ersetzt durch Empörung.

„Wie meinen Sie das? Wiegen? Mich?“

„Keine Sorge, das ist alles ganz easy. Es gibt mobile Pferdewaagen …“

„Das ist nicht Ihr Ernst.“

„… die kommen dann in den Stall und man kann sein Pferd wiegen lassen. Ist doch eine prima Sache, dann brauchen wir nicht weiter über die Futtermenge zu streiten.“

„Das ist wirklich erniedrigend. Da macht man einmal einen kleinen Vorschlag und dann kommt so etwas. Ich werde nie wieder einen Wunsch äußern, das können Sie glauben.“, schimpft mein Pferd.

„Aber wieso erniedrigend? Es geht doch um deine Gesundheit, Monty. Ich stelle mich auch auf eine Waage. Mir ist sehr bewusst, dass auch ich auf mein Gewicht achten muss!“

Der Blick, mit dem er mich von oben nach unten mustert, spricht Bände. Mein sonst so höfliches Pferd kann schon auch echt gemein sein und trifft mich natürlich wieder einmal mitten in dem wunden Punkt meiner Schuldgefühle.

„Ja, auch mein Gewicht ist ein Thema, ich weiß. Ich verspreche, ich werde weiter an mir arbeiten, denn schließlich musst du mich tragen. Aber tatsächlich geht es jetzt gerade nicht um mich, sondern um dich. Die Pferdewaage ist bestellt und dann sehen wir weiter.“

Mein Pferd schweigt.

„Du wirst sehen, das geht alles ganz leicht und schnell. Du bist auch nicht der Einzige, fünf andere hier im Stall werden auch gewogen.“

„Fünf andere Pferde? Die werden mit dabei sein?“ Wieder sind seine Augen weit aufgerissen. 

„Ja, ab fünf Pferden ist es billiger.“

„Sie haben keine Ahnung, was Sie mir damit antun.“, zischt Monty.

Diesmal ist es an mir zu schweigen.

„Das ist mehr als erniedrigend.“

„Du wirst es überleben.“, sage ich und hoffe, dass er den Humor aufgreift. Aber Humor ist nicht gerade eine Stärke meines Pferdes, wenn er beleidigt ist.

Und für diesen Tag spricht mein Pferd kein einziges Wort mehr mit mir.

Monty hat den Wiegetermin einige Tage später übrigens tatsächlich überlebt. Er hat zwar vorher kein Wort mehr mit mir gesprochen, ist aber, um allen zu beweisen, wie souverän er ist, als Erster vollkommen entspannt auf die Waage gegangen und bekam dafür prompt Leckerlis von der Waage-Frau („Sehr nett, die Frau.“, flüsterte er mir zu. Immerhin sprach er von da an wieder mit mir). 

Dann bescheinigte sie ihm „ganz gut beieinander zu sein“ und sagte, dass er nicht mehr auf den Rippen haben sollte („Manche, die zuerst nett wirken, erweisen sich erst später als fies.“, war sein Kommentar). 

Ich lag also nicht falsch mit meiner Einschätzung und damit ist das Thema erstmal vom Tisch.

 

–> Weiter mit Kapitel 33

 

 

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Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

17. August 2021 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 32: Eine Zumutung namens Waage

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