Grundwissen über Anatomie und Biomechanik – Teil 5: Die verschiedenen Halshaltungen
Schon in meinem letzten Beitrag ging es um die Halsmuskulatur des Pferdes. In diesem Beitrag wies ich auch darauf hin, dass es wichtig ist, sehen zu lernen, welche Halshaltung bei einem Pferd gut ist und welche nicht und genau darum geht es hier nun ausführlich.
Dass ein Pferd den Kopf nicht hochtragen, sondern den Hals rund machen und den Kopf senken soll, ist Allgemeingut. Nun kann man mechanisch, also durch einen entsprechenden Zügeleinsatz oder z.B. durch Ausbinder, Schlaufzügel & Co dafür sorgen, dass ein Pferd den Kopf herunternimmt. Das sieht dann auf dem ersten Blick korrekt aus, hat aber leider überhaupt keinen positiven Wert.
Ein Pferd, dem der Kopf künstlich runtergeholt wird, läuft nicht gut, denn ein solches Pferd ist verkrampft und kann nicht über den Rücken gehen (s. Beitrag Der Pferderücken).
Das Ergebnis einer solchen Ausbildung bzw. eines solchen Reitens sieht man dann deutlich an der falschen Halsmuskulatur. Der Hals eines solchen Pferdes zeigt in der Regel eine stark ausgeprägte Unterhals- und eine schwach ausgeprägte Oberhalsmuskulatur, wie hier zu sehen:
Damit Sie Ihr Pferd besser ausbilden können, gilt es, eine gute Halshaltung zu erkennen. Schauen wir uns dafür hier verschiedene Halshaltungen an.
Dieses Pferd hebelt den Hals nach oben raus:
Dadurch lässt die Schulter kein weites Vorgreifen des Vorderbeines zu. Der Rücken ist nach unten durchgedrückt und die Hinterhand läuft kurz und nach hinten raus. Ein Pferd, das den Kopf-Hals-Bereich so trägt, kann hinten nicht gut laufen!
Auf dem folgendem Bild lässt Starlet ihren Hals aus dem Widerrist fallen, nimmt aber die Nase zurück (durch Anspannen des Kopf-Arm-Muskels = Fixierung der Schulter):
Das Ergebnis sind eine Hinterhand, die nicht genügend vortritt, und ein Rücken, der sich nicht aufwölbt. Starlet läuft auf der Vorhand.
Und hier wird dem Pferd der Kopf auf die Brust gezogen – eine leider inzwischen weit verbreitete Fehlinterpretation des Mottos „Kopf runter“:
Ein Pferd, das so geritten wird, kann nicht korrekt und schon gar nicht locker über den Rücken schwingen, von der psychischen Vergewaltigung mal ganz abgesehen (dazu folgt noch ein eigener Blogbeitrag). Viele Pferden bringen auf der Basis der Zuchtauswahl genug Gangpotential mit, um auch bei einer falschen Reitweise noch spektakulär aussehen zu können. Mit gesundem, pferdegerechtem Laufen hat das aber nichts mehr zu tun.
Es steht in jeder Reitlehre: Die Nase des Pferdes muss sich vor der Senkrechten befinden! Nur ein Pferd, das unter dem Reiter die Nase vorne trägt, tritt tatsächlich an das Gebiss heran. Ein Pferd, das hinter der Senkrechten läuft, weicht dem Gebiss und schränkt seine freie Schulterbeweglichkeit ein.
Egal wie „schön“ es in den Augen mancher auch aussieht: Ein hinter die Senkrechte gezogenes Pferd geht nicht korrekt! Diese Tatsache gilt sowohl beim Reiten, als auch beim Longieren.
Hier zwei Beispiele von guten Halshaltungen. Zunächst Pepe an der Longe in Dehnungshaltung:
Und Aramis geritten in Arbeitshaltung bereits mit etwas Aufrichtung:
Diese Pferde zeigen einen losgelassenen Hals (selbst in Aufrichtung), eine aktive Hinterhand und angehobenen Rücken. Genau diese drei Merkmale sind auch entscheidend für die Dehnungshaltung, über die ich im nächsten Beitrag dieser Serie schreiben werde.
16. Oktober 2008 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper, Jungpferdausbildung, Longieren, Reiten • 7 Kommentare »