Das Elend der Pferde…
…und der ganzen Welt – manchmal kann man das Gefühl bekommen, alles läuft falsch. Man sieht ein Horrorvideo im Internet, liest Berichte über Tierquälereien, sieht, wie im Stall ein Pferd verdroschen wird, und möchte am liebsten alles hinwerfen. Und was macht man dann? Oft klickt man sich zum nächsten miesen Video durch, liest die nächste schlechte Nachricht oder gerät auch noch mit dem eigenen Pferd aneinander, weil man so frustriert ist.
Ein anderer Weg – und ein für mich sehr viel sinnvollerer – ist der, sich gut zu überlegen und bewusst zu entscheiden, womit man sich belasten will und womit nicht.
Ich war früher aktiv im Tierschutz und habe mir so ziemlich jede schlimme Nachricht über gequälte Kreaturen gegeben. Mit dem Ergebnis, dass ich fast daran zerbrochen wäre. Heute entscheide ich sehr bewusst, was ich mir anschaue und auch, was ich mir anhöre. Ich muss mir nicht das 100ste Rollkurvideo anschauen oder die verhungerten Pferde, die gerade noch gerettet wurden. Ich muss nicht gezielt bei Youtube nach schlimmen Szenen suchen und ich muss auch nicht auf solche Veranstaltungen gehen, von denen ich weiß, dass dort mit Pferden etwas gemacht wird, was ich für falsch halte. Und ich kann andere freundlich darum bitten, mir nicht die neueste Geschichte über misshandelte Pferde oder Erziehungsmethoden zu erzählen, die schrecklich sind.
Es ist meine Entscheidung – jedes Mal neu.
Wir machen uns viel zu selten bewusst, dass sowohl unsere Aufmerksamkeit als auch unsere Energie klar begrenzte Ressourcen sind. Sprich, wenn ich mir Horrorvideos anschaue, gebe ich Energie in das, was dort mit dem Pferd passiert. Ich könnte diese Energie auch darin verwenden, etwas praktisch Gutes für Pferde zu tun.
Für mich war es sehr entscheidend, als ich mir klarmachte, dass von meiner Bestürzung nichts besser wird. Wenn ich aber meine Energie nutze, um aktiv zu werden, vielleicht schon. Geschockt zu sein, lähmt – Veränderung aber braucht Aktion. Und seit ich sehr bewusst darauf achte, mich nicht unnötig mit „schlimmen Sachen“ zu befassen, kann ich meine Energie deutlich besser nutzen (z.B. für meine Arbeit hier bei „Wege zum Pferd“).
Und für alle, die sich nun fragen, was man denn schon groß tun kann, weil man doch eh nicht viel ausrichten kann, habe ich auch gleich eine Antwort: Als ersten Schritt kann ich damit beginnen, eine Liste zu machen von Dingen, die ich tun kann, wie z.B.:
- Bei mir selbst anfangen.
- Immer wieder bereit sein, etwas dazu zu lernen.
- Fragen stellen, wenn mir etwas nicht klar ist oder ich kein gutes Gefühl habe.
- Nein sagen, wenn ich etwas tun soll, was mir falsch erscheint.
- Helfen, wenn mich jemand darum bittet.
- Positive Beispiele verbreiten.
- Neue Wege einschlagen.
- Es ansprechen, wenn Schlimmes passiert und Alternativen aufzeigen, anstatt nur zuzuschauen.
- In Diskussionen den Fokus auf das legen, was wir besser machen können.
- Wahrnehmen, was alles gut läuft und darüber mit anderen reden.
- Mich immer wieder an meinem eigenen Pferd freuen und hier meinen Fokus auf das legen, was schön ist.
- …
Was fällt Euch noch ein?
11. März 2010 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse • 13 Kommentare »
Von Birgit
• 11. März 2010
„Wege zum Pferd“ lesen mit vielen schönen Beispielen und Anregungen *g*
Und immer das Wohl der Pferde im Auge behalten, egal was die Menschen drumherum sagen und denken (hatte leider grade ein aktuelles Beispiel im Stall, was nicht so schön war)
Wünsche weiterhin viel Energie für die guten und schönen Dinge im Leben!
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Danke, Birgit!!! *drückerle*
Tania
Von Kelly
• 11. März 2010
Liebe Tania,
Dankeschön für Deine wahren Worte!
Herzliche Grüße und alles Gute. Kelly
„Jeder kann mindestens einen Teil der Welt verändern, nämlich sich selbst“.
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Volle Zustimmung zu diesem Zitat! Danke, Kelly!
Tania
Von Dagi Zenger
• 15. März 2010
Liebe Tanja
Das muss ich jetzt einfach aufschreiben! Das war ja wiedermal ein Wink! Hihihi
Ich sah vorher über Youtube das Video von Lena und Buddy an. Da kam ich ins rumschauen und promt ging es mir so! Ich kam von einem Horrorvideo ins andere, schaltete dann geschockt ab und ging wieder auf die ursprüngliche Seite zurück. Zu wege-zum-pferd, und…. fing, verheult, voller Wut, Hilflosigkeit und der Frage, warum tust du dir das an, deinen Beitrag zu lesen!
Er hat mich sehr getröstet, und du hast vollkommen recht! Man muss bei sich anfangen. Es nützt nichts, sich solche Sachen anzuschauen. Wissen tut man es ja doch, was alles für schreckliche Sachen passieren. Und vielleicht ist es besser, man weiss nicht alles! Selber ein Vorbild sein, und kritisch sein. Ich werde mir deine Punkte auf ein Blatt notieren, und beim PC aufhängen. Wenn ich dann wieder mal in den „Horror“ abrutsche, dann kann ich diese Punkte sofort lesen.:-)))
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Ach schön, das freut mich sehr! Ich denke, es geht ganz vielen so. Man hat ja auch ein bissl den Anspruch, sich „zu informieren“ und man will die Augen nicht verschließen – aber meine Erfahrung ist wirklich die, dass man oft viel mehr verändern kann, wenn man sich nicht ins Elend reinsteigert.
Lieber Gruß,
Tania
Von Claudia Steiger
• 15. März 2010
Liebe Tanja
Mit diesen wichtigen und sicherlich auch richtigen Gedanken hast du darauf aufmerksam gemacht, dass mit passivem Mitleiden Energie verloren geht, die für ein aktives Helfen so wichtig wären.
Nun ist es aber leider so, dass lediglich eine Minderheit bewusst wegschaut und die dadurch gewonnene Energie dafür einsetzt, für Verbesserungen einzustehen und dem Gutem Raum zu geben.
Effektiv schaut die Mehrheit der Menschen weg, vergisst im Konsum und belässt es dabei.
Mit dieser Form des Wegschauens wird das „verdrängte“ Leiden anderer toleriert und in den Augen der Täter akzeptiert. Und das wiederum ist die Hauptvoraussetzung dafür, dass Rohheit gegenüber unseren Mitgeschöpfen Alltäglichkeit ist; ein übliches Übel eben. Das Ausblenden der belastenden gesellschaftlichen Auswüchse hat in dieser Form zur Folge, dass die Opfer im Stiche gelassen, ja gar den sich nicht beargwöhnt fühlenden Tätern ausgeliefert werden.
Ich bezweifle, dass diese häufige Form des „Selbstschutzes“ effektiv den Seelenfrieden fördert und glaube , dass es zur Aufrechterhaltung einer die eigene Aktivität verlangenden Aufmerksamkeit fürs allgegenwärtige Leid einer laufenden Bewusstseinsmachung bedarf und die wiederum verlangt, sich zwischendurch der alltäglichen Grausamkeit der Menschheit zu stellen!
Claudia
PS: Wir bieten im Rahmen unserer Tierschutzarbeit(www.stinah.ch) in unterschiedlichen Formen Raum für positives Engagement für Pferde (wie auch andere Tiere). Die Nachfrage nach diesen Einsatzmöglichkeiten für konstruktives Helfen ist leider sehr bescheiden.
Sicherlich ist der eigene Seelenfrieden wichtig, um die Kraft zu finden, für jene, die nicht für sich selber eintreten können, Fürsprache zu leisten. Den eigenen Seelenfrieden aber darin zu finden
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Interessante Gedanken, Claudia! Grundsätzlich halte ich die Verdrängungsfunktion beim Menschen für einen puren (und wichtigen Überlebensmechanismus). Ich habe früher in meiner „aktiven“ Zeit auch auf den Ansatz „Aufklärung“ bzw „Schockieren um wachzurütteln“ gesetzt. Heute glaube ich allerdings, dass man damit sehr viele erst recht zum Ignorieren bringt… Und ich denke auch, dass die Bereitschaft zum aktiven Helfen (in welcher Form auch immer) sehr oft die Ursache in dem Gedanken „Was soll das schon bringen?“ hat. Das könnte eine Fokusveränderung aus meiner Sicht positiv beeinflussen!
Herzlich,
Tania
Von Sigrun
• 15. März 2010
Ein Problem besteht meiner Meinung darin, dass wir heute durch das Internet und die Medien wesentlich mehr schlimmen Bildern ausgesetzt sind oder uns aussetzen können als früher.
Sich dieser Unzahl schrecklicher Bilder nicht auszusetzen, hat nichts mit Wegschauen und Verdrängen zu tun, sondern mit Seelenhygiene und Selbstschutz, der einem dann die Kraft verleiht, im eigenen Umfeld etwas zu verändern. Da lohnt sich das Hinsehen und das Engagement nämlich, aber auch da lohnt sich eine gewisse innere Distanz.
Professionelle Tierschutzarbeit ist letztlich ohne innere Distanz nicht möglich – ebensowenig wie professionelle Pflege und Hilfe für andere Menschen nicht ohne eine gewisse innere Distanz möglich ist. Wer alles an sich heranlässt, kann nicht mehr unterscheiden, wer jedes Tier retten will, endet als Tiersammler. Wer sich aufreibt, verliert an Kraft und kann schließlich nicht einmal mehr sich selbst helfen.
Ein wichtiger Hinweis von Tanja, der darauf abzielt, in einer Welt der unendlichen Bilder den Blick auf das Wesentliche und das eigene Umfeld nicht zu verlieren.
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Danke, Sigrun, und sehr gut formuliert!
Tania
Von Linn
• 15. März 2010
Hallo Tanja
Ich finde, dass du das sehr schön geschrieben hast!
Aber ich finde, auch wenn man natürlich viel selbst bei sich tun kann, so kann man ohne sich selbst stark zu belasten für den Tierschutz spenden, für welche Tierart auch immer…
Oder ein Tier aus dem Tierheim aufnehmen, wenn sowieso ein Tier angedacht ist…
Man darf nicht vergessen, dass Tierschutz ohne die Tierschützer, die gequälte oder ungewollte Tiere aufnehmen nicht möglich ist.
Natürlich kannnicht jeder ein Pflegetier aufnehmen, schon garnicht ein Pferd, da die Kosten ja schnell überdimensional sind, aber den meisten tut es nicht weh ab und an einläse Euro (ich Rede hier nicht von viel Geld!) an seriöse Organisationen zu geben!
Denn natürlich nutzt es keinem,wenn man sich selbst fertig macht, aber Verantwortung völlig abzuschieben, ganz nach dem Motto „ich will kein Elend sehen“ finde ich bei der „Übermacht“ der Menschheit unangebracht.
Ich glaube, du weißt, was ich meine…
Man sollte – meiner Meinung nach – ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Belastbarkeit und Verantwortung übernehmen, jeder so, wie es für ihn mit der individuellen Ausgeglichenheit zu schaffen ist…
Liebe Grüße, Linn
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Jep, ich denke, ich weiß, was Du meinst – aber Du sprichst genau davon, nicht länger nur zu schauen (oder wegzuschauen), sondern lieber was zu tun. Und ich denke eben, dass zu viel „nur schauen“ häufig das Tun verhindert.
Herzlich,
Tania
Von Susanne
• 15. März 2010
Hallo Tanja
Ich bin der Meinung, wenn jeder im Umkreis von einem Kilometer um seine Wohnstätte schauen würde das alles in „Ordnung“ ist, das es dann auch besser aussehen würde auf dieser Weld. Warum soll ich mich auf ein weit entferntes Problem konzentrieren wenn gleich um´s Eck die Pferde in Ständerhaltung 4 Monate im Stall dahin vegetieren.
Mein Spruch lautet:
Gib mir die Kraft, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann,
und den Mut, Dinge zu ändern, die ich nicht akzeptierne kann.
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Jau, da hast Du wohl recht!
Tania
Von susi
• 18. März 2010
Tja, Tania, wie sagt Mark Rashid?
Ich bin nicht auf der Welt um aus anderen bessere Menschen zu machen.
Ein sehr schöner Beitrag. Respekt dafür.
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Danke, Susi!
Tania
Von Juliana
• 19. März 2010
Ein Beitrag mit Kommentaren,der mich daran erinnert, die nötige Distanz zum beobachteten Leid zu halten oder zu finden, gerade um eigene Kraft für positives Tun zu haben.
Sich einen inneren Ausgleich zu schaffen und das Gute zu fokussieren ist eine gute Technik, um positives Geben zu können.
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Ganz genau!
Tania
Von Bettina
• 19. Dezember 2012
Hallo Tania,
ich finde „aufklären“ auch sehr wichtig. Ich denke, dass die meisten Leute aus Unwissenheit heraus Schreckliches tun, nicht aus Böswilligkeit. Bewusst anderen Wesen Leiden zufügen wollen die wenigsten. Oft ist denjenigen nicht bekannt, wie sich das Tier fühlt, das diese Kopfhaltung auf Dauer schmerzhaft ist usw. Würden sie diese Schmerzen selbst erleben, würden sie es sein lassen. So kann man seine eigene Wut in den Griff bekommen, wenn man solch schlimme Sachen sieht: meist wissen die Leute es nicht besser. Um so wichtiger sind Seiten wie Wege zum Pferd :))) Ich wünsche wirklich, dass noch viel mehr Pferdeleute eure Seite entdecken :))
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Hmmmm, dankeschön 😀
Tania
Von Esther
• 5. September 2016
Hallo zäme,
der Blogeintrag vom Elend der Pferde ist ja schon länger her – ich habe mich aus dem Newsletter heraus draufgeklickt, da ich vor Kurzem auch so eine Situation erlebt habe, in der ich mich gefragt habe, wie ich reagieren soll. Für mich ist nach dem Lesen des Blogs und der Kommentare noch wichtig anzufügen, dass nicht nur Pferde von schlechten Haltungsbedingungen und Quälereien betroffen sind, sondern auch viele andere Tiere und insbesondere die sogenannten Nutztiere. Bei uns selber anfangen können wir auch, wenn wir uns darum kümmern, wie das Fleisch, die Milch, der Käse, die Eier, die Fische und Shrimps „produziert“ werden und entsprechend einkaufen und konsumieren.
Danke Tanja und Babette, für euren unermüdlichen Einsatz für die Pferde!
Von Manfred
• 11. September 2016
Sich selber ändern und mit guten Beispielen vorran gehen, so wie ihr das macht.
Vielen Dank dafür.
Von Sonja
• 28. November 2017
Hallo,
bin jetzt erst auf diesen Artikel gestoßen, aber würde auch gerne etwas beisteuern.
Was mir noch einfällt: HANDELN! Durch eigenes Handeln kann man andere manchmal dazu animieren, mitzumachen. Ich habe drei Gnadenhof-Pferde. In meinem „Kielwasser“ haben zwei Freunde ebenfalls welche aufgenommen, ein paar andere gehen mit offeneren Augen durch ihren eigenen Stall und unterstützen den ein oder anderen Härtefall.
Mir scheint, viele unterschätzen ihre Eigenwirksamkeit. Man kann durchaus etwas bewegen. Man muss es nur tun.
(wobei natürlich nicht aus lauter Idealismus die Realitäten ausgeblendet werden dürfen, sprich, die finanziellen und zeitlichen Resourcen realistisch beurteilt werden sollten).
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