Die Bereitschaft zuzuhören

Neulich gab es eine hübsche, kleine Begebenheit bei der Hufpflege mit Anthony:

Anthony ist zwar nicht immer 100%ig brav bei der Hufpflege, aber er gibt seine Hufe immer freiwillig. Plötzlich aber schien er den linken Hinterhuf einfach nicht geben zu wollen. Nicht auf Ansprache, nicht auf Berührung, nicht einmal auf ein zartes Klopfen.

Klarer Fall von Ungehorsam? So hätten es wohl die meisten interpretiert und den Huf dann mit Druck (oder sogar Gewalt) gefordert, schließlich kann man dem Pferd das nicht durchgehen lassen, oder? Nun hatte ich Anthony aber aufmerksam beobachtet und hatte eine Ahnung von dem, was da los war. Er hatte nämlich seinen Hinterhuf auf die Spitze gestellt und dabei leicht nach außen gedreht. Es war nicht viel an Bewegung, aber wenn man sie wahrnahm, durchaus deutlich. Da Pferde nicht sprechen können, zeigen sie ihre Bedürfnisse anders und Anthonys Körperhaltung legte mir diese Aussage nahe: „Bitte kratz mich mal am Bein, es juckt so doll.“ Also bat ich meinen Hufpfleger, kurz zu warten, und kratzte Anthony an der Fessel. Seine Nase wurde lang und länger und er verdrehte genüsslich die Augen. Danach war er zufrieden und gab seinen Huf wie gewohnt vollkommen freiwillig.

Mein Hufpfleger stand da und schmunzelte: „Da habe ich wohl mal wieder nicht zugehört.“ Und genau wegen diesem Satz schreibe ich diesen Blog! Denn, ja, es geht um das Zuhören. Es geht immer wieder darum, nicht vorschnell davon auszugehen, dass man die Situation richtig einschätzt, sondern dass man offen bleibt für das, was wirklich ist.

Die meisten Menschen unterstellen Pferden automatisch Ungehorsam und ein ständiges Aufbegehren (warum das so ist, darüber könnte man noch viele Blogbeiträge schreiben). Und aus dieser Vorannahme heraus wird schnell geschimpft und gemaßregelt. Dabei übersehen wir aber ganz oft, dass unser Pferd uns einfach nur etwas zu sagen versucht. Dass es gar nicht sein Anliegen ist, „frech“ zu sein oder „ungezogen“, sondern dass es manchmal (vielleicht sogar fast immer?) solch banale Dinge sind, wie ein juckender Fuß, der das Pferd nicht tun lässt, was wir gerade wollen. Und mal ganz ehrlich, wäre es nicht schreiend ungerecht gewesen, wenn wir Anthony in dieser Situation gestraft hätten?

20. November 2012 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang 7 Kommentare »

 

7 Reaktionen zu “Die Bereitschaft zuzuhören”

 

Von Claudia • 23. November 2012

Wie lusitg und ich dachte nur meine macht das *gg*
Wir haben mittlerweile eine ganze Bandbreite an kratz-mich-signalen

-das von dir beschrieben für Bein
-Hinterbeine auseinander für Euter
-Vorderbein nach vorne für Brust
-Kopf zur Seite für Bauch
-Kopf ganz nach oben für Hals
und das kreativste: Führstrick runterwerfen für Rücken

Die Arme ist fast dauernd eingedeckt, da ist nicht viel mit selbst kratzen. Mittlerweile ist das fast ein Ritual. Pferd anbinden, Decke runter und erstmal durchkratzen.

lg
Claudia

 

Von christine • 23. November 2012

Der Meine ist nicht eingedeckt und könnte sich jeden Tag pausenlos selber kratzen. Trotzdem fängt er an zu schnurren, wenn ICH es tue.
Aber ich denke mir, das ist so wie beim Kitzeln. Den größten Genuss hat man, wenns wer anderer macht!
(Öhm, ich rede hier von meinem Pferd – nicht von meinem Ehemann…)

 

Von Gabriele Jensen • 26. November 2012

Ich kenne solche kleinen Signale von meinem Pferd auch. Das mit dem Hintern zuwenden und kratzt mich mal bitte sofort dort hinten, macht er auch. Im Gelände drängelt er hin und wieder an die Seite ins weiche Moos…dann muss er dringend mal pinkeln. Eben ein gut „erzogenes“ Pferd das nicht mitten auf dem Weg seine Geschäfte verrichtet 🙂

 

Von Deliah • 26. November 2012

Wunderherrlich!
So was ähnliches hatte ich auch mal.
Habe eins der Ponys fertiggemacht und jedes mal wenn ich die Hinterhufe auskratzen wollte musste sich Herr Pony erst einmal strecken. War erst auch verwundert, ähnlich wie dein Hufpfleger, hab ihn dann aber machen lassen und siehe da: Pony streckt sich und hielt dann den Huf in vorbildlicher Huf-auskratz-höhe bis ich fertig war =D

 

Von Akino • 26. November 2012

Mein Reitbeteiligungspferd ist sogar so nett und krault mich, wenn ich ihn putze. Ist manchmal ein bisschen schwierig ihm klarzumachen, dass Menschen nicht, oder nur sehr vorsichtig gekrault werden wollen, ohne ihn zu schimpfen. (Und es ist definitiv ein Kraulen, kein nach-Leckerli-wühlen oder so).

Und meine ehemaliges Reitbeteiligungspferd hält sich zwar bei mir zurück, krault aber dafür dem Schmied immer ganz hingebungsvoll den Rücken und den Hintern 🙂 Der nimmts aber auch mit Humor und sieht auch, dass das nicht ungezogen ist, sondern eigentlich sehr nett gemeint.

 

Von Claudia • 26. November 2012

Akino, das macht meine auch und sie hat gelernt, das „Aua“ bedeutet sie muss vorsichtiger sein. Und sie kann das fast so gut wie meine Physiotherapeutin 🙂

 

Von Tania • 28. November 2012

Ach schön, das freut mich für Eure Pferde, dass Ihr so gut auf sie hört! 😀

Liebe Grüße an alle,
Tania

 

 

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