Rat gesucht: Wie weicht mein Pferd?
Wir bekommen viele Fragen per Mail und es ist nicht immer leicht, diese zu beantworten, da gerade bei Ferndiagnosen die Gefahr besteht, am eigentlichen Problem vorbeizuschreiben. Aber genau an dieser Tatsache kann man gut deutlich machen, was zwischen Mensch und Pferd oft nicht optimal läuft, denn selbst vor Ort kann einem genau das leicht passieren.
Beispiel: Der Fels in der Brandung
Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, was zu tun ist, wenn man einem Pferd das Weichen beibringen will, das Tier aber wie ein Fels in der Brandung stehen bleibt. Die Fragende beschrieb dann noch das recht gängige Vorgehen mit verschiedenen Stufen von Druck („Fell“, „Haut“ und „Muskel“), aber das Pferd reagierte auf keine Stufe.
Wenn ich eine solche Frage gestellt bekomme, springe ich nicht an die Stelle, wo die Person steht, die mir die Frage stellt. Ich gehe vielmehr etliche Schritte zurück und versuche, das Gesamtbild zu sehen.
Der Wunsch der Fragestellerin war eigentlich nur ein Tipp oder eine Technik, mit der sie das Pferd innerhalb der Methode, die sie nutzte, bewegen kann. Nun greifen aber Methoden jeder Art leider sehr oft viel zu kurz. Ein Pferd ist ja keine Maschine, bei der man nur verschiedene Knöpfe und Hebel nutzen muss, um den gewünschten Effekt zu erhalten, sondern ein Pferd ist ein komplexes Lebewesen. Das beschriebene System der verschiedenen Druckstufen führt bei vielen Pferden zur Gegenwehr, denn Druck erzeugt oft einfach nur Gegendruck.
Die Frage ist für mich in einem solchen Fall nicht die, wie man das Pferd doch bewegen kann, sondern ich möchte das Verhalten des Pferdes verstehen, bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann, was zu tun ist. Ich frage also: Warum mag das Pferd nicht weichen?
Oder ist vielleicht alles ganz anders?
Statt also auf solche Mails mit einem kurzen Tipp zu antworten, versuche ich den Blick immer auf das Miteinander mit dem Pferd zu legen, also in diesem Fall
- einerseits auf das Pferd, das vielleicht einfach nicht versteht, was es tun soll und dann lieber nichts tut, als einen Fehler zu machen, oder das sich in der Nähe des Menschen vielleicht einfach sicherer fühlt oder ob es gesundheitliche oder andere Gründe für das Verhalten geben kann,
- andererseits auf die eigene Ausstrahlung, mögliche widersprüchliche Botschaften und die (vielleicht viel zu starke oder nicht eindeutige) Qualität der Energie, mit der das Pferd weggeschickt werden soll und
- im dritten Schritt dann auf die gemeinsame Kommunikation, also auf das Verstehen und Verstandenwerden, die Stimmung und das Grundgefühl, das zwischen Mensch und Pferd ist und ähnliches.
Weniger Methoden, dafür mehr Verständnis
Pferden, die sehr „am Menschen kleben“, tut man oft großes Unrecht, wenn man sie rüde über Druck wegschickt, weil sie einfach gar nicht verstanden haben, worum es dem Menschen geht oder sie haben Gründe nicht zu tun, was der Mensch will. Sie suchen zum Beispiel Nähe, vielleicht aus Unsicherheit, manchmal auch weil sie sich beim Menschen einfach nur wohl fühlen oder sie spüren dass der Mensch die Nähe des Pferdes gern hat und können die widersprüchlichen Signale nicht deuten. Viele Menschen aber interpretieren das Verhalten als „Verweigerung“, „Widersetzlichkeit“ oder sogar als „Dominanz„…
Einfach einen Tipp für „mehr Druck“ oder „Druck an einer besonderen Stelle“ zu geben, ist sinnlos, wenn es um das komplexe Thema „Kommunikation“ geht. Druck ist hier aus meiner Sicht vollkommen fehl am Platze. Es gilt viel mehr, dem Pferd behutsam und vor allem für das Pferd auf eine gute Weise verständlich zu erklären, dass es eben manchmal auch etwas Abstand einnehmen soll und dass das nichts Schlimmes ist. Tipp: Eine Möglichkeit, dem Pferd das Kommando „Ab“ beizubringen, findet Ihr hier erklärt.
Bei so gut wie allen Fragen, die uns erreichen, ist es also mit einem einfachen „Tipp“ oder einer „Methode“ nicht getan, sondern es ist sinnvoll und nötig, den Blick von dem vermeintlichen Problem wegzunehmen, das fast immer nur ein Symptom ist, und zu schauen, worum es wirklich geht. Zugegeben, das ist zunächst immer etwas anstrengender, führt aber zuverlässig zu viel pferdegerechteren und schöneren Lösungen für beide Seiten.
22. Februar 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Umgang, Verhalten • 3 Kommentare »