Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 9: Und Reiten ist doch ein Problem

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

So schön mein Spaziergang gestern mit Monty war, so habe ich mich aber letztlich damit nur um das Thema Reiten herumgedrückt. Es ist immer noch ein Problem für mich, wie ich feststellte, als ich nach Hause fuhr.

Das Einfachste wäre wohl, nicht mehr zu reiten. Aber diesen Gedanken finde ich richtig furchtbar. Gar nicht mehr zu reiten? Reiten ist einfach so schön und es gehört zu mir und ich wollte immer ein eigenes Pferd! Ich, ich, ich… Ich höre mich an, wie ein Kleinkind und fühle mich auch ein bisschen so, aber ich will das Reiten nicht aufgeben.

Monty hat gesagt, dass es für ihn in Ordnung ist, wenn ich ihn reite. Kann man sich denn mehr wünschen, als eine ausdrückliche Zustimmung von seinem eigenen Pferd? Eigentlich nicht, oder? Und doch bin ich so verdammt unsicher. Ich frage mich warum. Ich meine, ich mache die Sache doch halbwegs anständig: Ich habe Monty nie verdroschen, ich mute ihm keine scharfen Gebisse zu, keine Hilfszügel und ich reite nicht mit Sporen. Aber, klar, ich habe ihn schon so manches Mal ordentlich getrieben, wenn er nicht vorwärtsging oder an einer Sache im Gelände nicht vorbei wollte, weil mich das irgendwie wütend gemacht hatte. Und meine Hände sind arg unruhig im Galopp und seinen Trab kann ich eigentlich gar nicht aussitzen. Und im Umgang war ich oft auch ganz schön ungeduldig…

Aber ich könnte doch jetzt versuchen, einfach alles besser zu machen. Eigentlich habe ich die größte Chance überhaupt, denn ich kann mein Pferd jederzeit fragen, was es gut findet und was nicht. Ich muss nicht mehr raten. Ich kann fragen und er antwortet. Ich muss ihm nur noch glauben.

Und so nehme ich mir heute fest vor, dass wir eine kleine Runde in der Halle reiten. Ich wäre lieber ins Gelände gegangen, aber es schüttet wie aus Eimern.

„Hey Monty, was hältst du von einer kleinen Reiteinheit in der Halle?“, frage ich mein Pferd, als ich ihn vom Auslauf hole. Seltsam, wie flatterig meine Stimme klingt.

„In Ordnung.“, antwortet er.

„Muss nicht sein, wenn du nicht magst.“, sage ich schnell, denn so richtig überzeugend klang das ja nicht.

„Ist in Ordnung.“, wiederholt er und ich zwinge mich dazu, mich damit zufriedenzugeben und es nicht weiter zu interpretieren.

Beim Putzen merke ich, dass meine Knie wieder weicher werden. Mist. Ich hatte mir doch so fest vorgenommen, kein Problem daraus zu machen.

„Du, Monty, du sagst mir aber einfach, wenn du zu irgendwas keine Lust hast, ja?“

„Ja.“

„Das meine ich ganz ernst. Jetzt, da du reden kannst, kannst du jederzeit sagen, was du nicht möchtest. Ich will nichts tun, was du nicht willst.“

„Okay.“

Boah, er könnte es mir ja ein bisschen leichter machen.

„Ist alles gut mit dir?“, frage ich.

„Ja, alles in Ordnung.“

Es fühlt sich nicht so an, aber ich halte den Mund.

Ich sattele Monty und zäume ihn und wir gehen in die Halle. Ungefähr hundertmal muss ich mich zwingen, nicht wieder nachzufragen, ob es okay ist, dass ich ihn heute reite. Dabei vergesse ich ständig das Atmen und bin schon fertig, bevor ich auf dem Pferd sitze. Dann führe ich ihn an die Aufstieghilfe.

„Also, pass auf, ich stelle jetzt meinen Fuß in den Steigbügel.“, sage ich.

„In Ordnung.“, sagt Monty.

„Und jetzt steige ich auf, ja?“

„Ja.“

„So, nun sitze ich auf dir, ist das okay, Monty, oder bin ich zu schwer, sitze ich doof, soll ich was anders machen?“

„Sagen Sie mal, soll das jetzt so weitergehen?“

„Was genau, Monty? Ich kann auch wieder absteigen, wenn es dir nicht recht ist!“ Ich bin bestürzt.

„Na, diese endlose Fragerei.“

„Ich meine es doch nur gut. Ich will nichts falsch machen. Ich will, dass du einverstanden bist.“

„Das habe ich doch schon gesagt.“

Ich sage nichts, sondern kämpfe mit den Tränen. Monty steht ruhig und wartet.

„Ich kann das nicht, Monty.“

„Was können Sie nicht?“, fragt mein Pferd.

„Dich reiten.“

„Bisher konnten Sie das ganz gut.“

„Ja, und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil es irgendwie nicht richtig ist.“

„Mich zu reiten ist nicht richtig? Wen wollen Sie denn sonst reiten? Bisher war doch alles gut mit mir?“

Jetzt missversteht er mich auch noch! „Ach, Monty, mit dir ist alles bestens! Du bist ein supertolles Pferd und ich möchte kein anderes außer dir reiten. Aber, … ich kann dich doch jetzt nicht einfach herumkommandieren und dir sagen, was du machen sollst.“

„Naja, Sie müssen ja nicht kommandieren. Wissen Sie, eigentlich würde ich mich jetzt wirklich gerne bewegen. So herumzustehen ist etwas langweilig und mir schlafen die Hufe ein. Also, könnten wir vielleicht…?“

Ich muss lachen und bin meinem Pferd sehr dankbar für diesen Anstupser.

„Na klar, dir schlafen die Hufe ein, wo du ja sonst auch niiieee einfach so herumstehst, nicht wahr? Also gut.“, sage ich und ich gebe reflexartig die Hilfe zum Antreten.

„Na also, geht doch.“, sagt Monty fröhlich und tritt an. Die ersten Schritte sind gemacht: Ich reite mein nun sprechendes Pferd.

Fortsetzung: Kapitel 10

 

Monty - Wege zum Pferd

 

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Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

24. März 2020 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 9: Und Reiten ist doch ein Problem

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