Die Arbeit an der Longe – Fallbeispiel 2: Zäh, mühsam und steif

Nach dem ersten Fallbeispiel zur praktischen Arbeit nach meinem Longenkurs möchte ich hier nun wieder exemplarisch auf ein ganz typisches Problem beim Longieren eingehen:

Zäh, mühsam und steif

Ein 17-jähriger Welsh-Cob ist eher gemütlich veranlagt. Er schlurft über den Platz und lässt sich auch mit viel Mühe kaum motivieren. Im Hals bleibt er sehr starr und lässt sich kaum stellen. 

Wenn ein Pferd sehr schwer zu motivieren ist und steif und unbeweglich ist, mache ich mich immer zuerst auf die Suche nach möglichen Ursachen. Gibt es vielleicht körperliche Probleme, die seine Motivation bremsen und den starren Hals verursachen? Ein Pferd mit Schmerzen oder Beschwerden wird zwangsläufig zäh und unmotiviert sein. Liegt vielleicht ein Mineralstoffmangel vor? Ein Pferd wie diesen Wallach würde ich also zunächst immer erst einmal von einem guten Pferdphysiotherapeuten/Osteopathen und/oder einen Tierarzt untersuchen und wenn nötig behandeln lassen.

Sind körperliche Ursachen ausgeschlossen, schaue ich mir auch die Lebensumstände des Tieres kritisch an: Wird das Pferd artgerecht gehalten? Hat es Kontakt mit anderen Pferden, kann es sich frei bewegen, hat es Freude- und Spaßmomente in seinem Alltag? Und wie sieht es mit dem Futter aus? Bekommt es genug zu fressen, um Energie zu haben? Auch hier sollten, wenn nötig, Änderungen erfolgen, damit das Pferd wieder mehr Lebensfreude und Energie hat. 

Um die Motivation im Training selbst zu verbessern, eignet sich aus meiner Sicht am besten das Clickertraining. Wichtig ist, die Pferde zu begeistern und herauszufinden, woran sie Spaß haben. Ewig eintöniges Laufen im Kreis und ein Mensch, der in der Mitte steht und ständig treibt, nehmen vielen Pferden schnell jeden Spaß an der Sache! Ganz entscheidend ist auch, solche Pferde nicht müde zu arbeiten, denn so lernen sie nur, ihre Reserven noch mehr zu schonen.

Mit eher unmotivierten Pferden mache ich kurze, witzige Einheiten mit vielen Spielchen: Slalom longieren, Achten longieren, mit dem Pferd die lange Seite um die Wette laufen usw. Jedes Mehr an Vorwärts und jede positive Reaktion auf treibende Hilfen lobe ich begeistert. Ich habe immer wieder festgestellt, welchen großen Einfluss meine eigene Stimmung und Energie auf die Pferde hat. Ich muss also gleichsam mit positiver Kraft in Vorleistung gehen und hoffe damit, auch das Pferd begeistern zu können. 

Bei der praktischen Arbeit wechsle ich dann häufig zwischen verschiedenen Arbeitsphasen: Auf der einen Seite nutze ich ruhige Schrittphasen mit gezielter Biegearbeit (Seitengänge) und einer Lockerung des Halses mittels Massagen und Dehnübungen. Hier lasse ich übrigens das Pferd zunächst das Tempo bestimmen. Ständiges Treiben führt bei eher phlegmatischen Pferden in der Regel zu immer mehr Abstumpfung.

Dann würde ich wieder eine peppige Phase einlegen, in der ich mit viel Energie und Freude versuchen würde, das Pferd zum frischen Laufen zu animieren. Hier würde ich zunächst den Schwerpunkt noch nicht auf die Laufhaltung legen, also nicht schon versuchen zu sehr an Biegung und Aufrichtung des Pferdes zu arbeiten. Hauptsache es kommt überhaupt erstmal ein Vorwärts, dass ich dann auch prompt begeistert lobe. Erst wenn das Pferd von sich aus gut vorwärtsläuft und wieder Motivation und Freude an der Longe zeigt, würde ich den Schwerpunkt auf die Verbesserung der Laufmanier legen. 

Wichtig ist, immer sowohl den Körper des Pferdes zu berücksichtigen, aber eben auch seine Stimmung. Beides beeinflusst sich wechselseitig: Ein motiviertes Pferd läuft freier und lockerer und ein Körper, der sich gut anfühlt, weil er locker ist und nicht verspannt ist, führt zu mehr Motivation.  

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3. Mai 2016 von Babette Teschen • Kategorie: Allgemein, Jungpferdausbildung, Longieren 5 Kommentare »

 

5 Reaktionen zu “Die Arbeit an der Longe – Fallbeispiel 2: Zäh, mühsam und steif”

 

Von ursula • 3. Mai 2016

Einfach ein kleiner Gedankenanstoss zum Thema „gesundheitliche Probleme können ausgeschlossen werden“: das ist nicht so einfach trotz Osteo & Co. Mein Pferd hatte eine schwere Arthrose an 5 Halswirbeln im Alter von gerade einmal 9 Jahren. Ich wäre nie auf diese Idee gekommen, dass sein unmotiviertes Gehen im Hals zu suchen ist. Erst nach einer langen Odyssee mit vielen Alternativ-Methoden ein Arzt schliesslich auf die Idee den Hals zu röntgen.

Einfach als Hinweis, dass Ursachen manchmal ganz woanders als vermutet liegen! Ich war im Nachhinein froh, hab ich meinem Gefühl “ etwas stimmt nicht; mein Pferd ist nicht einfach faul“ immer vertraut und habe so lange gesucht, bis ich fündig wurde. Und ja, das Pferd lebt in der Zwischenzeit nicht mehr :-(.

 

Von Carina • 4. Mai 2016

Zum Thema "körperliche Ursachen ausschließen": Auch wenn der Tierarzt nichts findet, heißt das nicht zwangsläufig, dass das Pferd keine Schmerzen hat. Auch ohne Arthrosen oder Entzündungen können Gelenke schmerzen. Leider glauben viele, nur weil man nichts findet, ist das Pferd gesund und "macht nur Theater".

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Ja, da stimme ich Dir absolut zu!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Rahel • 4. Mai 2016

Ich habe heute mit der Kombination Clicker-Longieren mit etwas Distanz begonnen.
Ich achte darauf, den Körper nur wenig zu formen und einfach das vorwärtsgehen zu clicken. Mein Pferd trabt da aber mit der Nase im Sand und wenig aktiver HH – soll ich das im Moment einfach so stehen lassen (und weiter motivieren), oder zurück zum anscharten gehen, und da das korrekte Traben clicken?
Vielen Dank für eine kurze Antwort!

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Liebe Rahel,
ja, ich würde die Haltung im Moment so lassen und weiter motivieren. Sobald Dein Pferd aktiver läuft, wird es sich sehr wahrscheinlich von alleine mehr aufrichten.
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Olivia • 10. Mai 2016

Als ich mit Longenkurs anfing, hatte mein Pferd überhaupt keine Lust auf Stangenarbeit. Er dachte sich immer wieder neue Methoden aus, um – im wahrsten Sinne des Wortes – um die Stangen rumzukommen. Und im letzten Herbst wurde er insgesamt immer träger.
Mittlerweile haben wir u.a. ein beginnendes Überbein von einer Trittverletzung und einen Selenmangel korrigiert. Und siehe da: das Pferd ist wieder munter, Trabstangen werden gerne angenommen.
So kam es, dass ich letzte Woche zwei Cavalettis in der Freiarbeit aufgestellt habe, gleich mal In-out. Ich hatte mich darauf vorbereitet, ihn umständlich hinschicken zu müssen und war auf Ausweichmanöver jeder Art gefasst. Völlig unnötig. Ich schickte ihn im Trab auf den Zirkel, er fand die Cavalettis, zielte mittig und schwubs – drüber. Als hätte er nie was anders gemacht. Ich will ihn durchparieren, da sagt Pferd, ach nö, ich will noch mal! Und hüpf hüpf, drüber. Aber, dachte ich, wenn ich mich von Dir wegdrehe, dann verlierst Du bestimmt gleich die Lust. Doch nö, hinter meinem Rücken eine dritte Runde rum und mit Begeisterung über die Cavalettis. Und dann das Leckerli abgeholt 😉

 

Von marlene • 27. Mai 2016

Danke für den tollen Artikel, leider befürchte ich, dass mir auch diese Tipps nicht helfen werden 🙁

Mein Haflinger ist eig. ein sehr fleißiges Pferd, im Umgang sehr brav und arbeitet beim Reiten gerne mit, egal ob im Viereck oder im Gelände.

Longieren hasst er aber, wird mitunter auch aggressiv, wenn ich ihn intensiver antreibe… tritt in meine Richtung oder drängt in die Mitte. Anfangs versucht er immer über die äußere schulter abzuhaun, bleibt einfach stehen oder bockt…. Das hatte er von Anfang an….

Bisher wurde mir nur empfohlen, das Pferd grade zu richten, dabei läuft er unter dem Reiter wirklich sehr gut. Diese Tipps haben mir wenig weiter geholfen. Nun kann ich mir aber unter „Clickern“ an der Longe nichts vorstellen und befürchte, dass er zu zwicken anfangen könnte, da er bei Leckerlies wirklich sehr gierig ist. :-/ ….

 

 

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