Wut ist gut?

Wut ist ein heftiges Gefühl. Wut besteht aus großem Ärger und Zorn. Wut macht impulsiv und aggressiv. Wut führt dazu, dass wir nicht nachdenken, sondern blind handeln. Wut lässt uns brüllen oder gar schlagen. Da sollte man doch annehmen, dass Wut beim Pferd nichts, aber auch wirklich gar nichts zu suchen hat, oder nicht?

Leider ist in der Pferdewelt vieles anders, als was man vom normalen Menschenverstand her annehmen sollte, und so wird Wut durchaus „empfohlen“, mehr noch, gerade Anfänger oder Kinder werden in Sachen Wut regelrecht ermutigt:

  • „Werd doch mal richtig wütend und setz dich durch!“
  • „Werd doch mal sauer, der macht mit dir, was er will.“
  • „Zeig ihr, dass es dir reicht und zieh ihr eine über.“

Das sind leider keine ausgedachten Sätze, sondern Sätze, die ich in meinen frühen Reitunterricht-Jahren wieder und wieder gehört habe. Und die ich befolgt habe. Sätze, die Taten haben folgen lassen, für die ich mich schäme. Bis zum heutigen Tag arbeite ich daran, diese tief sitzenden Muster zu durchbrechen.

Für mich ist die Sache inzwischen ganz klar: Wut ist NICHT gut! Wut hat am Pferd nichts zu suchen. Ich habe noch nie erlebt, dass Wut im Umgang mit Pferden zu etwas Guten geführt hat – nicht bei mir und nicht bei anderen.

Pferdegerechter Umgang heißt für mich, die eigene Wut nicht auszuleben, sondern sie in den Griff zu bekommen und konsequent weg zu leiten vom Pferd. Wir haben kein Recht, wütend auf ein Pferd zu sein und unsere Wut hat keinen konstruktiven Nutzen im Umgang mit einem Pferd.

Wut kann hier nur zerstören: Beziehungen und Vertrauen.

22. September 2011 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang 18 Kommentare »

 

18 Reaktionen zu “Wut ist gut?”

 

Von Monika • 22. September 2011

Liebe Tanja, vielen Dank für Deine Worte. Wut zerstört nicht nur Beziehungen und Vertrauen zu unseren Pferden, sondern auch zu unseren Freunden, Kindern und Partnern. Die Folgen werden nur in der Beziehung zu Pferden viel schneller offensichtlich. Dies gibt uns die einzigartige Möglichkeit, im Umgang mit dem Partner Pferd, unsere emotionale Selbstbeherrschung für den Umgang mit unseren menschlichen Lebenspartnern zu trainieren. Ich meine hiermit nicht, keine Gefühle zu zeigen. Gefühle wie Freude und Trauer haben aber nicht die Konsequenz, dem anderen zu schaden. Wir möchten doch selbst in menschlichen und tierischen Partnern eine gewisse Verlässlichkeit finden. Diese Verlässlichkeit müssen wir aber auch anbieten, was unmöglich ist, wenn wir der Wut erlauben, uns zu beherrschen. LGr, Monika

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Herzlichen Dank, Monika, für Deine Zeilen,
Tania

 

Von Christiane • 23. September 2011

Hallo Tania,

ich sehe das Thema Wut etwas differenzierter und ja den ersten Satz benutze ich auch hin und wieder mal. Ich habe eine Reitschülerin, die sich so gar nicht durchzusetzen vermag und dadurch dem Pferd keine Führungsperson sein kann. Natürlich fällt es dem Pferd schwer zu verstehen, was sie möchte und es übernimmt dann halt selbst die Führung/ Verantwortung. Mit besagtem Satz versuche ich Ihren Ehrgeiz zu wecken und Kampfgeist zu wecken, damit sie mehr Biss bekommt.
Das hat aber auf keinen Fall etwas damit zu tun, negarive Gefühle am Pferd auszulassen. So etwas geht gar nicht!
Wenn ein Pferd nicht das macht, was man möchte, ist der Reiter schuld. – Anstelle der oben genannten Sätze, sollte man viel ehr darüber reden, warum das Pferd nicht „gehorcht“.

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Hallo Christiane,

ja, die Argumentation kenne ich. Ich denke aber tatsächlich, dass gerade „Wut“ nichts ist, was jemanden dabei helfen kann, so mit einem Pferd zu arbeiten, dass es vertraut und gerne mitarbeitet. KLar, „Durchsetzen“ kann man sich mit Wut – aber das ist doch genau das, was wir eigentlich nicht wollen, oder?
Tania

 

Von Manuela • 23. September 2011

Zu Christiane:
Ich halte Deinen Ansatz leider nicht für sehr glücklich. Und da Du offensichtlich als Reitlehrerin arbeitest, solltest Du eventuell Deine Grundsätze überdenken, denn aus Deinen Schülern werden eigenständige Reiter, die Deinen gelehrten Weg fortsetzen und denken es wäre der richtige …

Wenn Deine Reitschülerin bei diesem Pferd kein Land sieht, dann muss sie lernen, ihre Persönlichkeit so weiter zu entwickeln, dass sie dem Pferd gewachsen ist. Oder sie muss ein anderes Lehrpferd bekommen, das so in sich gefestigt ist, dass es die Schwächen der Reiterin verzeiht und trotzdem motiviert mitmacht. An und von diesem Pferd kann die Reiterin dann lernen, klar, konsequent und führungssicher zu sein.
Oder sie muss das Reiten aufgeben und Tennisstunden nehmen …

Jean-Francois Pignon sagt, es braucht vier Dinge im Umgang mit dem Pferd: Ruhe, Konsequenz, Liebe, Fairness. Von „Wut“ sagt er nix. Und ich finde, dass sich Wut und Ruhe komplett gegenseitig ausschließen. Denn – wie kann man KEINE negativen Gefühle haben, wenn man wütend ist, „Kampfgeist“ und „Ehrgeiz“ entwickelt, wie Du schreibst …
Und ein (guter) Reitlehrer hat mir mal gesagt: „Führe Dein Pferd so, wie Du gerne von einem guten Chef geführt werden würdest.“ Wenn ich mir vorstelle, ich hätte so ein „Rumpelstilzchen“ als Chef, der die ganze Zeit nicht aus dem Quark kommt und dann plötzlich in die Luft geht – den würde ich auch nicht ernst nehmen. Der ist ja unberechenbar.

Du schreibst ja selbst, man muss herausfinden, „warum das Pferd nicht gehorcht“. Nun – weil der Mensch oben drauf nicht bereit ist an SICH zu arbeiten – statt dessen arbeitet er an dem Pferd und versucht, es irgendwie gefügig zu machen.
Was meinst Du denn genau wennn Du zu Deiner Reitschülerin sagst: „Jetzt setz Dich mal durch!“? Klingt für mich nicht nach Harmonie und Leichtigkeit … Ich finde, das ist genau so ein Standardsatz wie „Hacke tief“ und „Schultern zurück“. Hat mir im Reitunterricht auch nie weiter geholfen …
Du musst ihr doch vielmehr beibringen wie sie sich 100% auf das Pferd konzentriert, ihre Hilfen exakt gibt, sich Bilder von den zu reitenden Lektionen vorstellt, Harmonie und Leichtigkeit findet. Zur Not mit Longeneinheiten, Sitzschulungen, Trockenübungen. Damit das Pferd ihr zuhört, sich auf sie einlässt, ihr vertraut.

Tut mir Leid, ich kenne Dich nicht, Du magst an sich eine gute Reitlehrerin sein und viele Reitschüler glücklich machen. Aber es ist genau diese Denkweise, die man aus Deinen Worten heraushört, die ich heute, 30 Jahre nach meiner ersten Reitstunde, versuche abzulegen. Besser wäre es doch gewesen, ich hätte gar nicht erst angefangen so zu denken …

 

Von nicole • 24. September 2011

Eine Alternative zu „werd mal richtig wütend“ wäre:
„sei es dir wert, dass man dich ernst nimmt“
und den Satz für sich tag täglich wiederholen.
Kürzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass mein Schulpferd keinen Schritt machte, egal was die Schülerin versuchte. Erst als ich ihr diesen Satz anbot und sie ihn zwei mal wiederholte, setzte sich das Pferd in Bewegung….
lG Nicole

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Hi Nicole,

ja, das ist ein viel schönerer Gedanke! Diesen Satz finde ich deutlich positiver und ich denke, der kann auch im ganz normalen Alltag vieles verändern 😉

Tania

 

Von Katja Doering • 26. September 2011

Hallo, also ich war als Jugendliche noch total ungestüm und habe meine Pferde die um mich rum waren regelmäßig angeschrieen oder hatte Wutausbrüche. Das hat sich aber schnell gegeben als ich 2 Jahre älter wurde und ich mehr über Konsequenz, Zeit und Ruhe erfahren habe. Seither habe ich mich selber auch mehr im Griff und ich habe meine Pferde seither nie wieder angeschrieen. Als Alternative spreche ich dem Pferd gut zu und versuche es erneut, vielleicht deutlicher und/oder gebe dem Pferd mehr Zeit und überlege was ich falsch gemacht habe.
Wichtig ist aber auch zu merken, wenn das Pferd wirklich ungehorsam ist, ihm dann gut zureden, wäre da ja kontraproduktiv. Ich bin der Meinung in dem Moment ein Rüppel oder ein kurzes lautes Wort reicht kurz aus oder man ignoriert es. Wichtig ist aber dass man sofort selber wieder die Ruhe findet und ruhig ausatmet. Das merkt unser Sensibelchen doch!
Mit meinem Umgang täglich mit Pferden und Ihren Hufen zeigt, dass es solche und solche Pferde gibt. Wenn man erst einmal die Aufmerksamkeit und den Willen des Pferdes hat mitzumachen, dann ist die Wut Geschichte.

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Herzlichen Dank, Katja, für Deinen Kommentar!
Tania

 

Von Christa • 26. September 2011

Danke für diesen wichtigen Post, der in mir sehr viel aufgewühlt hat. Ich bin 100% damit einverstanden, dass Wut nichts zu Suchen hat im Umgang mit Pferden. Dass wir – im Dienste aller unserer Beziehungen – unbedingt lernen müssen, unsere Wut als das wahrzunehmen, was sie ist: nämlich ein Ausdruck für ein darunter verborgenes Gefühl und ein nicht erfülltes Bedürfnis, das gesehen und anerkannt werden will.

Leider gehöre ich genau zu den Menschen, die Christiane in ihrem Kommentar beschreibt: es fällt mir oft sehr sehr schwer, mir bei meinem Pferd Gehör zu verschaffen, weil es mir an innerer Klarheit fehlt – und ja genau: weil ich es mir oft nicht wert bin, ernst genommen zu werden. Diese Worte treffen es sehr genau auf den Punkt.

Die Aufforderung, mich doch endlich durchzusetzen, bringt mich in grosse Not, und ich tue dann etwas, weil es ein anderer von mir will: gegen das Pferd, und schlussendlich auch gegen meinen eigenen Willen. Das ist ein ganz schrecklicher Kreislauf, und ich bedauere das sehr und ringe jetzt seit vielen Jahren darum, das zu verändern.

Ja, ich habe mir auch schon überlegt, ob ich mein Pferd weggeben soll, ob es einfach keinen Sinn hat. Denn es bringt auch überhaupt nichts, das Pferd zu wechseln: die Symptome mögen sich verändern, weil jedes Pferd anders ist, aber das Problem bleibt ja weiterhin bestehen.

An guten Tagen sage ich mir, dass ich genau deshalb diesen schwierigen Weg mit meinem Pferd gewählt habe, damit ich diese Fähigkeiten in mir entwickeln kann. Dass er genau deswegen – als mein Lehrmeister – zu mir gekommen ist. Und dass es sich daher lohnt, mich immer wieder aufzurappeln und weiter zu machen.

Weil ich wünsche mir so sehr, eine tiefe, ehrliche, auf gegenseitigem Respekt aufbauende Beziehung mit meinem Pferd aufzubauen. Dafür würde ich so ziemlich alles tun und geben. Wie ein Freund von mir es einmal umschreiben hat: „Du bist dafür bereit durch das Tal der Tränen zu gehen.“

Da ich leider zur Zeit keine regelmässige Reitlehrerin habe und mit meiner unregelmässigen Reitlehrerin an besagte Grenzen gestossen bin, suche ich nach anderen, pferdeunabhängigen Wegen, an meiner Klarheit und meinem Selbstwert zu arbeiten.

Grosse Hoffnungen setzte ich auf die Erkenntnisse, die ich bei einer Weiterbildung zu gewaltfreier Kommunikation (nach Marshall Rosenberg) erlange. Da gibt es sehr konkrete Hilfestellungen und Übungen, zum gewaltfreien Umgang mit andern, vor allem aber auch MIT SICH SELBST (=Selbstempathie).

Und da es dabei um einen innere Haltung geht, die auf die grundlegenden Bedürfnisse achtet, auf denen all unsere Handlungen basieren, besteht auch die Chance, wieder mehr aus dem eigenen innern heraus zu leben, und nicht mehr so sehr am Aussen orientiert zu sein.

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Liebe Christa,

Dein Text rührt mich sehr. Ich kann Dich nur darin ermutigen, nicht auf andere zu hören, sondern auf Dich selbst. Sich auf Geheiß von anderen „durchzusetzen“ beim Pferd, hat mich immer wieder dazu gebracht, mich elend zu fühlen, denn ich wusste, es ist falsch. Ich hatte, wie Du, noch keine genaue Vorstellung, wie es anders gehen soll, aber es geht!

Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du jemanden findest, der Dich auf Deinem ganz persönlichen Weg zu Deinem Pferd begleiten kann – es lohnt sich, auch wenn er vielleicht lang und holprig ist.

Alles Gute,
Tania

 

Von Susanne • 26. September 2011

Hallo ! Ich war ja mit Dir auf dem Pignon Kurs. Vieles war schön, manches ging gar nicht – aber das BESTE, was ich da gelernt habe (und das hilft auch im Umgang mit den Kindern, Jean-Francois benutzte auch genau dieses Beispiel) ist: SAGE UND TUE NICHTS IN WUT !!! Z. B.: Wenn das Pferd dir beim Verladen auf den Fuß springt – tu nichts in Wut!!! Es bringt nichts ! Und er hat so recht! Es hat mein Leben durchaus ein Stück verbessert in solchen Momenten der Wut einfach zur Besinnung zu kommen – vielleicht ein paar Minuten Auszeit nehmen und in sich gehen und sich ein paar Gedanken machen, wie man das Problem nun ohne Wut lösen kann. Und dann gibt es auch Lösungen, die von Pferd (oder Kind) auch angenommen werden, da sie sie verstehen, da sie nicht aus einer Wut „entsprungen“ sind und sie sich nicht „verletzt“ fühlen. Ich weiß nicht genau, wie ich es besser beschreiben soll. Aber es hilft ungemein, wenn wirklich nicht mit „Wut im Bauch“ agiert wird. Ich finde wieder alle Beiträge lehrreich und bin froh, dass es euch gibt ! Jeden Montag soviel Neues von euch zu lesen, macht immer wieder Spaß! Und ich würde euren Urlaub glatt ausfallen lassen (nicht wirklich:-) ! Liebe Grüße aus dem Saarland!!!

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Liebe Susanne,

schön von Dir zu lesen! Ja, stimmt, das hat er in dem Seminar gesagt und ja, das unterschreib ich voll und ganz.

Herzlichen Dank auch für das tolle Feedback,
Tania

 

Von Kelly • 26. September 2011

Liebe Tania,

ein sehr schöner Artikel, vielen Dank!

Ich denke, Wut ist immer ein Zeichen von Hilflosigkeit, Überforderung und Verzweiflung. Dabei darf nie vergessen werden: Wut schadet nicht „nur“ unseren Pferden, unseren Mitmenschen und unserer Mitwelt, sondern es schadet auch ganz besonders uns selbst und der Beziehung zu uns selbst. Wer Wut empfindet ist nicht in seiner Mitte, er ist nicht in Verbindung mit sich selbst, hat demnach in diesem Moment kein SelbstBEWUSSTSEIN. Wut ist vergleichbar damit, mit glühenden Kohlen nach Jemandem zu werfen, Du selbst wirst Dich am Meisten verbrennen. Wann immer ich wütend werde (was zum Glück im Umgang mit meinen Pferden nicht mehr vorkommt), dann kehre ich ganz bewusst zu mir selbst zurück, atme ganz bewusst, besinne mich auf positive Gefühle und auf das eigentliche Ziel. Mit Wut kann ich gar nichts erreichen, wohl aber mit Besonnenheit, Geduld, Liebe, Entschlossenheit und Beständigkeit.

An dieser Stelle ein kleiner Buchtipp für Interessierte: „Der Pfad des friedvollen Kriegers“ von Dan Millman

Viele Grüße. Kelly (www.meinPferdetraum.de)

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Ja, Kelly, das was Du schreibst, ist auch meine Erfahrung – herzlichen Dank für Deinen Kommentar!
Tania

 

Von Birte • 27. September 2011

Hallo,
ich denke auch, dass Wut und Agression am Pferd nichts zu suchen haben. Und wenn man gestresst von Arbeit, zu Hause oder wo auch immer herkommt, wird der Umgang mit dem Pferd nicht besser. es sei denn, man kann das wirklich an der Stalltür hinter sich lassen.
Eines meiner Pferde hat mich recht gut erzogen. Wenn ich mich selbst im Griff hatte, hatte ich bei ihm keine Chance. Also hab ich manchmal eine Unterrichtsstunde kurz vorher abgesagt.
Denn mit der Laune hatte ich am und auf dem Pferd nichts zu suchen.
Ich wünsche mir, dass gerade Reitlehrer da ein Auge drauf haben und den Reitschüler zur Not auch vom Pferd holen.
Viele Grüße. Birte

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Ja, genau das ist auch mein Ansatz: dass gerade die Lehrer und Trainerinnen dabei helfen müssen, Wut eben nicht am Pferd auszuleben!
Tania

 

Von Katja • 27. September 2011

Richtig, Wut hat am Pferd nichts zu suchen!
Im Grunde bringt einen Wut niemals im Leben weiter. Es ist verpuffte Energie, manchmal zerstörerisch, seltenst produktiv.

Neulich sah ich im TV einen Bericht, in dem von einem Wallach erzählt wurde, der beim Anblick eines Mannes mit Peitsche/ Gerte die Augen schloss.
Bei diesem Satz schossen mir sofort die Tränen in die Augen.

Nein, Wut dürfte glatt aussterben – ich würde sie nicht vermissen!!

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Himmel, ist das eine traurige Geschichte …

Ich denke, Wut hat grundsätzlich schon eine wichtige Funktion. Entscheidend ist nur aus meiner Sicht, wie wir damit umgehen. Sie einfach „nur auszuleben“ ist oft zerstörerisch. Wut aber als Signal zu sehen, dass etwas gegen unsere Vorstellungen, Bedürfnisse oder eben uns als Person geht, kann helfen, Umstände zu ändern. Aber um das zu erreichen, muss man auch erstmal wieder aus der blinden Wut herauskommen.
Tania

 

Von Leah • 27. September 2011

Hallo!
Wenn ein Pferd bockt und man es nachher ein bisschen mehr fordert wie z.B. ein bisschen ein schnelleren Trab / Galopp (-> mehr treiben), ist das auch Wut oder nur bestimmt sein?
Lg

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Hallo Leah,

da kommt es für mich sehr auf das „Wie“ an. Man kann aggressiv vorwärtstreiben, nach dem Motto „Das wagst Du nicht noch mal, sonst …“ oder man kann es freundlich tun, nach dem Motto: „Na, heute Hummeln im Hintern?“ 😀
Tania

 

Von Petra • 28. September 2011

Hallo Tania,

wieder hasst Du ein komplexes Thema aufgegriffen und auf den Punkt gebracht. Man kann sich drehen und wenden wie mal will, Argumente dafür und dagegen finden – Fakt ist aber und da bin ich 100%-tig bei Dir Wut hat am Pferd gar nichts zu suchen.

Ich kenne die besagten Sätze auch gut von meiner ersten Reitlehrerin. Diese war vom alten Schlag und ich habe mich irgendwann von Ihr verabschiedet. Sie hat mich einfach nicht weitergebracht. Nun habe ich seit diesem Jahr eine ganz tollen Reitlehrer. Der ist unglaublich ausgeglichen, den bringt nichts aus der Ruhe. Er verlangt weder von mir noch von seinen Reitschulpferden zu viel. Ich bin eine reine Freizeitreiterin und so bildet er mich auch aus.

Ja, auch mich möchte er dazu bringen, dass ich mich bei seinem dominanten jungen Wallach durchsetze aber nicht mit Wut – korrekte Hilfen sind hier angebracht und da bringt er mich hin.

Meine Püppi und ich haben in diesem Jahr so viel Fortschritte gemacht wie die letzten 2 Jahre zusammen nicht. Und hier …. kommst Du ins Spiel Tania ….

Seit ich Deinen Blog gefunden habe und die ein oder andere Anregung umgesetzt ist, funktioniert es richtig gut. Meine Püppi fordert mich mittlerweile zum Spielen und Arbeiten auf, das war das letztes Jahr nicht umbedingt so. Sie machte zwar immer mit – aber eher so nach dem Motto. Ok, bevor ich gar nichts mache mache ich halt mit……. Da sie eher träge ist, fällt es jetzt umso mehr auf.

Grüße
Petra

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Danke, Petra – ich freu mich!
Tania

Vielen Dank an Dich und weiter so……

 

Von Rebekka • 28. September 2011

Liebe Tania, ich bin sehr oft bei Dir – zum Thema Wut allerdings nicht.
Es gibt viel Grundgefühle: Angst, Freude, Traurigkeit, Wut – 3 davon negativ besetzt in unserer Gesellschaft. Gerade das Thema Wut leben Frauen oft als Traurigkeit – welche durfte als Kind wütend sein? Ich nicht.
Wut ist die einzige Eigenschaft, die mir signalisiert: da hat jemand meine Grenze überschritten. (siehe hierzu auch KarlaMcLaren: „The Language of Emotions“). Und Wut ist die einzige Eigenschaft, die mir ermöglicht, meine Grenze oder besser ausgedrückt: meinen persönlichen Raum wieder herzustellen! Nicht Angst, nicht Freude, nicht Traurigkeit. Und wie oft haben Menschen, v.a. Frauen damit zu kämpfen, im richtigen Moment (!) Nein zu sagen. „Bin ich es mir wert?“ spielt eine große Rolle.
Ich gebe Dir recht, daß Wut oft zu Aggression führt (womit hier die Kontrolle über das originäre Gefühl Wut schon verloren ist) – leider eben, weil wir Menschen Wut oft nur als Aggression kennen :-(, und nicht so leben wie Pferde, die durchaus auch wütend (nicht ängstlich, freudig oder traurig) den Stallkollegen vom Futter vertreiben.
Das Wut nicht sein darf, führt m.E. in die falsche Richtung… Ich glaube auch nicht, daß man einen anderen Namen für diese Emotion suchen muß, sondern ich hinterfrage: Wie muß Wut aussehen, daß sie mir helfen kann, FÜR MICH!! – eben NICHT GEGEN andere -, meinen persönlichen Raum zu schützen bzw zu wahren?
Liebe Grüße
Rebekka

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Liebe Rebekka,

ich denke, wir liegen gar nicht weit auseinander. Ich habe nicht geschrieben, dass Wut „nicht sein“ darf. Wut ist eh da – ob nun offen oder unterdrückt – und ja, je stärker sie unterdrückt wird, desto heftiger kommt sie oft heraus. Worum es mir geht ist, dass Wut beim Pferd nichts zu tun hat. Denn unsere Wut entsteht nicht beim Pferd, sondern fast immer ganz woanders. Leider ist es vollkommen akzeptiert, Wut gerade beim Pferd auszuleben, ja, es wird sogar gefördert – und genau das führt zu sehr, sehr vielen Ungerechtigkeiten dem Pferd gegenüber.

Wut wahrnehmen: ja! Wut angehen: ja! Aber bitte nicht beim Pferd auslassen.

Pferde werden ausgesprochen selten „wütend“. Kurfristig aggressiv, ja, aber wütend? Ich habe allenfalls bei sehr überforderten Pferden (z.B. solchen, die Herdenchef werden, ohne wirklich dafür geeignet zu sein, einfach weil kein anderer da ist) oder bei wirklich mies behandelten Pferden mal so etwas wie Wut erlebt, aber sonst wirklich nie!

Tania

 

Von Lisa • 23. November 2011

Meine Reitlehrerin hat immer gesagt:“Jetzt schlag sie doch mal richtig mit der Gerte, werd mal sauer, zeig ihr doch mal, wo der Hammer hängt, dann läuft sie schon los, dein rumgestreichel mit den Schenkeln bringt eh nichts, dass ist ein Pferd und kein Mensch!“ Zuerst habe ich mich dagegen gesträubt, dann ahbe ich es doch getan, denn: was meine RL sagt, muss ja richtig sein!

Wenn ich heute daran denke, stellen sich mir die Nackenhaare auf! Wie ich damals auf das arme, wehrlose Pferd „eingedroschen“ habe…schrecklich!

Heute reite ich gar nicht mehr mit Gerte, habe da glaube ich so eine Art „Gerten-Phobie“ (Gibt`s das)?

________________________

Ja, diese traurige Art von Unterricht kenne ich leider auch 🙁

Und was Deine Einstellung zur Gerte angeht: Die könntest Du noch einmal neu überdenken. Eine Gerten kann ein wundervolles Kommunikationsmittel sein, da wir mit ihrer Hilfe unseren Arm verlängern können. Ich nutze die Gerte heute mehr wie einen Taktstock, ja, ich streichle meine Pferde auch oft damit.

Herzlich,
Tania

 

Von Lisa • 24. November 2011

Okay, ich werde es versuchen, aber immer, wenn ich eine Gerte in der Hand halte, erinnere ich mich an damals…und naja, das macht mich halt verdammt traurig…aber du hast Recht, Gerten können auch sehr gute Kommunikationsmittel sein…habe auch noch eine zuhause hängen, aber bei Flower brauche ich eigentlich auch gar keine Gerte, sie reagiert auf die winzigsten Schenkel- und Gewichtshilfen (hab ich gemerkt, als ich schmerzen am po hatte und ein bisschen schief gesessen hab, da hat sie fast immer auf dem Zirkel laufen wollen xD)

 

Von Martin Arndt • 31. Januar 2012

Hallo Tania, warme und richtige Worte von dir. Wenn Pferd und Mensch, in welcher Form auch immer zusammen arbeiten, kann immer nur einer führen und das ist der Mensch. Die entscheidende Frage ist, wann sehen mich die Pferde als würdigen Führer? Wenn ich ruhig und gelassen bleibe und zwar in absolut jeder Situation, durch schlagen, schreien oder gar durch Wut oder Wutanfälle zeigen ich den Pferden das ich absolut gar nichts im Griff habe und auch nicht würdig bin zu führen. Es dient lediglich dazu die eigene Schwäche zu kaschieren. Nur die Pferde sind nicht dumm. Es wäre im Interesse aller Pferde wenn bei uns Allen endlich ein radikaler Umdenkprozess stattfindet. Wir Menschen haben nicht das Recht zu sagen – du tust was ich dir sage oder ich tue dir weh -. Es kann nur heißen, Motivation durch Lob und nicht Motivation durch Angst.

LG Martin

lernen – der Geist ist kein Gefäß was ich mit Wissen füllen soll, sondern ein Feuer was es zu entfachen gilt.

___________________________

„Es kann nur heißen, Motivation durch Lob und nicht Motivation durch Angst.“ – Das unterschreib ich voll und ganz,
Tania

 

Von Anja • 27. Januar 2014

Klar wird das meiste durch Reitlehrer/in vermittelt und
gelehrt. Bei mir ist das anders. Ich habe zwei Töchter die total Gegensätzlich sind. Wir haben ein Pferd welches
beim galoppieren regelmäßig buckelt. Wenn meine große
Tochter ihn reitet und er anfängt zu buckeln, wird sie
regelrecht wütend und versucht durch Zorn ihn davon
abzuhalten. Ich habe ihr nie gesagt, wird mal wütend, setz dich mal durch. Sondern viel mehr, bleibe mal ruhig und versuche das mit mehr Gelassenheit zu sehen. Keine Chance, da kommt dann nur der Spruch „ich bin nicht so ein Weichei wie du, ich setze mich durch“.
Meine kleine Tochter ist da anders, sie bleibt ruhig dabei und versucht daran dann weiter zu arbeiten und das klappt wirklich besser.
Ich denke, diese Wut ist ein Zeichen der Unsicherheit und man versucht halt die Unsicherheit durch die Wut zu ersetzen.

Anja

 

Von Bettina Tretner • 27. Januar 2014

Ich bin der Meinung, dass alle Gefühle ihre Daseinsberechtigung haben und so auch Wut. Es kommt nur darauf an, wie man damit umgeht. Denn ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass es sehr kontraproduktiv sein kann, wenn man sich verstellt, denn das müssen wir ja in gewisser Weise tun, wenn das Gefühl nicht da sein darf. Und dieses „verstellen“ verunsichert unsere Pferde genauso, da sie unsere wahren Gefühle wahrnehmen können. Ich bin der Meinung, die Information hinter der Wut ist das Wichtigste, damit man selbst was verändern kann. Sehr häufig ist es nämlich so, dass hinter der Wut Angst steckt oder wie Anja geschrieben hat, Unsicherheit. Ich helfe den Menschen, mit denen ich arbeite, die Information hinter dem Gefühl zu verstehen um das eigene Verhalten dann in dem Sinne verändern zu können. So muss die Wut dann nicht unterdrückt werden, sondern sie kommt erst garnicht mehr auf, weil man lernt, die eigenen Grenzen wahr zu nehmen und zu respektieren. Zugegeben, das erfodert natürlich die Bereitschaft, für sich selbst die Verantwortung zu übernehmen und das eigenge Verhalten anzupassen. Die Pferde sind aber wie umgedreht, wenn man stimmig ist. Damit kommen sie nämlich klar. Wenn ich selbst mal ärgerlich werde bei meinem Pferd (bin ja schließlich auch nicht perfekt), dann sage ich es und wir vertagen die Übung bis ich weiß, wie ich für mich sorgen muss, damit es ok ist. Somit sorge ich gleichzeitig für mein Pferd, denn sie weiß eh dass ich sauer bin, muss meine Themen aber nicht ausbaden und das Vertrauen bleibt. 🙂

Herzliche Grüße
Bettina

 

 

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