Grundwissen über Anatomie und Biomechanik -Teil 7: Die Sache mit dem Kreis

Wir wissen nun, dass wir ein gut gehendes Pferd an folgenden Punkten erkennen können:

  • an einem lockeren, nach oben schwingenden Rücken,
  • zusammen mit einer aktiven Hinterhand,
  • zusammen mit einer freien Schulterbeweglichkeit und
  • zusammen mit einer losgelassenen Kopf-Hals-Haltung.

Durch die Erfüllung dieser Punkte ist Ihr Pferd in der Lage, raumgreifende, federnde Bewegungen zu entwickeln und sich psychisch zu entspannen. Es kann Takt und Losgelassenheit zeigen.

Nun lassen Sie Ihr Pferd einmal auf einem Kreis laufen und gucken Sie mal, was Ihr Pferd auf der Kreislinie zeigt. In sehr vielen Fällen werden einige oder sogar alle der genannten Punkte nur noch wenig bis gar nicht mehr zu sehen sein, denn ein Pferd auf einer Kreislinie liegt häufig schräg in der Kurve und schert mit der Hinterhand nach außen. Es fällt auf die innere Schulter, drängt nach innen oder außen. Das sieht so aus:

kreis_schraegscheren.jpg

Warum ist das so?

In der Natur läuft ein Pferd vorwiegend geradeaus und es läuft auf der Vorhand. Da es keine Last zu tragen braucht und nicht ständig Kringel läuft, ist das für das Pferd kein Problem. Verlangen wir aber nun von unserem Pferd, einen Kreis zu laufen, muss es erst lernen, sich auf der Kreislinie zu biegen, anstatt in den Kreis hineinzukippen.

Einen Kreis korrekt zu reiten, ohne dass Ihr Pferd die Spurigkeit verliert (d.h. Ihr Pferd läuft wie auf Schienen, die Hinterhand des Pferdes läuft in der Spur der Vorhand), ohne dass Ihr Pferd auf die innere Schulter fällt oder über die äußere Schulter weg läuft, ist schon eine ziemlich knifflige Angelegenheit. Für mich gilt: Zeigen Sie mir mit Ihrem Pferd eine Volte und ich sage Ihnen, wo Sie und Ihr Pferd in der Ausbildung stehen.

Denn: Jedes Pferd läuft von Natur aus Kurven, indem es sich nach außen stellt und auf die innere Schulter fällt. Und dieses „auf-die-innere-Schulter-fallen“ hat – ob an der Longe oder unterm Sattel – eine Reihe schädlicher Auswirkungen:

  1. Der Pferdekörper dreht sich immer um das innere Vorderbein, das in diesem Moment auf der Erde steht. Dadurch kommt es zu sehr schädlichen Rotationskräften im Bein/Gelenk.
  2. Die innere Schulter des Pferdes kann sich durch die Außenstellung nicht frei bewegen. Das kommt daher, dass der Kopf-Arm-Muskel des Pferdes gespannt gedehnt ist und durch diese Anspannung das Pferd auf der Schulter fixiert ist. Die Schulter kann also nur eine verkürzte Bewegung des Vorderbeines zu lassen. Dieser verkürzte Bewegungsbogen des Vorderbeines führt zu einem „Hineinrammen“ des Vorderbeines in die Erde. Das Pferd kann sich nicht weich und frei bewegen, sondern es kommt zu einer ungefederten, harten, pferdebeinschädigenden Auffußung. Das Pferd läuft somit auf der Vorhand.
  3. Die Hinterhand schert dadurch, dass das Pferd sich auf seinem inneren Vorderbein stützt und dreht, aus der Kreislinie aus. Solange die Hinterhand am Pferdekörper vorbei läuft, sie keine Last aufnehmen.
  4. . Wenn die Hinterbeine am Körper vorbei fußen, kommt es nicht zur Absenkung der Hüfte des Pferdes. Wenn sich die Hüfte nicht absenkt, wird der Rücken des Pferdes nicht von der Kruppenmuskulatur angehoben. Der Rücken schwingt nicht hoch. Somit kommt es nicht zur Entlastung der Vorhand.

Damit es zu diesen schädlichen Wirkungen des Kreises nicht kommt, muss das Pferd lernen

  • sich auf eine Kreislinie zu biegen, statt sich in sie hinein fallen zu lassen
  • die innere Schulter anzuheben,
  • mit der Hinterhand spurig zu laufen.

Wenn Ihr Pferd das kann, entwickelt sich daraus

  • das Loslassen des Halses aus dem Widerrist,
  • Takt und Ungebundenheit der Gänge (Raumgriff),
  • das Loslassen der Rückenmuskulatur und
  • die Lastaufnahme durch die Hinterhand.

Kurz: Ein Pferd, das sich psychisch und physisch losgelassen bewegen kann!

hinterhandaktiv_31.jpg

Und wie Sie das erreichen, darum geht es im nächsten Blogbeitrag.

Lesetipp: Der Longenkurs

23. Oktober 2008 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper, Jungpferdausbildung, Longieren 4 Kommentare »

 

4 Reaktionen zu “Grundwissen über Anatomie und Biomechanik -Teil 7: Die Sache mit dem Kreis”

 

Von Bianca • 23. Oktober 2008

Hallo Babette,

ich möchte mich mal ganz herzlich für diese tolle Serie bedanken. Bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.

liebe Grüße
Bianca
__________________________________________________
🙂 🙂 🙂

Vielen Dank Bianca!

 

Von Nina • 26. Oktober 2008

Auch von mir ein ganz großes Lob und Dankeschön für eure tolle Seite und diese gut erklärende Serie!
Liebe Grüße
_____________________________________________________________________
Vielen Dank, liebe Nina!
🙂
liebe Grüße, Babette

 

Von Claudia • 28. September 2009

Hallo!
Ich habe diese tollen Seiten heute erst entdeckt und arbeite mich jetzt langsam von Beitrag zu Beitrag durch…..
In den Beiträgen, die ich bisher gelesen habe, war schon sehr viel Neues, Interessantes, Informatives für mich zu entdecken!
Aber dieses Kapitel war für mich echt das Beste bisher!
Ich longiere mein Pferd schon länger am Kappzaum- ohne bisher den „Longierkurs“ zu kenne- und war froh, wenn er für meine Augen schön v/a lief.
Aber auf dei oben beschrieben „Schräglage“ und die Folgen davon, habe ich bisher noch nie geachtet….
Muss unbedingt mal die Longierfotos meines Pferdes von vorne und von hinten betrachten!
Den Longeirkurs werde ich mir bestimmt bald bestellen!
Danke für die vielen guten Beschreibungen und Fotos bisher!
LG von Claudia
______________________________________________________________
Liebe Claudia,
ich freue mich sehr, dass Dir unsere Seite so gut gefällt! Viel Spaß beim Stöbern 🙂 ,
liebe Grüße,
Babette

 

Von Franzi • 21. Februar 2011

Hallo,

ich bin gerade sehr am Überlegen, für die Ausbildung meines Pferdes den Longenkurs zu kaufen.
Habe daheim das Buch „Rückentraining mit dem Kappzaum“ von Kirsten Jung. Finde das soweit ganz gut.
ABER, was mir fehlt: mein Pferd wurde noch nicht longiert. Ich finde, das BUch ist mehr für die, die schon longieren.

Wie ist das im Longenkurs, wird da auch auf den Einstieg eingegangen oder auch schon vorausgesetzt, dass das Pferd schon mal longiert wurde?

LG
Franzi
________________________________________________
Liebe Franzi,
ja, wir beginnen ganz vorne und entwickeln die Longenarbeit kleinschrittig aus der Führarbeit. Die Anleitung unseres Kurses ist auf jeden Fall für den Einstieg geeignet. Aber mach´Dir am Besten selber ein Bild. Wir bieten ja den Kurs 14 Tage unverbindlich zur Ansicht an. Du gehst also kein Risiko ein wenn Du Dir den Kurs von uns bestellst 🙂 ,
liebe Grüße,
Babette

 

 

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