Grundwissen über Anatomie und Biomechanik – Teil 5: Die verschiedenen Halshaltungen

Schon in meinem letzten Beitrag ging es um die Halsmuskulatur des Pferdes. In diesem Beitrag wies ich auch darauf hin, dass es wichtig ist, sehen zu lernen, welche Halshaltung bei einem Pferd gut ist und welche nicht und genau darum geht es hier nun ausführlich.

Dass ein Pferd den Kopf nicht hochtragen, sondern den Hals rund machen und den Kopf senken soll, ist Allgemeingut. Nun kann man mechanisch, also durch einen entsprechenden Zügeleinsatz oder z.B. durch Ausbinder, Schlaufzügel & Co dafür sorgen, dass ein Pferd den Kopf herunternimmt. Das sieht dann auf dem ersten Blick korrekt aus, hat aber leider überhaupt keinen positiven Wert.

Ein Pferd, dem der Kopf künstlich runtergeholt wird, läuft nicht gut, denn ein solches Pferd ist verkrampft und kann nicht über den Rücken gehen (s. Beitrag Der Pferderücken).

Das Ergebnis einer solchen Ausbildung bzw. eines solchen Reitens sieht man dann deutlich an der falschen Halsmuskulatur. Der Hals eines solchen Pferdes zeigt in der Regel eine stark ausgeprägte Unterhals- und eine schwach ausgeprägte Oberhalsmuskulatur, wie hier zu sehen:

unterhals41.jpg

Damit Sie Ihr Pferd besser ausbilden können, gilt es, eine gute Halshaltung zu erkennen. Schauen wir uns dafür hier verschiedene Halshaltungen an.

Dieses Pferd hebelt den Hals nach oben raus:

halshaltung_heraus.jpg

Dadurch lässt die Schulter kein weites Vorgreifen des Vorderbeines zu. Der Rücken ist nach unten durchgedrückt und die Hinterhand läuft kurz und nach hinten raus. Ein Pferd, das den Kopf-Hals-Bereich so trägt, kann hinten nicht gut laufen!
Auf dem folgendem Bild lässt Starlet ihren Hals aus dem Widerrist fallen, nimmt aber die Nase zurück (durch Anspannen des Kopf-Arm-Muskels = Fixierung der Schulter):

halhaltung_nasezurueck.jpg

Das Ergebnis sind eine Hinterhand, die nicht genügend vortritt, und ein Rücken, der sich nicht aufwölbt. Starlet läuft auf der Vorhand.

Und hier wird dem Pferd der Kopf auf die Brust gezogen – eine leider inzwischen weit verbreitete Fehlinterpretation des Mottos „Kopf runter“:

hds2.jpg

Ein Pferd, das so geritten wird, kann nicht korrekt und schon gar nicht locker über den Rücken schwingen, von der psychischen Vergewaltigung mal ganz abgesehen (dazu folgt noch ein eigener Blogbeitrag). Viele Pferden bringen auf der Basis der Zuchtauswahl genug Gangpotential mit, um auch bei einer falschen Reitweise noch spektakulär aussehen zu können. Mit gesundem, pferdegerechtem Laufen hat das aber nichts mehr zu tun.

Es steht in jeder Reitlehre: Die Nase des Pferdes muss sich vor der Senkrechten befinden! Nur ein Pferd, das unter dem Reiter die Nase vorne trägt, tritt tatsächlich an das Gebiss heran. Ein Pferd, das hinter der Senkrechten läuft, weicht dem Gebiss und schränkt seine freie Schulterbeweglichkeit ein.

Egal wie „schön“ es in den Augen mancher auch aussieht: Ein hinter die Senkrechte gezogenes Pferd geht nicht korrekt! Diese Tatsache gilt sowohl beim Reiten, als auch beim Longieren.

Hier zwei Beispiele von guten Halshaltungen. Zunächst Pepe an der Longe in Dehnungshaltung:

Und Aramis geritten in Arbeitshaltung bereits mit etwas Aufrichtung:

ar_ger7.jpg

Diese Pferde zeigen einen losgelassenen Hals (selbst in Aufrichtung), eine aktive Hinterhand und angehobenen Rücken. Genau diese drei Merkmale sind auch entscheidend für die Dehnungshaltung, über die ich im nächsten Beitrag dieser Serie schreiben werde.

16. Oktober 2008 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper, Jungpferdausbildung, Longieren, Reiten 7 Kommentare »

 

7 Reaktionen zu “Grundwissen über Anatomie und Biomechanik – Teil 5: Die verschiedenen Halshaltungen”

 

Von Therese • 16. Oktober 2008

Sehr gut und anschaulich erklärt! Allerdings frage ich mich immer, warum viele Leute (Sogar auf dem Abreiteplatz beim Chio) ihre Pferde mit Rollkur reiten. Soll das irgendeine bestimmte Wirkung haben?
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Liebe Therese,
danke für das nette Feedback!!
Durch das „tiefe Einstellen“ soll der Rücken angehoben werden. Was dabei übersehen wird ist, dass der Rücken überdehnt wird und damit die Hinterhand nicht mehr untertreten kann. Auch gilt es als Mittel, die Psyche des Pferdes Richtung „Gehorsam“ zu beeinflussen. Für mich ist die Rollkur eine Vergewaltigung an Körper und Seele des Pferdes! Ich werde noch einen extra Blog zu diesem Thema schreiben, dann gibt es noch viel, viel mehr dazu. Hab also noch etwas Geduld, o.k?
Liebe Grüße, Babe
tte

 

Von Steffi • 30. Oktober 2008

Hi,
ich wollte mich nur bedanken!
Ich finde eure Seite spitze, mehr kann man einfach nicht dazu sagen. Die Artikel, die ich bisher gelesen habe, waren sehr informativ und mit guten Bildmaterial versehen, welches das Geschriebene noch einmal gut veranschaulicht.

In diesem Sinnne macht weiter so!!

LG Steffi
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Liebe Steffi,
das machen wir, versprochen 🙂 !
Vielen Dank für Dein liebes Lob,
liebe Grüße, Babette

 

Von Hannah • 15. August 2009

Halloo..
Ich finde qut, dass auch andere Leute sich so aktiv für das gerechte Behandeln und Reiten von Pferden einsetzen. An unserem Stall wird nur so geritten. Bestimmt kennt ihr Connected-Riding. Wenn nicht, unbedingt mal drüber informieren.
Lassen sie sich nicht von anderen „schlechten“ Reitern auch in diese „schlechten“ Reitgewohnheiten hereinziehen. Bleibt bei eurer Meinung. 🙂
Viel Glück.
Hannah 🙂
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Liebe Hannah,
ja, Connected-Riding kenne ich und finde diesen Ansatz sehr gut!
Und Deine Sorge nehme ich Dir gerne! Ich empfinde uns in unserer Meinung als sehr gefestigt 😉 ,
liebe Grüße,
Babette

 

Von Jenny • 27. Juni 2010

Hallo,

ich bin so begeistert von eurem Longenkurs, würde auch gerne mal einen Kurs in echt mit machen, das Buch ist toll aber manches könnte man besser vestehen wenn man es richtig gezeigt bekommt 🙂

Vielleicht geht ihr ja mal auf Tour 😉

Weiter so klasse es sollte mehr Menschen wie euch geben!

Glg Jenny
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Liebe Jenny,
ich freue mich sehr das Dir unser Kurs so gut gefällt 🙂 !
Auf Tour bin ich zur Zeit eigentlich jedes Wochenende. Schau doch mal bei meinen Terminen, vielleicht bin ich ja auch bald in Deiner Nähe 🙂 ,
liebe Grüße,
Babette

 

Von Moni • 11. Februar 2011

Hallo ihr,
vielen Dank erstmal, dass ich auf euren Seiten so viel dazulernen konnte.Vor allem musste ich nun erkennen, dass mein Pferd nicht wie ich dachte korrekt an der Longe läuft, sondern auf der Vorhand. Seinen Kopf trägt er schön entspannt und es sieht alles schön losgelassen aus, aber die Hinterhand schleicht nach. Seine Halshaltung ist ähnlich wie oben auf dem Foto von Starlet. Wie bringe ich ihn mehr dazu, den Hals zu wölben, anstatt ihn gerade vom Widerrist abfallen zu lassen? Wenn ich mehr von hinten treibe, wird er hektischer und nimmt den Kopf oft wieder hoch. Vielleicht warte ich auch nicht lang genug, bis er ihn beim selben schnelleren Tempo wieder fallen lässt?Ich habe inzwischen viele Halshaltungen verglichen. Kann es sein, dass bei westernausgebildeten Pferden oder prinzipiell bei QHorses der Hals trotz guter Gymnastizierung trotzdem nicht so gewölbt ausgeprägt ist?
Liebe Grüße von Moni
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Liebe Moni,
natürlich musst Du das Gebäude der jeweiligen Rasse berücksichtigen und viele Westernpferderassen sind eher auf ein „Berg-ab“-Gebäude gezüchtet. Wichtig ist zu lernen, auf die Hinterhand in Kombination mit angehobener Schulter zu gucken. Kennst Du unseren Longenkurs? Darin beschreiben wir diese Zusammenhänge sehr ausführlich und auch wie Du zu Deinem Zielbild kommst 🙂 ,
liebe Grüße,
Babette

 

Von Rasmus von Heidmoor » Blog Archive » KW 37 • 19. September 2011

[…] http://www.wege-zum-pferd.de/praxisblog/2008/10/16/grundwissen-uber-anatomie-und-biomechanik-teil-5-… […]

 

Von Sandra Islinger • 29. Dezember 2018

Hallo,
Danke für die tollen Erklärungen! Auf dem Bild von pepe an der longe in dehnungshaltung, sieht es für mich so aus, dass er sehr auf der vorhanden läuft und auch auf der inneren Schulter hängt..
Auf dem tollen Bild von aramis sieht man wie schön er den Brustkorb anhebt und locker vorwärts aufwärts trabt, total schön

 

 

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