Wie erreiche ich, dass mein Pferd über den Rücken läuft?
Nachdem wir uns nun ausführlich angeschaut haben, wie es aussieht, wenn ein Pferd gut über den Rücken läuft, wird wahrscheinlich manch einer von Euch vielleicht im Vergleich mit den eigenen Fotos erkannt haben, dass das beim eigenen Pferd noch nicht so aussieht. Da stellt sich dann natürlich die Frage:
Wie erreicht man, dass ein Pferd gut über den Rücken läuft?
Dieses komplexe Thema lässt sich natürlich nicht mal eben erschöpfend behandeln, aber ich möchte einige Gedanken, Hinweise und Tipps zusammentragen, die Euch auf dem Weg dahin helfen können.
Am Anfang steht ein Check
Zunächst muss sichergestellt sein, dass das Pferd überhaupt gut laufen KANN – und das immer wieder neu!
- Dazu gehört zum einen eine Überprüfung, ob das Pferd schmerzfrei ist (hier nicht nur an Lahmheiten denken, sondern auch an Verspannungen, an die Zähne u.ä.).
- Und zum anderen muss gründlich kontrolliert werden, dass die Ausrüstung dem Pferd auch wirklich passt, hier allem voran, ob der Sattel wirklich passt. Kein Pferd kann locker und entspannt laufen, wenn der Sattel kneift oder wenn die Ausrüstung scheuert.
Bitte nehmt beide Punkte nicht auf die leichte Schulter. Ja, es ist nervig, sich immer wieder mit dem Sattel zu beschäftigen oder schon wieder Geld für eine Gesundheitsbehandlung auszugeben. Aber wir können von unserem Pferd kein gutes Laufen erwarten (oder gar fordern), wenn wir nicht dafür Sorge tragen, dass es sich wohlfühlt, es keine Beschwerden und Schmerzen hat. Also am besten gleich mal überlegen,
- wann das letzte Mal der Zahnarzt da war (und nicht nur der Tierarzt mal einen Blick ins Maul getan hat),
- ob es vielleicht einen Grund gibt, einen Osteopathen oder Physiotherapeuten zu rufen und
- ob der Sattel wirklich passt.
Die Ausbildung als Basis
Nachdem wir für die Grundvoraussetzungen gesorgt haben, können wir uns aktiv daran machen, gemeinsam mit unserem Pferd ein gutes, gesundheitserhaltendes Laufen zu erarbeiten.
Ein nach oben schwingender Pferderücken (ob nun an der Longe oder unter dem Sattel) und eine aktive Hinterhand sind das Ergebnis einer guten Ausbildung und solider (Grundlagen-)Arbeit und das von Mensch und Pferd! Es gehört also Eure eigene Aus- und Weiterbildung genauso dazu wie die Ausbildung des Pferdes, denn unter einem Reiter, der schlecht sitzt und dem Pferd schmerzhaft in den Rücken plumpst, wird kein Pferd korrekt und gesunderhaltend laufen können. Guter Unterricht, der vor allem auf die Schulung des Sitzes und das zügelunabhängige Reiten zielt, ist also unerlässlich. Hier empfehle ich vor allem Sitzschulungen an der Longe und das nicht nur für Anfänger!
Für das Pferd ist dann zunächst eine gute Longenarbeit bestens dazu geeignet, die nötige Basis zu entwickeln. Wir zeigen in unserem Longenkurs, wie das Pferd systematisch korrekt auf einer gebogenen Linie zu laufen lernt und wie es durch verschiedene Übungen befähigt werden kann, die Hinterhand zu aktivieren und den Rücken aufzuwölben. Diese Bewegungsabläufe zu lernen, ist nichts, was von heute auf morgen gelingt, sondern es braucht Zeit, bis das Pferd die richtigen Muskeln ausbildet, um sich selbst (und später dann auch einen Reiter) gut tragen zu können.
Aber auch unter dem Sattel kann man einiges tun, um gesunderhaltende Bewegungsmuster zu etablieren. Ich kann hier in so einem Blogbeitrag natürlich keine komplette Reitlehre bieten, aber ich kann wenigstens einige Tipps geben.
Tipp 1: Erstmal immer schön langsam!
Sehr oft sieht man Pferde, die an der Longe oder unter ihren Reitern Runde um Runde in hohem Tempo durch die Bahn rennen: flacher oder sogar weggedrückter Rücken, schief in der Kurve, Kopf zu hoch oder hinter die Senkrechte gezogen. Genau damit erreicht man das komplette Gegenteil von gutem Laufen.
Pferde retten sich bei Balance-Problemen häufig ins Tempo nach vorne. Sie werden also immer schneller, können sich aber genau durch das hohe Tempo immer weniger ausbalancieren. Deshalb lautet mein erster Tipp: Lasst Euer Pferd nicht Hals über Kopf davon rennen – weder an der Longe (s. dazu auch den Text Das leidige Thema Ablongieren) noch unter dem Sattel.
Ein zu eiliges Pferd ist immer ein Pferd, das nicht korrekt läuft. Beginnt mit einem langsamen Tempo und legt immer nur so viel zu, wie Euer Pferd ausbalanciert und über den Rücken gehen kann. Das können zu Beginn (der Ausbildung, aber auch zu jeder neuen Trainingseinheit) tatsächlich oft nur wenige Schritte sein. Wird das Tempo zu hoch, gerät Euer Pferd zwangsläufig auf die Vorhand und wird im Zweifelsfall noch schneller werden, was wiederum Euch in Schwierigkeiten bringen kann. Also: Langsam und immer nur mit Bedacht das Tempo erhöhen.
Tipp 2: Viele Übergänge!
Übergänge sind ein hervorragendes Mittel, die Hinterhand eines Pferdes zu aktivieren – vorausgesetzt, sie werden korrekt longiert oder geritten. Übergänge, die nur aus Ziehen zum Durchparieren und Buffen oder Peitschentreiben zum Vorwärts bestehen, sind natürlich nicht gemeint – die schaden mehr als sie nutzen.
Gute Übergänge in die nächst höhere Gangart öffnen die Energie des Pferdes nach vorne-oben. Der Schub kommt aus der Hinterhand. Wenn Ihr das Gefühl habt (oder wenn es an der Longe so aussieht), Euer Pferd fällt gleichsam beim Antraben oder Angaloppieren nach vorne über, ist es kein guter Übergang. Ein guter Übergang in eine schnellere Gangart ist eher ein bisschen, als würde das Pferd zum Fliegen ansetzen (naja, wirklich nur ein bisschen 😉 ).
Übergänge in eine niedrigere Gangart sollten kein abruptes Stocken sein (das erfolgt immer auf der Vorhand), sondern ein weiches Auffangen der Geschwindigkeit mit der Hinterhand und ein kraftvolles Antreten in der neuen Gangart. Wenn Ihr aus dem Galopp in den Trab wechseln wollt, dann denkt dabei nicht ans Anhalten, sondern ans Antraben, beim Wechsel vom Trab in den Schritt, denkt ans Antreten in den Schritt.
Auch Tempiwechseln innerhalb einer Gangart sind bestens dazu geeignet, die Hinterhand zu aktivieren und den Rücken zum Schwingen zu bringen!
Tipp 3: Seitengänge erlernen und nutzen!
Durch das Erarbeiten von Seitengängen, hier allem voran das Schulterherein, kann man das Pferd sehr schön leicht in der Schulter bekommen. Das Pferd lernt dabei, sich mit der Schulter verschieben zu lassen und nimmt in korrekt ausgeführten Seitengängen immer mehr Gewicht auf die Hinterhand.
Das gilt allerdings nur dann, wenn das Schulterherein nicht durch Ziehen und Drücken „erzwungen“ wird, sondern wenn es mit Leichtigkeit geritten, geführt oder longiert wird. Voraussetzung dafür ist, dass
- der Mensch weiß, wie ein Schulterherein geführt, longiert und geritten wird und
- das Pferd versteht, was gemeint ist und man ihm Zeit lässt, es zu erlernen.
Ich sehe immer wieder, dass gerade beim Reiten von Seitengängen vom Reiter meist viel zu viel gemacht wird, zu viel Zügel, zu viel Schenkel. Ein Schulterherein lässt sich am besten nach einer Volte reiten, indem man einfach für einen Moment so tut, als wolle man die Volte weiterreiten, dann aber dem Pferd sanft den Weg geradeaus zeigt. Das eigene Bild, die eigene Vorstellung von der Lektion ist oft das Entscheidende – von den Hilfen ist hier fast immer weniger mehr, denn mit all den Hilfen bringen die meisten das Pferd eher durcheinander.
Seitengänge können dem Pferd zunächst am besten vom Boden aus bei der Arbeit an der Hand vermittelt werden. Auch an der Longe kann man das Schulterherein sehr schön erarbeiten. Pferde, die das Prinzip der Seitengänge am Boden verstanden haben, tun sich viel leichter, es auch unter dem Sattel zu zeigen.
Wie schon gesagt, diese Tipps können natürlich die Grundausbildung nicht ersetzen, aber für mich haben sie sich als sehr hilfreich erwiesen.
9. Januar 2012 von Tania Konnerth • Kategorie: Gesundheit • 13 Kommentare »