Negative Verhaltensketten – so schnell bringen wir unserem Pferd etwas Falsches bei

In meinem letzten Blog habe ich darüber geschrieben, wie Sie unerwünschtes Verhalten ausmerzen können, indem Sie das unerwünschte Verhalten unter Signalkontrolle bringen und es nicht mehr abfragen. Und ich habe Sie am Ende des Beitrages schon vorgewarnt, dass hier eine Falle lauert.

Die meisten Texte, die Sie hier von mir lesen, beruhen ja auf eigenen Erfahrungen – und so auch dieser. Ich habe im letzten Blog das Beispiel mit dem scharrenden Pferd gewählt und ja, ich habe auch so ein Exemplar, mein lieber „kleiner“  Ronaldo… Um ihm diese lästige Unart abzugewöhnen, habe ich immer dann, wenn er gescharrt hat, gewartet, bis er damit aufhört und sofort mittels C+B (Click und Belohnung) reagiert.

Etwas lief schief…

Nun sah unser Zusammensein dann aber häufig so aus: Ronaldo scharrt – hört auf – und bekommt einen Keks. Er scharrt – hört auf – und… richtig, bekommt einen Keks.

Irgendwann fiel mir auf: Hier läuft etwas falsch! Ronaldo hatte mich „geclickert“! Er hatte durch mein Belohnen die Verhaltenskette ausgebildet: „Scharren und anschließend damit aufhören führt zum Erfolg“. Ich hatte also mit der Endbelohnung auch das Fehlverhalten verstärkt, da ich versäumt hatte, das Scharren vorab getrennt unter Signalkontrolle zu stellen.

Schauen wir uns einmal an, was es mit den sogenannten „Verhaltensketten“ auf sich hat, die so tückisch sein können.

Was ist eine Verhaltenskette?

Wenn ein Pferd gelernt hat, verschiedene Aktionen miteinander zu verknüpfen und wenn ein Verhalten nur noch bestärkt wird, nachdem zuvor bereits ein bestimmtes anderes Verhalten ausgeführt wurde, dann spricht man von einer Verhaltenskette.

Wenn Sie Ihrem Pferd z.B. beibringen, einen Gummiring mit dem Maul aufzuheben und diesen über eine Pylone zu stülpen, dann handelt es sich um eine Verhaltenskette. Das Pferd hat gelernt, dass es die Belohnung erst erhält, wenn es die gesamte Verhaltenskette gezeigt hat. Handelt es sich um eine gewünschte Verhaltenskette, ist alles prima. Nur wenn wir unbewusst ein unerwünschtes Verhalten mit in diese Kette eingebaut haben, handelt es sich um eine negative Verhaltenskette, bei der wir am Ende auch das Fehlverhalten mit verstärken.

Nachdem ich mir das einmal richtig bewusst gemacht habe und den Umgang mit meinen Pferden unter diesem Aspekt kritisch unter die Lupe genommen habe, habe ich mehrerer solcher negativen Verhaltensketten in unserem Umgang gefunden. Ronaldo kommt z.B. auch immer mal wieder bettelnd zu dicht mit seiner Nase an meine Leckerlitasche. Daraufhin sage ich „Guck weg“, er guckt brav weg und bekommt seine Belohnung. Und damit habe ich das Betteln – also das unerwünschte Verhalten – mitgelobt.

Das Lösen solcher negativen Verhaltensketten

Nun galt es also für mich, diese negativen Verhaltensketten wieder aufzulösen. Ich musste lernen, ganz genau hinzuschauen, wann ich ein unerwünschtes Verhalten mitbelohne und durfte an diesen Stellen keinen C + B mehr setzen.

In diesem Fall musste ich lernen, so schnell mit meiner Belohnung für das „Nicht-Scharren“ zu werden, dass ich rechtzeitig C+B setzen kann, bevor mein Pferd wieder auf die Idee kommt, das unerwünschte Verhalten anzubieten. Für Ronaldo hatte es sich nicht „gelohnt“, ruhig neben mir zu stehen. Dadurch, dass ich das ruhige Stehen ohne Scharren nicht genug beachtet hatte, musste er durch das Scharren meine Aufmerksamkeit erlangen, um wieder etwas machen zu können, wofür es meine positive Aufmerksamkeit gab. Genau hier lag der Fehler bei mir als Trainerin.

Böse Falle, gelle ;-)?

15. März 2011 von Babette Teschen • Kategorie: Clickertraining 12 Kommentare »

 

12 Reaktionen zu “Negative Verhaltensketten – so schnell bringen wir unserem Pferd etwas Falsches bei”

 

Von • 15. März 2011

Ahhhh! Da bin ich aber froh, dass Du das schreibst!!
Mir ging es nämlich genau so mit meiner RB!
Ich hatte mir überlegt, manchmal auch einfach zwischendrin sein Stillstehen zu belohnen, damit er weiß, was hier belohnt wird. Er fing dann nämlich auch immer wieder das Scharren an, weil er ja wusste, wenn er wieder aufhört gibt’s was. Ich kam mir ziemlich ausgetrickst vor. 😉

 

Von Justme • 15. März 2011

Huhu,
genau die gleichen Gedanken hatte ich auch schon öfters…
Mein Pferd kaut den Strick an, wenn es angebunden ist. ich sage dann „Nein“ und ziehe ihn notfalls am Halfter weg. Wenn er aufgehört hat, dann wird gelobt (allerdings ohne Futter). Mit der Zeit hab ich das Gefühl bekommen, er möchte einfach nur, dass er Aufmerksamkeit bekommt. Und wenns ihm zu langweilig wird, dann kaut er am Strick…
Das ist doch auch eine Verhaltenskette oder?
_________________________________________
Hallo,
hierbei muss es sich nicht um eine Verhaltenskette handeln. Es kann einfach eine nervige Angewohnheit sein 😉 ,
liebe Grüße,
Babette

 

Von Iris • 15. März 2011

Liebe Babette,

danke, dass Du mit diesem Blog-Beitrag mal klargemacht hast, dass man auch beim Clickern viel falsch machen kann, wenn man nicht genau weiß, was man da gerade tut. Ich habe manchmal nämlich das Gefühl, alle Welt kauft sich so ein Knackdings und clickert wild drauflos, weil man dabei ja angeblich nichts verkehrt machen kann und es soooo einfach sei. Von wegen! Wie alles andere, will nämlich auch das Clickern gelernt sein, sonst muss man sich nicht wundern, wenn die Pferde plötzlich genau das tun, was man vermeiden wollte. Ich finde es wirklich wichtig, sich in Kursen die Tücken dieser Methode aufzeigen zu lassen und sich über Bücher zu informieren, wie man mit dem Clicker-Training wirklich etwas Gutes erreichen kann. Ich selbst hatte zu Anfang zum Beispiel das Problem, den Click zeitlich genau dort zu setzen, wo er hingehörte.

Liebe Grüße,

Iris

 

Von whispery • 16. März 2011

Hallo Babette,

ich habe oder eher hatte auch so ein scharrendes Pferd. Bei Miro ist es reines „ich will Aufmerksamkeit“. Also hab ich immer wenn er gebettelt hat ihn ignoriert und aufgehört zu putzen, oder bin nicht zu ihm hingegangen und hab ihn auch nicht angeguckt. Erst als er damit aufhört, hab ich weiter so gemacht wie bisher. Ich hab eigentlich erwartet, dass dadurch so eine Kette nicht entsteht. Ist sie glaube ich auch nicht. Nur ist mein Pferd leider schlauer als ich 🙁
Nachdem bei mir alle im Stall wussten, betteln wird bitteschön bei meinem Pferd ignoriert, hatte er es fast aufgegeben. Bis er sich mti seinem Vorderbein im Strick „verhangen“ hatte. Tja da sieht dann jeder das arme Pferd (und auch ich erst) und macht ihn natürlich sofort frei. Ergo Pferdi hat Aufmerksamkeit bekommen. Nun bettelt er nicht mehr sondern versucht immer BEWUSST sich aufzuhängen. Er nimmt das Bein so hoch und fummelt so lange rum, bis das Bein übern Strick ist. Steht dann aber ganz ruhig da und auch das Bein ist nicht belastet. Der Strick ist schon so gebaut, dass er schnell aufgeht, wenn zuviel Zug drauf ist. Passiert aber nicht. Ich glaub er weiß ganz genau was er da macht. Und ich kann ihn ja nun nicht Minutenlang so stehen lassen…oder jeder hält mich für ein „Quäler“, weil ich ihn nicht gleich losmache.

Hast du auch dafür eine Idee? Ich kann ihm ja schlecht beibringen erstrecht das Bein über den Strick zu legen. Ist ja garantiert auch unangenehm…

Help!

 

Von Nicole • 19. März 2011

Hallo Leute,
Ihr habt ja echt schlaue Pferdchen! Wer erzieht da wen? *grins*
Als Beispiel: Beim Putzen und fertigmachen zum Reiten/Fahren oder Bodenarbeit mache ich es generell so, daß ich mir erst alles zusammenhole an den Putz-/Anbindeplatz, was ich brauche. Erst dann hole ich das Pferd. So bin ich die ganze Zeit beim Pferd und es hat komplett meine Aufmerksamkeit, bis es losgehen darf. Navaro steht dadurch auch wesentlich ruhiger am Anbindeplatz, bis es losgeht, als wenn ich ständig hin- und herrennen müßte, um das nächste Utensil zu holen und ihn dadurch einen Moment allein zu lassen. Er bekommt natürlich auch ab und an ein Leckerli, aber eher unverhofft für ihn, sodaß er nie weiß, ob und wann er was kommt. Auf keinen Fall dann, wenn er unruhig ist oder bettelt; eher, wenn er schon ein kleines Weilchen ruhig, brav und enspannt war/ist. Clickertraining wäre für mich nichts als Ausbildungshilfe.

LG Nicole

 

Von Renate • 21. März 2011

Ich musste gerade schmunzeln : mir hat mein Hund schon vor einigen Jahren diesen Fehler vorgehalten. Ich wollte, dass er auf Pfeifen sofort kommt und dann erhielt er den Jackpot. Klappte am 1. Tag super. Am 2. Tag zeigte er, dass er ebenfalls gelernt hatte, dass er ja erstmal wegrennen muss damit ich pfeife. Ignorierte ich das Weglaufen, lief er noch weiter und noch weiter weg und schaute mich dabei sehr aufmerksam an „guck mal wie weit ich weg bin, nun pfeif doch endlich, dann komm ich angesaust und kriegt den fetten Jackpot“. Na ja, zum Glück kapierte ich sofort, was ich mir da einhandeln würde und ignorierte beharrlich das Weglaufen, da die Bindung zu der Zeit ja schon so gut war, dass der Hund ohnehin wieder zu mir kam wenn er die Erfolglosigkeit des Weglaufens bemerkte. Aber es ist schon witzig, wie klug die „dummen, begriffsstutzigen“ Tiere in Wahrheit sind 🙂

 

Von Angela • 21. März 2011

Ja, guter Blog! Wie immer.

Dasselbe wurde kürzlich im Forum im Zusammenhang mit einem buckelnden Pferd von mir versucht zu erklären.

Dieser Buckler hat vielleicht irgendwann mal dolle gebuckelt, weil ihm etwas seht unangenehm oder schmerzhaft war. Die Reiterin, der Sattel, oder was auch immer. Er wurde durch dieses Buckeln seine Reiter(in) los. Manche Pferde brauchen in so einer Situation nur 1 Wiederholung und haben schon den Zusammenhang Buckeln=Reiter los werden, begriffen. Vielleicht war die Reiterin nicht besonders sattelfest.

Das erste Mal oder die ersten Male war der Auslöser für das Verhalten etwas unangenehmes. Ziemlich schnell jedoch brauchte das Pferd für das Buckeln nicht mehr den ursprünglichen Auslöser (Schmerz o.Ä) Das Buckeln wurde abgerufen, wann immer das Pferd es eben für angebracht hielt: Heut bischen mies gelaunt, morgen keine Lust auf diese Übung, und überhaupt ist es ohne Reiter schöner…… etc.

Auch dieses Pferd hat eine negative Verhaltenskette gelernt, obwohl der Reiter dies gar nicht wollte. In diesem Falle würde ich empfehlen das Pferd in die Hände eines Profis (wie dir) zu geben um zu versuchen das unerwünschte Verhalten zu regulieren.

Übrigens habe ich das Scharren meines Pferdes kuriert, indem ich (er scharrte ebenfalls immer wenn ich wegging) von der Ferne kleine Steinchen oder Erdbrösel auf seinen Hintern geworfen habe. Ich weiss, das ist hier nicht so beliebt, war aber meines Erachtens nicht brutal und funktionierte bombig.

Wenn er dann nicht scharrte als ich mich wieder näherte, hab ich ihn dolle belohnt.

 

Von Lisa • 21. März 2011

Wow,
das ist ja wirklich eine echt fiese Falle… Vor allem wenn man das gar nicht bemerkt. Was ja in solchen „normalen“ Situationen eigentlich immer der Fall ist. Da muss ich sofort an den alten Isländer bei uns in der Therapie denken ( leider schon gestorben) der hat immer mit dem Vorderfuß gegen die Boxwand gehauen wenn es Futter gab. Ich hab ihn immer einen Schritt zurückgeschickt, damit er aufhört und ich genügend Platz hatte den Eimer reinzustellen. Wieso ich das Klopfen so nie weggekriegt habe ist mir jetzt auch klar :D:D:D Er hat ja immer gekriegt was er wollte… Werde in Zukunft auch verstärkt darauf achten, ob ich solche Verhaltensketten bei meinen Süßen feststellen kann und mir besser überlegen wann ich lobe und wann besser nicht…
LG und eine wunderschöne sonnige Woche =)

 

Von Resi • 22. März 2011

huhu babette,

also klickerst du quasi in (un(?))regelmäßigen abständen das stillstehen?

wir haben/hatten leider auch eine negative verhaltenskette beim verladen.als er nicht mehr,wie normal,in den hänger ging,habe ich ihn für jeden schritt,den er in den hänger gemacht hat,belohnt.doch immer kurz bevor er ganz drin war und wir zu machen konnten,ist er wieder rückwärts rausgeschossen und hat sich wieder für jeden schritt ein leckerlie abgeholt.so haben wir nur einmal verladen,aber seither lässt er sich bitten.
inzwischen kriegt candy nur noch futter,wenn er ganz drin ist,das kann aber auch gut und gern eine halbe stunde dauern.
wie kann man so eine verhaltenskette auflösen?

liebe grüße,resi
____________________________________________________
Liebe Resi,
das finde ich aus der Ferne schwer zu beantworten. Ich glaube nicht, dass es sich hier um eine negative Verhaltenskette handelt, sondern ich könnte mir vorstellen, dass Dein Pferd Angst davor hat wenn die Stange hinten geschlossen wird, es Platzangst bekommt oder Dein Pferd sich erschreckt, wenn der Hänger durch seinen Eintritt anfängt zu schwanken, oder, oder, oder…
Je nachdem was hier für sein „nach hinten rennen“ verantwortlich ist, würde ich zunächst gezielt ausserhalb des Hängers versuchen das zu üben. Also Dein Pferd „parken“ und simulieren eine Stange hinter ihm zu schliessen, ihn an das bewegen des Bodens über Wippentraining üben, usw.
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Andrea • 1. April 2011

Hallo – ich möchte mal whispery antworten: wenn dein Pferd das Bein über den Strick nehmen kann, dann ist es viel zu lang angebunden!!! Es kann auch zu Panik führen und ganz übel ausgehen.

 

Von Sandra • 25. April 2012

Haha, da find ich mich auch wieder *g* Mir wurde auch gesagt, ich soll mein bettelndes Pferd belohnen, wenn er den Kopf wegdreht. Nach einiger Zeit kam mir vor, der hat das durchschaut und bedrängt mich jetzt bewusst mit dem Kopf, damit er nachher, wenn er damit aufhört, ein Leckerli kriegt. Jetzt bin ich mir sogar ziemlich sicher dass dem so ist…
Wie ich sein betteln sonst abstellen kann, hab ich aber auch keine Idee 🙁 Er kriegt jetzt schon kaum mehr Leckerli aus der Hand, wird aber trotzdem lästig und aufdringlich wenn ich nur nach Futter rieche, zwickt dann auch mal, oder versucht es zumindest. Vor kurzem hatte ich mal meine kleinen Cousins mit im Stall- ich war heilfroh, dass sie sich nicht getraut haben, ihm etwas zu geben, sonst hätte ich Angst um ihre Finger haben müssen. Ich bin etwas ratlos 🙁

 

Von Gabriela • 19. August 2013

Hallo Babette.
Ich möchte dir einfach nur mal sagen dass ich es grossartig finde dass du auch Fehler machst und zugeben kannst. So manch ein Trainer hält sich für unfehlbar und würde nie im Leben auf die Idee kommen seine Fehler mit anderen zu teilen. Diese Eigenschaft macht dich so überaus sympathisch und menschlich. Ich helfe Pferden mit Menschenproblemen seit fast 20 Jahren und hab in dieser Zeit schon jede Menge Arroganz, Herablassung und Selbstherrlichkeit erlebt. Einen Menschen mit Chrakter und Herz aber zeichnet die Grösse aus andere an seinem Werden teil zu haben. Schön dass du so ein Mensch bist! (Das zeichnet euch übrigens beide aus!)
LG Gabriela

 

 

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