Falsche Frage, nächste Frage

In der Pferdewelt hört man immer wieder folgende Frage: „Warum macht das Pferd (oder meist vielmehr „der Bock“ oder „die Ziege“) das nicht?“ Auch ich selbst habe mir diese Frage an die 30 Jahre lange gestellt.

Neulich, als meine Pferde die wunderschönsten Kringel für mich liefen, anstandslos alle Seitengänge zeigten, punktgenau angaloppierten und wieder durchparierten, kam mir eine andere Frage in den Sinn: Warum machen sie das eigentlich?

Und diese Frage war ein richtiger kleiner Erleuchtungsblitz. Mir wurde klar, dass die Frage „Warum macht mein Pferd xyz nicht?“ mich immer wieder in die falsche Richtung geführt hat. Ich wollte etwas und ärgerte mich, wenn es nicht klappte. Ich ging davon aus, dass ich eine Art Recht auf die Ausführung meiner Forderungen hatte. Meine Frage war immer mehr Vorwurf als alles andere, nach dem Motto: Das Pferd hat das zu tun, Punkt.

Als ich mich nun fragte, warum mein Pferd das eigentlich alles für mich tut, öffneten sich ganze Tore. Mir wurde bewusst, wie viel ich von meinen Pferden erwarte und dass die meisten meiner Erwartungen Menschenerwartungen sind.

Wir Menschen habe klare Vorstellungen davon, was ein Pferd tun soll – für ein Pferd ist nichts davon klar. Im Gegenteil – vieles (fast alles?) dürfte einem Pferd zunächst vollkommen seltsam vorkommen, denn von alleine würde es auf vieles gar nicht kommen! Für ein Pferd hat ja eine Reitbahn erst einmal keine besondere Bedeutung; genauso wenig wie Bahnfiguren oder Lektionen, wie Hilfen oder Übergänge usw. usw. Aber da uns klar ist, was getan werden soll, setzen wir diese Klarheit auch bei unseren Pferden voraus. Schließlich sagen wir ihnen ja, was sie tun sollen, nicht wahr? Wir zeigen es ihnen, bringen es ihnen bei und dann hat es bitteschön auch zu funktionieren.

Aber warum eigentlich?

Die Frage danach, warum ein Pferd für uns tut, was es unserer Ansicht nach tun soll, bringt uns zur Frage nach der Motivation. Und zur Frage danach, was wir tun können, unserem Pferd es leicht und vor allem möglich zu machen, unsere Forderungen zu erfüllen. Wir können dann versuchen, die ganze Sache mal aus Pferdesicht zu sehen – und zumindest mir ging es so, dass mir schlagartig klar wurde, was für ein Wunder es ist, dass diese großen, kräftigen Tiere uns nicht einfach den Stinkefinger zeigen.

Wie seht Ihr das?

15. April 2010 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 11 Kommentare »

 

11 Reaktionen zu “Falsche Frage, nächste Frage”

 

Von Almut • 15. April 2010

Liebe Tania,
Du hast mal wieder vollkommen recht.
Bei der Überschrift und dem ersten Satz dachte ich erst, das geht in eine andere Richtung – nämlich, dass, wenn mein Pferd meine Anfrage nicht oder falsch beantwortet, ich mir überlege, wie ich die Frage anders stellen kann, damit es versteht und es ihm möglich wird, richtig zu antworten. Und das ist auch schon eine kleine Antwort auf die Frage „warum macht mein Pferd das eigentlich?“, oder?
LG, Almut

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Jep! Schöner Gedankengang!
Tania

 

Von Corinna • 15. April 2010

Hallo Tania,

sehe das auch so wie du.

Durch den LK und auch durch den Kurs am WE in Rohr, hat sich bei mir der Vorhang gelichtet.
Ich finde es auch sehr faszinierend, wie schnell eigentlich die Pferd die Sachen lernen und dann auch machen (wollen) und wenn sie einmal nicht das machen was wir meinen (oder nicht können), wird gleich geschimpft und gesagt „Warum macht der Depp des nicht, er weiß doch wie es geht!“.
Bin froh, dass sich meine Gedanken/Verhalten langsam, aber stetig in die richtige Richtung lenken und das es Menschen wie dich, Tania, und Babette gibt, die solche Themen offen ansprechen.

Danke
LG
Corinna:-)

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Danke Dir, Corinna, für die Rückmeldung – und ja, genau die Tatsache, dass Pferde mehr als bereit sind zu machen, was wir wollen, berührt mich immer wieder.

Herzlich,
Tania

 

Von Beate • 17. April 2010

Wieder eine schöne abregung zum Nachdenken, Tania. danke.

Die Fragestellung „Warum macht mein Pferd das eigentlich“
lässt sich auch gut anwenden auf die Situationen, in denen uns manche eben doch den „Stinkefinger“zeigen.

Häufig kommt man dahinter, dass man selbst der Auslöser ist, bzw. bestimmte Befindlichkeiten und Veranlagungen vergessen oder nicht gekannt hat.

Das Wichtigste ist eben immer wieder die Dinge zu hinterfragen. Die positiven henauso wie die negativen.

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Das unterstreiche ich voll und ganz!
Tania

 

Von Beate • 17. April 2010

… und für die Zukunft: erst Tippfehler korrigieren, dann absenden…. 🙂

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Ach, passiert mir auch ständig – der Inhalt zählt doch 😀
Tania

 

Von Ksenja • 19. April 2010

Noch ein ähnlicher Gedanke: Als ich am Samstag meinen 2-jährigen Sohn auf den Schultern nach Hause tragen musste (nur 20 Minuten), habe ich mir wieder gedacht, dass ja Pferde auch nicht zum Lastentragen geschaffen sind. Und als sich meine Schultern immer mehr verkrampften, dachte ich die ganze Zeit daran, wie es wäre jetzt auch noch joggen zu müssen…

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Jep, und wir nehmen es einfach so als selbstverständlich hin…

Danke für den Gedanken,
Tania

 

Von Milian • 19. April 2010

Guten Morgen!
Genau das gleiche habe ich mir gestern auch gedacht. Es war so, dass extrem viele Fliegen unterwegs waren und ich glaube er war genervt und abgelenkt. Ich konnte mein Pferd aber auch nicht dazu bewegen sich zu konzentrieren und er hat nichtmal auf meine Hüfte beim „lenken“ geachtet. Da hab ich erst gedacht „Verdammt noch eins, was soll das denn heute?“ und war schon ein wenig enttäuscht. (Es ist so, dass ich noch lerne und mit ihm leider nicht so arbeiten kann wie ich möchte, abwechslung und Spaß) Dann wiederum dachte ich mir „Er trägt mich hier ne knappe Stunde auf seinem Rücken, vieles sitze ich nicht vernünftig und wahrscheinlich versucht er da gerade sein bestes, und ich bin nur am meckern. Warum lässt er das überhaupt mit sich machen?“
Ich hoffe, dass ich mit ihm einen gemeinsamen Weg finde. Anregungen findet man hier ja genug :o)
Interessanter Gedanke von Ksenja wie ich finde.
Viele Grüße,
Milian

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Mit solchen Gedanken bist Du auf dem allerbesten Weg zu einer richtig schgönen Beziehung mit Deinem Pferd, da bin ich sicher!
Tania

 

Von tigrib • 19. April 2010

diese „innere Drehung“ kenne ich:
Als mein junges Pferd trotz langer Vorbereitung mich die ersten Male heftigst abbuckelte,( es hatte verm. doch neg. Erfahrungen, trotz Beteuerungen der Vorbesitzer, das Pferd sei ungeritten..) kam ich zu der Erkenntnis, dass es vielleicht aus Pferdesicht eine merkwürdige Idee ist, sich auf seinen Rücken zu setzen und Chef da oben zu spielen.
Mir war es regelrecht peinlich und ich ging mit einer völlig umgekrempelten Sicht weiter – irgendwie absichtslos, nach dem Motto: und wenn wir nie reiten, soll es ok für mich sein.
Aus dieser meiner Haltung heraus verlor mein Pferd bald die Angst vor dem Gerittenwerden – nat. ging ich noch mal etliche Schritte zurück und baute zB. Fahren vom Boden aus ein.
Ich habe diese Sicht glücklicherweise nie mehr ganz verloren und wenn mal was nicht klappt, kommt mir meist in den Sinn, das einfach gar nichts selbsverständlich sein muss – aus Pferdesicht.

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Super, genau das meine ich!!!
Tania

 

Von Claudia • 19. April 2010

Hallo alle,

Das ist wieder mal ein Superartikel. Ich frage mich, wieviele Reiter sich diese Frage überhaupt stellen? Wer macht sich darüber Gedanken, warum ein Pferd auf unsere Anfragen überhaupt reagiert?
Ich hatte mal ein Erlebnis bei einem Hand-Sattel-Hand Kurs an dem ich mit einem Schulpferd teilgenommen habe. Die Stute war 5 und hatte keinerlei Erfahrung und hatte an der Hand eigentlich keine Ausbildung. Sie hat alles gemacht! Aber wirklich alles! und von Anfang an richtig!!! Jede Aufgabe. Ich konnte es kaum fassen und hatte damals auch so ein Gedankenblitz .. warum macht die das alles so toll. War ein Supererlebnis.
Mir ist es eigentlich im Grunde nicht so wichtig, ob mein Pferd die Aufgaben jetzt immer toll macht und superschön macht. Wenn er mal keine Lust hat, muss er auch nicht die selbe Leistung bringen, wie an Tagen „fitteren“ Tagen. Ich verkrampfe nur ab und zu, wenn er z.B. sich nicht so dehnt, wie ich es mir wünsche und wenn er meint er könnte seine Hinterhand ja auch stehen lassen und vorne laufen, sich nicht biegen will usw. aus dem einen Grund: wegen seiner Gesundheit.
Wenn ich das lockerer sehen könnte, wäre es sicher einfacher!

Liebe Grüsse Claudi

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Ich finde Deine Einstellung toll und die Schilderung Deiner Stute ist rührend. Ich kenne das auch, dass man sich mit dem Blick auf die Gesundheit verrückt machen kann und dadurch oft auch zu viel Druck in die Sache bringt. Auch ich versuche da, etwas lockerer zu werden.

Herzlich,
Tania

 

Von Christine /Nubidomi • 11. Juni 2010

Ein ganz toller Beitrag. Das bringt einem richtig zum Nachdenken.

Ich denke, dass die Frage immer mehr aufkommen wird. Zwar nicht so schnell und sowieso nicht bei allen, aber da es immer mehr Menschen werden, die lernen auf die Tiere einzugehen, denke ich, wird die Frage immer öfters fallen.

Leider gibt es immernoch solche, die das weder einsehen noch hören möchten und so sogar den Tieren schaden.

Da ich einige Pferde aus schlechter Haltung übernommen habe, habe ich mir einige Male die Frage gestellt, warum sie sich das überhaupt über sich ergehen lassen? Sie sind ja eigentlich viel stärker als wir??

Auch ich muss sagen, dass ich mir Frage, obwohl ich schon viele Jahre mit diesen schönen Tieren zu habe, erst vor kurzen, durch meine youngsters mir selber gestellt hatte.

Seit dem gehe ich auch die Probleme und aufgaben anderst an.

Grüessli Christine

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Ja, warum sich Pferde so viel von uns gefallen lassen, frage ich mich auch immer wieder. Ich denke inzwischen, dass sie einfach sehr große Seelen haben…
Tania

 

Von Jenny • 11. März 2013

Du sprichst mir aus der Seele! Ich darf im Moment täglich ein kleines Wunder erleben. Da ich der Meinung bin, daß ein 10 Mon. altes Fohlen außer ein bißchen Benehmen nichts „können“ muß, überrascht mich mein Kleiner immer wieder aufs Neue. Gleich am 1. Tag konnte ich ein Halfter anlegen, obwohl er mich gar nicht kannte und sich erst in seine neue Herde einfügen mußte. Am nächsten Tag ging er ohne Zögern am langen Strick neben mir her und hat sich in Ruhe alles zeigen lassen. Geputzt werden war auch noch neu, aber nach ca. 1 min. die Bürste beschnuppern, kein Problem. Wenn ich ihm den Hals kraule, krault er mir den Bauch, als wären wir längst dicke Freunde. Ich komme aus dem Staunen kaum raus. Seine Offenheit und sein Vertrauen mir gegenüber ist unglaublich! Ich dränge ihn zu Nichts und nehme dankbar alles an, was er mir freiwillig anbietet. Wenn er mich anguckt, hab ich das Gefühl als wolle er sagen: „Na du, ich kenn dich zwar nicht, aber lass uns trotzdem spielen!“ Egal, was ich von ihm möchte, er gibt sein Bestes, einfach so……

 

Von Ryll Monika • 31. Oktober 2016

Hallo!
Ja genau wenn man die Frage einmal danach stellt, merkt man ersteinmal, was das Pferd für einen alles tut. Hab heut mit Abstand beobachtet wie toll meine 22jährige Stute bei jemanden anderen genau das macht wonach gefragt wurde und sich unendlich Mühe gab. Es war für mich ein unbeschreibliches Gefühl der dankbarkeit an dieses Pferd.

 

 

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