Halsbiegung – wie viel ist korrekt?
Laut FN Richtlinien soll die Halsbiegung nie stärker sein als die Gesamtbiegung des Pferdes. Es soll sich also von oben betrachtet, eine gleichmäßige Biegung durch den Pferdekörper ergeben. Wird ein Pferd korrekt gestellt und im Hals gebogen, kommt die gleichseitige Hüfte vor.
Nun muss man dazu wissen, dass sich Abschnitte in der Wirbelsäule des Pferdes befinden, in denen so gut wie gar keine Biegung möglich ist, nämlich an der Brustwirbelsäule im Bereich der echten Rippen (TH 9 – TH 14) und im Kreuzbein-Bereich.
Sinn und Einsatz der Halsbiegung
Wenn mich Zuschauer mit meinen Pferden arbeiten sehen, egal ob bei der Handarbeit oder beim Reiten, fällt öfter die Frage, ob ich meine Pferde nicht zu stark im Hals biege.
Und ja, ich biege meine Pferde tatsächlich manchmal deutlich im Hals, also stärker als das, was eine gleichmäßige Biegung durch den Körper vorgeben würde. Und das aus guten Gründen, die ich hier erläutern möchte.
Das kurzfristige stärkere Biegen des Halses nutze ich
- wenn das Pferd einen festen, starren Hals hat,
- wenn ich das Pferd von der inneren Schulter weg bekommen möchte,
- um den Kopf-Armmuskel zum Loslassen zu bringen und
- um die äußere Halsmuskulatur zu dehnen.
Durch eine kurzfristig stärkere Halsbiegung lässt sich ein fester Hals lockern
Wie stark ich ein Pferd im Hals biege, hängt von der Beweglichkeit und Beschaffenheit des Halses, und von dem Verhalten des Pferdes ab. Wir können bei den Pferden grob zwei Halstypen unterscheiden:
- den festen, starren Hals
- und den weichen, biegsamen Hals (auch „loser“ Hals genannt).
Habe ich es mit einem Pferd zu tun, das einen festen Hals hat, so versuche ich, den Hals über stärkeres Biegen behutsam „weich“ zu kneten. Habe ich es mit einem weichen „Gummihals“ zu tun, arbeite ich mit weniger Halsbiegung. In diesem Fall geht es darum, dem Hals mehr Stabilität zu geben.
Durch die Halsbiegung lässt sich ein Pferd von der inneren Schulter wegbekommen
Ein Pferd, welches noch nicht gut gymnastiziert ist, wird versuchen, in einer Wendung innen den Weg abzukürzen. Es wird in die Biegung, also auf die innere Schulter fallen. Das sieht in der Praxis so aus, dass wenn ich mein Pferd nach rechts stelle und nach rechts eine Volte reiten möchte, mein Pferd gegen den rechten Schenkel geht und nach rechts hereinkippt. In diesem Fall hebe ich meine rechte Hand nach oben an und gebe Impulse in die Maulwinkel meines Pferdes. Mit der Gerte kann ich unterstützend die innere Schulter meines Pferdes antouchieren. Mein Gewicht verlagere ich nach hinten links. Mein innerer Schenkel treibt.
Wenn das Pferd auf die Hilfen wunschgemäß reagiert, wird es sich im Genick nach rechts stellen lassen, seine Balance von der inneren Schulter Richtung äußerer Schulter verschieben und die Halswirbelsäule nach rechts biegen. Nach der Korrektur kann ich die Halsbiegung wieder weniger werden lassen, bis die gewünschte Haltung vom Pferd verstanden wurde und das Pferd korrekt am äußeren Zügel geht.
Durch die Halsbiegung lässt sich der Kopf-Armmuskel lockern
Wenn ich ein Pferd reite, welches mit verkrampftem Kopf-Armmuskel den Unterhals herausdrückt und sich dadurch im Hohlkreuz bewegt, biege ich den Hals des Pferdes vermehrt. Die Anatomie des Pferdes macht es unmöglich, dass eine deutliche Halsbiegung mit einem Herausdrücken des Halses oder mit dem Einrollen (Verkriechen hinter dem Zügel) vereinbar ist (siehe dazu das Buch „Irrtümer der modernen Dressur“ von Phillipe Karl). Ich kann durch eine gezielte Halsbiegung erreichen, dass ein solches Pferd den Kopf-Armmuskel nach und nach entspannt und eine Anlehnung überhaupt möglich wird.
Mit der Halsbiegung lässt sich die äußere Halsmuskulatur dehnen
Um einen Muskel locker zu bekommen, muss er bereit sein, sich dehnen zu lassen. Die Halsmuskulatur dehnt sich, wenn das Pferd in eine korrekte Dehnungshaltung geht. Aber nicht alle Pferde nehmen diese Haltung selbstständig ein. So ist ein Weg, den ich hin zu diesem Ziel gehen kann, erst einseitig im Wechsel die Halsmuskulatur zu dehnen, was ich über das Biegen des Halses erreiche. Wenn beide Halsseiten auf diese Weise vorsichtig gedehnt wurden, sind viele Pferde viel eher bereit und in der Lage, Dehnungshaltung einzunehmen.
Die starke und die korrekte Halsbiegung
Auf diesem Bild sehen Sie ein starkes Abbiegen des Halses. So soll es nur kurzfristig aussehen und nur um eines der oben genannten Ziele erreichen zu wollen:
So sieht unser Endziel aus! Dies ist in meinen Augen das Idealbild eines harmonisch gestellten und gebogenen Pferdes:
Und über die Längsbiegung erfahren Sie dann in meinem nächsten Blogbeitrag mehr. 🙂
17. März 2009 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper, Reiten • 13 Kommentare »
Von Beate
• 17. März 2009
Vielen Dank Babett.Das ist mal ne Erklärung und Begründung die jeder versteht.Das deckt sich genau mit meinen Erfahrungen. Pferd fiel jahrelang auf die rechte Schulter, Muskulatur dort total fest und falsch und ganz schlecht zu dehnen.Deshalb auch meine Schwierigkeiten beim links stellen. Werde nun n o ch etwas geduldiger immer wieder vorsichtiges Hals biegen nach links üben.
Du hast das wieder soooo anschaulich erklärt, dass es auch wirklich jeder verstehen kann. So er denn will !
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Das freut mich!
Danke Beate 😀 !!!
Liebe Grüße,
Babette
Von Cate
• 17. März 2009
Da hast Du es mal wieder schön auf den Punkt gebracht, Babette! 🙂
Vor allem gefällt mir, daß wie du die vorübergehende stärkere Halsbiegung als Korrekturmaßnahme beschreibst – den genau das ist ein deutlicheres seitliches Abstellen, immer nur Mittel zum Zweck und niemals Selbstzweck! Und bitte nie mit korrekter Stellung und Biegung zu verwechseln!
bitte weiter so!
LG, Cate
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😀
Danke Cate, ich gebe mir große Mühe 🙂 !
Liebe Grüße,
Babette
Von Almut
• 17. März 2009
Liebe Babette,
ich kann mich nur anschließen, schöner Beitrag, wichtiges Thema, wie immer klasse erklärt 🙂 Nur eine Anmerkung habe ich: deutliche Halsbiegung und Hals rausdrücken geht nicht, das verstehe ich. Aber dass deutliche Halsbiegung und einrollen/verkriechen nicht gehen soll, erscheint mir nicht ganz so logisch – da fallen mir diese gruseligen Bilder ein, wo Rollkur und seitliches „flexen“ verbunden werden, also wo sich die armen Pferde nicht in die Brust, sondern fast in den Ellenbogen beißen 🙁
LG, Almut
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Liebe Almut,
da hast Du Recht…
Ich denke, dass sind zwei unterschiedliche Geschichten.
Bei der Rollkur wird das Pferd praktisch „da unten“ festgebunden. Freiwillig nimmt kein Pferd diese Haltung ein 🙁 .
Philippe Karl nimmt die seitliche Halsbiegung um ein Pferd, das sich einrollt um sich hinter den Zügel zu verkriechen zu korriegieren, da die Haltung „eingerollt und Hals deutlich zur Seite gebogen“ für das Pferd sehr „unbequem“ ist. Die Muskulatur ermüdet und das Pferd möchte sich nach einer Zeit entspannen. Sobald das Pferd das Einrollen aufgibt, gibt der Reiter das Pferd aus der seitlichen Halsbiegung heraus und gibt deutlich mit der Hand nach und das Pferd lernt: nicht aufrollen ist viel angenehmer und weniger anstrengend. Bald sollte ein leichtes seitliches Anklingeln am Zügel reichen ein so korriegiertes Pferd daran zu hindern, die Nase rückständig zu nehmen.
Liebe Grüße,
Babette
Von Beate
• 17. März 2009
@ Almut: Das geht m M.nur brutal mechanisch mit gleichzeitiger extremer Bizepsentwicklung im Sattel 😉
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Jep 🙁
Oder gut unterstützt mit falsch verstandenem Kandareneinsatz 🙁 …
Liebe Grüße,
Babette
Von Almut
• 17. März 2009
Liebe Babette und Beate,
danke für Eure Erklärungen. So ähnlich hatte ich es mir selber schon gedacht – also dass der Unterschied im freiwillig einrollen oder unfreiwillig verrollkurt werden liegt.
Ich seh schon, ich muss mir den Herrn Karl wohl doch mal leisten 😉
LG, Almut
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Kann ich nur empfehlen!!!🙂
Von Stefanie
• 18. März 2009
Klasse Beitrag in dieser tollen Beitragsreihe, vielen Dank dafür!
Wie sieht es mit dem erhobenen und angespannten Hals aus? Erleichtert auch hier die seitliche Abstellung das gewünschte Dehnen und die Entwicklung der Oberhalsmuskulatur oder führt es nur dazu, dass dass Pferd besser mit erhobenem Kopf nach rechts und links schauen kann…? Sprich, bei Anspannung des Pferdes auf gebogenen Hals verzichten?
Liebe Grüße,
Stefanie
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Hallo Stefanie,
ja, das seitliche Abstellen hat auch hier den positiven Effekt, dass das Pferd sich Loslassen möchte. Es ist also ein hervorragender Weg ein Pferd zu arbeiten, welches den Unterhals rausdrückt.
Liebe Grüße,
Babette
Von Beate
• 19. März 2009
@Stefanie: Ist aber genau so ein Geduldsspiel wie beim FiS! Immer schön zupfend locken. Ich hab auch so eine, die wegen Rückenschmerz gelernt hat , sich nach oben rauszuhebeln. Ich neige schnell dazu, ins permanete ziehen zu kommen und dann wirds kontraproduktiv, weil der Druck natürlich nix als Gegendruck erzeugt 🙁
Insofern lernt „Frau“ natürlich auch ausm Longenkurs am Boden: Immer schön geduldig zuppeln. Macht sich gut im Wald um die Bäume rum 😉
Von Claudia
• 23. März 2009
Hallo zusammen,
klasse! Genauso habe ich es von meiner „neuen“ Reitlehrerin erklärt bekommen. Auch die Hilfen, die Du beschrieben hast, sind die selben. Ich habe endlich mal das Gefühl, „am richtigen Ort“ zu sein.
Die Umsetzung braucht natürlich seine Zeit…
Liebe Grüsse Claudi
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Hallo Claudi,
wie schön!!!
Lieben Gruß, auch unbekannterweise an Deine neue Reitlehrerin 😀 ,
Babette
Von Karin
• 6. September 2011
Hallo Babette
Wird der äüßere zügel bei der stärkeren seitlichen Halsbiegung eher vernachlässigt oder muss er auch etwas anstehen?
L.G.Karin
Von Susanne
• 1. April 2013
Super, deine Erklärung, Babette! Ich war mir bisher immer unsicher. Jetzt nicht mehr.
LG Susanne
Von Hanne
• 10. September 2015
Hallo Babette,
Ich hoffe, obwohl der Artikel schon lange im Internet ist und ich jetzt erst von einer Freundin auf diese Seite verwiesen worden bin, dass ich noch eine Antwort erhalte. Mein Pferd hat einen sehr instabilen, langen Hals. Er kröpft sich gerne nach ober oder rollt sich auf. Biege ich seinen Hals, um das hochkröfen zu vermeiden rollt er sich ein. Oben im Text steht, dass sei bei deutlicher Halsbiegung nicht möglich. Was nun?
Von Mari
• 12. Oktober 2015
@Karin
Immer an deinen Seiten die weiche (!!!) Verbindung aufrecht erhalten!
Denn eine Hand wegnehmen und wieder anfassen verunsichert das Pferd im Maul.
Ähnlich wie ein Patient auf der Massageliege. Der Masseur hat aus diesem Grund auch immer beide Hände am Patienten.
Man sieht selten ganz super Reiter, die ihr Pferd mit gleichmäßig (!) durchhängenden Zügeln super reiten – aber dann eben kontinuierlich beide.
Solange wir “ Normalos“ nun mal auf den Gebrauch der Zügel angewiesen sind, um mit dem Pferd zu kommunizieren, sollten wir ihm auch eine zuverlässige gleichmäßige Anlehnung bieten.
Immer nur so viel auf der äußeren Seite mitgehen, wie viel man an der inneren Seite seitwärts weist.
Von Melli
• 12. April 2017
Hallo Babette, Ich habe seit 7 Jahren eine Stute die nur mit Schlaufzügeln geritten wurde. Ich reite sie gebisslos mit LG Zaum. Bisher habe ich mich immer mental dagegen gewehrt mein Pferd kurz nach links und rechts zu stellen, habe aber letztens gemerkt wenn sie sich extrem fest macht und ich das (flexen?)nur kurz mache und dann nachtreibe bleibt sie sehr entspannt dabei. (Es scheint fast so als ob sie das gewöhnt ist und für gut befindet). Ich geben dann auch sofort nach. Ich mache das jetzt nur korrekturmässig vielleicht ein bis zweimal beim reiten wenn sie sich festmacht. Ist das okay?
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