Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 19: Heute mal ganz locker – … oder auch nicht

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

Ich habe beschlossen, dass ich die Sache mit der Strenge und mit der Schwere allein lösen will. Nur weil mein Pferd sprechen kann, darf ich doch nicht ständig zu ihm rennen und ihn mit meinem Psychokram belasten. Schließlich weiß ich ja, wo ich ansetzen muss: bei mir selbst. Ich muss wieder lockerer werden, nicht alles so ernst nehmen und viel dankbarer sein für alles, was ich habe. Ich habe ein wundervolles Pferd und ich habe das tollste Hobby auf der Welt. Wäre doch gelacht, wenn ich es nicht schaffen würde, mir meine Leichtigkeit zurückzuholen!

Für heute habe ich mir deshalb etwas Besonderes mit Monty vorgenommen, etwas so richtig fürs Herz: Ich geh mit Monty heute für eine kleine Bummelrunde ins Gelände und setze mich nur mit Halfter und ohne Sattel drauf. Einfach mal wieder ganz unbesorgt und unbedarft Pony-Mädchen spielen (… na ja, auf einem ziemlich großen „Pony“…). Er darf schauen und trödeln so viel er will und ich werde es einfach genießen, mich von ihm tragen zu lassen. Qualitätszeit nennt man das, also ohne Anspruch, ohne Ziel und Druck. Und so freue ich mich wirklich wie ein Kind, als ich zum Auslauf komme, um mein Pferd zu holen. Der zuckt allerdings mal wieder kaum mit dem Ohr, als ich rufe. Na, er döst halt, sage ich mir fröhlich, gehe näher heran und spreche ihn liebevoll an: „Hallo Monty.“

„Ach, Sie sind es.“, sagt mein Pferd, ohne aufzuschauen.

„Ja, ich bin es.“, strahle ich ihn an. „Was hältst du von einer kleinen, ganz gemütlichen Geländerunde ohne Sattel?“

Monty gähnt.

„Wie Sie wünschen.“, sagt er dann und irgendwie ist das nicht das, was ich hören will. Und dass er einfach weiterdöst, ist auch nicht die Reaktion, die ich mir vorgestellt habe. Aber, hey, ich lass mich dadurch doch nicht entmutigen.

„Komm schon, das wird toll. So ganz ohne Programm und ohne nachzudenken. Und du darfst so viel trödeln, wie du magst.“

Die einzige Reaktion meines Pferdes ist ein Schlagen des Schweifes, um die Fliegen zu vertreiben. Begeisterung ist das ja nicht wirklich.

„Äh, Monty?“, hake ich nach, weil mein Pferd eingeschlafen zu sein scheint.

„Was? Ach ja, Sie wollen ausreiten.“, sagt mein Pferd und es klingt fast, als würde ich sonst was fordern. Irgendwie läuft das alles vollkommen anders, als ich es mir ausgemalt hatte. Mein schönes Freudegefühl verpufft zu einem ernüchternden Wölkchen Nichts und Enttäuschung macht sich breit. Isa, versuche ich mir noch zu sagen, nimm das jetzt nicht persönlich, du weißt doch, wie Monty ist …, aber ich kann nichts dagegen machen, ich fühle mich plötzlich richtig mies.

Monty hat sich inzwischen zu mir gedreht und hält mir mit halb geschlossenen Augen seinen Kopf hin. Das kommt mir in diesem Moment wie ein Hohn vor.

„Weißt du was, Monty, wir lassen es einfach. Das Ganze war wahrscheinlich eh eine blöde Idee.“ Ich erschrecke ein bisschen darüber, wie eingeschnappt ich mich anhöre und wie scharf und laut meine Stimme klingt, aber ich kann es nicht ändern. „Vielleicht sollten wir einfach alles lassen und gar nichts mehr zusammen unternehmen. Am glücklichsten bist du offenbar, wenn ich dich in Ruhe lasse.“, setze ich nach.

Mein Pferd schaut mich fragend an.

„Ja, und nun glotzt du mich auch noch so an. Ich weiß, ich benehme mich gerade vollkommen daneben, aber, weißt du was, ich kann nicht anders. Und das ist jetzt auch egal, denn ich mache ja sowieso nichts richtig, überhaupt nichts, nicht mal nichts zu wollen bekomme ich hin … “, und meine Stimme kippt. Ich merke genau, dass ich mich da immer mehr hineinsteigere, aber ich kann es einfach nicht stoppen. Ich tue mir selbst leid, weil nichts von dem klappt, was ich mir vornehme, und weil ich nicht einfach lächeln kann über mein schläfriges Pferd, sondern alles persönlich nehme, obwohl ich genau weiß, dass das falsch ist. Weil ich doch einfach nur ein bisschen Freude haben wollte und nun wieder alles versaut ist. Und nun heule ich auch noch.

Nach einer Weile beruhige ich mich wieder etwas. Monty, der derweilen neben mir gestanden hat, stupst mich mit der Nase an: „Alles gut bei Ihnen?“

„Ich weiß es nicht, Monty. Manchmal weiß ich gar nichts mehr. Ich will alles so viel besser machen und bekomme es einfach nicht hin. Vielleicht bin ich gar nicht die Richtige für dich, vielleicht wärst du mit jemanden anderen viel glücklicher …“ Wieder laufen Tränen.

„Wie kommen Sie denn darauf?“, fragt er ehrlich erstaunt.

„Na, du scheinst dich nie zu freuen, wenn ich komme. Alles was ich vorschlage, machst du nur, weil du es als deinen Job siehst. Und ich habe ständig das Gefühl, einfach nichts richtig zu machen.“

„Ach, da sind Sie aber etwas zu streng mit sich.“, sagt mein Pferd und haut damit erst recht noch mal in den eh schon wunden Punkt.

„Nein, ich bin zu streng zu dir, darum geht es doch!“, plärre ich wieder los. „All dieses Gängeln, das Schimpfen, das ständige Ermahnen. So will ich gar nicht sein! Ich will nicht über alles hundertmal nachdenken. Ich will so gerne wieder so unbedarft sein, wie ich es mal war, und einfach Freude haben an dir und am Reiten. Statt dessen muss ich ständig alles hinterfragen und alles ist so schwierig geworden. Jeder erzählt etwas anderes. Ich soll es auf diese oder jene Art machen, vieles darf ich auf keinen Fall tun und dann muss ich aber unbedingt noch sonstwas beachten. Ich habe das Gefühl gar nichts mehr zu können oder zu wissen. Kein Wunder, dass du dich nicht über mich freuen kannst. Wahrscheinlich sollte ich gar kein eigenes Pferd haben.“ Und damit tue ich genau das, was ich nicht wollte: Ich heule Monty die Ohren voll.

Mein Pferd sagt nichts. Genau so, wie ich es erwartet und auch befürchtet hatte. Aber es ist okay. Was soll er auch sagen? Er kann die Sache nicht für mich lösen. Das ist mein Job. Monty ist ein Pferd und kein Psychiater. Und endlich komme ich wieder zur Vernunft.

„Nun komme ich mir ganz schön blöd vor, Monty. Bitte entschuldige meinen Ausbruch.“, sage ich kleinlaut.

„Kein Problem.“, antwortet Monty. „Und wissen Sie, ich finde Sie okay.“

Da muss ich lachen. „Das ist schön, Monty.“, sage ich und meine es auch so. „Was meinst du, wollen wir denn noch eine kleine Runde machen?“

„Selbstverständlich.“, sagt mein Pferd und kurz darauf lasse ich mich auf seinem Rücken Richtung Wäldchen tragen. Die Sonne scheint, Monty schnaubt fröhlich ab, ich spüre seine Wärme und fühle mich sicher und geborgen auf meinem Pferd.

Und, ja, es ist tatsächlich alles gut.

–> Fortsetzung: Kapitel 20

 

 

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Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

6. Oktober 2020 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 19: Heute mal ganz locker – … oder auch nicht

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