Die Sache mit der Sicherheit

Ein Hauptargument für das harte Durchgreifen bei Pferden und auch für den Einsatz von Gewalt ist immer wieder der Aspekt der Sicherheit: Pferde seien große und kräftige Tiere und auch nicht gerade zimperlich und wenn man sich da nicht durchsetzt, wird es gefährlich. Und damit wird der Einsatz von allen möglichen Hilfs- und Gewaltmitteln gerechtfertigt, genauso wie das Strafen und Schlagen.

Gut, befassen wir uns also mit dem Thema „Sicherheit“ und fragen uns, wie sich Sicherheit tatsächlich am besten erreichen lässt.  

Typische gefährliche Situationen und leider ganz normale Reaktionen darauf

Keine Frage, der Umgang mit Pferden und das Reiten von Pferden kann gefährlich sein. Darin sind wir uns einig. Fragwürdig finden wir allerdings, wodurch immer noch so viele glauben, die Risiken minimieren oder gar ausschalten zu können:

  • Ein ängstliches Pferd wird angebrüllt und gebufft, weil es einen sonst über den Haufen rennt…
  • Ein am Anbinder hampelndes Pferd bekommt eine übergezogen, damit es einen nicht an die Wand drückt…
  • Ein schnappendes Pferd bekommt eins auf die Nase, damit es lernt, nicht mehr zu beißen…
  • Ein buckelndes Pferd wird mit der Gerte verdroschen, damit es damit aufhört…
  • Ein durchgehendes Pferd bekommt ein scharfes Gebiss mit Anzügen ins Maul, damit man es halten kann…

… um nur einige Beispiele zu nennen.

Macht irgendetwas davon die Sache sicherer?

Schauen wir uns einmal an, wie diese Szenarien weitergehen könnten:

  • Das ängstliche Pferd, das angebrüllt und gebufft wurde, hat nun noch mehr Grund Angst zu haben, einmal, weil es die Aggressivität des Menschen spürt und weil es Angst vor weiteren Strafmaßnahmen hat. Ob es das wirklich ruhiger und händelbarer machen wird?
  • Das am Anbinder hampelnde Pferd, das eine übergezogen bekommt, war vielleicht deshalb so unruhig, weil es sich durch das Angebundensein (und damit durch das Ausgeliefertsein) unsicher fühlte oder weil es das Geputztwerden als unangenehm empfand oder weil es spürte, wie gestresst der Mensch neben ihm ist… Wird ein Schlag mit der Gerte sicherstellen, dass es danach ruhig und gelassen stehen bleibt?
  • Wird das schnappende Pferd, das einen Schlag auf die Nase bekommen hat, tatsächlich nicht weiterschnappen oder wird es vielleicht versuchen, beim nächsten Mal einfach schneller zu sein, um einem Schlag auszuweichen?
  • Das buckelnde Pferd, das Schläge mit der Gerte bekam, damit es mit dem Buckeln aufhört, hatte eigentlich nur zum Ausdruck gebracht, dass sein viel zu enger Sattel schmerzhaft auf seine Wirbelsäule drückt – werden die Schläge es ruhiger und kooperativer machen?
  • Wird das scharfe Gebiss das zum Durchgehen neigende Pferd tatsächlich dazu bringen, nicht zu rasen oder werden es die Schmerzen im Maul vielleicht erst recht davonstürmen oder gar steigen lassen?

In all diesen (und vielen, vielen anderen) Fällen wird ein unerwünschtes Verhalten des Pferdes mit Gewalt beantwortet, damit das Pferd mit seinem Verhalten aufhört oder sich anders benimmt. Aber in keinem dieser Fälle wird einmal überlegt, WARUM das Pferd tut, was es tut, und in keinem Fall wird versucht, etwas an der Situation zu ändern, damit das Pferd sich anders verhalten kann.

Sicherheit entsteht durch Verstehen

Sicherheit entsteht unserer Ansicht nach durch Verstehen, also durch Pferdewissen, Einfühlungsvermögen und kreative Lösungsansätze. In Hinblick auf Sicherheit würden wir in den obigen Beispielen so vorgehen:

  • Bei dem ängstlichen Pferd würden wir herauszufinden versuchen, was genau dem Tier Angst macht. Sind es äußere Reize? Wenn ja, wie kann man dem Pferd diese auf eine gute Weise nahe bringen, damit es sich davon überzeugen kann, dass ihm nichts passiert? Reagiert das Pferd auf die Menschen um ihn herum und hat es vielleicht Angst vor ihnen? Dann gilt es daran zu arbeiten, dass das Pferd Vertrauen gewinnen kann. Ist das Pferd in sich unsicher? Dann können ihm vielleicht Übungen helfen, die sein Selbstbewusstsein fördern. Will das Pferd nicht von seiner Herde weg, weil es sich allein fürchtet? Dann gilt es den Ablöseprozess so behutsam zu gestalten, dass das Pferd in seinem eigenen Tempo genug Sicherheit und Vertrauen entwickeln kann, um dem Menschen angstfrei auch von der Herde weg zu folgen.
  • Bei dem am Anbinder hampelnden Pferd würden wir erst einmal hinterfragen, ob das Pferd je auf eine positive Weise gelernt und erfahren hat, dass das angebundene Stehen etwas Tolles sein kann, wenn nicht, würden wir das aufbauen. Wir würden weiterhin achtsam herauszufinden versuchen, was dem Pferd dort an dem Ort Unbehagen bereitet und die Ursachen entweder beheben oder das Pferd damit vertraut machen. Reagiert das Pferd unwirsch auf das Putzen, würden wir überprüfen, ob es vielleicht Schmerzen hat oder auf eine andere Art geputzt werden möchte, die ihm angenehmer ist. Sollte der Mensch, der das Pferd putzt, die Nervosität durch seine eigene Stimmung auslösen, würden wir versuchen, dem Menschen zu vermitteln, wie er beruhigender auf das Pferd wirken kann.
  • Bei dem schnappenden Pferd würden wir davon ausgehen, dass dieses Tier Gründe für seine Aggressivität hat (z.B. schlechte Vorerfahrungen, Überforderung, Stress, Schmerzen usw.) und diese, wenn möglich, beseitigen. Je nach Pferdepersönlichkeit würden wir versuchen, das Schnappen umzuleiten (z.B. indem wir ihm beibringen, ein Wandtarget zu berühren, wenn es aggressiv wird) oder zu ignorieren (viele Pferde hören nach kürzester Zeit mit dem Schnappen auf, wenn dem keinerlei Bedeutung beigemessen wird).
  • Bei einem buckelnden Pferd würden wir akribisch auf Ursachensuche gehen: Sattel untersuchen, Reiterhilfen, Reitergewicht und Reiterhaltung ins Auge fassen, körperliche Beschwerden in Betracht ziehen (Kissing Spines, andere Rückenprobleme), die Haltung anschauen (steht das Pferd den ganzen Tag in der Box?) usw. Auch das Verhältnis zwischen Reiter und Pferd ist hier zu analysieren: Gehen beide achtsam und respektvoll miteinander um? Gibt es andere Probleme, in denen das Pferd seinen Unwillen so deutlich zeigt u.ä.? Auch das Alter und der Ausbildungsstand spielen hier eine große Rolle, denn ein Buckeln kann auch einfach Ausdruck von Lebensfreude sein oder aus der Not geschehen, wenn das Pferd die Balance verliert.
  • Auch bei einem Durchgeher würden wir uns an die Ursachensuche machen: Gibt es körperliche Gründe, wie Beschwerden oder Schmerzen? Passt die Ausrüstung und bereitet sie dem Pferd keine Schmerzen? Gibt es Reiterfehler? Hat der Reiter Angst? Welche Vorgeschichte hat das Pferd? Verbindet es z.B. das Gelände mit Rasen? Hat es je gelernt, dem Menschen zuzuhören? Gibt es genug Anreize dafür, mit dem Menschen zu arbeiten und nicht gegen ihn?

Unser Fazit: Sicherheit entsteht niemals durch Gewalt, sondern ganz im Gegenteil: Gewalt sorgt für Gegenwehr und eine Verschärfung der Gefahr. Die meisten wirklich gefährlichen Probleme mit Pferden entstehen, weil der Mensch sich nicht die Mühe macht, das Pferd und seine Signale zu verstehen, sondern es zu dem, was er will, zu zwingen versucht. Wer aber mit einem Pferd zu kämpfen beginnt, sollte sich klar darüber sein, dass Pferde stärker sind. Dass sie diese Stärke so selten wirklich gegen uns ausspielen, ist ihr Geschenk, aber wenn sie es einmal doch tun, haben wir Menschen kaum eine Chance. Und dann wird es wirklich gefährlich. Wer Sicherheit anstrebt, muss sich mit dem Wesen Pferd auseinandersetzen, ganz allgemein und im Speziellen mit der jeweiligen Pferdepersönlichkeit, mit der er es zu tun hat. Nur so kann ein gemeinsames Miteinander entwickelt werden, bei dem ein gegenseitiger Respekt und eine wechselseitige Achtsamkeit für einen sicheren Umgang sorgen.

sicherheit

22. September 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Umgang, Verhalten 12 Kommentare »

 

12 Reaktionen zu “Die Sache mit der Sicherheit”

 

Von Birgit • 22. September 2015

Eben !
IMMER hinterfragen WARUM etwas SO ist.
DANN kann man auch RICHTIG und PFERDEGERECHT handeln

 

Von Sarah • 22. September 2015

Wunderschön geschrieben und der Beitrag trifft mal wieder den Nagel auf den Kopf… Feingefühl, Kooperation und logisches Denken sind das Allerwichtigste wenn man Sicherheit mit Pferden erreichen möchte.
Über den Satz habe ich schon so oft nachgedacht: „Dass sie diese Stärke so selten wirklich gegen uns ausspielen, ist ihr Geschenk,…“
Warum tun sie das eigentlich nicht…für sie wäre es ein Leichtes gewisse Situationen mit uns Menschen auf körperliche Weise zu klären. Das machen sich viele glaube ich im Ungang mit Pferden gar nicht klar, sondern setzten eine Menge Gutmütigkeit selbstverständlich voraus.
Ich finde man kann es nicht oft genug deutlich machen, wie friedvoll und kooperativ Pferde sind. Sie möchten verstanden werden und in den allermeisten Fällen mit dem Menschen und nicht gegen ihn agieren.

 

Von Christina • 22. September 2015

Ganz genau… Ich habe leider zuerst gelernt, bei solchen Situationen mit Gewalt zu antworten… Und da war alles sehr schlimm. Seit 3 Jahren ca. versuche ich den Umgang durchwegs positiv zu gestalten (wenn man aber fast 17 Jahre lang was anderes gelernt hat, ist es manchmal doch noch schwer, dass nichts altes durchrutscht) und seitdem ist wirklich nichts mehr geschehen, was potentiell gefährlich hätte werden können… Ich habe auch gemerkt, dass wenn ich im Gelände bin und mein Pferd schneller wird und ich anfrage, ob er mal langsamer werden könnte und er nicht reagiert, ich nicht mehr am Zügel zupf oder zieh, sondern kurz warte und nochmal mit Stimme und Gewicht nachfrage, das hat bis jetzt wirklich immer geklappt! Ich fühle mich auch sicherer als früher, weil ich eine Verbindung spüre und durch das Verhältnis, welches mein Pferd und ich mittlerweile haben, weiß, dass nichts Großartiges passieren wird, weil wir uns Vertrauen und jeder von uns weiß, dass wir in jeder Situation für einander da sind…

 

Von Tecla • 22. September 2015

Ich hatte erst vor zwei Tagen eine ähnliche Auseinandersetzung mit meiner Stute.. Wir waren im Gelände auf einem Grasweg spazieren. Meine Stute hat mich ständig versucht zu überholen um dann fressen zu können. Unsere Regeln sind klar. Beim Spazierengehen wird nicht gefressen. Das weiß sie. Ich war diesbezüglich auch immer konsequent. Trotzdem hat sie immer mit mir „diskutiert“ (Stute halt würde ich sagen „wink“-Emoticon und dann auch noch ranghöchste). Ich hab sie immer wieder nach hinten gerichtet. Dann hab ich auch öfter mal mit dem Strick auf ihre Brust gehauen. Vergebens….. Ich tat es ein letztes…. und meine Stute stieg vor mir, um dem Strick zu entweichen, was ihr auch gelang! Ich hab sofort verstanden, dass ich wohl in ihren Augen übertrieben habe, ihr weh gemacht habe und sie das nicht akzeptieren wollte…. Mir wurde klar, dass ich die Sache anders klären muss. Mit Gewalt bekomme ich von ihr keine Kooperation. Ganz im Gegenteil, ich begebe mich in Gefahr. Deswegen, ganz toller Bericht! Es hat mich mal wieder bestätigt, zurechtgewiesen und es bringt mich nun noch mehr dazu anders mit meinem Pferd umgehen zu wollen/müssen. Trotzdem stehe ich immer noch vor einem Rätsel. Wie kann ich mit meinem Pferd auf Graswegen spazieren gehen ohne ständig diskutieren zu müssen? Vielleicht gibt es ja hierzu auch irgendwann mal ein Bericht von euch „wink“-Emoticon Nochmal DANKE für den Bericht: „Die Sache mit der Sicherheit“.

 

Von Heidrun • 22. September 2015

„Hau dem doch mal richtig eins drauf, der ist bloß faul!“
„Setz Dich doch mal durch, der muss in die Ecke!“
„Hörmal, wenn die beim Hufe geben tritt…richtig anbrüllen, das hilft!“
Kennen wir alle.

DEN TEXT BITTE EINRAHMEN UND IN DEN REITHALLEN AUFHÄNGEN!

Man darf erst anfangen zu reiten, wenn man unterschrieben hat, dass man den Text gelesen hat! Eltern haften für ihre Kinder!!

Ich arbeite bereits seit längerer Zeit mit dem Anti-Angst-Kurs und es wird immer besser. Große Landmaschinen und Busse, die entgegenkommen, werden souverän gemeistert, neulich hatten wir eine Regenschirm-Übungsstunde…sie endete damit, dass Tarik den Schirm ins Maul nahm und hin und her schwenkte…der Schirm war geöffnet!
Und so weiter…es ist faszinierend, was man geschenkt bekommt…mit einem kleinen Aufwand an Einfühlungsvermögen und Denken.

Kann doch nicht so schwer sein!

Grüße an alle

Heidrun

 

Von Heidrun • 22. September 2015

hallo Tecla,

babette und Tania haben tolle Tips, wenn Pferde überholen wollen/Gras fressen gehen wollen…lies mal im Anti-Angst-Kurs nach.
Das hilft bestimmt!!

Viel Erfolg

Heidrun

 

Von Anne • 23. September 2015

Es ist manchmal wirklich gruselig, wie punktgenau Eure Themen auf meine Situation treffen. 😀

Mir geht es wie Sarah, ich habe es anders gelernt und manchmal rutscht es noch durch. 🙁 Hinzu kommt, dass man sich viel zu oft, von Leuten reinquatschen lässt, die nach dem „alten“ Schema arbeiten. („Er ist Hengst, Du musst jeden Schritt kontrollieren, sonst wird es gefährlich“ usw).

Mit meinem Kleinen wollte ich alles besser machen aber zwischendurch gerate ich ins alte Schema (was mich selber seehr ärgert). Er hat sich zu einem Schnapper enwtickelt und da ich schwanger bin, haben alle noch mehr auf mich eingequatscht. Leider habe ich ihn bis jetzt eine zeitlang mit einer Gerte auf Abstand gehalten, aber das Geklapse bringt natürlich überhaupt nichts.
Zuhause war ich dann immer unzufrieden, weil ich genau das nicht mehr wollte und habe die Situation immer weiter analysiert. Die jungen Hengste knapsen zwar auch untereinander ziemlich viel aber mein größter Fehler war meine Inkonsequenz. Ich habe zwar Höflichkeit geübt und er kann prima weggucken, aber ich habe weder drauf geachtet, WIE er das Leckerchen dann nimmt, noch habe ich EIN Wort etabliert, sondern ihn mit allem Möglichen gelobt (Prima, toller Junge usw). Das er dann natürlich in eine Spirale aus Erwartung und Frust gerät, ist mir erst nach und nach klar geworden.
also habe ich angefangen mit dem Handschuh zu üben, dass er das Futter brav nimmt und da habe ich festgestellt, wie schlimm es schon ist. Ich musste ihn teilweise wegschubsen, weil er so stark zugebissen hatte, dass meine Hand wirklich in Gefahr war. Das Schlauchen hat aber schnell gelernt. Beim nächsten Mal ging es schon ohne Handschuh und jetzt habe ich EIN neues Wort etabliert, woraufhin es etwas gibt, alles andere ist nur noch zum Zwischenbestätigen.
Er schnappt zwar immer noch nach mir, wenn ich an die hengst-beiß-typischen-Stellen (z. B. Brust) gehe, aber nach dem heutigen Training bin ich optimistisch, dass wir auch das in den Griff bekommen. Ich habe heute nur sein Gesicht weggehalten, damit er micht nicht erwischt, aber ohne Kommentar und Geklapse und am Ende war es schon ganz gut.
Soorrry für den langen Text, in meiner näheren Umgebung kann ich leider mit keinem so richtig darüber reden, aber Eure Artikel geben mir immer wieder sehr sehr wertvolle Tipps, bringen mich zurück auf den richtigen Weg und geben mir Kraft, mich gegen die „Schläger“ durchzusetzen.
DANKE DAFÜR!

 

Von Birgit • 23. September 2015

Hallo in die Runde,
was ist eigentlich so schlimm am Gras fressen beim Spazieren gehen? Ich habe ein junges Pferd mit dem ich noch lange nicht reiten kann. Wenn wir an einer tollen Wiese vorbei kommen, die sie zum Anbeißen findet, dann lass ich sie auch. Wäre ja so wie mich an meiner Lieblingseisdiele vorbei zu ziehen! Wenn ich weiter will zähle ich langsam bis drei und dann geht’s weiter. Das findet sie nicht immer gut, kommt aber mit. Vielleicht auch weil sie weiß das ich eine neue tolle Wiese finde. Ich glaube weil ich das immer wieder mal zulasse akzeptiert sie auch wenn ich schon beim ersten Ansatz NEIN sage, dann bleibt der Kopf auch oben! Schließlich soll uns das Zusammensein beiden Spaß machen. Das ist es doch warum wir alle so begeistert sind vom Wege zum Pferd – das gegenseitige Geben.

 

Von G. • 28. September 2015

Hallo,

viele sagen ja, wenn wir den Pferden ihren Willen lassen, dann machen sie, was sie wollen…

wir sollten aber vorher wissen, was sie vermutlich wollen, dann kann man es ummünzen. Dann tun sie schon was wir wollen, aber es stresst nicht so ungemein.
Wenn sie z.B. nach dem Umstellen vom Paddock unbedingt auf die angrenzende Wiese wollen (weil sie vorher 24 h draußen waren; bei mir ist das möglich),dann sind sie sehr nervös und hampeln und schlagen mit dem Kopf usw., wenn sie es nicht dürfen.
Wenn ich sie dann kurz raus lasse und dann wieder reinhole, ist der Dampf raus, und sie können mir wieder „zuhören“. Ok, ich hab zunächst nachgegeben. Ist das so schlimm? Viele würden sagen , ja… du musst dich durchsetzen. So ist das auch wenn man reiten will und sie haben einen Bewegungsstau. Dann lass ich sie auch vorher rennen…

G.

 

Von Jost • 28. September 2015

Das Beantworten von Unmutsäußerungen mit der Androhung oder dem Zufügen von Gewalt und Schmerz ist leider nicht nur im Umgang von Menschen mit Pferden eine gängige Methode. Und oft wirkt es ja auch: Das so bedrohte „Opfer“ „zieht den Kopf ein“, „duckt sich weg“ und „gibt Ruhe“ weil es Angst bekommt.
Die Gefahr, daß dadurch nur eine relative Ruhe und scheinbare Sicherheit entsteht, weil die Unmutsäußerungen vom „Opfer“ einfach nur aus Angst unterdrückt werden und sich oft anstauen und bei anderer Gelegenheit um so heftiger ein Ventil suchen, sehen die „Täter“ eben nicht, sondern sie wiegen sich in trügerischer Sicherheit.

Aber ich finde, auch hier „lohnt sich“ genaueres hinsehen und hinterfragen, warum die „Täter“ so reagieren. Es ist einfach der bequemere, schnellere Weg und oft auch einfach ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Wer kennt das nicht?
Das es sich selbst und dem „Opfer“ gegenüber ein verantwortungsloses Handeln ist, ist den meisten „Tätern“ in dieser Rolle nicht klar.

Um das Vertrauen eines Lebewesens zu gewinnen und solchen Unmutsäußerungen ursächlich auf den Grund zu gehen, bedarf es eigener Fähigkeiten wie Geduld, Offenheit, Neugier, Lernbereitschaft und Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und nicht zuletzt auch das Verfügen über die richtigen, besseren Mittel, Techniken, Wege und Werkzeuge (s. z.B. den Beitrag von Tecla). Leider auch unter Pferdebesitzern nicht eben weitverbreitete Eigenschaften.

Mein Fazit(wie immer 😉 ): „Arbeit“ am Umgang mit dem Pferd ist eben in erster Linie „Arbeit“ an mir selbst bzw. an dem Menschen, der mit dem Pferd umgeht. Indem ich mir selbst und den anderen „Tätern“ erstmal mit Verständnis, Sicherheit und Vertrauen begegne versetze ich sie überhaupt erst in die Lage, ihre „Taten“ und den Umgang mit seinem „Opfer“ kritisch zu hinterfragen und selbst verständnisvoll und vertrauensbildend zu reagieren und der Gefahr mit Sicherheit zu begegnen. Die meisten „Täter“ sind eben auch „Opfer“ ihrer eigenen Hilflosigkeit und Bequemlichkeit. Allerdings enthebt das uns Täter natürlich nicht unserer Verantwortung.

 

Von Axel • 28. September 2015

Ich teile definitiv diese Einstellung. Vielleicht hier noch eine weitere Denkanregung. Hier geht es ja eindeutig um das Verstehen des Pferdes. Dafür ist die Voraussetzung, dass man in der Lage ist, eine Situation zu überblicken, also seine Emotionen rauszunehmen, einen Schritt zurückzumachen.

Im Grunde ist das genauso wie ein der Kommunikation mit Menschen und es läuft gerade was schief. Wer kennt das nicht, man unterhält sich mit jemandem und plötzlich läuft die Diskussion aus dem Ruder. Dann geht es nicht mehr um das Verstehen, sondern um „Gewinne wollen“.

Leider sind viele Menschen nicht in der Lage, sich in der Kommunikation untereinander zuzuhören und auch gewaltfrei zu kommunizieren. Nur bei Menschen würde niemand auf die Idee kommen, seine Reitgerte rauszuholen und ein paar Mal damit zu schlagen. Wieso sollte man einem Pferd zuhören, wenn man nicht mal Menschen zuhört?

Also ein schwieriges Thema das voraussetzt, dass der Mensch bereit ist zuzuhören und sich selbst zu reflektieren.

 

Von Leonie • 28. September 2015

DANKE, dass Ihr an diesem Thema dranbleibt und dass Ihr die üblichen Begründungen für Druck und Gewalt im Umgang mit Pferden nach und nach abarbeitet. 🙂

@Tecla: Liebe Tecla, so einen habe ich auch! Mein Wallach kann dem Grasen während eines Spazierganges auch nur schwer widerstehen und wurde dann auch immer mal unhöflich und grob. Unsere Trainerin hat uns daher etwas Intervall-Training „verordnet“. Im Gelände gehen wir – mit einer Intervalltrainings-App ausgerüstet – jeweils eine Minute stramm und schnell vorwärts und eine Minute wird geschlendert. Während der sportlichen Minute den Blick nach vorne auf ein Ziel richten und im Walking-Tempo stur geradeaus laufen („stur“ kann ich auch, dachte ich mir – das hat ihn wirklich überrascht). Dabei selbst motiviert sein und Spaß haben, notfalls mit der Gerte treiben. Während der Minute „aktive Pause“ belohne ich ihn dafür NICHT zu grasen. Sobald er ein paar Schritte ohne solche Ambitionen neben mir gelaufen ist, wird er belohnt. Nach und nach kann man die zeitlichen Abstände verlängern, für die man belohnt. Da das Ganze wie ein Spiel ist und das Pferd sehr schnell raus hat, dass nach dem anstrengenden „Walk“ eine Pause folgt, macht es wirklich viel Spaß. Nach zwei Malen schon, hat mein Wallach auf die Stimme des Intervall-Trainers im Handy reagiert und wurde von sich aus schneller oder langsamer. Durch das Belohnen des Nicht-Grasens, achtet er jetzt mehr auf mich und hat Spaß daran, etwas mit mir zusammen zu machen und nicht nur sein eigenes Ding. Probier das mal aus – es ist ganz einfach und macht richtig Spaß – und die Hinterhand wird im schnellen Schritt auch noch aktiviert. 🙂

Herzliche Grüße
Leonie

 

 

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