Hinter die Kulissen geschaut – mein Tag mit „Mein Pferd“
Haben Sie die Januar-Ausgabe der Zeitschrift „Mein Pferd“ gelesen? Wenn ja, kennen Sie wahrscheinlich schon den dort erschienenen Bericht zum Thema Longieren. Wenn nein, dann finden Sie ihn hier.
Da ich denke, dass für viele hier interessant ist, einmal hinter die Kulissen zu schauen und zu erfahren, wie so ein Artikel in einer Zeitschrift entsteht, berichte ich heute über meinen Tag mit „Mein Pferd“.
Ich hatte mit dem Chefredakteur der Zeitschrift „Mein Pferd“, Herrn Ilja van de Kasteele, schon hin und wieder telefonisch einen sehr netten Kontakt und wusste bereits, dass er gerne einen großen Bericht zum Thema Longenarbeit mit mir als Expertin herausbringen würde. Im Oktober wurde es dann tatsächlich ernst. Wir verabredeten, dass ich zu ihm nach Köln komme, um dort mit zwei Pferden, die mir zur Verfügung gestellt werden sollten, zu arbeiten.
In aller Herrgottsfrühe machte ich mich also auf die Reise nach Köln, wo ich am frühen Mittag eintraf. Auf der Fahrt war ich doch etwas aufgeregt. Wie wird der Tag verlaufen? Was für Pferde werden mir gestellt werden? Wird es mir mit den Pferden gelingen, zu zeigen, wie schön Pferde an der Longe gehen können, wenn sie nach dem Longenkurs gearbeitet werden? Eine Einheit ist dafür ja nicht gerade sehr viel Zeit …
Herr van de Kasteele und seine Mitarbeiterin holten mich vom Bahnhof ab und gemeinsam fuhren wir in den Stall, in dem das Shooting stattfinden sollte. Dort erwartete uns bereits die Redakteurin Inga Meyer, die den Artikel schreiben sollte und die mir auch die Pferde zur Verfügung stellte.
Bei den Pferden handelte es sich um die 19-jährige Stute Suleika, ein lettisches Warmblut und um den 7-jährigen Hannoveranerwallach Joe.
Joe
Zuerst musste der gute Joe an die Arbeit. An ihm erklärte und zeigte ich ausführlich das Konzept des Longenkurses. Zu Beginn ließ ich ihn auf beiden Händen am Halfter einige Runden traben, um mir ein Bild von seiner natürlichen Balance und Laufhaltung zu machen. Das sah gar nicht so schlecht aus. Er lief in recht schönem Takt und auch losgelassen, aber es mangelte deutlich an Biegung, Aufrichtung der Schulter und Hinterhandaktivität:
Die Arbeit nach dem Longenkurs beginnt
Es folgte das Anlegen des Kappzaums und ich begann mit der Überprüfung des Genicks mittels der Übung „Führen in Stellung“.
Linke Hand klappte die Übung fast auf Anhieb lehrbuchmäßig. Joe ließ die Stellung im Genick auf leichte Hilfen hin sofort zu und ging entspannt und korrekt:
Rechte Hand gab es dann Probleme. Joe verwarf sich, …
… und zeigte ein deutliches Kummergesicht. Das Auge wurde klein mit vielen Sorgenfalten und er zeigte Stresskauen:
Um der Ursache für seinen Kummer auf den Grund zu gehen, überprüfte ich im Stehen gründlich die Beweglichkeit des Genicks …
… und stellte dabei fest: Stellung ist nach beiden Seiten möglich, wie man auf dem folgenden Bild (hier Rechtsstellung) gut sehen kann:
Um die Spannungen, die ich fühlte, zu lösen, machte ich eine Übung zur Mobilisierung der Kiefergelenke:
Und massierte den Hals, insbesondere die Stresspunkte:
Nach diesen Maßnahmen war das anschließende Führen in Stellung auch auf der rechten Hand schon ganz gut, aber mein Verdacht, dass Joe ein Problem in der oberen Halswirbelsäule hatte, blieb, und wurde später durch einen hinzugerufenen Chiropraktiker auch bestätigt (er fand Blockierungen im Bereich 2/3 HWS links, wodurch die Rechtsstellung kaum bzw. nur unter Schmerzen möglich war).
Joes Gesichtsausdruck war nun auch auf der rechten Hand deutlich besser, während er die Übung „Führen in Stellung“ jetzt auch auf dieser Hand losgelassen ausführen konnte. Wieder ein Beispiel, das deutlich macht, dass die Pferde uns mit ihrem Gesichtsausdruck und mit sogenannten Widersetzlichkeiten immer etwas sagen wollen und sie nicht einfach nur „ungehorsam“ sind!
Weiter ging es mit dem Übertretenlassen. Auch bei dieser Übung war der Unterschied zwischen linker und rechter Hand deutlich zu spüren:
Auch hier wieder mehr Probleme auf der rechten Hand, aber es ging dennoch recht gut:
Weiter ging es dann mit dem langsamen Antraben an der Hand (das, was ich als „Anschraten“ bezeichne), bei dem Joe sich die ersten Male während der Übergänge noch stark heraushebelte, dann aber schon ein paar sehr schöne Übergänge zeigte:
Stück für Stück geht es auf Distanz:
Und weiter in die Aktivierung der Hinterhand über Trab und Galopparbeit:
Hier sieht es doch schon wirklich super aus :
Jetzt gab es für Joe erstmal eine Pause und wir machten mit der Stute Suleika weiter.
Suleika
Auch mit ihr ging ich dasselbe Programm durch wie mit Joe. Zunächst einfach erst einmal laufen lassen, um sich ein Bild vom Laufverhalten zu machen:
Suleika präsentierte sich dabei ohne Biegung und deutlich vorhandlastig mit inaktiver Hinterhand:
Also ging es nun auch an die Übungen „Führen in Stellung“, dem „Übertretenlassen“ und über das „Anschraten“ zur Trabarbeit:
Suleika ließ sich etwas sehr bitten … Ich musste jegliche Energiereserve in mir aktivieren, um sie etwas motivierter und fleißiger zu bekommen. Recht schnell begann ich mit Trab-Galopp-Übergängen, die zum Glück auch bald ihre Wirkung zeigten und den Trab von Suleika deutlich verbesserten:
Auch mit Suleikas Entwicklung innerhalb dieser einen Einheit war ich sehr zufrieden. Ein großes Dankeschön an die zwei tollen, kooperativen Pferde!
Nun musste der gute Joe noch einmal ran. Mit seiner Farbe ist er das deutlich fotografenfreundlichere Pferd. Wir brauchten noch Fotos für die Hilfengebung und ich wollte noch ein paar nette Übungen zeigen, die man mit dem Einsatz von Pylonen machen kann, wie den Slalom und den Voltenzirkel.
Auch in dieser zweiten Einheit hat Joe noch einmal richtig toll mitgearbeitet! Aber so langsam war deutlich zu merken: Alle Beteiligten waren „platt“. Solch intensive Arbeit ist anstrengend! Also bekamen die Pferde Feierabend und wir Menschen setzten uns noch zum Besprechen einiger Fragen für den Artikel an einen Tisch. Schnell verging die Zeit und die Uhr zeigte an, dass wir uns auf den Weg zum Bahnhof machen mussten, wenn ich nicht die Nacht in Köln verbringen wollte. Herr van de Kasteele chauffierte mich also wieder zum Bahnhof und erschöpft aber glücklich und zufrieden trat ich meine Rückreise an.
Es war ein toller Tag! Vielen Dank an Herrn van de Kasteele für die Gelegenheit, die Arbeit nach dem Longenkurs vorzustellen und dass ich Ihre Fotos für mein Blog verwenden darf. Und ein herzliches Dank an Frau Inga Meyer, dass sie mir die zwei tollen Pferden anvertraut hat, für den tollen Artikel und das nette persönliche Feedback!
Was mir der Tag noch gebracht hat? Die Gewissheit, mich verbindet irgendwas mit Füchsen …
17. Januar 2012 von Babette Teschen • Kategorie: Longieren • 18 Kommentare »