Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 14: Die Sache mit dem „Sie“, die zweite

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

Irgendwie wurmt es mich doch sehr, dass Monty mich nicht duzen will und dass er unser Miteinander als seinen Job ansieht, auch. Hey, ein bisschen Wendy ist doch in jeder von uns, nicht wahr? Ich will mich nicht als Arbeitgeberin meines Pferdes sehen (na ja, wenn man es genau nimmt, bin ich ja eigentlich sogar noch eher so etwas wie eine Leibherrin über einen Leibeigenen, aber das hört sich ja noch viel schrecklicher an). Ich möchte doch, dass uns eine Partnerschaft verbindet, im Idealfall eine Freundschaft.

Ich beschließe, ihn noch einmal darauf anzusprechen.

„Du, Monty, ich muss noch mal über die Sache mit dem Beruf mit dir reden.“

Monty schaut mich an.

„Na ja, du sagtest, dass du Berufs- und Privatleben trennen möchtest. Aber, … Beruf, … ich meine, siehst du das hier wirklich als deine Arbeit?“

„Ja, natürlich, als was denn sonst?“

Ich schlucke. Ein dicker Kloß ist in meinem Hals. Komisch, wie emotional man doch immer gleich ist, wenn es um das eigene Pferd geht, oder? Ich meine, als er noch in der Reitschule war und ich ihn einmal in der Woche geritten bin, habe ich ihn gemietet wie ein Auto, nicht wahr? Natürlich sah er das als Job. Und dann habe ich ihn gekauft wie ein Auto …, denke ich. Irgendwie schon nachvollziehbar, dass er das nicht wirklich anders sehen kann.

„Ich dachte halt, es ist etwas anderes …“, erwidere ich hilflos.

„Ich fürchte, ich verstehe nicht.“, sagt Monty.

„Ach, ich weiß auch nicht, irgendwie tut es mir weh, dass du die Zeit mit mir als Berufsleben bezeichnest.“

„Entschuldigung.“, sagt Monty.

„Das gibt mir das Gefühl, dass ich dich benutze.“

„Sie sagen das, als ob das was Schlechtes ist.“

„Aber das ist es doch auch!“, rufe ich entsetzt.

„Aber Sie haben mich doch gekauft, um mich reiten zu können.“

Er sagt das ohne jeden Vorwurf, ohne jede Häme, ohne jede Gefühlsregung. Es ist für ihn einfach eine Tatsache. Aber es ist eine, die sich für mich schrecklich anfühlt! Ja, klar, ich habe mir ein Pferd zum Reiten gewünscht. Aber doch auch viel mehr. Ich sehne mich nach einer tiefen Beziehung zu meinem Pferd, nach einem echten Miteinander, nach inniger Verbundenheit – und ich dachte, dass wir so etwas über die Jahre vielleicht erreichen könnten.

„Warum soll das was Schlechtes sein?“, hakt Monty nach.

„Na, ich will dich doch nicht benutzen.“ Ich lasse den Kopf hängen und fühle mich richtig mies.

„Entschuldigung, aber das ist wieder einmal zu kompliziert für mich. Sie wollen mich reiten, aber sie wollen mich nicht benutzen. Das muss wohl menschliches Denken sein.“

„Ich möchte, dass du die Sachen freiwillig und gerne mit mir machst.“, sage ich leise.

„Ob gerne oder nicht, darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

Ich sage nichts und kann ihn auch nicht anschauen. Ich stehe da und gucke auf meine Füße.

„Wissen Sie, ich sehe das so: Ich bin Ihr Pferd und damit habe ich den Job, Ihr Pferd zu sein. Und als Ihr Pferd mache ich das, was Sie möchten. Ganz einfach, ganz normal.“

Mir fällt immer noch nichts zu sagen ein. Am liebsten würde ich heulen.

„Glauben Sie mir, ich hätte es schlimmer treffen können. Ich habe es gut bei Ihnen.“, sagt er, wahrscheinlich um mich zu trösten.

„Danke.“, antworte ich kleinlaut.

Und damit scheint für ihn das Thema durch zu sein.

Ich wiederhole mein neues inneres Mantra: „Mach kein Problem daraus, mach kein Problem daraus…“ und nehme mir fest vor, Monty zu zeigen, dass er bei mir nicht nur Angestellter ist, sondern dass ich ihm ein echter Freund sein will und kann.

-> Fortsetzung: Kapitel 15

 

 

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Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

16. Juni 2020 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 14: Die Sache mit dem „Sie“, die zweite

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