Kann man auch mit alten Pferden nach dem Longenkurs arbeiten?
Eine Frage wird uns sehr häufig gestellt: Darf bzw. sollte man auch mit alten und/oder kranken Pferden nach der Anleitung unseres Longenkurses arbeiten?
Da ich weder Sie noch Ihr Pferd kenne und Ferndiagnosen weder möglich noch seriös sind, ist diese Frage sehr heikel zu beantworten. Trotzdem möchte ich meine generelle Meinung dazu mit Ihnen teilen und Ihnen eine Entscheidungshilfe an die Hand geben, ob Sie sich für das Longieren nach dem Longenkurs mit Ihrem alten und bzw. oder kranken Pferd entscheiden oder nicht. In diesem Blog werde ich meine Einstellung zu der Arbeit mit alten Pferden ausführen. Zum Thema „Longenkursarbeit mit kranken Pferden“ schreibe ich in einem nächsten Blog.
Wer rastet, der rostet
Kennen Sie das Sprichwort: „Wer rastet, der rostet“? So geht es unseren Pferden auch. Nun scheint aber gerade das Longieren vielen nicht unbedingt für die Arbeit mit alten Pferden geeignet zu sein, da die Belastung für die alten Knochen an der Longe oft sehr hoch ist. Genau das ist aber bei der Arbeit nach dem Longenkurs nicht der Fall!
Das Longieren nach dem Longenkurs unterscheidet sich stark vom herkömmlichen Longieren. Hier geht es nicht um Tempo, sondern um eine sinnvolle Gymnastizierung nach den Grundsätzen der Biomechanik. Alle Übungen zielen darauf ab, dass das Pferd lernt, sich korrekt ausbalanciert zu bewegen, um gebogene Linien locker und ruhig gehen zu können. Viele Übungen in dem Kurs können Sie sehr gewinnbringend im Schritt erarbeiten und auch die ersten Trabübungen werden bewusst untertourig ausgeführt, was gelenkschonend ist und deshalb auch gut von alten und steifen Pferden ausgeführt werden kann. Manch einer hat schon gestaunt, wie fit der Pferderentner durch die Übungen des Longenkurses geworden ist und plötzlich wieder Bewegungen zeigte, die man ihm nicht mehr zugetraut hat.
Hier sehen Sie z.B. zwei Sequenzen mit meiner leider inzwischen verstorbenen Stute Inka:
Inka war auf diesen Bildern 24 Jahre alt.
Indem Sie Ihr altes Pferd nach dem Longenkurs arbeiten, werden Sie die Muskulatur Ihres Pferdes entspannen und die Beweglichkeit Ihres Pferdes verbessern. Entspannte Muskeln sind die Grundvoraussetzung für weiches und damit gelenk- sowie sehnenschonendes Laufen. So, wie es auch älteren Menschen sehr guttut, Gymnastik zu machen und leichte Sportarten wie z.B. das Walken auszuüben, so tut es auch älteren Pferden gut, sich kontrolliert, behutsam und sinnvoll gymnastizierend zu bewegen.
Zu lernen, wie man in gesunder Haltung um eine Kurve kommt, dafür ist es in meinen Augen nie zu spät. 😉 Insofern halte ich das Longieren nach dem Longenkurs auch für alte Pferde für sinnvoll und geeignet.
Den Schwerpunkt auf andere Ziele legen
Freilich kann ich auch hier die Anforderungen nicht so hoch ansetzen, wie bei einem jungen Pferd. Mein Zielbild sieht bei einem alten Pferd anders aus als bei einem Jungen.
So erwarte ich nicht mehr, dass ich die Hinterhand weiß Gott wie aktiviert bekomme. Ich respektiere die Alterswehwechen und wenn z.B. das Hinterbein beim Übertretenlassen keine Last mehr aufnehmen kann oder mag, dann darf mein altes Pferd gerne etwas schummeln. Ich führe die Hauptzeit der Arbeit im ruhigen Schritt aus und konzentriere mich vorrangig auf die Lösung der Muskulatur und auf geschmeidige Bewegungen mit einem Höchstmaß an Wohlbefinden für mein Pferd.
Und ich passe die Dauer der Einheiten natürlich dem Gesundheits- und Fitness-Zustand des Pferdes an.
Auch die Wirkung auf die Psyche bitte nicht vergessen!
Eines wird oft übersehen: Alte Pferde bauen häufig sehr stark ab, wenn man sie auf das Abstellgleis schiebt. Und das nicht nur körperlich! Die Psyche leidet oftmals sehr, wenn der Mensch nicht mehr wie früher Zeit mit der Arbeit mit ihm verbringt. Deswegen ist das schonende Longieren nach dem Longenkurs hier eine wundervolle neue Aufgabe für das Pferd. Es bekommt wieder Aufmerksamkeit und Zuwendung. Es hat wieder das Gefühl, gebraucht zu werden, nützlich zu sein. Wenn vieles, was Sie früher mit Ihrem Pferd gemacht haben, aufgrund der Alterswehwehchen nicht mehr geht, dann geht sehr häufig noch die leichte, angepasste Arbeit nach dem Longenkurs.
Eigene Erfahrungen mit alten Pferden
Ich selber habe schon häufig mit alten Pferden nach dem Longenkurs gearbeitet und habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Wenn ich also danach gefragt werde, rate ich gerne dazu. Bei uns im Forum haben schon viele Benutzer mit alten Pferden nach unserer Anleitung gearbeitet und haben von sehr positiven Erfahrungen berichtet.
Deswegen möchte ich Ihnen Mut machen, ruhig auch alte Pferde auf die Art nach dem Longenkurs zu longieren. Selbstverständlich sanft und mit viel Gefühl und aller Rücksicht der Welt auf das Alter und auf die Gebrechen, die das jeweilige Pferd hat. Und natürlich mit allem Respekt, welchen wir jedem alten Pferd entgegenbringen sollten.
22. März 2011 von Babette Teschen • Kategorie: Gesundheit, Longieren • 9 Kommentare »
Von Marianne
• 22. März 2011
Liebe Babette,
ich lese hier bei euch sehr viel,aber habe leider wenig Zeit auch mal einen „Komentar“ zu schreiben.Arbeite jetzt seit ca. einem halben Jahr nach dem Longenkurs mit meinem 27Jahre alten Friesen.Nicht sehr viel, ca.1-2mal die Woche,manchmal auch nur 1x in zwei Wochen.Wir machen alles sehr langsam und mit Sicherheit nicht perfekt.(ich muß auch noch viel üben).Aber ich habe schon nach dem ersten mal gemerkt, wie gut es ihm tut, wieder „sinnvoll“ arbeiten zu können.Er hat sichtlich Spaß dabei, vor allem an den Leckerlis die er zur Belohnung bekommt.Vorher hat er zwar alle Sachen mitgemacht,aber ich hatte immer das Gefühl er macht mit weil ihm nichts anderes übrig bleibt.
Er hat wieder Spaß an seiner Umwelt und ist nicht mehr so in sich gekehrt.
Dafür wollte ich mich jetzt mal, auch im Namen meines Friesen bei Dir bedanken.
Wünsche einen schönen Tag
lg Marianne
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🙂 🙂 🙂
Von tara
• 22. März 2011
Liebe Babette, auch ich kann die positive Wirkung der Arbeit nach dem Longenkurs mit alten Pferden nur bestätigen. Ich werde oft auf die gute Bemuskelung meines 26-jährigen Noch-Nicht-Rentners angesprochen. Die langsamen Übungen in Schritt und Schrat erscheinen mir manchmal wie ‚Yoga fürs Pferd‘, und es kommt mir öfters so vor, als ob das Pferd sich bewußt in Dehnung und Stellung begibt, weil es ihm gut tut. Arbeit nach dem Longenkurs und alle anderen Arten der Arbeit vom Boden bereichern unser ‚Trainingsprogramm‘, sodaß ich hoffentlich noch recht lange schöne Ausritte mit meinem Senior genießen kann.
LG
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🙂
Ich wünsche Dir noch viele schöne Jahre mit Deinem Pferd!
Liebe Grüße,
Babette
Von Milena
• 23. März 2011
Hallo!
Also ich kann diesen Artikel wirklich vollkommen zustimmen!!!
Ich arbeite auch seit ca. 2 Jahren mit meiner 30 jährigen Stute nach dem Longenkurs und es tut ihr sehr gut!(Wird auch noch geritten und macht klassische Handarbeit)
Lg Milena
Von Birgit
• 23. März 2011
Hallo Babette,
ich arbeite mit meiner fast 20-jährigen früher sehr steifen Islandstute seit 1 Jahr mit dem Longenkurs. Angefangen habe ich damit, nachdem sie ein Sehnenproblem an der Hinterhand halbwegs auskuriert hatte und ich nicht so recht wußte, wie ich das ältere Pferd wieder ans Arbeiten bekommen soll. Es hat ihr sehr sehr gut getan und war genau das richtige. Ich arbeite 1-3 mal die Woche ungefahr 15-20 Minuten im LK.
Meine Tochter hat vor ein paar Wochen angefangen, ihr 21-jähriges Shetty nach dem LK zu arbeiten und kann auch schon ein paar Biegeerfolge vorweisen.
lg Birgit
Von Beate
• 25. März 2011
Hallo Babette,
du weisst ja, auch ich stand am Anfang mit dieser Frage da: Kann ich ein (damals 16jähriges) Kissing-Spine-Pferd nach dem LK arbeiten?
Ja ich kann. Es dauert alles manchmal länger und ist beschwerlicher.
Aber Don-Röschen hat davon unheimlich profitiert. Nicht nur was den Rücken betrifft, sondern auch psychisch.
Die Zielbilder sind andere, als bei „normalen“ Pferden.
Aber es ist schön, zu sehen, wieviel gesünder sie sich nun bewegen kann und vor allem bewegen mag.
Von Hilly
• 28. März 2011
Hallo Babette,
ich arbeite meine 20-jährige Stute seit ein paar Wochen auch regelmässig nach dem LK und das mit Senkrücken, Fehlstellung vorne und allgemein recht steifen Gliedern. Es tut ihr wirklich gut und sie fängt schon jetzt an sich zu verändern, obwohl es sehr langsam voran geht und wir noch nicht wirklich viel können. Sie wird bei ihrem Körperbau vielleicht nie den Rücken vorbildlich aufwölben und mit der Hinterhand von hier bis Meppen untertreten können, aber das muss sie ja auch nicht mehr. Hauptsache, sie wird kräftiger und lernt eine gesündere Haltung, die ihr hilft mich besser zu tragen. Ich poste gleich mal ein paar Bilder im Forum.
Wenn ich mich nach dem FiS noch drauf setze, ist sie übrigens deutlich geschmeidiger und motivierter. Sie scheint den Unterschied richtig selbst zu merken. 🙂
LG Karin
Von Luisa
• 28. März 2011
Hallo Babette,
ich arbeite auch seit ca. einem Jahr mit meiner mittlerweile 23-jährigen Reitbeteiligung Daisy nach dem Longenkurs. Sie war eigentlich schon um Ruhestand, aber mitlerweile ist sie schon viel fitter geworden :-)!
Lieben Gruß und weiter so!
Luisa und Daisy 😉
Von Andrea
• 1. April 2011
Ich lese ähnliche Fragen so häufig: kann ich dies oder jenes mit dem Pferd machen, wenn es diese oder jene Probleme hat. Eine Antwort, was auch bei euch immer durchklingt, ist doch: fragt euer Pferd! Beobachtet, wie es reagiert. Es gibt ja auch an sich gute Sachen, die man machen kann, aber vielleicht vermittele ich die nicht richtig,und dann kann es auch für gesunde oder junge Pferde schlecht sein. Also: genau hingucken und „hinfühlen“, wie fühlt sich das Pferd dabei. Ein anderes Beispiel, wie es ich neulich erlebt habe: eine Frau war dabei ihr Pferd zu satteln und schrie plötzlich um Hilfe: „Das Pferd schmeißt sich gleich hin!“. Hinweis: „Du hast zu fest angegurtet.“ Antwort: „Nein, habe ich gar nicht!“ Sie hatte ihr Pferd nicht gefragt, sondern nur für sich geurteilt – aber für das Pferd WAR es zu fest und hat das auch kund getan.
Viele liebe Grüße
Andrea
Von Nadine
• 6. Oktober 2014
Ich freue mich, noch einmal bestätigt zu bekommen, dass ein altes Pferd im Rahmen seiner Möglichkeiten noch eine Aufgabe haben darf. Viele haben die Einstellung, es sei undankbar, ein Pferd, das jahrelang seinem Reiter gute Dienste geleistet hat, im Alter noch zu arbeiten. Oder haben ein schlechtes Gewissen. Ich selber hatte auch keine klare Meinung – irgendwann soll ein Pferd ja auch seinen verdienten Lebensabend verbringen dürfen.
Nun habe ich aber einen 24-jährigen Wallach als Reitbeteiligung. Es hat zwischen uns gefunkt, was den Ausschlag gegeben hat, mich auf ihn einzulassen und meine Bedenken, dass ich vielleicht nicht mehr so lange was von ihm habe, beiseite gedrängt hat.
Anfangs war ich sehr vorsichtig mit ihm und habe ihn behandelt wie ein rohes Ei. Inzwischen gehe ich mit ihm ganz normal um. Man kann mit ihm alles machen. Und vor allem: Er will es auch. Und deshalb habe ich kein schlechtes Gewissen, sondern ein gutes Gefühl.
Ich denke, es ist vom jeweiligen Pferdecharakter abhängig, wann und wie früh die Rentenzeit beginnt. Nicht jedes Pferd sollte man einfach so wegstellen, sobald es keine Turniererfolge mehr einbringen kann. Verantwortung bis zum Tod heißt, sich auch mit dem alten Pferd noch angemessen zu beschäftigen. Unser Opi bleibt fit und glücklich, wenn man sich mit ihm beschäftigt und in Bewegung hält. Wenn er keine Lust mehr darauf hat, werden wir das merken. So wie ich ihn einschätze, ist die Rentnerkoppel für ihn erst das „Hospiz“. Solange es irgendwie möglich ist, wird er in seiner gewohnten Umgebung mit täglichem Koppel-/Paddockgang von uns bespaßt. Und im Rahmen der Bespaßung gibt es ja viele Möglichkeiten…!
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