Trauer und Tod dürfen keine Tabu-Themen sein

Am 31.3.18 jährte sich der Tod meines Pferdes Aramis zum ersten Mal. Ein Jahr ohne ihn liegt hinter mir. 

So ein Trauerjahr ist lang und kurz zugleich. Wenn wir trauern, fallen wir ein Stück weit aus der Zeit. Die Erde dreht sich weiter, während wir sehr viel Zeit brauchen, erst um überhaupt zu begreifen, dann um damit leben zu lernen. Dabei ist Trauer ein Wandelwesen. Es gibt viele verschiedene Stadien von Trauer. Trauer kann die Hölle sein und auch Glückseligkeit und alle Stufen dazwischen. Und Trauer kann leider auch einsam machen, dann, wenn Trauer zu einem Tabu-Thema wird. 

Immer noch da

Was mir in meiner Trauer am meisten hilft, ist dass Aramis für mich noch immer da ist. Fühlbar da. Seine Präsenz, vielleicht auch seine Essenz. Er begleitet und trägt mich noch immer. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke, und das ist keineswegs nur schmerzlich, sondern oft wunderschön.  

Vielen Menschen fällt es schwer, mit Trauer und vor allem auch mit Trauernden umzugehen. Nicht nur die Unsicherheit darüber, wie man sich verhalten soll, ist groß, sondern hinzukommen eigene Berührungsängste mit den Themen „Tod“ und „Verlust“. Die betretenen Mienen kennt sicher jeder, der auch nach der akuten Phase noch über das verstorbene Wesen reden möchte, und das ungute Gefühl, dass das Thema, ja, sogar der Name nach und nach auf eine merkwürdige Art tabu wird…  

Der Tod meines Pferdes ist kein Tabu-Thema für mich, ganz im Gegenteil. Sein Tod ist genauso Teil meines Lebens, wie es sein Dasein war. So wie ich mit ihm lebte, lebe ich nun ohne ihn weiter, aber deshalb verdränge ich ihn nicht und vergessen tue ich ihn schon gar nicht. 

Auch wenn es stimmt, dass Trauer ein individueller Prozess ist, so sollte, denke ich, keiner ganz allein sein müssen damit. Für viele ist es sehr heilsam, nicht nur über den Verlust reden zu können, sondern vor allem auch über die schönen Erinnerungen – und das eben nicht nur für einige Wochen, sondern auch noch viel, viel später. 

Ich bin sehr dankbar, dass es um mich herum Menschen gibt, die meine Trauer einfach genau so sein lassen können, wie sie ist. Ich kann kleine Anekdoten erzählen und von den vielen, wundervollen Erlebnissen berichten. Ich kann Aramis in einem Nebensatz erwähnen oder auch einfach nur die Tränen laufen lassen, wenn er mir gerade besonders doll fehlt oder auch besonders nah ist. Meine Trauer darf sein und muss nicht verändert oder versteckt werden. Das ist sehr kostbar.

Feiern, was war

Aktive Trauer ist bei weitem nicht nur Schmerz, sondern ja, sie kann auch ein Fest sein. Indem ich an Aramis denke und über ihn rede, feiere ich das, was wir hatten, denn das kann mir keiner nehmen. Das ist, was bleibt.

Aramis
 

3. April 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Sonstiges 3 Kommentare »

 

3 Reaktionen zu “Trauer und Tod dürfen keine Tabu-Themen sein”

 

Von Anne • 5. April 2018

Hallo Tania,

ich freue mich, dass es jemand mal ausspricht, dass der Verlust kein Tabuthema sein sollte. Mein Pferd Aslan ist mit drei Jahren 22 Stunden nach seiner Kastration qualvoll verstorben. Wir haben 12 Stunden um sein Leben gekämpft. Letztendlich konnte weder der TA, noch die aus der nahgelegenen Pferdeklinik gerufene Ärztin ihm helfen.
Nachts um halb fünf musste ich die Entscheidung treffen, dass Einschläfern die letzte Möglichkeit bleibt.

Das Schlimme für mich daran ist, dass ich eigentlich immer Angst vor Pferden hatte und auch bis Aslan nie mit Pferden zu tun hatte. Ich habe Aslan eigentlich meiner Nichte, die sich ihn ausgesucht hat, gekauft. Letztendlich habe ich mich nur um ihn gekümmert. Aslan war 1 Jahr alt und kam aus einer schlechten Haltung. Er hatte Angst vor dem Menschen und sah auch schlecht aus. Aslan und ich haben einfach zusammen die Welt entdeckt und alles zusammen gelernt. Er war trotzdem er lange Hengst ein tolles Pferd, was auch viel Aufmerksamkeit auf sich gerichtet hat. Mittlerweile hatte er sich auch zu einem Prachtexemplar entwickelt. Ich war stolz auf ihn und ich bin mir sicher wir haben beide aneinander gehangen. Mir hat das Zusammensein mit ihm auch über viele psychische Belastungen geholfen. Kurz gesagt er war mein Ein und Alles. Umso schlimmer war der Verlust.
Sein Tod ist jetzt 1,5 Jahre her und er ist präsent für mich. Ich tabusiere Aslan nicht. Ich spreche offen über ihn und auch über meinen Schmerz. Ich weine auch heute noch um ihn. Es ist mir egal, dass es Menschen gibt, die kein Verständniss für den schmerzlichen Verlust eines Tieres haben.Ich sage manchmal zu diesen Menschen:“Aslan war der beste Mensch, den man sich vorstellen konnte.“

 

Von Katharina Nitzsche • 9. April 2018

Das hast du mal wieder wunderbar geschrieben und JA! Genauso ist es! Ich mußte auch schon viele gehen lassen und weiß genau was du meinst. Dein Text ist wieder mal eine gute Stütze um weiter zu kommen! Danke du Liebe!

 

Von Kerstin • 10. April 2018

Du sprichst mir aus der Seele! Meine Bjalla ist heute vor zwei Monaten gegangen. Trotzdem ist sie noch da und wird es immer sein. Ich kann fühlen, dass sie bei mir ist. Und ich kann an sie denken, über sie reden, um sie weinen.

Jetzt schon ist es so, dass sie und ihr Name für viele Menschen in meiner Umgebung zum Tabu geworden sind. Ich sehe es an den Blicken. Die Welt dreht sich weiter und man geht zur Tagesordnung über. Aber für mich ist Bjallas Tod eine große Veränderung in meinem Leben, die auch mich verändert. Sie lebt weiter in meinen Erinnerungen, Geschichten und dem, was ich mit und durch sie gelernt habe. Das kann mir niemand nehmen. Zum Glück gibt es einige wenige Menschen, die nicht das Thema wechseln, sobald Bjallas Name fällt. Meine Umgebung wird damit leben müssen, dass Bjalla weiterhin Teil meines Lebens bleibt.

 

 

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