Die Magie des Nicht-Wollens

Vor zwei Tagen schrieb ich hier darüber, wie mein Stress unbewusst und ungewollt meine Pferde beeinflusste. Interessanterweise hatte sich allein durch das Nachdenken und Reflektieren vieles gelöst und meine Pferde waren, nachdem ich mir die dargestellte Erkenntnis bewusst gemacht hatte, schon deutlich entspannter.

Am Dienstag hatte ich dann mit beiden je eine sehr gute Arbeitseinheit in der Bahn und da ich ab dem kommenden Wochenende für eine gute Woche weg bin, schien mir das ein guter Abschluss vor der anstehenden Reise (DAS habe ich nämlich inzwischen gelernt, dass es keine gute Idee ist, an den letzten zwei Tagen vor einer Reise „noch mal richtig was machen zu wollen“ – das ging bei mir schon x-mal schief…).

Als ich nun gestern zu den Jungs kam, hatte ich nichts Besonderes mit ihnen vor, war also tatsächlich seit langem mal wieder ganz entspannt und das machte wohl möglich, was dann kam.

Ich brachte sie in die Halle, damit sie ein bisschen spielen konnten. Sie waren gut drauf und tobten fröhlich miteinander. Da ich mehr oder weniger „überflüssig“ war, aber selbst auch spontan Lust hatte, mich zu bewegen, hüpfte ich ganz für mich herum. Ich achtete gar nicht auf die Jungs, sondern war für diesen Moment in einer kindlich-spielerischen Stimmung, ganz gelöst und heiter.

So merkte ich auch erst gar nicht, dass die Jungs inzwischen um mich herumtanzten: Aramis schwebte mit aufgestelltem Schweif wie ein Araber im Kreis um mich und der Kleine folgte ihm. Beide schauten mich mit kugelrunden Augen an. Ich hüpfte weiter und versuchte, immer noch bei mir zu bleiben. Die Jungs drehten noch mehr auf – starker Schwebetrab, gestreckter Galopp und die ganze Zeit zwei wache und vollkommen aufmerksame Augenpaare, die auf mich gerichtet waren.

Es war unfassbar, was da plötzlich für eine Energie war!

Als ich die Jungs zu mir einlud, kamen sie beide und standen groß und stolz vor mir. Ich lobte sie, freute mich von ganzem Herzen, drehte mich dann aber wieder um und hüpfte noch ein bisschen für mich weiter. Es geschah genau dasselbe. So kraft- und energievoll hatte ich die beiden lange nicht mehr erlebt. Mir liefen die Tränen vor Begeisterung über diesen wundervollen Tanz zu dritt.

Was da gestern geschah, war die Magie des Nichts-Wollens.

Auch bei der Freiarbeit kann es leicht passieren, dass man zu viel kontrollieren will und dann zu viel Druck macht. Dann wird alles zäh und es fehlt der sprühende Funke. Gestern, als es mir gelang, nichts, aber auch wirklich gar nichts von den Jungs zu wollen, bekam ich viel mehr, als ich zu träumen gewagt hätte. Ich staunte nur noch über meine schwebenden und tanzenden Hafis und versuchte, diesen Moment ganz tief in mir zu verstauen, auf dass mir diese Erkenntnis nicht wieder so schnell verloren geht.

21. November 2008 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 6 Kommentare »

 

6 Reaktionen zu “Die Magie des Nicht-Wollens”

 

Von Iris • 21. November 2008

Liebe Tania,

wow, was für ein toller „Gänsehaut-Bericht“!!! Ich denke, was Du erlebt hast, war ein kleines Stück verloren gegangenes Paradies, ein Gleichklang zwischen Mensch und Tier, der nur selten vorkommt. Und es sind genau diese Momente, die man im Umgang mit Pferden oder Tieren überhaupt anstreben sollte. Tolle Lektionen zu reiten, das kann sich jeder erarbeiten, aber ein Erlebnis wie dieses bekommt der Mensch nur geschenkt, wenn er es verdient.

Viele liebe Grüße,

Iris

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Ein ganz dickes, liebes Dankeschön für Deine Zeilen,
Tania

 

Von Almut • 21. November 2008

Liebe Tania,
echt toll 🙂 Danke, dass Du uns alle daran teilhaben lässt!
Mir fiel bei Deinen Zeilen sofort der Spruch ein, dass man die besten Dinge im Leben geschenkt bekommt: das Lächeln Deines Kindes, das Schwanzwedeln Deines Hundes – oder eben Deine tanzenden Pferde. Man kann dieses Glück nicht erzwingen. Iris hat absolut recht – diese Geschenke muss man sich verdienen. Und das sagt wiederum viel über Euer Verhältnis aus.
Dass man selbst bei der Freiarbeit zuviel wollen und zuviel kontrollieren wollen kann, haben mir meine 2 gestern mal wieder eindrucksvoll demonstriert…
Liebe Grüße und eine schöne Reise,
Almut

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Ganz lieben Dank, Almut und einen herzlichen Gruß aus New York!
Tania

 

Von Stefanie • 22. November 2008

Liebe Tania,
das war einfach toll zu lesen 😀
Ich habe auch vor kurzem das Spielen mit meinem Großen angefangen und ich merke, je „bekloppter“ man herumhüpft, herumalbert und sich freut, umso mehr freut mein Großer sich und kommt sich toll vor. Und wenn man keinen Plan hat, was das heute werde soll, ist es am besten. Ich hätte nie gedacht, daß bei einem sonst so trägen Tier, so viel Power zum Vorschein kommen kann. Ich weiß gar nicht, was ich vorher ohne das Spielen und das darauf folgende „Präsentieren“ des Pferde gemacht habe, es macht richtig süchtig *g*
LG
Stefanie

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Na, da würde ich ja zu gerne mal zuschauen bei Euch!

Herzlich,
Tania

 

Von Gabriela • 24. November 2008

Liebe Tania,

das kann ich nur bestätigen. Wenn ich mit meinem Kleinen in der Halle bin und wir beide Lust haben zu spielen, dann spielen wir oft gemeinsam. Offensichtlich hat er Freude daran mit mir Ball zu spielen oder einfach nur zu laufen wenn ich laufe, Sachen durch die Gegend zu tragen wenn ich aufräume oder um mich herum zu hüpfen wenn ich durch die Halle laufe.
Das es nichts bringt wenn ich kurz vor Ultimo noch versuche mit meinen Jungs zu arbeiten bringt auch nichts. Man ist da nur verspannt, denkt an alle möglichen Dinge und ist nicht beim Pferd. Warum also nicht mal eine Zeit des spielens erlauben die – gerade für junge Pferde – auch mal einfach Spaß bedeutet?! Ich habe festgestellt, daß meine Pferde hinterher viel ausgeglichener sind als andere die „arbeiten“ müssen. (Auch wenn mich so manch einer schräg ansieht wenn ich da in der Halle herum hüpfe ;0) )

LG, Gabriela

 

Von Jenny • 24. November 2008

Hallo Tanja,
erst vor 9 Monaten habe ich richtig mit dem Reiten angefangen (bin 29 Jahre alt). Ein lang gehegter Kindheitstraum, der nun endlich umgesetzt wurde. Durch 2 Stürze als Kind und Jugendliche war ich lange Jahre von Angst behaftet. Nun habe ich dank der liebern Islandpferde meine Angst überwunden und erlebe seit ein paar Monaten auch viele viele herrliche Momente mit den Pferden, bei denen ich auch sehr viel über mich selbst lerne. Unter anderem auch, dass in der RUHE die Kraft liegt. Und es gibt nichts schöneres, als ein Pferd, das von selbst auf Dich zukommt und seine Lebensfreude mit Dir teilen will! Dir weiterhin viele schöne Momente mit den Haflingern!

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Ach, das klingt richtig schön, Jenny! Ein herzliches Dankeschön für Deine Zeilen und ich wünsch Dir meinerseits weiterhin ganz viel Freude mit den Isländern.

Herzlich,
Tania

 

Von Silvia • 31. Juli 2015

Ciao Tanja,
das treibt mir auch beim Lesen vor Rührung die Tränen in die Augen-wunderschön!
Ist doch verrückt, dass es manchmal so schwer fällt, einfach nur zu „SEIN“,absichtslos,nur diesen Moment leben.
Umso schöner, wenn es gelingt!!! Das sind die wahren Momente des Glücks, die uns geschenkt werden.
Leider sind sie nicht so einfach „machbar“ und ich übe immer wieder daran, im Umgang mit meinen zwei Pferden und Eseln den Balanceakt von „Leadership“, Absichtslosigkeit und dann doch etwas wollen (…) zu bestehen… Ich lerne viiiel über mich selbst! … 😉
Und es tut so gut, Eure Beiträge zu lesen, zu sehen, dass es um das Wohl der Pferde geht, nicht um Kommerz, schnelle Erfolge, „Show“.
Es tut so gut, dass Ihr den Mut habt auch zu sagen, was NICHT funktioniert – vielen Dank dafür!!!

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Und Dir ein ganz herzliches Dankeschön für Deine Zeilen, Silvia.

Alles Gute,
Tania

 

 

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