Dürfen Pferde Fehler machen?
Mit den Fehlern ist das schon eine seltsame Sache: Jeder von uns weiß, dass Fehler zum Leben und zum Lernen dazugehören und jeder von uns macht Fehler. Aber mal ganz ehrlich, wie sieht es mit unseren Pferden aus? Dürfen auch sie Fehler machen?
Wenn man sich mal in der Reiterwelt umschaut, kann man schnell den Eindruck bekommen, dass Pferde auf gar keinen Fall Fehler machen dürfen. Denn wenn ein Pferd etwas falsch macht, folgt die Strafe auf dem Fuße. Schließlich muss es doch merken, wenn etwas nicht richtig war, nicht wahr? Wie soll es sonst lernen?
So habe ich früher auch gedacht – und leider habe ich auch danach gehandelt. Heute weiß ich, dass für das Lernen eine angstfreie Atmosphäre nötig ist.
Bei der Frage, wie wir mit Fehlern unseres Pferdes umgehen, gibt es zwei Aspekte zu beachten:
- Unsere eigene Seite: Können wir uns wirklich immer sicher sein, eindeutige Signale und korrekte Hilfen zu geben? Oder könnte es vielleicht sein, dass der Fehler gar nicht vom Pferd gemacht wird, sondern von uns selbst? Seitdem ich mir klar gemacht habe, wie oft ich selbst fehlerhaft reite oder widersprüchliche Signale gebe, bin ich sehr vorsichtig geworden, einen Fehler beim Pferd zu vermuten. Für die allermeisten Fehler, die Pferde machen, liegen meinem Eindruck nach die Ursachen in einer mangelnden Kommunikation, in falschen Signalen oder schlicht und einfach in Missverständnissen. Und bei all diesen Ursachen gibt es keinen Grund, ein Pferd zu strafen, sondern wir sind aufgerufen, unsere Signale deutlicher, also pferdeverständlicher zu machen oder auch zu überprüfen, ob unser Pferd tatsächlich gerade leisten kann, was wir verlangen. Sehr oft hilft eine freundliche Wiederholung der Aufforderung und das Pferd tut, was wir möchten.
- Die Seite des Pferdes: Ein Pferd, das Angst vor Fehlern hat, ist ein gehemmtes Pferd. Es wird versuchen, alles richtig zu machen, aber genau in diesem Eifer hört es vielleicht nicht richtig zu. Oder es nimmt vor lauter Angst Zeichen gar nicht wahr. Ein Pferd, das Angst hat, hat Stress. Und unter Stress lernt es sich nur sehr schwer. Ein Pferd, das hingegen entspannt ist und weiß, dass es auch mal etwas falsch machen darf, ohne gestraft zu werden, ist ein lockeres und offenes Pferd. Es wird Signale besser wahrnehmen und verstehen können. Es schlägt vielleicht auch mal eigene Dinge vor, weil es diese für eine gute Idee hält. Und wird es auch dafür nicht gestraft, wird es immer mehr Motivation entwickeln.
Mit diesen beiden Seiten im Kopf lebe ich mit meinen Pferden seit einiger Zeit das Motto: „Fehler machen erlaubt!“ Ich darf Fehler machen, sie dürfen Fehler machen, wir dürfen gemeinsam Fehler machen. Geschieht ein Fehler, wird freundlich korrigiert und einfach neu angesetzt. Und das tut uns allen dreien unendlich gut!
1. September 2011 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang • 9 Kommentare »
Von Nicole
• 2. September 2011
Hallo Tanja,
darüber mal nachzudenken, ist eine gute Entscheidung. Viel zu schnell wird das Pferd für falsches Verhalten bzw. einen Fehler gestraft, ohne mal selbst darüber nachzudenken, warum es jetzt so anders reagiert hat, als erwartet.
Aber das hatte ich mir auch schon lange abgewöhnt, denn es reicht schon, wenn sich die Menschen untereinander und gegenseitig das Leben schwerer machen, als nötig.
Wenn etwas nicht so richtig geklappt hatte, entschuldige ich mich meist sogar noch beim Pferd und setze dann nochmal in Ruhe neu an, sodaß es dann richtig laufen kann. Dadurch bekommt das Pferd auch mehr Vertrauen und bleibt ruhig. Mein Hafi ist dadurch schon eine richtig „coole Socke“ geworden, und bleibt dann meist immer erstmal abwartend stehen, bis er mich richtig verstanden hat, was ich eigentlich wollte. Auch bei seiner gleichaltrigen Koppelfreundin, eine Trakehner-Vollblut-Mix-Stute, die sehr sensibel ist und schnell aufdreht, wenn sie angst bekommt, wirkt es sehr beruhigend, sodaß man mit ihr gefahrlos und gut arbeiten kann. Gerade bei solch sensiblen Pferden muß man sehr Fehlertolerant sein, dann klappts auch mit der Arbeit immer besser.;-D
LG Nicole
________________________
Super, das klingt sehr schön!
Tania
Von Birgit
• 3. September 2011
Hallo Tania,
meine Beobachtung dazu ist: mein Pferd macht keine Fehler, er macht immer genau das, was ich ihm sage. Nur leider sage ich ihm manchmal Dinge, die ich nicht meine. Sobald ich mich, meine Hilfen und meine Körpersprache unter Kontrolle habe, klappen die Übungen auch. Es hat zwar etwas gedauert, bis ich das begriffen habe, aber ich habe zum Glück ein sehr angenehmes Pferd, der die Geduld mit mir nicht verliert.
_________________________
Das dürfte dann wohl die Fortgeschrittenen-Sicht zu diesem Thema sein 🙂 Klar: unsere eigenen Signale sind fast immer die Auslöser von „Fehlern“ beim Pferd. Wobei ich schon auch denke, dass Pferde auch einfach mal so „Fehler“ machen und machen dürfen; dann z.B., wenn es darum geht, etwas Neues zu lernen oder auch, wenn sie wirklich anderes im Kopf haben, sich also nicht konzentrieren können usw.
Herzlich,
Tania
Von Kerstin Müller
• 5. September 2011
Hallo Tania,
die zwei Vorgängerkommentare sprechen mir aus dem Herzen. Gerade nach diesem Wochenende, an dem zum ersten Mal „richtig eingeschlagen“ bin, d.h, gestürzt.
Das es dazu kam, war meine Schuld. Ich habe den Moment verpasst, an dem sie mir sagte „Nein – es geht nicht“. Da haben wir halt uns durchgedrückt, denn ein Pferd (schwierige Vorgeschichte in Ausbildung und Knieproblemen etc., nicht erkannter Schmerzkreislauf) kann doch mal ein ohne Sattel Schritt gehen mit dem Besitzer. Schlussendlich ging es rückwärst ab durch die Mitte und sie ließ sich mit mir fallen. Ein Berg Pferd, dass auf einen zurollt, ist schon ein sehr zweifelhaftes Erlebnis. Riesentheater, Gatte will Pferd zum Metzger bringen, weil Attentat. Auch die gute Freundin sagte, dass die Stute sich das hätte sparen können… hmm. Gibt es Pferdeattentäter – es war ihr gelernter Fluchtweg („Ausbildung“). Klar, wäre vorwärst besser gewesen…Ich stehe zu Ihr, das Fazit heißt 5 Schritte zurück, wir haben zusammen mit dem Longenkurs so viel erreicht. Vielleicht geht nicht mehr. Dies war vielleicht unser beider Fehler, der natürlich schwerer wiegt, wenn auf einmal das Leben ist Gefahr gerät. Fehlertoleranz – ein schöner Begriff, der gut und gerne ausgeweitet werden sollte auf die Aussensicht von Pferd und Besitzer – ich weiß, dass das nicht „extra“ war – ich habe nicht zugehört.
_____________________
Wow, ich finde es wunderschön, dass Du nicht dem Pferd „die Schuld“ gibst und dass Du darüber nachdenkst, ob es einfach zu viel war. Hut ab dafür. Ich bin mir ganz sicher, dass Dein Pferd das spüren und honorieren wird.
Alles Gute für Euch!
Tania
Von Sonja
• 6. September 2011
Ein wichtiger Artikel, Tania!
Ich versuche ein Fehlverhalten (und auch beim Reiten eine Fehl-Haltung!) des Pferdes nicht als etwas Schlechtes anzusehen, das es bei mir ja nicht zeigen soll. Ich lasse Fehlhaltungen und Reaktionen, die ich mir anders vorgestellt habe, bewusst zu und schätze sie als Botschaft des Pferdes an mich. Das Pferd hat immer recht und kann mir sehr wertvolle Hinweise geben – aber nur, wenn ich es auch «zu Wort» kommen lasse. Das Pferd ist mein Lehrer – gerade dann, wenn es sich anders verhält, als ich es möchte! Das Pferd geht seitwärts statt rückwärts? Dann habe ich die falsche Hilfe gegeben. Dafür weiss ich jetzt, was ich tun muss, damit das Pferd seitwärts tritt!
Und: Öfter mal daran denken, wie man sich selber beim Erlernen von etwas Neuem anstellt …
________________________
Eine tolle Einstellung hast Du!
Tania
Von Kiki
• 10. September 2011
Wieder mal ein tolles Thema und genau ins Schwarze getroffen! Seit ich mein eigenes Pferd habe, fahre ich mit dieser Geisteshaltung hervorragend. So ist aus einem richtigen „Angstpatienten“ eine ruhige Lebensversicherung geworden. Und das mit stolzen 12 Jahren.
Leider machen das nicht alle so, das konnte ich heute auf einem Turnier mal wieder live miterleben: Ein Sprung wird angeritten, es passt hinten und vorne nicht, und dann gibts bei der Verweigerung zum Dank noch eine hinten drauf. Das sind leider dann auch die Vorbilder für den Reitschulnachwuchs. Bleibt nur zu hoffen, dass bald auch unter den ehrgeizigsten der Turnierreiter umgedacht wird!!!
______________________
Ja, das wäre schön!
Tania
Von Carsten Todt
• 13. August 2013
Wo gehobelt wird, fallen Spähne. Fehler lassen sich nicht vermeiden, wenn man viel tut. Das gilt auch für Pferde. Ich fände es wirklich albern, wenn Pferde keine Fehler machen dürften. Aber sie müssen gelobt werden, wenn sie etwas richtig machen. Dann wissen sie, was richtig und was falsch ist.
Von Jana
• 10. Februar 2014
Hallo Zusammen,
Was bedeutet Fehler machen ?
Wer bewertet einen Fehler ?
Woher wissen wir, dass es auch aus Sicht unseres Pferdes ein Fehler ist ?
Ein Pferd ist eine andere Spezies, gelten da auch unsere menschlichen Maßstäbe und Gesetzmässigkeiten ?
Was wollen wir von unseren Pferden ?
Übernehmen nicht WIR mit dem Kauf eines Pferdes die Verantwortung, dass unser Pferd ein angepasstes Sozialverhalten an unsere Umwelt zeigt ?
Und ist es nicht dann unsere Verantwortung, wenn wir reiten etc. wollen, die nötigen Vorraussetzungen zu schaffen ?
Denn braucht ein Pferd das alles ?
Daher liegt es doch an uns dem Pferd ein angemessener Fremdenführer zu werden und unser Pferd zu motivieren etwas für uns zu tun, denn WIR sind es doch die dem Pferd beibringen sich in unserer Menschenwelt zurecht zu finden !
Daher finde ich nicht, dass wir von Fehlern sprechen können, denn es geht darum dass unser Pferd erwünschtes Verhalten zeigt, also ist es unser Job als Fremdenführer dies dem Pferd zu ermöglichen.
Liebe Fories und wenn Ihr das schafft zu verinnerlichen, dann wird die Arbeit mit Euren Pferden zu einer Herausforderung und macht einfach nur noch Spass ! Versucht es einfach mal, diese Sichtweise zu verinnerichen und Ihr werdet feststellen, wie viel gelassener Ihr werdet. Ich hole mich so immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ich mal wieder vor neuen Rätseln stehe und bin dankbar dies immer besser zu verstehen.
Denkt mal drüber nach, ich wünsche Euch viel Spass beim überarbeiten Eurer Sichtweise 🙂
Take care
Jana
Von Christiane Albrecht-Lorenz
• 10. Februar 2014
Zu meiner Person: ich bin nur Gast in der Pferdewelt. Seit meiner Pensionierung erfülle ich mir einen Wunsch, der mich mein Leben lang beschäftigt hat, nämlich ich „übe“ den Umgang mit Pferden ohne Angst vor diesen herrlichen, starken, sehr großen, für mich noch recht unberechenbaren Tieren zu haben.Ich stehe noch ganz am Anfang.
Ich habe als erstes euren Kurs gegen die Angstvor Pferden für mich absolviert.
Nun stehe ich heute am Rande der Reithalle und beobachte bewundernd zwei junge Mädchen, die mit ihren Pferden arbeiten.
Das eine bemüht sich, dem Pferd das Seitwärtsgehen zu vermitteln, was aber nicht so wie gewünscht zu klappen scheint.
Der Kommentar des zweiten Mädchens hat mich total erschüttert:“ Meiner hat sich genauso angestellt. Da hat er ne anständige Jagdreise gekriegt und jetzt klappt es.“
Ich kriege den Satz nicht mehr aus meinem Kopf und stelle mir vor, wie diese „Jagdreise “ für das arme Tier wohl ausgesehen hat und ob die andere Reitschülerin diesen Ratschlag wohl in die Tat umsetzt.
Eine Reitlehrerin stand im übrigen dabei und hat nichts dazu gesagt.
Liebe Grüße an euch. Ihr zwei seid ein tolles Team. Auch ich als Nicht-Reiterin freue mich über eure Newsletters.
Christiane
Von Katja Maria Günder
• 10. Februar 2014
Naja, das Ganze Definition von „Fehler“ an.Abweichung von der Norm – Vielfalt der Reaktionsmöglichkeiten usw..Das einzige, das absolut sitzen muss und nicht verhandelbar ist, ist das Stopp-Signal. Das ist wichtig für das Überleben. Alles andere ist Spiel, das mal harmonischer ist und mal nicht so läuft. Das kenne ich noch aus Kindertagen. Ist halt so. Manche Sachen habe ich auch erst gelernt als ich mal einen „Fehler“ gemacht habe. Erweitern echt den Horizont, diese Fehler.
Einen Kommentar schreiben