Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 5: Und was mache ich jetzt?

Aus „Ich bin’s, Ihr Pferd“ von Tania Konnerth
– zum ersten Kapitel geht es hier.

Ich weiß noch genau, wie ich an diesem Tag, an dem Monty das erste Mal mit mir gesprochen hatte, sehr verwirrt von der Weide zurück zum Stall lief. Ich versuchte, zu verstehen, was da eigentlich gerade geschehen war: Mein Pferd hatte gesprochen. Ich hatte ein sprechendes Pferd. Ein ausgesprochen höfliches, sprechendes Pferd. Es siezte mich sogar.

Es gab keinen Zweifel, ich musste vollkommen verrückt geworden sein.

Und was soll ich jetzt machen, fragte ich mich. Tja, was macht man, wenn man durchdreht? Ich für meinen Teil packte Montys Sachen weg, nahm meine Jacke, schloss die Sattelkammer ab und setzte mich in mein Auto.

„Ich habe mir das schlicht und einfach eingebildet.“, sagte ich zu meinem Lenkrad. Das antwortete glücklicherweise nicht, sonst hätte ich wahrscheinlich einen Schreikrampf bekommen. Ich klappte die Sonnenblende herunter und schaute in den Spiegel. „Mädel, du machst mir Sorgen.“, sagte ich dieses Mal zu mir selbst und zuckte mit den Schultern. Dann startete ich den Motor und fuhr nach Hause.

Tage, an denen sich plötzlich das Leben ändert, zeichnet meist vor allem eines aus: Sie sind endlos lang. Ich konnte mich an diesem Tag auf nichts mehr konzentrieren. Was ich auch anfing, meine Gedanken kreisten um mein sprechendes Pferd und um meinen Geisteszustand. Am liebsten wäre ich noch einmal zu Monty gefahren, um mich zu überzeugen, dass er – natürlich! – nicht sprach, aber ganz ehrlich? Ich traute mich nicht.

Genauso wenig traute ich mich, irgendjemandem davon zu erzählen. So etwas kann man einfach niemandem sagen, nicht einmal seiner besten Freundin. Die hätte ich zu gerne angerufen. Anne hat auch Pferde und wir haben schon vieles in Sachen Pferd zusammen erlebt und durchgemacht. Aber selbst sie würde wahrscheinlich an meinen Verstand zweifeln oder es für eine esoterische Spinnerei halten und nicht für eine reale Tatsache. Dass wir alle mal das Gefühl haben, eine Art „Botschaft“ von unseren Pferden zu bekommen oder hin und wieder auch mal ihre Gedanken lesen zu können, das schien mir ja noch normal (ich hatte mir das jedenfalls vorher durchaus mal eingebildet), aber dass ein Pferd wirklich spricht? So richtig mit Worten und laut und deutlich? Das gibt’s doch nur in Büchern und Filmen.

Nun aber hatte meines gesprochen – und war das nicht eigentlich einfach großartig?

Wie oft hatte ich mir gewünscht, Monty besser zu verstehen! So wäre es zum Beispiel im Falle von Krankheiten doch ausgesprochen hilfreich, wenn ein Pferd sagen könnte, wie es ihm geht oder worin genau seine Beschwerden bestehen. Häufig hätte ich gerne wissen wollen, was ihm Sorgen bereitet hatte, wenn er mal wieder auf einem Ausritt aufgeregt auf der Stelle tänzelte oder partout nicht an einem Ort vorbeigehen wollte, an dem ich nichts Ungewöhnliches entdecken konnte. Ich hätte auch gerne gewusst, was er beim letzten Umzug in den neuen Stall gedacht hatte und vieles, vieles mehr.

Jetzt würde ich ihn das alles fragen können! Ich würde nicht mehr raten, interpretieren und spekulieren müssen, sondern er könnte mir sagen, was er braucht und was nicht, was er mag und was nicht – war das nicht genial? Wir könnten uns beim Reiten viel leichter über die nächsten Lektionen austauschen. Ich könnte einfach sagen, was ich will, weil er mich ja verstehen kann. Wow, alles würde jetzt so viel einfacher werden! Und nun würden wir ganz sicher auch die Beziehung bekommen, die ich mir immer für uns gewünscht hatte: Echte Freunde würden wir werden, die über alles einfach alles reden können.

In diesem Moment war ich sehr glücklich.

Als ich allerdings abends im Bett noch einmal über Monty nachdachte, sank meine Stimmung wieder. Monty war in seinem ganzen Wesen kein besonders anhängliches oder zugängliches Pferd, sondern immer etwas distanziert. Ich hatte nie das Gefühl, dass mein Pferd mich liebte, so wie ich es bei Hunden oft sah, die ihre Besitzer schon manchmal zu vergöttern schienen. Klar, ein Pferd war kein Hund, aber ein bisschen wollte doch jeder von seinem Pferd geliebt werden, oder?

Nun würde ich herausfinden können, was Monty wirklich über mich denkt – und das war, wenn man mal wirklich so darüber nachdachte, eine ganz schön gruselige Vorstellung! Ich meine, wir kamen ja gut miteinander aus, aber würde das jetzt, da mein Pferd seine Stimme gefunden hatte und seine Meinung äußern konnte, noch reichen? Ich fragte mich, wie mich Monty wohl ehrlich erlebte. War ich in seinen Augen eine gute Besitzerin? Die Aussicht, auf solche Fragen nun tatsächlich Antworten zu bekommen, machte mir furchtbare Angst.

Es war schon sehr spät, als ich irgendwann endlich einschlief.

–>Fortsetzung: Kapitel 6

 

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Tania Konnerth

Wer erzählt Montys Geschichten?

Die Geschichten von Monty schreibt Tania Konnerth. Sie hat seit über 40 Jahren mit Pferden zu tun und hat – unter uns gesagt – inzwischen immer öfter das Gefühl, dass Pferde tatsächlich sprechen können.

Tania arbeitet als Schriftstellerin und Autorin in Bleckede. Mehr von ihr gibt es unter www.tania-konnerth.de.

11. Februar 2020 von Tania Konnerth • Kategorie: Geschichten von einem sprechenden Pferd, Sonstiges Kommentare deaktiviert für Ich bin’s, Ihr Pferd – Kapitel 5: Und was mache ich jetzt?

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